Protocol of the Session on February 15, 2002

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Beratung über diesen Antrag.

Wenn Sie den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur mit der federführenden Beratung beauftragen und die Ausschüsse für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht sowie für Haushalt und Finanzen mitberaten lassen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen gibt es auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.

Wir kommen nun zum letzten Punkt unserer Tagesordnung. Das ist

Tagesordnungspunkt 49: Erste Beratung: Benachteiligung von Alleinerziehenden im Steuerrecht - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3119

Zur Einbringung hat sich Frau Kollegin Vogelsang zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe doch in sehr großer Anzahl noch anwesende Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir die Diskussion vor einem gut besetzten Haus führen können.

(Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

Wir wollen mit unserem Antrag den Anstoß dafür geben, dass eine riesige Ungerechtigkeit, die zulasten der Alleinerziehenden geht, möglichst schnell behoben wird.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben unseren Entschließungsantrag bewusst so kurz gefasst, dass ihm eigentlich alle im Landtag vertretenen Fraktionen zustimmen können.

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU])

Wir wollten auch verlängernde Beratungen in den Ausschüssen vermeiden. Damit es alle präsent haben, möchte ich nur kurz den Entschließungstext, über den abgestimmt wird, vorlesen. Da heißt es:

„Der Landtag fordert die Niedersächsische Landesregierung auf, über den Deutschen Bundesrat darauf hinzuwirken, dass die durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Familienförderung entstandenen finanziellen Nachteile für die Alleinerziehenden aufgehoben werden.“

(Beifall bei der CDU)

Wir haben bewusst darauf verzichtet zu sagen, dass die eine oder andere Möglichkeit der Stein des Weisen sei und daher gewählt werden müsse. Die Frage, wie das Problem zu lösen ist, ist Sache der Berliner. Wir wollen ganz bewusst den für die Verfassungsmäßigkeit der Steuerreform in Deutschland richtigen Weg wählen. Wir wissen, dass das verfassungsmäßig sauber sein muss. Wir alle kennen den Weg, der dazu geführt hat, dass es sich so verändert hat.

Wir wollen mit unserem Antrag - auch durch die Dringlichkeit des Ganzen - deutlich machen, dass hier etwas passiert ist, was wir bei der Bundesregierung schon häufig erleben mussten, nämlich dass das, was gut gedacht war, schlecht gemacht worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen und dürfen es gemeinsam nicht hinnehmen, dass diejenigen, die laut Armutsbericht der Bundesregierung ohnehin am meisten von Armut betroffen sind - ich denke an die Alleinerziehenden -, ihre angebliche Besserstellung in ihren

Rahmen- und Lebensbedingungen, aber auch in ihrer materiellen Situation - so die Pressemitteilung des Bundesministeriums - unter dem Strich selbst zahlen müssen. Das geht nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass die Alleinerziehenden statt eines Ausgleichs für die erhöhte Haushaltsführung den Betrag auch noch abgezogen bekommen, um dann durch die steuerliche Einstufung als Single zusätzlich noch einmal schlechter gestellt zu werden als heute.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie werden es genau wie ich in den letzten Tagen in den Zeitungen verfolgt und gesehen haben, dass sich in Berlin etwas tut, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen zu der Erkenntnis gekommen sind, dass da vieles falsch gelaufen ist und zu Benachteiligungen geführt hat, dass die SPD davon spricht, dass es zu Korrekturen kommen muss,

(Zuruf von der CDU: Die Einsicht kommt zu spät!)

dass die Grünen sagen, dass da etwas geschehen ist, was sie eigentlich nicht gewollt haben. Lassen Sie uns daher heute gemeinsam den Anstoß zu Änderungen geben; denn Eile tut Not.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen natürlich - dies sage ich insbesondere in Richtung der Steuerpolitiker -, weshalb die Gesetzesänderung notwendig war. Wir wissen, dass das Bundesverfassungsgericht 1998 einheitliche Lösungen im Steuerrecht gefordert hat, die sich an den Erziehungsleistungen orientieren sollten. Die steuerliche Beurteilung sollte nicht davon abhängig sein, in welcher Form von Gemeinschaft ein Kind aufwächst. Der Gesetzgeber meinte jetzt, das auftragsgemäß korrigieren zu müssen. Er hat dabei sehenden Auges in Kauf genommen, dass aufgrund absolut falscher Weichenstellungen die Alleinerziehenden effektiv schlechter gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Absenkung des Haushaltsfreibetrages von 5 616 DM auf 4 577 DM oder 2 340 Euro in 2002 und sogar auf 1 188 Euro in den Jahren 2003 und 2004 und die anschließende völlige Streichung haben - wie ich meine - fatale Folgen für die Alleinerziehenden. Wir dürfen dazu nicht schweigen.

Finanzminister Eichel hat mit dem Einverständnis der Familienministerin und der Bundestagskollegen von SPD und Grünen den Alleinerziehenden mit einem Federstrich, nämlich mit der Gesetzesänderung, pro Jahr ein komplettes Monatsgehalt genommen; denn bereits bei einem Jahreseinkommen von 23 000 Euro sind monatlich 168 Euro mehr an Steuern zu zahlen. Das bedeutet für diese Alleinerziehenden, dass sie rund 1 800 Euro an Steuern mehr zahlen müssen.

Wird das Kind erst im Jahre 2002 von der Steuerkarte des Vaters auf die Steuerkarte der Mutter genommen, dann ist der Freibetrag weg. Er ist futsch und weg. Das ist nicht nachvollziehbar. Man kann das Kind doch nicht mit dem Bade ausschütten. Wir alle kennen den Armutsbericht der Bundesregierung, aus dem hervorgeht, dass die Alleinerziehenden in ganz besonderer Weise von Armut betroffen sind. 86 % derer, die da aufgelistet sind, sind Frauen. Die meisten Alleinerziehenden - ich weiß nicht, ob Sie das alles so präsent haben - sind jünger als 26 Jahre. 2,6 Millionen Kinder unter 18 Jahren leben bei nur einem Elternteil. Unter diesen Vorzeichen kann und darf ein solch gravierender Fehler in der Besteuerung der Alleinerziehenden einfach nicht gemacht werden, es sei denn, die Regierung hätte es so gewollt.

Da fördert die Bundesfamilienministerin Bergmann - auch das will ich hier noch erwähnen zwar ein Büchlein mit dem besonderen Titel „Allein erziehen - Vielfalt und Dynamik einer Lebensform“. Faktisch hat sie die Alleinerziehenden aber von Anfang an aufs Abstellgleis gestellt. Auch bei der Riesterrente gab es seitens der Bundesministerin keinen Aufschrei, als die Alleinerziehenden erneut benachteiligt wurden; denn sie haben aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten häufig nicht die Chance, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Ursprünglich förderungsberechtigten Personen werden jetzt, weil es von der SPD so gewollt ist, bei Langerziehungszeiten die staatlichen Zuschüsse von jährlich bis zu 134 Euro pro Arbeitnehmer und von 185 Euro pro Kind entzogen. Sie wissen genau, dass dies keine unflätigen Behauptungen der Opposition sind, sondern dass die jüngsten Studien der Bertelsmann-Stiftung das zutage gefördert haben.

Wenn schon kein Aufschrei der Bundesfrauen- und Familienministerin kommt, dann frage ich mich: Was ist denn mit Niedersachsen? Verehrte Frau Ministerin Trauernicht, ich frage Sie wirklich:

Trauen Sie sich nicht, oder warum haben wir Sie in dieser Frage nicht gehört?

(Beifall bei der CDU)

Im Gegensatz zu Ihnen zolle ich dem Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter großen Respekt wegen ihres beachtlichen Engagements mit der roten Karte. 200 000 Karten gehen an den Bundeskanzler, um ihm deutlich zu machen, dass Alleinerziehende eben keine Singles sind. Ich finde es ganz besonders beachtlich - Sie haben es wahrscheinlich auch mit viel Freude gelesen -, dass sich die Schwester des Bundeskanzler, Ilse Brück, in der Bild am Sonntag am 6. Januar wie folgt geäußert hat: Die Politik meines Bruders kostet mich 2 400 DM im Jahr.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, das Ganze ist für die Bundesregierung mehr als blamabel. Aber ich rechne es Frau Brück besonders hoch an, dass sie eine der ersten sein wird, die am 18. Februar mit zum Bundesverfassungsgericht gehen wird, um Klage einzureichen. Dazu sage ich Ihnen: Das Wichtigste bei dem Ganzen ist, dass wir in der Politik endlich lernen, politische Entscheidungen in den Parlamenten selbst zu fällen, da, wo sie hingehören, dass wir nicht immer alles den Gerichten überlassen.

Deswegen wäre es meine ganz herzliche Bitte: Verzögern Sie hier heute nicht, geben Sie es nicht erst in den Finanzausschuss, in die mitberatenden Ausschüsse! Bis dahin hat möglicherweise Karlsruhe längst gesprochen. Zeigen Sie, dass Sie den Fehler erkannt haben und dass Sie bereit sind, ihn zu beheben! - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Lestin, Sie sind der nächste Redner zu diesem Antrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Vogelsang, die sofortige Abstimmung und vor allem die Zustimmung, die Sie von uns erwarten, ist nicht möglich, selbst dann, wenn Sie sagen, wir sollen nicht über die Begründung abstimmen. Die Begründung ist ja nun einmal die Basis des Antrages. Deshalb ist das nicht möglich.

Auch die von Ihnen angesprochenen Probleme der Zuordnung sind nicht so, wie Sie sie dargestellt haben. Da ist Bewegung drin, und da gibt es Lösungen. Es ist nicht so, wie Sie gesagt haben. Wenn ein Gesetzgeber einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts folgt, dann ist das nicht blamabel. Das kann nicht so sein.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Frau Vogelsang [CDU])

Überhaupt ist das mit den Wünschen ja so: Jeder kann sich etwas wünschen. Solange es im rechtsfreien Raum ist, gibt es da auch keine Grenzen. Aber wenn es eine Gerichtsentscheidung gibt, hat man bei normalen Gerichten immer noch die Möglichkeit, es zu akzeptieren oder Berufung einzulegen. Wenn aber das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung gekommen ist, gibt es nicht mehr so furchtbar viele Möglichkeiten.

Nun zu den Bedingungen des Beschlusses. Betreuung und Erziehung von Kindern beanspruchen Arbeitskraft und Zahlungsfähigkeit und müssen daher als Bestandteil des familiären Existenzminimums von der Steuer freigestellt werden. Das ist eine der Grundlagen. Unerheblich ist, ob Betreuung und Erziehung durch Fremdpersonen, Eltern oder einen Elternteil erbracht werden.

Das Weitere ist: Nicht die Kosten der Eltern, sondern der Bedarf der Kinder stellt den Maßstab dar. Und das Weitere der Entscheidung: Es darf keine Diskriminierung in Abhängigkeit von der Familiensituation geben, keine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, keine Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen und keine Benachteiligung von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften.

(Frau Vogelsang [CDU]: Aber eine Benachteiligung von allein Erziehen- den!)

Thema ist damit nicht Benachteiligung der Alleinerziehenden, sondern das Thema heißt steuerliche Gleichbehandlung aller Erziehenden.

Die bisherige Praxis ist vom Verfassungsgericht als nicht verfassungskonform festgestellt worden.

(Zuruf von der SPD: Wer ist denn da- für verantwortlich gewesen?)

Das kann man bedauern, das kann man aber auch hinnehmen. Auf jeden Fall ist es gültig. Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, die steuerliche