Protocol of the Session on December 6, 2006

(Joachim Albrecht [CDU]: Da bin ich aber gespannt!)

„Den Verfechtern der Gesamtschule ihrerseits muss klar sein, dass die optimale Förderung jedes einzelnen Schülers nicht zu mehr Gleichheit, sondern zu mehr Ungleichheit führt. Denn je größer die Chancengerechtigkeit, desto mehr schlagen die Gene durch. Eine gute Schule, das mag nicht jedem gefallen, produziert Leistungsunterschiede auf hohem Niveau.“

Wenn uns das gelänge, mit einem integriertem System, mit einer gemeinsamen Schule Leistungsunterschiede auf hohem Niveau zu haben,

(Joachim Albrecht [CDU]: Mit dem gegliederten Schulwesen geht das!)

dann wäre das Thema der frühen Auslese, der Schulabbrecher, der Versager und damit auch der Probleme, die wir haben, vom Tisch.

Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie an einem System festhalten, das nachweislich nicht zukunftsfähig ist,

(Joachim Albrecht [CDU]: Im Gegen- teil!)

dann werden Sie langfristig - das sagen alle Experten - scheitern. Insofern nehmen wir die Niederlage bei der Abstimmung, die gleich kommen wird, gelassen hin; denn wir wissen, auf welcher Basis sie beruht. Ich kann Ihnen sagen: Das ist, lieber Kollege Klare, pure Ideologie.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Albrecht das Wort.

(Zuruf von der SPD: Er hat doch schon genug dazwischen gerufen!)

Das war nicht lang genug. Deswegen muss ich doch noch etwas sagen.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute in zweiter Beratung behandeln, verfolgen die Einbringer das Ziel, künftig wieder die Errichtung von Gesamtschulen zuzulassen. Das ist und war für mich zumindest kein sehr überraschender Gesetzentwurf, da die SPD in seltener Ignoranz in alten ideologischen Träumen weiterlebt.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Begründung zu diesem Gesetzentwurf zeigt dies eindeutig. Als Begründung wird ein angeblicher Elternwille angeführt und mit Anmeldezahlen „nach Angaben der Lehrerverbände“ - das war ein Zitat aus Ihrer Drucksache - anscheinend belegt. Doch welche Lehrerverbände haben solche Zahlen tatsächlich veröffentlicht? - Ich habe so etwas nur bei einem einzigen Lehrerverband gefunden, nämlich bei der GEW, die hier herumlamentiert hat, und bei sonst niemandem. Dann sagen Sie das bitte auch und sonst nichts.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Das ist unglaublich!)

Was die Problematik der Anmeldeüberhänge betrifft, so haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach auf die nicht ausgeschöpfte Zügigkeit der vorhandenen Gesamtschulen hingewiesen. Herr Kollege Meinhold hat das eben auch noch einmal getan. Würden nämlich alle Gesamtschulen ihre genehmigten Züge einrichten, gäbe es an den meisten Standorten eher einen Überhang an Plätzen und nicht mehr einen Überhang an Anmeldungen.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Übrigen, Herr Meinhold, es gibt Gymnasien - vielleicht nicht hier in Hannover; denn dort gibt es 16, aber an anderen Standorten - mit sechs oder sogar acht Zügen. Vor diesem Hintergrund stimmt Ihr Vergleich nicht so ganz.

Aber wir haben im Zuge der Ausschussberatungen noch etwas anderes erfahren - das haben Sie hier verschwiegen -: Die Gesamtschulen im Lande haben noch nicht einmal im Rahmen der aktuell vorhandenen Züge die möglichen Schülerzahlen ausgeschöpft.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Die Schulen haben Schülerinnen und Schüler abgewiesen, obwohl sie die zulässigen Höchstgrenzen für die Klassenbildung noch nicht erreicht hatten. - So kann man natürlich künstlich einen Bedarf schaffen!

(Ursula Körtner [CDU]: Klein, aber fein!)

In Braunschweig beispielsweise gibt es mehrere Gesamtschulen, die ihre Zügigkeit nicht ausgeschöpft haben. Hier in Hannover gibt es solche auch.

(Zuruf von der SPD: Welche denn?)

Viel wichtiger als diese Fragen ist aber etwas anderes, nämlich das, was in der Begründung nicht drinsteht, was die SPD wohlweislich weggelassen hat. Das ist die Frage nach der Qualität der Schulform.

(Zustimmung bei der CDU)

Sicherlich hat sich auch der Antragsteller ausführlich mit PISA und TIMSS beschäftigt und dabei auch mitbekommen, dass keine dieser Untersu

chungen - weder PISA noch PISA-E, weder TIMSS I noch TIMSS II - irgendeinen Rückschluss auf die Schulstruktur zulässt.

(Zustimmung bei der CDU)

Schon 1997 haben Baumert - ich erinnere daran: das ist der berühmte Mann, der landläufig als „PISA-Papst“ bezeichnet wird - und sein Kollege Lehmann bei der Auswertung von TIMSS II festgestellt, dass der Erfolg von Schulen nicht von den im Lande üblichen Schulformen abhängt, sondern von der die Schule tragenden Kultur.

(Zustimmung bei der CDU)

Baumert und Lehmann benennen fünf Faktoren für den Erfolg von Schule, nämlich: die generelle Wertschätzung schulischen Lernens, die Unterstützung durch das Elternhaus, die Bereitschaft zur Anstrengung, die Gestaltung des Fachunterrichts und eine zentrale Abschlussprüfung, die regulierend auf das Lernverhalten in der Sekundarstufe 1 zurückwirkt. - So weit die beiden Herren in ihrer damaligen Beschreibung und Auswertung zu TIMSS II.

Meine Damen und Herren, Sie können das gerne nachlesen. Das ist bei Leske + Budrich in Opladen erschienen und steht - für diejenigen, die das nachlesen wollen - auf den Seiten 19, 89 und 218. In allen Veröffentlichungen von und über PISA finden Sie nicht einen einzigen Hinweis auf die von vielen Gesamtschulverfechtern erhofften angeblich besseren Ergebnisse von Gesamtschulen. Im Gegenteil. So können Sie in der vertiefenden Zusammenfassung zu PISA-E, herausgegeben vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, genau die Schwächen der Gesamtschulen nachvollziehen. In allen überprüften Kompetenzfeldern liegt die Gesamtschule deutlich hinter den Leistungen der Realschule und weit hinter den Leistungen des Gymnasiums zurück.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Nun behaupten Gegner des gegliederten Schulwesens immer wieder, die soziale Segretation werde durch die gemeinsame Beschulung verhindert. Auch das ist bei PISA widerlegt worden. So bemerken Baumert und seine Kollegen dazu in der von mir schon zitierten Zusammenfassung der PISA-Untersuchung im Jahre 2003, dass die Unterschiede zwischen einzelnen Schulen derselben

Schulform größer sind als die Unterschiede zwischen Schulformen und Bildungsgängen.

Im Übrigen hat bereits im März 2002 Herr Dr. Dieter Wunder, der ehemalige Vorsitzende der GEW - er ist nun wirklich unverdächtig, uns nahe zu stehen -, auf dem Gesamtschultag der GEW in Nordrhein-Westfalen eingestanden, dass PISA die deutsche Gesamtschule nicht bestätigt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, um gerade zu der Frage der Qualität von Schulen und Schulformen Aussagen machen zu können, braucht man allerdings nicht nur kurzfristige Tests, wie es bei PISA und TIMSS der Fall war, sondern man braucht Langzeituntersuchungen. Das Max-Planck-Institut in Berlin hat bereits 1991 mit dem Forschungsprojekt „Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Jugendalter und jungen Erwachsenenalter“ - abgekürzt BIJU - eine solche Langzeitstudie länder- und schulformübergreifend gestartet. Nach zehn Jahren wurden die letzten Befragungen durchgeführt. Interessant sind die inzwischen veröffentlichten Ergebnisse z. B. für Nordrhein-Westfalen. Dort haben Realschüler und Gymnasiasten gegenüber Gleichbegabten und aus ähnlichen sozialen Verhältnissen stammenden Gesamtschülern am Ende des 10. Schuljahrgangs in Englisch, in Mathematik, in Physik und in Biologie einen Wissensvorsprung von mehr als zwei Schuljahren. Diese Unterschiede verändern sich bis zum Abitur nur geringfügig. Ein Beispiel: Die Friedensschule in Münster ist in dieser Untersuchung eine der beiden besten Gesamtschulen in NordrheinWestfalen, mit besten Voraussetzungen durch eine entsprechende bildungsnahe Elternschaft und einem sehr hohen Anteil von Kindern mit Gymnasialempfehlung.

(Glocke der Präsidentin)

Selbst diese sehr gute Gesamtschule bleibt noch fast ein Schuljahr hinter den Leistungen der beteiligten Gymnasien zurück.

Herr Kollege Albrecht, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Einen letzten Satz akzeptiere ich noch.

Eine kurze Schlussbemerkung: In dieser BIJU-Studie wurde auch festgestellt, dass Defizite beim sozialen Lernen bei der Gesamtschule sehr viel größer sind als bei den Schulen des gegliederten Schulwesens. Vor diesem Hintergrund wird sehr deutlich, dass die Experten im Bildungsbereich längst wissen - dies wird aber von den Gesamtschulbefürwortern vehement geleugnet -, dass zwischen dem pädagogischen Anspruch der Gesamtschule und der Realität, wie es in wissenschaftlichen Untersuchungen zum Ausdruck kommt - -

(Die Präsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Herr Kollege Albrecht, ich habe jetzt das Mikrofon abgeschaltet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es liegen zwei Kurzinterventionen vor. Die erste Kurzintervention kommt von Herrn Kollegen Meinhold, dann folgt die Kurzintervention von Frau Kollegin Korter, beide auf Herrn Kollegen Albrecht. Nach anderthalb Minuten stelle ich ohne Klingelzeichen das Mikrofon ab. - Bitte schön, Herr Kollege Meinhold!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 9. November haben wir vom Kultusministerium eine tolle Übersicht über die Anmeldezahlen bei den IGSen und den KGSen bekommen. Wir beziehen uns also nicht auf irgendwelche Zahlen, sondern auf amtliche Zahlen des Ministeriums. Diese sagen deutlich: Bei den IGSen sind 2 000 Schülerinnen und Schüler abgewiesen worden.

Nun zur Zügigkeit: Bei den KGSen gibt es eine Zügigkeit, wie wir sie an Gymnasien nicht kennen, beispielsweise KGS Laatzen: zehnzügig, FritzReuter-Schule in Bad Bevensen: zehnzügig, KGS Rastede: zehnzügig. Ich könnte Ihnen jetzt noch die achtzügigen Schulen nennen. Die Gesamtschulen haben - ich sage das in aller Deutlichkeit und Klarheit - die Bandbreite der Zügigkeit ausgedehnt, um alle Kinder aufzunehmen. Wir alle wissen aber, dass das die falsche Richtung ist. Das heißt, wir brauchen Schulen - dies sage ich noch einmal -, egal ob es Gymnasien, Realschulen oder