Protocol of the Session on December 8, 2006

Zur fachlichen Unterstützung begleitet die Forschungsstelle Küste des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auf Wunsch und im Einvernehmen mit den Hafennutzern seit Jahren alle Maßnahmen im Bereich des Fedderwarder Prieles. Die Forschungsstelle Küste verfügt über hervorragende fachliche Kenntnisse und ist insofern die geeignete Institution für entsprechende Untersuchungen.

Auf Vorschlag der Forschungsstelle Küste und in Abstimmung mit den Hafennutzern ist eine großräumige Untersuchung des gesamten Prielsystems in Auftrag gegeben worden. Auf der Grundlage aller vorliegenden Daten sollte eine qualitative Einschätzung vorgenommen werden, wie die langfristige Entwicklung des Priels zu beurteilen ist und ob technische Maßnahmen zur Verbesserung der Prielsituation beitragen können.

Die „Machbarkeitsstudie hinsichtlich großräumiger Untersuchungen von Gestaltungsvorgängen im Bereich Langlütjensand“ verfolgt den Ansatz, über die langfristig ablaufenden Abläufe im Umfeld Prognosen zu ermöglichen und damit auch zu Erkenntnissen über die zukünftige Entwicklung des Fedderwarder Priels zu kommen. Im Ergebnis zeigt die Studie auf, dass die Veränderungen des Fedderwarder Priels durch langfristige Abläufe im gesamten Umfeld bestimmt werden. Deshalb gibt es ein Interesse an einer Untersuchung dieser langfristigen Abläufe, die für die Nachhaltigkeit denkbarer technischer Maßnahmen von Bedeutung sind.

Aktuelle Peilungen von Niedersachsen Ports belegen, dass die Erreichbarkeit des Hafens Fedderwardersiel gewährleistet ist. Es gibt hinsichtlich der Zufahrtsbedingungen durch den Fedderwarder

Priel in der jüngsten Zeit keine wesentlichen Veränderungen. Die bereits seit langem bekannten Verlagerungs- und Verlandungstendenzen im Fedderwarder Priel setzen sich fort, ohne dass heute damit die Zufahrt zum Landeshafen grundsätzlich infrage gestellt ist.

Die jetzt vorgelegte Studie wurde am 22. November 2006 den Hafennutzern, den Vertretern der Gemeinde Butjadingen und anderen unmittelbar Betroffenen vorgestellt. Damit wird an der bisherigen Praxis einer direkten Kommunikation zwischen Niedersachsen Ports und den lokalen Ansprechpartnern festgehalten. Die Vorstellung der Studie wurde in Absprache mit den örtlichen Vertretern vorerst in einem kleinen Teilnehmerkreis der unmittelbaren Hafennutzer vorgestellt. Die Studie bestätigt grundsätzlich die bisher bereits vorgelegten Untersuchungen. Die Abläufe im Umfeld des Fedderwarder Priels sind langfristiger Natur.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Nein.

Zu 2: Nein.

Zu 3: In Abstimmung mit der Gemeinde Butjadingen sollen die bis jetzt gewonnenen Erkenntnisse Anfang 2007 einem größeren interessierten Kreis vorgestellt werden.

Anlage 6

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 9 der Abg. Bernd Althusmann, Norbert Böhlke, André Wiese und Anneliese Zachow (CDU)

Leukämiefälle in der Elbmarsch

Nach Datenlage des Deutschen Krebsregisters in Mainz sind seit 1990 aus der Samtgemeinde Elbmarsch und aus Geesthacht insgesamt 16 Leukämieerkrankungen bei unter 15-jährigen Kindern registriert worden; drei Kinder und ein Erwachsener sind an den Folgen des Krebses bereits gestorben. Die Erkrankungsrate liegt damit um das Dreifache höher als im Bundesdurchschnitt.

Die erhöhte Leukämiehäufigkeit in der Elbmarsch wird seit Jahren von mehreren Kommissionen und zahlreichen öffentlich geförderten Forschungsvorhaben untersucht.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher unternommen, um die Ursachen für die Leukämiefälle in und um Geesthacht herauszufinden?

2. Gibt es belastbare Erkenntnisse über diese Ursachen, welche weitere Maßnahmen in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund immer neuer Methoden der Ursachenforschung erforderlich machen würden?

3. Teilt die Niedersächsische Landesregierung die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Sozialministeriums, nach der Berichte über einen Störfall im Kernkraftwerk Krümmel oder dem GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht als Ursache der Erkrankungen als „abstrus und abwegig“ bezeichnet worden sind (siehe Artikel in Harburger Anzeigen und Nachrichten vom 4. Oktober 2006)?

In der Samtgemeinde Elbmarsch (Landkreis Har- burg) ist es in den Jahren 1990 bis 1991 zu einer Häufung von Leukämieerkrankungen bei Kindern im Alter von 0 bis 15 Jahren gekommen. Der erste Erkrankungsfall trat im Februar 1990 auf, zwei weitere folgten in den Monaten März und April 1990. Kurz zuvor war bereits im Dezember 1989 ein Elbmarscher Kind an aplastischer Anämie erkrankt; da diese Form der Blutarmut in eine Leukämie übergehen kann, wurde auch dieses Kind den Leukämiefällen zugerechnet. Angesichts dieser für einen Ort mit rund 1 500 Kindern auffälligen Häufung beauftragte die Niedersächsische Landesregierung eine multidisziplinär zusammengesetzte Expertenkommission mit der Ermittlung der Ursachen. Die seit Februar 1990 arbeitende niedersächsische Expertenkommission, die mit einem breit gefächerten Untersuchungsprogramm nach auffälligen Belastungen im Umfeld der betroffenen Familien suchte, wurde von einer Fachbeamtenkommission unterstützt, der Mitarbeiter der fachlich tangierten Ressorts und Vertreter der Bezirksregierung Lüneburg angehörten. Für die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern der Samtgemeinde Elbmarsch wurde von der Bezirksregierung Lüneburg unter der Bezeichnung „Arbeitsgruppe Leukämie in der Elbmarsch“ ein Runder Tisch gegründet, dem auch Vertreter der kommunalen Gebietskörperschaften angehörten. Dieser Arbeitsgruppe berichteten die Sprecher der Untersuchungskommissionen über ihre Vorhaben und Ergebnisse.

Da die unter Verdacht geratenen Nuklearanlagen von Geesthacht auf der schleswig-holsteinischen Seite der Elbe liegen, beteiligte sich auch die Kieler Landesregierung mit ihrer Wissenschaftlichen Fachkommission an den Untersuchungen. Ab

1992 tagten die Kommissionen beider Länder in der Regel zusammen, und zwar abwechselnd in Kiel und Hannover. Den genannten Gremien wurde 1993 von niedersächsischer Seite die „Arbeitsgruppe Belastungsindikatoren“ an die Seite gestellt, die sich ausschließlich mit der Frage einer möglichen Strahlenbedingtheit der Erkrankungen beschäftigte und eng mit der Arbeitsgruppe Tritium, einer Unterkommission der Wissenschaftlichen Fachkommission des Landes Schleswig-Holstein, zusammenarbeitete.

Die vorgenommenen Untersuchungen und die Ergebnisse wurden mit Bericht der Sprecher der beiden niedersächsischen Untersuchungskommissionen im November 2004 vorgestellt. Die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen haben keinerlei Hinweise auf ungenehmigte und massive Freisetzungen radioaktiver Stoffe aus den Nuklearanlagen in Geesthacht ergeben.

Am 2. April 2006 strahlte das ZDF eine Dokumentation mit dem Titel „Und keiner weiß warum …“ aus, die sich mit der Häufung von Leukämiefällen bei Kindern aus der niedersächsischen Samtgemeinde Elbmarsch und der ihr gegenüber liegenden Stadt Geesthacht in Schleswig-Holstein befasste. Dabei wurde auch die Vermutung geäußert, dass diese Häufung kein Zufall sei.

Zu möglichen Ursachen ist im Bericht der niedersächsischen Untersuchungskommissionen ausgeführt:

„Bei Betrachtung aller Einzelergebnisse aus allen Untersuchungsansätzen muss festgestellt werden, dass zwar einzelne Missstände entdeckt und behoben wurden, aber keine zwingenden Belege für den naheliegenden Verdacht gefunden werden konnten, es gäbe einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den bei Kindern aus dem 5-km-Radius um die Nuklearanlagen von Geesthacht gehäuft auftretenden Leukämiefällen und den Emissionen dieser Anlagen beim bestimmungsgemäßen Betrieb. Dieses Ergebnis stützt sich nicht allein auf Radioaktivitätsmessungen in den Umweltmedien und auf die biologische Dosimetrie an Frauen und Kindern aus der Samtgemeinde Elbmarsch, sondern auch auf die nach den besten verfügbaren epidemiologi

schen Verfahren durchgeführte und wegen ihres großen Umfangs statistisch aussagekräftige Norddeutsche Leukämie- und Lymphomstudie (NLL). Kerntechnische Unfälle mit massiven Radioaktivitätsfreisetzungen im interessierenden Zeitraum konnten ebenfalls nicht ermittelt werden.“

Nach Auskunft des Mainzer Kinderkrebsregisters nähert sich die Leukämierate im betroffenen Gebiet langsam, aber stetig der normalen Neuerkrankungsrate an. Presseberichte der jüngeren Vergangenheit, wonach sich die Zahl der Kinderleukämiefälle im Tumorbehandlungszentrum des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf in den letzten zwei Jahren verdoppelt hätte, sind insoweit irreführend. Hier ist bei der Berichterstattung nicht zwischen den Neuerkrankungsfällen, deren Größenordnung relativ stabil bei jährlich 25 bis 35 Fällen im Einzugsgebiet des UKE liegt, und den Behandlungsfällen unterschieden worden. Bei den Behandlungsfällen geht es um die Frage, wie oft jeder Patient einbestellt oder eingewiesen wurde. Die Behandlungsfälle umfassen demnach auch Mehrfachbehandlungen ein und derselben Person. So kann auch die Verkürzung der Liegezeiten dazu führen, dass Patienten öfter aufgenommen werden als früher üblich. Eine Zunahme der Zahl der Behandlungsfälle ist also nicht gleichbedeutend mit einer Zunahme von (Neu-) Erkrankungsfällen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die nachstehenden Untersuchungen und die Ergebnisse wurden mit Bericht der Sprecher der beiden niedersächsischen Untersuchungskommissionen im November 2004 vorgestellt. Die Prüfpunkte sind im sogenannten 16-Punkte-Programm vom März 1991 festgehalten worden und dienten als grobe Leitlinie für die breit angelegten Untersuchungen, die im Bedarfsfall um in die Tiefe gehende Sonderuntersuchungen ergänzt wurden. Die einzelnen Punkte ergeben sich aus der folgenden Auflistung des Programms.

16-PUNKTE-PROGRAMM

Ist die Elbe die Ursache?

1. Suche nach weiteren Leukämieclustern entlang der Elbe (Kinderkrebsregister Mainz, Krebsregister der ex-DDR)

2. Schadstoffmessungen im Aerosol der Staustufe Rönne/Geesthacht 3. Toxikologische Bewertung der Schadstofffracht der Elbe (Phthalate, Halogenester, Tributyl- zinn) durch die ArGe Elbe 4. Schadstoffmessungen in der Milch von Kühen, die im Deichvorland grasen (Projekt) 5. Umweltbelastungen bei der Deicherhöhung mit Elbsediment (Schadstoffgutachten)

Gibt es Besonderheiten der örtlichen Immissi

onssituation?

6. Belastung mit ionisierenden Stahlen (Reakto- ren, Tschernobyl) 7. Belastung mit elektromagnetischen Feldern (Sender, Hochspannung) 8. Belastung mit chemischen Schadstoffen aus der Industrie 9. Existenz von Altlasten bzw. belasteten Kinderspielplätzen

Gibt es besondere Risikofaktoren im häuslichen Bereich?

10. Untersuchung der Innenraumbelastung mit Radon und Lösemittel 11. Untersuchung von Muttermilch auf Schwermetalle, Organochlorverbindungen und Radioaktivität 12. Ermittlung von Besonderheiten beim Anbau eigenen Gemüses (Einsatz von Pflanzen- schutz- und Düngemitteln, Beregnungswas- ser) 13. Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln gegen Insekten und Nagetiere

Gibt es besondere Risikofaktoren im medizinischen Bereich?

14. Nachweis von Antikörpern gegen leukämogene Viren 15. Effekt-Monitoring (Chromosomendosimetrie) (Röntgenaufnahmen und Einsatz leukämiever- dächtiger Medikamente bereits geprüft)

Ist das Trinkwasser die Ursache?

16. Belastung des Trinkwassers (Pflanzenschutz- mittel, Altlasten)

Der Schwerpunkt des 16-Punkte-Programms lag bei chemischen und physikalischen Messmethoden, mit denen eine auffällige Belastung der Einwohnerinnen und Einwohner der Samtgemeinde

Elbmarsch entweder belegt oder widerlegt werden könnte. Diese Methoden sind geeignet, die Einwirkung bekannter Risikofaktoren zu ermitteln. Um auch unbekannte Risikofaktoren einfließen zu lassen, wurde das Verfahren der biologischen Dosimetrie (Punkt 15) eingesetzt, das es erlaubt, Veränderungen am Chromosomenmaterial, wie sie durch die Einwirkung von ionisierenden Strahlen oder von chemischen Stoffen, die analoge Schäden auslösen (sog. Radiomimetika), verursacht werden, auch nachträglich noch festzustellen. Da Schäden am Erbmaterial mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit2 zu Krebs führen, kann das Verfahren der biologischen Dosimetrie als EffektMonitoring bezeichnet werden und greift damit über die Feststellung erhöhter Schadstoffkonzentrationen oder eines erhöhten Strahlungshintergrundes in den Umweltmedien (Umgebungsmoni- toring) oder den Nahrungsmitteln (Nahrungsmit- telmonitoring) hinaus. Außer bei Familienangehörigen der erkrankten Kinder wurden mit dieser Methode keine Auffälligkeiten festgestellt.

Nach Abwicklung des 16-Punkte-Programms wurde vom niedersächsischen Sozialministerium gemeinsam mit dem Umweltministerium SchleswigHolstein in den Jahren 2001 und 2002 eine große epidemiologische Studie zur Bedeutung von elektromagnetischen Feldern und dem Umgang mit Bioziden als Risikofaktoren für die Auslösung kindlicher Leukämien und Lymphome (Norddeutsche Leukämie- und Lymphomstudie) durchgeführt. Während sich der Verdacht erhärtete, dass die Anwendung von Bioziden das Erkrankungsrisiko messbar erhöht, wurde in dieser Studie auch gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen der Wohnnähe der Erkrankten zu den norddeutschen Nuklearanlagen und dem Erkrankungsrisiko besteht.

Zu 2 und 3: Auch nach Abschluss der offiziellen Untersuchungstätigkeit und Vorlage des niedersächsischen Untersuchungsberichts ist die öffentliche Diskussion fortgeführt worden. Dies wird auch mit einer erneuten Diskussion über Frage, ob kugelförmige Partikel in Bodenproben vorhanden waren, verbunden. Im Rahmen der Kommissionsarbeit ist diese Frage bereits geprüft und verworfen worden. Auch die Erkenntnisse über den Brand

2 Der größte Teil der Chromosomenschäden wird durch ein mehrstufiges System von Reparaturmechanismen folgenlos beseitigt, aber es verbleibt eine geringe Restwahrscheinlichkeit für die Entstehung von Tumorzellen.

der GKSS-Messstation in der 37. Kalenderwoche des Jahres 1986 boten nach Auffassung der Kommissionen keinen Ansatzpunkt für eine Weiterführung der diesbezüglichen Untersuchungstätigkeit.

Die Landesregierung bedauert, dass die Ursache der Erkrankungshäufigkeit bei Kindern aus der Samtgemeinde Elbmarsch trotz enormer Bemühungen der Experten nicht aufgeklärt werden konnte. Angesichts des Umfanges der bereits durchgeführten Untersuchungen sowie Begutachtungen und der Zeit, die seit dem Auftreten der Leukämiehäufung bei Kindern aus der Samtgemeinde Elbmarsch vergangen ist, sahen die Sprecher der Expertenkommission und der AG Belastungsindikatoren allerdings keinen Ansatz für ein erfolgversprechendes Fortsetzen ihrer Ermittlungstätigkeit.