Ich halte es vor diesem Hintergrund für geradezu abenteuerlich, dass ausgerechnet diese unsichere Datenbasis als Beweis für die Erfolge und die Richtigkeit von Organisationsentscheidungen herhalten soll. Erst legt der Innenminister eine Kriminalstatistik vor, die ganz offensichtlich falsch ist, und dann kommen die Regierungsfraktionen mit diesem Antrag und nehmen die falsche Statistik als Beleg für eine in meinen Augen jedenfalls falsche Organisationsreform. Weder die Reform noch die Statistik wird dadurch auch nur einen Deut richtiger.
Doch es geht noch weiter, meine Damen und Herren. Die in der falschen Statistik ablesbaren angeblichen Kriminalitätsentwicklungen nimmt die Landesregierung dann auch noch als Rechtfertigung für ihre Politik. Das, was die Fraktionen der CDU und der FDP hier machen, ist an Unseriosität nicht mehr zu überbieten.
Ich fordere daher den Innenminister auf, uns endlich eine korrigierte Statistik vorzulegen. Mir sind richtige Zahlen, selbst wenn sie unerfreulich aus
Meine Damen und Herren, im Folgenden möchte ich - jedoch rein hypothetisch - davon ausgehen, die vom Innenminister vorgelegte Kriminalstatistik wäre fehlerfrei. Nehmen wir einmal an, es hätte keine Erfassungsfehler gegeben und die Kriminalität in Niedersachsen hätte sich original so entwickelt, wie die Statistik ausweist. Selbst dann, wenn man die vorliegenden Zahlen als Fakt akzeptiert, meine Damen und Herren, hielte ich es für eine gewagte These, diese Zahlen als Beleg für eine erfolgreiche Innenpolitik der Landesregierung heranzuziehen.
- Ich sage Ihnen gleich noch mehr dazu. Wenn Sie einmal bereit wären zuzuhören und überhaupt begreifen würden, worum es hier geht, dann könnten Sie eine Menge lernen, Herr Biallas.
Zunächst einmal ist es schlichtweg falsch, die Aufklärungsquote pauschal als Erfolg der Organisationsreform zu werten, weil aufgrund von Schwankungen in den einzelnen Straftatengruppen Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Gesamtaufklärungsquote ist immer nur der Mittelwert der Aufklärungsquoten in den einzelnen Deliktsbereichen.
Der größte Deliktsbereich ist der Bereich des Diebstahls, bei dem 2005 knapp 270 000 von insgesamt 600 000 registrierten Straftaten begangen worden sind. Die Aufklärungsquote bei Diebstahl hat sich zwischen 1996 und 2005 jedoch so gut wie nicht verändert. Sie lag 1996 bei 29,55 % und 2005 bei 30,1 %. Ähnlich sieht es hinsichtlich der Aufklärungsquote bei den Betrugsdelikten aus. Zwischen 1996 und 2005 hat die Zahl der Betrugsdelikte enorm zugenommen. 1996 lag die Aufklärungsquote bei 83 %, zehn Jahre später bei 85,5 %. Das ist also ein leichter Anstieg. Die Zahl der polizeilich registrierten Betrugsdelikte hat sich im genannten Zeitraum jedoch verdoppelt, während die der Diebstahlsdelikte abgenommen hat. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich die Aufklärungsquote in der Summe dieser beiden Deliktsbereiche zwischen 1996 und 2005 von 38 % auf
46 % verbessert hat. Mit anderen Worten: Die um 8,5 Prozentpunkte bessere Aufklärungsquote im Vergleich zu 1996 war 2005 nicht das Resultat der Polizeireform, sondern einzig und allein die Folge einer Straftatenverschiebung: weg von den Diebstahlsdelikten hin zu den Betrugsdelikten.
Aufgrund des hohen Anteils dieser Delikte an den gesamten in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Delikten ist der in diesem Zeitraum festzustellende Anstieg der Aufklärungsquote zu etwa zwei Dritteln einzig und allein auf die Straftatenverschiebung zurückzuführen, nicht etwa auf eine Organisationsreform bei unserer Polizei. Nehmen Sie dies einmal zu Kenntnis! Das können Fachkundige Ihnen bestätigen.
- Herr Biallas, wenn Sie die Wahrheit und das Aufklären von Sachverhalten als Miesmacherei bezeichnen, dann beweisen Sie damit, dass Sie die Realität wieder einmal nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ihr Antrag beweist ebenfalls, dass Sie die Realität nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Hinweis, der auch schon in den kurzen Anmerkungen von Herrn Professor Lennartz zum Ausdruck gekommen ist. Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Auslandsreise und erkundigen sich beim Auswärtigen Amt nach dem Straftatenrisiko in dem von Ihnen anvisierten Urlaubsland. Würde es Sie im Ernst beruhigen, wenn Sie zu hören bekämen, das Risiko, zum Opfer einer Straftat zu werden, sei dort zwar erheblich gestiegen, aber die Polizei habe die Aufklärungsquote ebenfalls deutlich steigern können? - Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass Sie Ihre Reise in ein Land verlegen, in dem das Risiko, Opfer zu werden, deutlich geringer ausfällt. Dabei nähmen Sie gern in Kauf, dass die Aufklärungsquote etwas niedriger ausfällt; es ist besser, dass nur wenig passiert, als dass viel passiert, aber die Polizei gut arbeitet.
Was will ich damit sagen? - Niedersachsens Bürgerinnen und Bürger sowie die Gäste des Landes haben im Zweifel eher ein Interesse daran, nicht Opfer einer Straftat zu werden, und werten es erst in zweiter Linie als positiv, wenn die an ihnen be
gangene Straftat zumindest in gut jedem zweiten Fall polizeilich aufgeklärt wird. Doch was passiert? - Unterstellt man die Richtigkeit der polizeilichen Kriminalstatistik 2005, dann ist zunächst festzustellen, dass die Zahl der Straftaten in Niedersachsen deutlich zugenommen hat. Mit insgesamt 601 000 Straftaten war 2005 der zweithöchste jemals in Niedersachsen gemessene Wert erreicht worden. Die Kriminalitätsbelastung hat mit einer Häufigkeitsziffer von 7 519 Taten pro 100 000 Einwohnern ebenfalls den zweithöchsten Wert in der Geschichte Niedersachsens erreicht.
Die bisher vorliegenden PKS-Zahlen für das Jahr 2006 deuten darauf hin, dass es zu einem weiteren Anstieg der Fallzahlen kommt, sodass der Beginn einer Entwicklung befürchtet werden muss. Bemerkenswert ist dabei, dass bundesweit die Kriminalität tendenziell rückläufig ist und dass es insbesondere im Jahr 2005 einen deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr gegeben hat. Mit anderen Worten: Anders als im Bundestrend ist in Niedersachsen das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, noch nie so groß wie heute gewesen. Das ist das Ergebnis von dreieinhalb Jahren CDU/FDP-Sicherheitspolitik.
Meine Damen und Herren, die polizeiliche Kriminalstatistik weist aus, dass im Jahre 2005 insgesamt 83 534 Personen Opfer einer Straftat geworden sind. Dies stellt gegenüber dem Vorjahr, als es 74 624 waren, eine Zunahme um 11,93 % dar. Dies ist die größte Steigerungsrate aller Zeiten. Somit hat nicht nur die Aufklärungsquote den höchsten Wert aller Zeiten erreicht, sondern auch die Zahl der Opfer. Möglicherweise ist die Aufklärung von Straftaten eben auch deshalb so erfolgreich, weil so viele Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste des Landes Opfer einer Straftat geworden sind und der Polizei geholfen haben, diese aufzuklären.
Für mich sind dies besorgniserregende Fakten, auf die man nicht reagieren kann, indem man mal eben mit Mehrheit feststellt, dass die Polizeireform des Innenministers gelungen ist. Eigentlich müsste man feststellen, dass die Innenpolitik - vielleicht aber auch die Sozialpolitik - offensichtlich völlig gescheitert ist. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die niedersächsischen Zahlen dem Bundestrend absolut gegenläufig sind. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen reicht es meines Erachtens
Für mich stellen sich zwei zentrale Fragen, auf die ich von der Landesregierung eine Antwort erwarte: Erstens. Welche Faktoren sind dafür ursächlich, dass es zu diesem zuletzt explosionsartig zunehmenden Opferrisiko in Niedersachsen gekommen ist? Zweitens. Wieso ergibt sich in Niedersachsen eine derart gravierende Abweichung vom Bundestrend? - Das Anzeigeverhalten der Bevölkerung dürfte sich wohl kaum nur in Niedersachsen so gravierend verändert haben, sodass mir diese Erklärung für die Abweichung vom Bundestrend ausgeschlossen zu sein scheint.
Meine Damen und Herren, für mich gibt es auf diese Fragen nur eine Antwort - ich komme damit zum Ende -: Entweder ist die vom Innenminister vorgelegte Kriminalstatistik falsch,
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das haben Sie doch schon behauptet! Dann brauchen Sie danach auch nicht mehr zu fragen!)
oder die von ihm verfolgte Innenpolitik ist falsch. Ich bin, offen gestanden, der festen Überzeugung - ich wiederhole mich hier gern, Herr Biallas -, dass beides falsch ist. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich vor Herrn Bode zu Wort gemeldet, weil ich jetzt noch nicht auf alle Punkte eingehen will - dies werde ich nach dem Beitrag von Herrn Bode tun -, sondern weil ich sofort eines klarstellen will: Herr Bartling, Sie sind bei Ihrer Darstellung nach dem Motto vorgegangen, wenn man nur lange genug mit Dreck wirft, wird schon irgendetwas hängen bleiben. Ich weise Ihre Behauptung mit aller Entschiedenheit zurück, dass die polizeiliche Kriminalstatistik falsch sei. An dieser Behauptung ist nichts, aber auch gar nichts wahr!
Wir hatten im Spätsommer des Jahres 2005 die Umstellung auf NIVADIS. Ich will mich hier nicht mit fremden Federn schmücken: Das NIVADIS haben Sie erfunden und im Prinzip mit entwickelt. Es war richtig, dass Sie Wert darauf gelegt haben, dass in die Polizeistatistik die Daten nicht mehr manuell eingegeben wird. Jetzt kann nicht mehr vor Ort entschieden werden, nach welchen Kriterien etwas in die Statistik eingeht. Vielmehr gibt es ein klares Konzept, nach dem Vorgänge automatisch in die Polizeistatistik eingestellt werden. Heute kann man manuell überhaupt nichts mehr daran drehen. Dies ist meiner Ansicht nach der richtige Weg. Insofern ist es völlig haltlos, zu behaupten, dass wir für das Jahr 2005 mit einer falschen Datenbasis umgingen. Dies ist schlichtweg unwahr. Ich weise es zurück, damit es sich nicht in irgendeiner Weise verfestigt.
Meine Damen und Herren, bei der Umstellung haben wir besonderen Wert auf eine Qualitätskontrolle gelegt: zum einen beim Landeskriminalamt, zum anderen natürlich beim dafür zuständigen PATB NI. Nach der Umstellung haben wir festgestellt, dass es in einigen Bereichen Dubletten gegeben hat. Deshalb haben wir sofort veranlasst, dass sie konsequent aufgedeckt werden. Insgesamt sind 11 655 sogenannte Dubletten identifiziert und sofort bereinigt worden. Vor der Veröffentlichung der Polizeistatistik habe ich natürlich noch einmal sowohl das PATB NI als auch das Landeskriminalamt gefragt, ob Dubletten in allen Bereichen identifiziert worden seien. Mit Bericht vom 17. März 2006 ist mir dargestellt worden, dass der Gesamtanstieg der Zahl der Straftaten in Niedersachsen von 2,44 % nicht auf die Systemumstellung zurückzuführen sei, sondern nach Bewertung der beteiligten Behörden den dortigen Beobachtungen entspreche und die Statistik um alle Dubletten bereinigt worden sei. Meine Damen und Herren, wenn Sie von einzelnen Polizeibeamten hören, dass es Dubletten gegeben habe, dann ist dies richtig. Aber die Statistik ist längst um diese Dubletten bereinigt worden. Ich habe der Öffentlichkeit eine exakt richtige Polizeistatistik vorgestellt. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zahlen lügen nicht. Allerdings ist die Zahlenakrobatik des Kollegen Bartling durchaus geeignet, auch einem Turner wie ihm gefährlich zu werden.
Ich schließe an die Ausführungen von Innenminister Uwe Schünemann an, Herr Bartling: Hätten Sie im Innenausschuss genau zugehört, als das Thema Polizeistatistik auf der Grundlage einer Unterrichtung durch das Innenministerium diskutiert worden ist, wüssten Sie, dass auf das Problem mit den Dubletten hingewiesen worden ist. Wir alle wussten, dass es Dubletten gab und dass die Statistik um diese Dubletten bereinigt wurde und folglich stimmt. Deshalb ist es nicht in Ordnung, dass Sie versuchen, die Zahlen, die von Ihrem System dargelegt worden sind, in Misskredit zu bringen.
Herr Bartling, Sie halten hier Zeitungsartikel hoch und sagen, es gebe neben der Polizeireform einen ungeheuren Sparzwang, der zu Unmut führe. Das ist bedauerlicherweise richtig. Allerdings haben Sie doch in 13 Jahren die Voraussetzungen für diesen Sparzwang geschaffen.
Ich finde es ein wenig komisch, wenn Sie, Herr Bartling - das gilt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen genauso -, sagen, unser Haushalt stelle der Polizei keine ausreichende Finanzausstattung zur Verfügung. Ich habe mir die Änderungsanträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu den letzten beiden Haushalten angeschaut; auf den für 2007 bin ich gespannt. In beiden Jahren haben beide Fraktionen beantragt, die von uns festgelegten Ansätze abzusenken. Wir hatten sie erhöht, Sie wollten absenken, und jetzt wollen Sie der finanzielle Retter der Polizei sein. Das ist nicht redlich. Sie sollten bei der Wahrheit bleiben. Die Wahrheit ist, dass wir die Finanzausstattung der Polizei sicherstellen.
Wir haben - das hat sich bei der Reise des Innenministers durch alle Polizeiinspektionen in Niedersachsen gezeigt - mit der Polizeireform einen mutigen und richtigen Schritt getan. Wir haben die Experten in der Polizei gebeten, eine optimierte Struktur aufzuzeigen. Diese haben wir dann 1 : 1 umgesetzt. Wir haben die Polizeiinspektionen und -direktionen vergleichbar gemacht. Wir haben - im Gegensatz zu Ihrer Zeit, Herr Bartling - das Personal gerecht verteilt, nämlich nicht nach Gutdünken, sondern tatsächlich nach Belastung, nach transparenten Faktoren: nach gewichteter Belastung durch Straftaten, nach den Flächen und nach der gewichteten Einwohnerdichte. Das hat neben der Tatsache, dass wir weitere Polizeibeamte ausgebildet und eingestellt haben - die erste Rate ist jetzt fertig und tut ihren Dienst -, dazu geführt, dass es mehr Polizeipräsenz in der Fläche gibt, dass die Bevölkerung ein besseres subjektives Gefühl hat und dass mehr Straftaten aufgedeckt werden, weil wir mehr Beamte haben, die auch nicht angezeigte Delikte beispielsweise im Bereich der Wirtschaftskriminalität ermitteln können. Wichtig ist, dass man mehr Straftaten nicht nur feststellt, sondern auch aufklärt. Das ist gelungen. Die Zahlen sind hier eindeutig.
Was unter der SPD-Regierung gut war, haben wir aufgegriffen, umgesetzt und optimiert. So haben wir beispielsweise auch gefordert, dass die Polizei kostendeckender arbeitet und dass geprüft wird, ob die wirtschaftlichen Betriebe der Polizei weiter bestehen können bzw. ob sie optimiert werden können. Herr Bartling, Sie haben mit den Privatisierungen angefangen, aber halbherzig. Wir sind auf diesem Weg mutig fortgeschritten. Die Erfolge spiegeln sich im Budget der Polizei wider.
Nach sehr intensiven Gesprächen sind wir zu dem Urteil gekommen: Diese Polizeireform ist gelungen. Sie ist bei den Grünen auf Interesse gestoßen. Sie fragen intensiv nach; das begrüßen wir sehr. Auf unsere Erfolge sollten wir stolz sein. Wir bedanken uns bei allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die mit sehr viel Engagement einen harten Dienst tun. Wir können feststellen: Die innere Sicherheit ist bei CDU und FDP in guten Händen. - Vielen Dank.