Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Hilfe für Intensivtäter“ heißt der Entschließungsantrag, und er konzentriert sich ausschließlich auf freiheitsentziehende Maßnahmen. Das ist nicht unser Selbstverständnis. Wenn Sie sich unsere Entschließungsanträge aus der vergangenen Zeit anschauen, dann sehen Sie, dass wir auch ein Verständnis von präventiven Angeboten haben. Kinder brauchen Hilfe, und Hilfe bekommen sie durch präventive und entlastende Angebote, durch fördernde und stützende Angebote der Jugendhilfe. Das tut Not. Frau von der Leyen nennt dies Streuprogramme, die engagierten Fachpolitiker nennen es niedersächsischer Kinder- und Jugendplan. Dahinter verbergen sich so wichtige Projekte wie das Hebammenprojekt. Ein Mitarbeiter des Hauses, des MS, Herr Dr. Windorfer, wird Frau von der Leyen sicherlich die Notwendigkeit dieses sehr früh einsetzenden Projektes erläutern können. Das Schulschwänzerprojekt Auszeit wird darüber finanziert. Herr Hoofe wird erklären können, warum das Projekt Auszeit so wichtig ist. Alles das macht deutlich: Prävention tut Not. Missachten Sie nicht diese Projekte! Seien Sie, Frau von der Leyen, Lobby für diese Kinder; denn wir können nicht nur an den Symptomen ansetzen, wir müssen an die Ursachen heran, wir müssen die Kinder stützen. Deshalb fordere ich Sie auf: Machen Sie keinen Schnellschuss, aber kommen Sie mit der Bestandsaufnahme jetzt schnell zur Sache. Legen Sie die Bestandsaufnahme vor. Lassen Sie uns auf der Basis dieser Bestandsaufnahme eine intensive, engagierte und solide sachliche Diskussion führen; denn es geht um einschneidende Maßnahmen. Wer einmal Freiheitsentziehung erlebt hat, sich mit den Kindern hat einschließen lassen, der weiß, was das auch in Bezug auf die weitere Lebensgeschichte dieser Kinder auslöst. Deswegen sind bei diesem Thema äußerste Vorsicht und Umsicht geboten. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mitte April versprachen der Herr Innenminister und die Frau Jugendministerin Hilfe für Intensivtäter. Gemeint ist die Einrichtung geschlossener Heime für Kinder, natürlich eingebettet in ein erzieherisches
und pädagogisches therapeutisches Gesamtkonzept. Der Bedarf sollte im April ermittelt sein, um dann anschließend zügig diese Plätze einzurichten. Das mit dem Wort „zügig“ hat sich etwas hinausgezögert. Etwas hat die CDU und hat die FDP in den jahrelangen Debatten zur geschlossenen Heimunterbringung schon gelernt, nämlich sich klar auszudrücken und konkret zu sagen, wer gemeint ist: Es sollen Kinder weggesperrt werden.
Doch auch dem Jugendstrafrecht mit seinen differenzierten Maßnahmen soll es an den Kragen gehen. Auch hier gilt zukünftig nicht mehr „Erziehung statt Strafe“, sondern „Erziehung durch Strafe“. Fachlich fundierte Studien, die belegen, dass der Vollzug bei jungen Menschen größtenteils eine kriminelle Karriere weiterentwickelt oder zementiert, werden ignoriert.
Sie gehen weiter und kürzen die ambulanten sozialen Trainingsprogramme nach dem Jugendgerichtsgesetz, sodass die existierende soziale Infrastruktur in akuter Gefahr ist. Diese Politik werden wir nicht mittragen.
Sie sprechen davon, dass Sie den Kindern helfen wollen, dass Sie die Gesellschaft aber auch vor diesen Kindern schützen.
Wo bleibt das angekündigte erzieherische und therapeutische Gesamtkonzept? Wo bleiben die Zahlen zum realen Bedarf? Oder haben Sie bisher noch keinen konkreten Bedarf feststellen können?
Auch der SPD scheinen Zweifel am Bedarf bekommen zu sein. Wie ist sonst ihr Änderungsantrag erklärbar, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, auf der Grundlage des Berichts zu prüfen, ob ein Bedarf in Niedersachsen überhaupt vorhanden ist?
darf und auch nicht um therapeutische Konzepte. Wegschließen heißt die Antwort, weil die Politik, Ihre Politik die intensive Auseinandersetzung mit dem Bereich der Kinderkriminalität so lösen will. Hier werden Scheinlösungen als Patentrezepte verkauft. Die Begrifflichkeiten „kinderfreundliches Niedersachsen“, „partnerschaftliche Sozialpolitik“ und „Erziehungspartnerschaft“ sollten nicht zu Schlagworten verkommen, sondern sollten mit Leben gefüllt werden. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Frau Dr. Trauernicht dankbar dafür, dass Sie hier noch einmal deutlich gemacht hat, dass in der Sache eigentlich eine weite Einigkeit darüber besteht, dass eine geschlossene Heimunterbringung für wenige schwerstkriminelle Kinder notwendig und erforderlich ist. Das allerdings ist dann auch schon das Einzige, wofür ich Ihnen dankbar bin; denn bei dem anderen Teil Ihrer Rede, Frau Dr. Trauernicht, hatte ich das Gefühl, ich wäre hier in einer anderen Veranstaltung gewesen.
Ich finde es schon komisch, dass man selber jahrelang in Verantwortung war und jetzt nach wenigen Tagen der neuen Landesregierung vorwirft, sie hätte eine Bestandsaufnahme noch nicht fertig und müsste nachliefern. Das hätten Sie jahrelang selber machen können.
Von daher ist es richtig, dass die neue Mehrheit aus CDU und FDP hier für klare Tatsachen sorgt und sich dieses Problemfeldes annimmt. Es kann daher auch nicht sein, dass wir Ihrem Änderungsantrag folgen und hier eine Verschiebung auf einen Sankt-Nimmerleins-Tag oder ein anderes Datum vornehmen. Wir müssen jetzt entsprechend anfangen. Es ist wichtig, dass wir erst einmal mit kleinen Schritten anfangen und selber in Niedersachsen Angebote schaffen
und dass wir Kinder nicht in andere Bundesländer exportieren, zumal es durchaus auch pädagogisch sicherlich wichtig ist, dass man Kinder dann, wenn Eltern einen positiven Effekt auf sie haben, heimatnah unterbringt, damit die Eltern während der Unterbringung nicht nach Bayern, BadenWürttemberg oder woanders hinreisen müssen.
Es ist unsere Verantwortung, dass wir hier entsprechend tätig werden. Ich bin froh darüber, dass wir bis auf die Grünen - danach, was Herr Professor Lennartz hier gesagt hat - von der Sache her an einem Strang ziehen. Es ist nun einmal so: Wenn man die Freiheit der Menschen in Niedersachsen schützen und gewährleisten will, dann muss man - insoweit ist die Beschreibung des Abgeordneten Thümler richtig gewesen - leider einigen wenigen schwerstkriminellen Kindern die Freiheit für eine gewisse Zeit entziehen, um so für Sicherheit zu sorgen und mit einem pädagogischen Angebot diese Kinder wieder auf den rechten Weg zu bringen.
Herr Schünemann, Frau Dr. von der Leyen, ich bitte Sie, auf diesem richtigen Weg entsprechend weiterzumachen. Der Landtag wird Sie hierbei unterstützen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Landtag hat sich auf Initiative der CDU seit 1997 immer wieder mit dem Thema straffälliger Kinder und Jugendlicher befasst. Ich möchte betonen, dass es verkürzt wäre, dieses Thema auf den Begriff „freiheitsentziehende Maßnahmen“ zu reduzieren.
Die Kinder und Jugendlichen, um die es geht, brauchen vor allem eines: Hilfe. Sie brauchen unsere Hilfe, um ein weiteres Abgleiten in die Kriminalität zu vermeiden. Sie brauchen unsere Hilfe, um eine neue Perspektive für ein neues Leben zu entwickeln.
Sie brauchen unsere Hilfe, um schlimme und schlimmste Traumata aus ihrer Lebensgeschichte gegenüber Erwachsenen benennen und überwinden zu können. Meine Damen und Herren, sie brauchen unsere Hilfe, um überhaupt Hilfe annehmen zu können.
Manche dieser jungen Menschen sind sehr weit von einem Weg abgekommen, den wir als Gesellschaft noch tolerieren können. Oft haben die Eltern dieser jungen Menschen aus den verschiedensten Gründen keinen Einfluss mehr auf ihre Kinder oder tolerieren gar deren Verhaltensweisen.
Es geht also vor allem um Hilfe und um Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sich selbst. Es geht aber auch darum, die Opfer vor diesen Tätern zu schützen.
Es geht nicht um die Schaffung von „Kindergefängnissen“, aber auch nicht darum, tatenlos kriminellen Handlungen zuzusehen. Es geht vielmehr darum, eine Lücke im Angebot der niedersächsischen Jugendhilfeeinrichtungen zu schließen.
Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen, um mit einer kleinen Zahl besonders schwieriger Intensivtäter pädagogisch und therapeutisch arbeiten zu können. Das Kriseninterventionsteam hat auf der Grundlage des Kabinettsbeschlusses vom September letzten Jahres in den vergangenen Monaten über 40 Fallbesprechungen in 22 Jugendämtern durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird eine Prognose für den Bedarf an Plätzen in Niedersachsen mit der Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung aufgestellt.
Ohne die Bedarfsschätzung vorwegnehmen zu wollen, werden wir zunächst mit einem Träger und einer Zahl von zehn Plätzen beginnen. Das ist sozusagen als Mindestgröße für Niedersachsen anzusehen. Wir werden diese Plätze bis zu einem Aufnahmealter von 15 Jahren auch Jugendlichen zu
gänglich machen, weil nach Aussage vieler Experten die Reduzierung auf Kinder nicht sachgerecht ist.
Der Träger, mit dem wir beginnen werden, arbeitet schon jetzt mit extrem schwierigen Kindern und Jugendlichen. Er hat die Erfahrung gemacht, dass auch bei höchstem Personalaufwand manche junge Menschen in offenen Einrichtungen nicht gehalten werden können und dass sie gerade in einer Krise den Weg der Entweichung dem Weg der Auseinandersetzung vorziehen.
Dieser Träger bietet die Gewähr dafür, dass der Freiheitsentzug ein pädagogisches Mittel bleibt und zu keinem Zeitpunkt zu einem ordnungspolitischen Mittel umgewandelt wird. Nichts anderes will die Landesregierung. - Vielen Dank.