Protocol of the Session on January 25, 2007

Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zu den amtlichen Lebensmittelkontrollen macht deutlich: Aus den vielen Skandalen wurde direkt keine Verbesserung bei der Qualitätssicherung der amtlichen Lebensmittelkontrollen herbeigeführt. Denn wie heißt es so schön in der Antwort der Landesregierung:

„Der ‚Fleischskandal‘ in Lastrup ist weder für die Lebensmittelwirtschaft noch für die Lebensmittelüberwachung als repräsentativ anzusehen. Die Vorfälle beruhten auf kriminellem Handeln eines Einzelnen, der bekanntlich in Haft genommen wurde.“

Alles in Butter, Fall erledigt!

Ich habe gerade einen Artikel aus der NordwestZeitung gelesen, in dem dargestellt ist, dass in diesem Zusammenhang noch sehr viele rechtliche Problemen auf uns zukommen werden.

Meine Damen und Herren, es gab und gibt nicht nur den Fall Lastrup. Auch die Skandale in anderen Bundesländern zeigen deutlich, dass die Betriebswege der verschiedenen „kriminellen Machenschaften“ - bezeichnen wir es einmal so auch nach und durch Niedersachsen führen.

Herr Minister Ehlen, Sie haben den Aktionsplan „Sichere Lebensmittel“ nicht etwa als Reaktion auf die Lebensmittelskandale aufgelegt, sondern als notwendige Reaktion auf EU-Vorgaben im Zusammenhang mit Anpassungen der amtlichen

Kontrollen an die harmonisierten Anforderungen der Kontrollverordnung der EU. Dazu gehören das von Ihnen auch dargestellte Qualitätsmanagement, der sichere und schnellere Informationsaustausch, die risikobasierten Betriebskontrollen und Probenahmen, der mehrjährige Kontrollplan.

Alle diese Maßnahmen befinden sich zum größten Teil noch im Aufbau. Die geplante Umsetzungszeit beträgt laut Ihrer Antwort noch drei bis fünf Jahre. Ziel ist, ein ganzheitliches Überwachungssystem der amtlichen Kontrollen zu installieren. Dieses Ziel - das sage ich ausdrücklich - ist richtig. Aber, Herr Minister Ehlen, tun Sie nicht immer so, als ob dieses Überwachungssystem schon funktioniert. Aber vor allen Dingen tun Sie nicht so, als ob Sie dies freiwillig und auf eigener Einsicht basierend oder sogar als Antwort auf Lastrup erarbeiten würden.

(Zustimmung bei der SPD)

Ihr Handeln wurde durch die EU-Vorgaben ausgelöst. Darüber können wir uns nur freuen; denn sonst würde gar nichts passieren.

Meine Damen und Herren, wie sieht es aber nun in dem direkten Wirkungsbereich von Herrn Minister Ehlen aus, in dem Bereich der amtlichen Lebensmittelkontrollen, für die Sie, Herr Minister, verantwortlich sind?

Der Minister hat bei der Frage, wie viele Lebensmittelkontrolleure wir in unseren Landkreisen und Städten haben, immer wieder unterschiedliche Zahlenangaben gemacht. Das Höchstgebot - wenn ich das einmal so sagen darf; denn die Zahlen variierten durchaus - lag bei 1 600. Nun haben wir es schwarz auf weiß. Aber selbst wenn ich alle Kontrolleure und Veterinäre der Kommunen, der Schlachtbetriebe, des ML und des LAVES zusammenziehe und in einen Topf werfe - Sie, Herr Minister, haben das ja immer getan -, komme ich nicht auf eine Zahl von 1 600.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Auflistung der Kommunen, die Entwicklung der Betriebe und die vorhandenen Personalkapazitäten anschaut, dann erkennt man sehr schnell, dass die Anzahl der Veterinäre und Lebensmittelkontrolleure über die Jahre 2000 bis 2006 - diese Zeitspanne haben wir in unserer Großen Anfrage angegeben - zum größten Teil konstant geblieben, die Anzahl der Betriebe aber insgesamt um fast 40 % gestiegen ist. In der Einzelbetrachtung - ich kann nur jedem empfehlen, das für seinen Land

kreis einmal zu überprüfen - stellt sich das noch viel brisanter dar.

Auch wenn wir mit dem Anstieg der Zahl der Betriebe keine lineare Personalsteigerung verbinden können, so muss man mir doch erklären, warum z. B. im Landkreis Hameln-Pyrmont die Anzahl der Betriebe von 2000 bis 2006 um 150 % gestiegen ist, aber die Anzahl der Stellen der Veterinäre von drei auf zwei und der Lebensmittelkontrolleure von fünf auf vier reduziert worden ist. Ist das eine Qualitätsverbesserung?

Ein Gegenbeispiel: Im Landkreis Uelzen reduzierte sich die Anzahl der Betriebe, und trotzdem stieg - wenn auch geringfügig - die Anzahl der Lebensmittelkontrolleure. Es geht also auch anders herum.

Zu unserer Frage, in welcher Form das ML die Landkreise überprüft bzw. seiner Fachaufsicht nachkommt, heißt es lapidar:

„Auffälligkeiten im Vergleich zu den Vorjahresberichten oder im Vergleich zwischen den Landkreisen können zu gezielten Nachfragen und Prüfungen vor Ort im Einzelfall führen.“

Herr Minister Ehlen, ich weiß nicht, wann Ihnen etwas auffällt. Uns fällt bei Durchsicht dieser Liste jedenfalls eine ganze Menge auf: Die Personalkapazitäten sind nicht erhöht worden. Sie haben sich im Verhältnis zur Anzahl der Betriebe verschlechtert. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Kontrollintensität.

Ich stelle fest, Herr Minister Ehlen: Entgegen Ihren Darstellungen hat sich die personelle Situation in der amtlichen Lebensmittelkontrolle in den Kommunen in den letzten Jahren trotz höherer Anforderungen ständig weiter verschlechtert. Rechnet man noch den von Ihnen mit 25 bis 50 % bezifferten Verwaltungs- und Beratungsaufwand ab, bleibt nicht mehr viel Zeit für Kontrollen übrig. Aktionsplan und notwendig werdende zusätzliche Schulungsmaßnahmen werden diesen Verwaltungs-, Beratungs- und - ich füge hinzu - Schulungsaufwand noch erhöhen.

Zur Kontrollintensität: Zwei Drittel der Landkreise führten ohne Berücksichtigung der gestiegenen Betriebszahlen im Jahr 2005 - das ist der letzte Stand, der vorliegt - weniger Kontrollen durch als in einem der davorliegenden Jahre. Berücksichtigt man die gestiegenen Betriebszahlen, so muss man

feststellen, dass die Kontrollintensität in fast allen Landkreisen abgenommen hat. Herr Minister, wie ist es hier mit den Auffälligkeiten? Sie schreiben:

„Die Anzahl der Lebensmittelkontrolleure richtet sich nach dem Arbeitsaufkommen.“

Wer bestimmt das eigentlich? - Vergleichbare Kriterien gibt es nicht, aber zumindest für die Fachaufsicht muss es doch einen Kontrollschlüssel geben. Wie überprüfen Sie denn, ob das vorhandene Personal ausreicht, ob es die Aufgaben überhaupt erfüllen kann?

Ich glaube ja nicht so recht an Zufälle. Es fällt aber auf, dass bei einem Drittel der Kommunen die Anzahl der Kontrollen im Jahr 2002 am höchsten war. Danach ging es bei den meisten bergab.

Meine Damen und Herren, nehmen wir die Tabelle der Bußgeldbescheide hinzu. Entweder gibt es im Landkreis Goslar sehr sorgfältige und strenge Kontrolleure oder - ich sage das einmal vorsichtig eine Menge kleiner Halunken. Der Landkreis Goslar hat innerhalb von vier Jahren fast 500 Bußgeldbescheide verschickt. Der Landkreis Vechta gibt an, pro Jahr zehn bis 20 - so genau scheint man das dort nicht zu wissen - Bußgeldbescheide zu verschicken. Der Landkreis Osterode erlässt seit dem Jahr 2000 pro Jahr exakt drei Bußgeldbescheide, nicht mehr und nicht weniger. Ich weiß nicht, ob es eine Vorgabe für den Landkreis Osterode gibt, dass er drei Bußgeldbescheide pro Jahr erlassen soll.

(David McAllister [CDU]: Fragen Sie doch Herrn Reuter!)

- Herrn Reuter habe ich bereits darauf hingewiesen.

(David McAllister [CDU]: Was sagt er denn?)

Auffälligkeiten scheint es für den Minister aber auch in diesem Bereich nicht zu geben.

Nun zur Frage der Rotation. Wir hatten gefragt, in welchen Landkreisen bis heute nicht rotiert wird. Die Antwort lautet: Die Mehrzahl rotiert. - Es scheint also keine genauen Auskünfte darüber zu geben, geschweige denn eine entsprechende Anordnung. Es heißt, der Einsatz am Wohnort werde vermieden. Wir haben in unseren Gesprächen genau Gegenteiliges gehört. Die Begründung dafür

war, dass die Wege möglichst nicht so lang sein sollen, um Reisekosten zu sparen.

Angemeldete und unangemeldete Kontrollen werden nicht getrennt erfasst, weil man sagt, es würden fast nur unangemeldete Kontrollen durchgeführt. Den Berichten über die entsprechenden Vorkommnisse und Vorfälle der letzten Monate und Jahre haben wir aber etwas anderes entnommen.

Für die Beprobung von tiefgefrorenem Fleisch gibt es keine einheitlichen Vorgaben. Gerade dieser Punkt wurde bei unseren Besuchen aber immer wieder angesprochen. Es wurde regelrecht darum gebeten, gerade für diese Beprobung einheitliche Vorgaben zu entwickeln.

Illegales Umetikettieren soll nur in wenigen Fällen von Bedeutung sein. Man braucht bloß in den Jahresbericht des LAVES zu schauen; dort findet man andere Stellungnahmen.

Zur Sonderüberprüfung der Kühlhäuser gibt es überhaupt keine näheren Erläuterungen, geschweige denn konkrete Ergebnisse.

Die Liste der Unzulänglichkeiten Ihrer Antworten auf unsere Große Anfrage könnte ich noch um ein Vielfaches erweitern.

(Zuruf von der CDU: Dann machen Sie das mal!)

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen schon jetzt versprechen: Dieser Großen Anfrage folgt ein Teil 2. Denn Ihre Antworten weisen viele Ungereimtheiten auf und führen zu vielen neuen Fragen. Die Antwort auf die Große Anfrage - Herr Große Macke, ich hoffe, Sie haben die Antwort gelesen - zeigt deutlich: Die amtliche Lebensmittelkontrolle hat auf die Vorfälle der letzten Monate und Jahre überhaupt nicht reagiert. Die Personalkapazitäten wurden nicht erhöht. Die Kontrollintensität wurde abgebaut. Es ist nicht erkennbar, dass die Fachaufsicht, dass Sie, Herr Minister Ehlen, dem entgegengewirkt haben.

(Zustimmung von Dr. Gabriele Andret- ta [SPD])

Man lässt sich Berichte vorlegen. Papier ist geduldig. Das reicht Ihnen, uns aber noch lange nicht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man kann kriminelles Handeln nicht immer verhindern, aber man muss

sich bemühen, Sicherheitslücken zu schließen. Dazu gehört eine dichtere Kontrolle. Dazu gehört aber auch das notwendige Personal. Dazu gehört ebenso die notwendige Kostenerstattung durch das Land. Wenn ich mein Auto nicht abschließe und es geklaut wird, wird man mir vorwerfen, ich sei mit meinem Auto nicht sorgfältig umgegangen. Wenn ich mein Auto abgeschlossen habe und es geklaut wird, habe ich zumindest mein Möglichstes versucht, um den Diebstahl zu verhindern. Das ist ein ganz guter Vergleich, um deutlich zu machen, was im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Lebensmittelkontrollen in diesem Lande fehlt.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister Ehlen, an Ihrem Haus steht auf dem Schild auch das Wort „Verbraucherschutz“. Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich: Bisher haben Sie außer Absichtserklärungen und der Umsetzung von EU-Vorgaben nichts geliefert. Das wird an den Antworten auf die einzelnen Fragen wirklich sehr deutlich. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung antwortet jetzt Herr Minister Ehlen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die illegalen Vorgänge in den Jahren 2005 und 2006 haben in der Medienöffentlichkeit und in der politischen Debatte bekanntermaßen vielschichtige Reaktionen ausgelöst. Diese konzentrierten sich zunehmend auf eine allgemeine und spezielle Kritik an der Qualität der Lebensmittelkontrollen. Dass dabei nicht immer angemessen analysiert und argumentiert wurde, haben wir gemeinsam erfahren und festgestellt.

Vorschnelle Bewertungen und Schuldzuweisungen erklären sich aus der zwangsläufigen Eigendynamik derartiger Prozesse. Letztendlich führten sie aber in der Sache nicht weiter. Sie lenken, wie bei den betreffenden Ereignissen erkennbar, davon ab, dass es sich um Vorgänge mit einer sehr spezifischen kriminellen Qualität handelte.

Inzwischen hat sich das öffentliche Interesse an den betreffenden Vorgängen etwas gelegt. Das