Protocol of the Session on January 25, 2007

Wenn das Wirken des Verfassungsgerichts des Landes in dem von den Menschen in unserem Land gewählten und sie repräsentierenden Parlament Anerkennung erfährt, obwohl es zu einem wesentlichen Teil darin besteht, Gesetzgebungswerke eben dieses Parlaments kritisch am Maß der Landesverfassung zu messen - und gelegentlich auch zu verwerfen -, so ist das keineswegs als schmeichelnd zu verstehen. Es bezeugt vielmehr nach meiner Auffassung zum einen ein ausgewogenes Verständnis für die Arbeit der dritten Gewalt und zum anderen einen achtungsvollen Umgang der Verfassungsorgane miteinander und untereinander. Auch das fördert das Wohl des Landes und das seiner Bürger.

Meine Damen und Herren, dies ist nicht die Stunde - der von mir zu beachtende Zeitrahmen erlaubt es auch nicht -, auf Einzelheiten der Rechtsprechungstätigkeit des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs während meiner Amtszeit als Präsident einzugehen. Was dazu zu bemerken war, ist mittlerweile auch geschrieben und gedruckt worden. Sollten Sie befürchtet haben, ich würde das heutige Abschiedswort dazu nutzen, um meine Sicht darzustellen, so können Sie jetzt aufatmen. Ich

gehöre nicht zu denen, die unverzüglich mit der Rechtfertigung beginnen, kaum dass sie der Verantwortung ledig sind.

Gestatten Sie mir aber einige wenige Bemerkungen dazu, wie der Staatsgerichtshof seine Aufgabe bislang selbst verstanden hat und nach meiner Erwartung auch weiter verstehen wird. Stets hat das Gericht bedacht, dass Antworten auf politische Fragestellungen - gleich, in welchem Zusammenhang sie sich stellen - politisch zu beantworten sind und dass dazu das demokratisch gewählte Parlament berufen ist. Selbst wenn dann die in Gesetzesform gegossene Antwort auf solche Fragestellungen zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt wurde, hat der Staatsgerichtshof den Primat des politischen Entscheidungsträgers immer beachtet und ihm das gebührende Gewicht beigelegt.

Das durfte allerdings nicht ausschließen - und hat, wie eine Reihe von Entscheidungen zeigt, in der Vergangenheit auch nicht ausgeschlossen -, dem gut gemeinten politischen Gestaltungswillen gelegentlich verfassungsrechtliche Grenzen zu ziehen. Diese sind jeweils, wie ich meine, auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt worden. Die sich darin zeigende richterliche Selbstzucht ist nicht unbedingt immer begrüßt worden. Vielmehr hat es dann und wann Kritik daran gegeben, gekleidet etwa in die Worte, der Staatsgerichtshof werde als nicht genügend schneidig angesehen.

Lassen Sie mich heute, nunmehr frei von der Verantwortung in den noch anhängigen Verfahren, dazu sagen: Schneidiges Eingreifen in den normierten politischen Willen, womöglich verbunden mit Ratschlägen oder gar Wegweisungen zur Lösung der jeweiligen Problematik, sind grundsätzlich nicht die Aufgabe eines Verfassungsgerichts, es sei denn, mit ihnen werden verbindliche verfassungsrechtliche Vorgaben oder Grenzlinien aufgezeigt. Ich denke, daran haben wir uns immer gehalten. In dieser Einschätzung wusste ich mich mit den Mitgliedern des Gerichts auch stets einig.

Bei aller richterlichen Zurückhaltung, die wir uns auferlegt haben - die wir jedenfalls gemeint haben, uns aufzuerlegen -, war es doch hin und wieder unumgänglich, ein von Ihnen beschlossenes Gesetz ganz oder in Teilen für unvereinbar mit der Verfassung zu erklären, weil eben diese Verfassung das nach unserer Rechtsauffassung gebot. Dabei waren wir uns bewusst, dass wir mit dieser schärfsten Waffe eines Verfassungsgerichts ein

schneidend eingreifen und womöglich auch Unwillen auslösen. Das ist uns auch gelungen.

(Heiterkeit)

Diese Wirkung eines nach sorgfältiger Prüfung ergangenen Richterspruchs müssen aber die Betroffenen ebenso tragen wie die urteilenden Richter, auch wenn das den Letzteren nicht immer Sympathien einträgt. Richter aller Gerichtsbarkeiten kennen das. Sie, Herr Präsident Gansäuer, haben auch angedeutet, dass ein Richterspruch nicht unbedingt immer allen am Verfahren Beteiligten gefällt.

Meine Damen und Herren, besser jedoch als jeder Richterspruch ist es, wenn allein die Existenz des Verfassungsgerichts und der Blick auf seine durchaus einschneidenden Kompetenzen den Gesetzgeber und die ihn bildenden politischen Kräfte davon abhält, die Grenzen zu überschreiten, die die Verfassung ihrem Wirken zieht. Geschieht das, dann bleibt der Staatsgerichtshof gern als „Fleet in being“ unbeschäftigt im Hintergrund, mag er dann auch, wie geschehen, als „schlafendes Dornröschen“ angesehen werden. Geschieht das nicht, dann werden Sie das Gericht stets bereit gefunden haben und weiter bereit finden, den Geboten und Gewährleistungen der Landesverfassung Geltung zu verschaffen, wie immer unaufgeregt und mit sorgfältig abgewogenem Maß.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch einen kurzen Blick auf den durch die Niedersächsische Verfassung limitierten Auftrag des Staatsgerichtshofs. Seit Längerem wird es sowohl aus der rechtssystematischen Sicht der Staatsrechtslehre als auch von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Anliegen gern verfassungsrechtlich beurteilt sähen, als Mangel empfunden, dass die individuelle Verfassungsbeschwerde in Niedersachsen nicht eingeführt wurde. Die einen sehen darin ein Leck des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystems, das es der Vollständigkeit halber zu schließen gelte. Die anderen vermissen die Möglichkeit, ihre Probleme und Wünsche einer weiteren gerichtlichen Instanz im Lande vortragen zu können. Sie sehen darin ein Minus gegenüber der aus den bundesverfassungsrechtlichen Zusammenhängen bekannten und, wie wir alle wissen, überreich genutzten Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

Meine Damen und Herren, die einem aus dem Amt Scheidenden gebotene Zurückhaltung verbietet es

mir, in meinen Abschiedsworten Rat dazu zu geben, ob die individuelle Verfassungsbeschwerde in Niedersachsen eingeführt werden sollte oder nicht. So viel möchte ich aber doch zu dem Thema sagen:

Den Präsidenten des Staatsgerichtshofes erreicht eine Vielzahl von Eingaben, mit denen Bürger um den Schutz des Landesverfassungsgerichts bitten, der ihnen nach der bestehenden Verfassungs- und Gesetzeslage versagt bleiben muss. Im Blick auf den Inhalt dieser Eingaben und zudem in der Kenntnis der Anliegen, mit denen Bürger an diejenigen Landesverfassungsgerichte herantreten, in deren Ländern die Verfassungsbeschwerde eingeführt ist, habe ich nicht den Eindruck gewinnen können, dass die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen dadurch in der Verfolgung ihrer bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte beschnitten werden, dass sie hier eine Verfassungsbeschwerde nicht erheben können. Im Gegenteil: Wohl kaum eine der Eingaben, die mich erreicht haben, hätte als förmliche Verfassungsbeschwerde Aussicht darauf gehabt, zu dem erstrebten Ziel zu führen. Der Niedersächsische Landtag muss sich deswegen aus meiner Sicht nicht vorwerfen, die Bürgerinnen und Bürger des Landes gegenüber anderen Bundesbürgern substanziell dadurch zurückgesetzt zu haben, dass er ihnen die Verfassungsbeschwerde vorenthalten hat.

Ich gebe zu: Das ist eine recht pragmatische Betrachtungsweise, die die Geschlossenheit des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzsystems hintanstellt. Dennoch halte ich es für berechtigt, sie in künftige Überlegungen einzubeziehen, die zum Thema der Einführung der Individualverfassungsbeschwerde möglicherweise angestellt werden. So viel von mir an Sie.

Jetzt erlauben Sie mir bitte noch ein Wort an meinen Nachfolger. Lieber Herr Professor Ipsen, ich gratuliere Ihnen noch einmal von dieser Stelle aus sehr herzlich zu Ihrer Wahl zu meinem Nachfolger. Mögen Sie Freude an Ihrer neuen Aufgabe haben und zusammen mit den Mitgliedern des Staatsgerichtshofes den oft schmalen Weg zwischen Politik und Recht, den Verfassungsrechtsprechung stets zu gehen hat, jeweils auf der Seite des Rechts finden. Möge es Ihnen gelingen, auch in politisch bewegten Zeiten ausgleichend zu wirken und dazu beizutragen, unsere Verfassungsordnung zu festigen und zum Wohle des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger fortzuentwickeln.

In meinen Glückwunsch beziehe ich den Vizepräsidenten des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes, Herrn Dr. van Nieuwland, der oben auf der Tribüne sitzt und vor Kurzem sein Amt übernommen hat, ganz selbstverständlich und von Herzen ein. - Ich danke Ihnen.

(Starker, anhaltender Beifall im gan- zen Hause)

Sehr geehrter Herr Professor Schinkel, herzlichen Dank für das, was Sie uns gesagt und - ich will es einmal so formulieren - mit auf den Weg gegeben haben. Zu welchen Schlüssen jeder einzelne Abgeordnete auch immer kommt, ich meine, aufgrund Ihrer Lebenserfahrung, aufgrund der Ruhe und Besonnenheit, mit der Sie es uns mitgeteilt haben, ist jeder gut beraten, es zu bedenken.

Sehr geehrter Herr Professor Schinkel, Sie sind den Ansprüchen, die das Parlament an Ihre Amtsführung gestellt hat, und den Anforderungen, die Sie sich selbst gesetzt hatten, in jeder Weise und zu jeder Zeit vorbildhaft gerecht geworden. Sie haben dieses hohe Amt - ich darf es einmal so sagen - mit väterlicher Würde, mit Geduld und großem Sachverstand ausgeübt. Sie sind ein vorbildhafter Richter gewesen, auf den unsere Demokratie stolz sein kann. Für Ihre dem Land Niedersachsen und seinen Bürgerinnen und Bürgern geleistete Arbeit danke ich Ihnen daher im Namen des ganzen Hauses und spreche Ihnen unsere Anerkennung aus. Ich stelle heute gern fest, dass Sie sich um unser schönes Land Niedersachsen in außerordentlicher Weise verdient gemacht haben.

(Lebhafter Beifall im ganzen Hause - Professor Dr. Manfred-Carl Schinkel erhebt sich vom Platz und bedankt sich bei den Abgeordneten)

Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit, Zufriedenheit und die Erfüllung Ihrer Wünsche. Ich füge gern persönlich an: Schauen Sie einfach einmal wieder vorbei. Es freut sich darüber eine ganze Reihe meiner Kolleginnen und Kollegen oder, wie ich vermute, sicherlich alle. Herzlichen Dank für das, was Sie uns gesagt haben.

(Beifall im ganzen Hause - Professor Dr. Manfred-Carl Schinkel: Vielen Dank für die Einladung!)

Sehr geehrter Herr Prof. Ipsen, mit Ihrer Wahl hat der Landtag erstmals - das ist eine historische Stunde - einen Hochschullehrer zum Präsidenten des Staatsgerichtshofes berufen, dem Sie zwar erst seit dem 5. Mai 2006 als Mitglied angehören, in dem Sie zuvor jedoch bereits lange Zeit Stellvertreter waren. Sie haben trotz der erst kurzen Zugehörigkeit als Mitglied bereits die Gelegenheit gehabt, an der Arbeit unseres Landesverfassungsgerichts mitzuwirken.

Auch wenn Sie als der künftige Präsident des Gerichts letztlich - das wurde ja eben schon formuliert - „Gleicher unter Gleichen“ sind, so werden Sie vielleicht schon aufgrund Ihres anderen beruflichen Umfeldes den einen oder anderen Akzent in Ihrer Amtsführung anders setzen wollen als Ihr Vorgänger. Ich meine, ein solcher Anspruch wäre auch höchst legitim und im Übrigen etwas, was Nachfolgern, gleichsam als Teil der Aufgabe, allgemein mit auf den Weg gegeben ist.

Sie sind ein Hochschullehrer, der in den das Land berührenden rechtlichen Fragen bewiesenermaßen buchstäblich zu Hause ist. Deshalb sind wir, die wir Sie zum Präsidenten des Staatsgerichtshofes gewählt haben, gewiss, dass das Präsidentenamt auch bei Ihnen in sehr guten Händen ist.

Wir freuen uns auf das, was Sie uns sagen wollen. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Professor Dr. Jörn Ipsen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich Ihnen zunächst meinen aufrichtigen Dank für das Vertrauen sagen, das Sie mir durch die Wahl zum Präsidenten des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes entgegengebracht haben. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch dafür, vor dem Landtag des Bundeslandes, auf dessen Gebiet ich geboren bin - ich bin ja zwei Jahre älter als das Bundesland, dessen 60. Geburtstag wir im letzten Jahr gefeiert haben - und in dem ich seit mehr als 40 Jahren lebe, zu sprechen.

Nach der Niedersächsischen Verfassung, auch in ihrer vorläufigen Fassung, heißt das Landesverfassungsgericht Staatsgerichtshof. Durch diese Begriffswahl wird die Staatsqualität des Landes Niedersachsen deutlich. In einem Bundesstaat, in dem in der Vergangenheit unübersehbar unitarische Tendenzen geherrscht haben, geriet die Staatsqualität der Bundesländer nicht selten aus

dem Blick. Sie manifestiert sich in der eigenen, vom Bund unabgeleiteten Verfassungsgebung, wie sie in der Niedersächsischen Verfassung vom 19. Mai 1993, nach fast fünf Jahrzehnten Geltung einer vorläufigen Verfassung, ihren Niederschlag gefunden hat.

Staatlichkeit bedeutet, dass die Staatsorgane ihre Legitimation mittelbar oder unmittelbar vom Volk ableiten und diesem gegenüber verantwortlich sind. Zwar gibt es eine Bundesaufsicht bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Bundesländer. Eine allgemeine Rechtsaufsicht des Bundes über die Gliedstaaten gibt es indes nicht. Die Staatsorgane sind deshalb bei Ausübung ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen nur Gesetz und Recht und nicht etwa der Kontrolle durch den Bund unterworfen.

Aus der Staatsqualität der Bundesländer und der Verfassungsgebundenheit ihrer Organe folgt die besondere Stellung des Staatsgerichtshofes. Kommt es nämlich zu Kompetenzkonflikten zwischen den Staatsorganen oder zu Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, muss es eine Instanz geben, die hierüber autoritativ entscheidet. Bekanntlich haben 15 der 16 Bundesländer eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt. Nur Schleswig-Holstein hat diese Aufgabe dem Bundesverfassungsgericht übertragen.

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof ist nach § 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof ein den übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbstständiges und unabhängiges Gericht. Diese Vorschrift stimmt wörtlich mit § 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht überein und lässt die eigentümliche Doppelstellung des Staatsgerichtshofs erkennen. Neben Landtag und Landesregierung ist er Verfassungsorgan. Die Organqualität äußert sich in der Ressortfreiheit und dem eigenen - wie Sie mir zugeben werden - äußerst bescheidenen Haushalt. An die Organqualität war vonseiten des Staatsgerichtshofes allerdings in der Vergangenheit zu erinnern, wenn er bei offiziellen Anlässen schlicht vergessen worden war.

Der Staatsgerichtshof ist aber auch Gericht. Die Gerichtsqualität bedeutet nicht nur, dass er nach Verfassung und Gesetz zu entscheiden hat, sondern auch, dass er nur dann entscheiden kann, wenn er angerufen wird. Hierin unterscheidet er sich grundsätzlich von den anderen Verfassungsorganen des Landes, also dem Landtag und der

Landesregierung, deren Aufgabe es gerade ist, ständig politische Initiativen zu entwickeln, also aus eigenem Entschluss tätig zu werden.

Über viele Jahre ist der Staatsgerichtshof nicht angerufen worden. Christian Starck hat dies als Dornröschenschlaf bezeichnet, ein inzwischen geflügeltes Wort. Es war sicherlich kein schlechtes Zeugnis für das Land Niedersachsen, wenn die maßgeblichen politischen Kräfte einer streitentscheidenden Instanz nicht bedurften.

Mit Einführung der kommunalen Verfassungsbeschwerde brach eine neue Epoche an, in der der Staatsgerichtshof vermehrt angerufen wurde und eine Reihe richtungweisender Entscheidungen insbesondere auf dem Gebiet des Finanzausgleichs getroffen hat. Das Land Niedersachsen hat sich mit der Einführung der kommunalen Verfassungsbeschwerde zur eigenen Staatlichkeit bekannt, weil die kommunalen Gebietskörperschaften sich anderenfalls wegen möglicher Verletzungen des Selbstverwaltungsrechts an das Bundesverfassungsgericht hätten wenden müssen, wie dies bis 1993 der Fall gewesen ist.

Seit Langem wird diskutiert, ob der kommunalen Verfassungsbeschwerde auch eine Individualverfassungsbeschwerde, also ein Rechtsschutz für jedermann, zur Seite gestellt werden sollte. Es bedürfte hierzu nur einer Änderung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof, keiner Verfassungsänderung. Eine Reihe von Bundesländern kennt die Verfassungsbeschwerde seit jeher. Auch neue Bundesländer haben sie eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Landesverfassungsbeschwerde verständlicherweise mit großer Sympathie, weil sie eine Entlastung des Gerichts mit seinen inzwischen rund 6 000 Neueingängen im Jahr bedeuten würde. Die Auffassungen über die Sinnhaftigkeit einer Landesverfassungsbeschwerde sind im Gericht geteilt, was verständlich ist, weil jede Entlastung des Bundesverfassungsgerichtes eine Belastung des Staatsgerichtshofes bedeuten würde. Indes handelt es sich hier um eine rechtspolitische Frage, die zu diskutieren und zu entscheiden Aufgabe von Parlament und Regierung ist. Der Staatsgerichtshof wird bei dieser Diskussion jene Zurückhaltung bewahren, die er seit jeher bewiesen hat.

Erlauben Sie mir, dass ich zum Abschluss das Wort an meinen Vorgänger im Amt, Herrn Professor Dr. Schinkel, richte. Sie, lieber Herr Schinkel, haben die Geschicke des Staatsgerichtshofes 14

Jahre lang mit großer Umsicht gelenkt. Mit Ihnen stand eine Richterpersönlichkeit an der Spitze des Staatsgerichtshofes, die gleichermaßen durch Sachkompetenz, ausgleichendes Wesen und Beharrlichkeit gekennzeichnet ist. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Staatsgerichtshof sein hohes Ansehen bei den politischen Kräften und in der Bevölkerung gewahrt hat, mögen einzelne Streitfragen politisch auch kontrovers gewesen sein.

Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben mich in das Amt des Präsidenten gewählt, in dem ich zugleich in die großen Fußstapfen meines Amtsvorgängers treten muss. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur versprechen, dass ich, was bereits Inhalt meines Eides war, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen bemüht sein werde. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall im gan- zen Hause)

Herr Professor Ipsen, herzlichen Dank für das, was Sie uns mitgeteilt haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute in diesem spannenden und wichtigen Amt. Wir hoffen sehr, dass Sie im Interesse unseres Landes möglichst wenig zu tun bekommen.

(Starker Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß auf den

Tagesordnungspunkt 18: Besprechung: Kinderarmut im Familienland Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD Drs. 15/3246 - Antwort der Landesregierung Drs. 15/3461

Das Wort hat Frau Kollegin Elsner-Solar. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Motivation der SPD-Landtagsfraktion, eine Große Anfrage zur Kinderarmut im Familienland Niedersachsen zu stellen, finden wir in einer Pressemitteilung der Landesbischöfin Margot Käßmann aus

dem Dezember letzten Jahres gut begründet. Ich zitiere: