Protocol of the Session on October 10, 2006

Der Bundespräsident hat uns allen ins Stammbuch geschrieben, worum es gehen muss. Ich sage, dass er auch in diesem Punkt recht hatte. Das Ganze muss aber - das sagen wir alle - seriös finanziert sein.

Im Übrigen haben sich - ich habe das schon einmal gesagt, weil wir in den vergangenen Jahren schon entsprechende Debatten hatten - die Rechtslage und die Betrachtungslage ein Stück

weit verändert. Wer bekommt die Kindertagesstätte für sein Kind heute schon sozusagen umsonst? - Sozialhilfebedürftige bekommen sie umsonst, wobei es in den verschiedenen Bereichen des Landes Unterschiede gibt. In einigen Bereichen des Landes beträgt der Anteil beispielsweise 10 %. In der Stadt Hannover müssen - Gott sei es geklagt - 40 % der Eltern für ihre Kinder keine Beiträge mehr zahlen, weil sie entsprechend bedürftig sind. Frau Janssen-Kucz, die Zielgruppe, für die Sie gerade geworben haben, liefert also das falsche Argument; denn die Kinder aus dieser Zielgruppe gehen schon umsonst in die Kita. Ich sage das, damit dies in diesem Zusammenhang klar ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der nächste Punkt ist: Die Eltern, die berufstätig sind und Steuern zahlen, können nach der Rechtslage, die der Bund nun geschaffen hat, bis zu 4 000 Euro jährlich von der Steuer absetzen und haben in dieser Hinsicht eine andere Betrachtung entwickelt. Sehr oft wird jetzt gesagt „Die Beitragsfreiheit ist schön“. Auch ich finde sie gut und richtig, wenn sie bezahlbar ist. Das Argument der familienpolitischen Entlastung und andere Argumente in dieser Richtung sind sicherlich zutreffend. Die Vorstellungen der jungen Eltern gehen nun aber mehr denn je in die Richtung, dass sie uns sagen: „Wir möchten gerne mehr Betreuungsangebote haben.“ Auch das ist eine berechtigte Forderung. Es heißt: „Im Bereich von null bis drei Jahren müsst ihr, was die Betreuung angeht, besser werden. Wir wollen in diesem Bereich entsprechende Angebote sehen.“ Ich darf Ihnen sagen, dass die Landesregierung dies alles im Blick hat. Wenn wir es bezahlen können, kommen wir zur richtigen Zeit mit den richtigen Maßnahmen. Diese Maßnahmen müssen für mich als Bildungsminister auch innovative Entwicklungen im Bildungssektor mit sich bringen. Es darf nicht nur um Geldgeschenke gehen.

(Beifall bei der CDU)

Durch die Diskussion und den Stand der Dinge in ganz Deutschland hat das Thema „Frühkindliche Bildung“ an Fahrt gewonnen. Sie wissen, dass wir im Lande Niedersachsen eine ganze Menge tun und in den letzten drei Jahren auch getan haben. Die Ausgangssituation ist, dass das Land 161 Millionen Euro für Personalkostenzuschüsse im Bereich der Kindertagesstätten ausgibt. Wir haben in den letzten Jahren für die Sprachförde

rung eine ganze Menge getan. Wenn ich die Summe hochrechne, ergibt sich, dass wir schon jenseits von 20 Millionen Euro sind. Sie haben Ihre Forderungen damals gut gemeint, aber leider haben Sie uns das Geld nicht übrig gelassen. Wir haben es aber nun hinbekommen. Der Orientierungsrahmen für Bildung und Erziehung hat in die Kindertagesstätten richtig Bewegung gebracht. Das sind schon ganz gute Bausteine, die man sozusagen miteinander organisiert hat und von denen man sagen kann, dass sie ganz vernünftig sind.

(Beifall bei der CDU)

Das 100-Millionen-Programm mit dem Titel „Familien mit Zukunft - Kinder bilden und betreuen“, das ich für ein tolles Programm halte, ist schon angesprochen worden. Im Betreuungsbereich wird das Sozialministerium entsprechende Konzepte erarbeiten, sozusagen wunschgerecht entsprechend dem, wie die jungen Eltern es uns gesagt haben. Über vier Jahre sind für den Kultusminister 5 Millionen Euro erst einmal gesichert. Diese Mittel konnten und können wir gut gebrauchen, um im Rahmen des Bildungsauftrages entsprechend besser zu werden. Ich will Ihnen hier auch noch beschreiben, an welche vier Punkte wir dabei insbesondere denken. Wir müssen - das können wir mit diesen Mitteln auch erreichen - bei der Frühanalyse besser werden, wo die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder liegen. Bei der Sprachstandfeststellung haben wir diesbezüglich schon mit Erfolg begonnen. Was aber die kognitiven Fähigkeiten, die Motorik und anderes anbelangt, müssen wir das noch entsprechend verdichten. Dabei hilft das Geld außerordentlich. Wir werden flächendeckend - dafür gibt es im Bereich der Kindertagesstätten, aber auch der Grundschulen einen Bedarf - Beratungsteams installieren, die dafür sorgen, dass der Übergang - Stichwort „Brückenfunktion“ - von der Kita zur Grundschule besser organisiert wird und man sich gegenseitig entsprechend hilft. Als dritten Punkt nenne ich, dass wir gezielte Förder- und Bildungsmaßnahmen für den jeweiligen individuellen Bedarf des einzelnen Kindes in Kindergärten und vielleicht auch in Grundschulen ausprobieren werden. Mittel für geeignete Modellprojekte stehen zur Verfügung. Wir werden auch - das ist eine Forderung gerade der Erzieherinnen und Erzieher aus den letzten Jahren - einiges für die Fortbildung tun können. Wenn wir neue Ansprüche formulieren - im Übrigen war der Bedarf auch schon da -, dann müssen wir mehr für die Fortbildung tun, und das werden wir auch tun. Dies

hilft uns in den nächsten Jahren entsprechend weiter.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Also: Vier mal 5 Millionen Euro sind zusammen 20 Millionen Euro für das Kultusministerium für die frühkindliche Bildung. Das ist ein maßgerechter Einstieg für weitere gute Maßnahmen.

Um die Sache rund zu machen: Wenn die Finanzierbarkeit dauerhaft gegeben ist, dann müssen wir dem Thema des beitragsfreien dritten Kitajahres entsprechend nahetreten. Aber heute einen ausgeben und morgen wieder einkassieren, das ist nicht unser Ding. Wenn wir etwas machen, dann machen wir es solide. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD in der Drucksache 2943 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2608 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war wiederum die Mehrheit.

Wir kommen damit zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Tagesordnungspunkte 5 und 6, abweichend von der Ihnen vorliegenden Tagesordnung, zusammen zu behandeln und dafür insgesamt 40 Minuten Beratungszeit vorzusehen. Ich weise darauf hin, dass den Fraktionen die Redezeiten zugeteilt worden sind.

Ich rufe zusammen auf

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Kindergesundheit in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 15/3165

und

Tagesordnungspunkt 6: Zweite Beratung: Kindergesundheit fördern - Stärkeres Durchimpfen zur Masernelimination Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/2923 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/3198

Die Beschlussempfehlung in der Drucksache 3198 lautet auf Annahme.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Schwarz von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 14. August 2006 war in der HAZ zu lesen:

„Ministerin will Misshandlungen früher erkennen.“

Und weiter:

„Angesichts alarmierender Fälle von Kindesmisshandlungen will Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann die Mechanismen zur Erkennung solcher Taten verbessern“.

Sechs Monate vorher, am 21. Februar, hatte dieselbe Ministerin öffentlich erklärt, mit dem neuen Gesundheitsdienstgesetz des Landes Schuleingangsuntersuchungen verpflichtend vorschreiben zu wollen.

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ist unbestritten. Sie sind im Übrigen längst überfällig. Das tatsächliche Handeln dieser Regierung und der Koalitionsfraktionen sieht aber leider völlig anders aus als ihre wohlfeilen Ankündigungen.

In dem neuen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst haben Sie jede Verbesserung im Interesse der Kinder vor der Schlussberatung komplett wieder herausgestrichen. Unseren Antrag vom 28. Februar dieses Jahres mit der Überschrift „Kinder und Jugendliche stärker vor Misshandlung und Verwahrlosung schützen - Kindeswohl vor Elternwillen“ lassen Sie nunmehr seit zehn Monaten unbearbeitet liegen. Außer unverbindlichen Ankündigungen sind eigene Vorschläge bisher komplett Fehlanzeige. Diesen Umgang mit der Opposition kennen wir schon. Aber ich finde, bei diesem wichtigen und sensiblen Thema ist dieses Verfahren untragbar und im Übrigen auch unverantwortlich gegenüber den Kindern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

„Sie plane, sich im Herbst mit dem Landesgesundheitsamt, den Krankenkassen und den Ärzteverbänden zusammenzusetzen,“ kündigte Frau RossLuttmann am 14. August dieses Jahres an. Weiter stellte die Ministerin fest, es gebe bereits interessante Modelle „zum Aufbau von zentralen Anlaufstellen zur Abklärung von Kindesmisshandlungen“. Schön finde ich, dass dieser wirklich nicht neue Sachstand nun endlich auch bei der Niedersächsischen Landesregierung angekommen ist.

Aber genau sechs Wochen später haben Sie exakt das Gleiche wieder angekündigt. Nun ist nicht mehr vom Herbst die Rede, sondern nur noch von diesem Jahr. Andere Landesregierungen sind da deutlich schneller gewesen, wie die Aktivitäten nach dem Fall „Jessica“ in Hamburg gezeigt haben. Frau Ministerin, ich finde, mit sich ständig wiederholenden Ankündigungen werden Sie diesem Thema nicht gerecht. Handeln Sie doch einfach einmal, Frau Ministerin!

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat in ihrem Entschließungsantrag u. a. vorgeschlagen - ich erinnere daran -, ein hilfeorientiertes Frühwarnsystem unter Einbeziehung von Kindertagesstätten, Schulen, Jugendämtern, Sozialdiensten und Gesundheitsbehörden aufzubauen, darüber hinaus einen landesweiten, rund um die Uhr erreichbaren Kindernotruf einzurichten und das 2001 erfolgreich gestartete Projekt der Familienhebammen flächendeckend auszubauen. Sie sitzen diesen Antrag bisher alternativlos aus, loben Ihrerseits das Modell der Familienhebammen und schieben es dann in aller Ruhe

2007 den Kommunen zu, soweit diese das finanzieren können.

Ganze 40 000 Euro für eine Koordinierungsstelle ist der Koalition das Projekt der Familienhebammen im neuen Haushaltsplanentwurf 2007 noch wert - ein Projekt, das bisher als Einziges genau die Eltern und Familien erreicht, die wir dringend erreichen müssen.

Meine Damen und Herren, dieses Verfahren ist das genaue Gegenteil Ihrer Ankündigungen. Es ist fahrlässig und überdies verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD)

Wer es ernst meint mit dem Schutz von Kindern und der Verbesserung der Kindergesundheit, der muss auch dort handeln, wo der Zuständigkeitsbereich des Landesgesetzgebers selber gegeben ist, und zwar beim Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Sie haben allerdings im März bei der Verabschiedung des Gesetzes ohne Not gekniffen. Stattdessen haben Sie kurz danach einen Placeboantrag zum Thema Masern eingebracht.

(Norbert Böhlke [CDU]: Na, na, na!)

- Damit das klar ist, Herr Böhlke: Masern sind eine ernst zu nehmende und häufig unterschätzte Krankheit.

(Joachim Albrecht [CDU]: Sehr rich- tig!)

Bei 20 % der Erkrankten gibt es Komplikationen zum Teil sehr schwerwiegende, bis hin zur Gehirnentzündung. Deutschland ist im Gegensatz zu anderen Industrienationen weit von der von der Weltgesundheitsorganisation bereits 1999 geforderten Durchimpfquote von 95 % entfernt.

(Norbert Böhlke [CDU]: Warum wohl?)

In Ihrem Antrag haben Sie aber entweder Vorschläge aufgegriffen, die schon mit wenig Erfolg umgesetzt worden sind, oder Vorschläge, für deren Umsetzung das Land gar nicht zuständig ist. Besonders interessant finde ich dabei Ihre Forderung unter Nr. 2, den öffentlichen Gesundheitsdienst zu motivieren, seine Anstrengungen für eine höhere Impfquote zu verstärken, und Ihre Forderung unter Nr. 3, für eine höhere Impfquote flächendeckend Kindergärten mit einzubeziehen. Genau das, meine Damen und Herren, haben Sie bei der Verabschiedung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst abgelehnt. Genau das, meine

Damen und Herren, beantragen wir heute mit dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf erneut.