Wenn jemand die bildungspolitische Situation so platt bewertet, wie Sie es tun, dann kann es dafür nur zwei Gründe geben. Entweder haben Sie null Ahnung von der Schulwirklichkeit, oder Sie wollen Ihr parteipolitisches Spielchen auf dem Rücken der Schüler austragen.
Das Wahldesaster der SPD im Jahr 2003 hat definitiv auch etwas damit zu tun, dass Sie die Bildungspolitik gegen die Wand gefahren haben. Ausgerechnet diejenigen, die auf diesem Politikfeld komplett versagt haben, wollen uns und den Menschen im Lande heute erklären, wie es denn richtig geht. Das ist ein Treppenwitz der Geschichte.
Sie behaupten von sich selbst - ich habe es vorhin bereits gesagt -, dass Sie zu oft und zu laut gute Ratschläge gäben. Dagegen gibt es aber ein Mittel: Vergessen Sie Ihre Stellungnahmen; denn wir brauchen sie nicht und die Menschen, und die Schülerinnen und Schüler in unserem Land brauchen sie auch nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Hat sich das gegliederte Schulwesen in Deutschland hinreichend blamiert?“, fragt sich die CDU-Fraktion. Meine Damen und Herren, so etwas kann man sich nur fragen, wenn man von PISA noch nie etwas gehört hat. Spätestens seit PISA wissen wir, das deutsche gegliederte Schulsystem weist massive Defizite auf. Ich erinnere Sie noch einmal daran: insgesamt zu schlechte Leistungen, zu schwache Spitze, zu viele Schülerinnen und Schüler, die nicht einmal Mindestkompetenzen erlangen, und die weltweit schärfste soziale Selektivität.
- Ich weiß ja, Herr Albrecht, dass Ihnen als Befürworter des gegliederten Schulsystems die immer neuen schlechten PISA-Befunde so langsam auf die Nerven gehen. Der Vorsitzende des Lehrerverbandes, Josef Kraus, will Schleicher am liebsten den Mund verbieten, lese ich in der HAZ vom Montag; Herr Jüttner hat darauf schon hingewiesen. Herr Busemann lässt keine Gelegenheit aus,
das PISA-Konsortium und insbesondere den Leiter, Andreas Schleicher, zu diskreditieren. Im November 2006 griff der Minister begeistert die Kritik eines Münchener Physikers an vermeintlichen methodischen Fehlern der PISA-Studie auf und verlangte mit aufgeblasener Empörung eine Aufklärung. Als aber die Kritik in sich zusammenfiel, hörte man von unserem Kultusminister nicht mehr viel.
Jetzt unterstellt die CDU im Titel ihrer Aktuellen Stunde, die Kritik am gegliederten Schulwesen sei eine Diskreditierung von Eltern und Schülerinnen und Schülern. Damit, meine Damen und Herren von der CDU, stellen Sie die Verhältnisse in grotesker Weise auf den Kopf.
Tatsächlich sind die Schülerinnen und Schüler die Opfer Ihres Schulsystems; ganz besonders die Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die in unserem Schulsystem in eine Sackgasse geführt und um ihre Chancen betrogen werden.
Opfer sind noch mehr die Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen, für die das Wahlrecht innerhalb des gegliederten Schulsystems ganz aufgehoben ist. Unsere Schulen setzen noch viel zu sehr auf das Prinzip des Aussortierens statt auf eine konsequente und frühzeitige Förderung.
Die CDU in Niedersachsen begibt sich mit ihrem krampfhaften Festhalten am gegliederten Schulsystem immer mehr in die Isolation. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie erweisen sich inzwischen als penetrant beratungsresistent.
Sie stellen sich sogar gegen die Forderungen der Wirtschaft und ihrer Forschungseinrichtungen. Ich frage mich, wer Sie eigentlich berät. Sie ignorieren Fachleute wie den Präsidenten des Ifo-Instituts; ihn hat schon Herr Jüttner zitiert. Sie ignorieren auch die Forderungen Ihres eigenen Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung vom September 2006. Ich zitiere:
„Neben einer stärkeren individuellen Förderung der Schüler durch differenzierten Unterricht.... und den Ausbau
Sie ignorieren aber nicht nur die Wissenschaft, sondern Sie ignorieren auch die Entwicklungen in den norddeutschen Nachbarländern. Die Hauptschule wird es in den CDU-regierten Nachbarländern Hamburg und Schleswig-Holstein schon bald nicht mehr geben. In den östlichen Bundesländern gibt es sie schon nicht mehr. Nur die CDU in Niedersachsen hält mit bemerkenswertem Starrsinn an einem Schulsystem fest, das von der Geschichte längst überholt worden ist. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und Herr Schwarz, sturmfest und erdverwachsen zu sein, ist manchmal ja ganz gut. Aber reformunfähig und angewachsen zu sein, ist gegenüber unseren Kindern unverantwortlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Anmerkung in Ihre Richtung, Herr Jüttner. Wer Schulen, Schulstandorte und Schulformen schlechtredet, der diskreditiert damit auch die Leute, die dort tätig sind, nämlich in erster Linie die Schüler und die Lehrer. Das muss Ihnen doch klar sein.
Als Kultusminister bin ich dafür verantwortlich, dass das Schulwesen im Lande mit mehr als 3 000 Standorten, 1,2 Millionen Schülerinnen und Schülern, 80 000 Lehrerinnen und Lehrern und der entsprechenden Anzahl von Eltern funktioniert.
Die erwarten von der Politik eine gewisse Berechenbarkeit und einen angemessenen Tonfall. Das hinzubekommen, ist weiß Gott nicht ganz einfach, Frau Kollegin. Notwendige Reformen, die schließlich alle Beteiligten mitnehmen sollen, sind manchmal nicht so ganz einfach zu vermitteln. Umso mehr aber sind wir als Politiker gefordert, in den Modellen und Vorstellungen, die wir anbieten, berechenbar zu sein. Schlanke Sprüche und etwas mal eben zu diskreditieren ist jedoch schädlich für das gesamte Schulwesen, und dagegen verwahre ich mich. Wir müssen miteinander berechenbar sein.
In diesem Zusammenhang spreche ich Sie, Herr Jüttner, ausdrücklich an. Wenn Sie, wie Sie es in den letzten Wochen getan haben, alle naselang irgendwelche Vorstellungen äußern, die am nächsten Tag schon keine Gültigkeit mehr haben, dann tragen Sie mit dazu bei, dass an den Schulen reichlich viel Unberechenbarkeit und reichlich viel Verunsicherung eintreten.
Ich möchte das anhand einiger Punkte belegen. Der Oppositionsführer ist im November mit einem riesigen Papier angetreten: „In Niedersachsen droht ein Schulsterben.“ Sie haben mehr als 400 Schulstandorte für gefährdet erklärt. Aber schauen Sie bitte einmal in die lokale Presse! Selbst in den SPD-Hochburgen heißt es, diese Diskussion ist völlig daneben. Ein Landkreis, eine große Stadt nach der anderen fragt: „Schulsterben bei uns? Wir schließen keine Schulen.“ Herr Jüttner, Sie müssen sich einmal überlegen, was Sie damit anrichten.
Der nächste Punkt: Schulmodelle, Schulstrukturen und all diese Dinge. Ich habe den Eindruck, Sie haben einmal mehr alle 68er-Folkloristen der Gesamtschule zusammengetrieben, und die haben Ihnen diese gemeinsame Schule aufgeschrieben.
Gemeinsame Schule: Wir analysieren ja all das, was Sie aufschreiben. Ich kann dem Ganzen aber substantiell nichts abgewinnen. Wir können es kaum kalkulieren. Es ist nicht bezahlbar. Es ist nicht realisierbar.
Herr Jüttner, vor einer Viertelstunde haben Sie zu Ihrer gemeinsamen Schule, Ihrer Einheitsschule, einen tollen Satz gesagt, nämlich: Schule muss sein. Im Bildungswesen muss es Vielfalt und Heterogenität geben. - Und dann wollen Sie uns Ihre
Herr Jüttner, alle naselang treten Sie mit Attacken gegen die Hauptschule auf. Dazu ist hier schon einiges gesagt worden. Sie werden dann durch Medien, durch die Wirtschaft und andere mehr eingefangen, die Ihnen sagen, dass das so einfach nicht ist. Vor ein, zwei Wochen kam nun der ganz große Knüller des Bildungsexperten Jüttner. Er wollte für die berufliche Bildung usw. ganz fix 10 000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen mit einem Salär von 300 Euro plus Nebenkosten. Das aber geht an den tatsächlichen Verhältnissen völlig vorbei.
Haben Sie das eigentlich einmal durchgerechnet? 10 000 mal 300 bis 400 Euro, und das Ganze für drei Jahre? Ich habe natürlich gleich kalkulieren lassen, wie viele Lehrer wir dafür bräuchten - wenn wir sie überhaupt hätten, wir haben sie aber gar nicht. Um das in den entsprechenden Klassenräumen zu bewerkstelligen, bräuchten wir zusätzlich etwa 500 Lehrer pro Jahr. Das wären 20 bis 22 Millionen Euro obendrauf.
Das ganze Modell würde, auf drei Jahre, mal eben so 200 Millionen Euro kosten. Es ist aber niemand da, der das bezahlen kann. Die Bundesagentur hat sich auch nicht dazu gemeldet.
Herr Jüttner, ich spreche ausdrücklich Sie an: Wenn wir diskutieren - Sie sind hoffentlich in vielen Dingen anderer Meinung als wir -, dann muss dem schon eine gewisse Ernsthaftigkeit, eine gewisse Durchdachtheit und auch eine gewisse Seriosität zugrunde liegen. So einfach, wie Sie sich das machen, aber geht es nicht.
Ich erinnere Sie daran, dass wir 30 Jahre lang um die Orientierungsstufe gefochten haben. Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Herr Gabriel war ja irgendwann auch dafür, sie, die Förderstufe und das ganze Gedöns abzuschaffen. Aber wir als Opposition haben eines damals nicht gemacht: Wir