Protocol of the Session on February 13, 2002

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Dr. Domröse hat das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst einmal dafür entschuldigen, dass ich meine Wortmeldung unbotmäßig einem „Boten“ mit auf den Weg gegeben habe. Vielleicht war es nicht nur die Bequemlichkeit, weil Herr Golibrzuch sowieso unterwegs war, sondern auch die Erinnerung, dass ich bei einer der

letzten Debatten eine Wortmeldung abgegeben hatte, Herr Präsident, und nicht drangekommen bin. Deshalb habe ich mir gesagt: Versuche es diesmal so, und - siehe da - es funktionierte.

Zu Ihrer Beruhigung, Herr Kollege Dr. Domröse, es ist zulässig, was Sie gemacht haben!

Danke sehr. Das habe ich auch nicht bezweifelt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Golibrzuch hat hier von Kuriositäten gesprochen. Ich will Ihnen einmal sagen, Herr Golibrzuch, was kurios ist. Kurios ist, wenn Sie glauben, dass es ausreicht, Parteitagsbeschlüsse - gleich welcher Partei - in ein Gesetzgebungsverfahren im Parlament einzubringen. Das ist nicht hinreichend.

Parteitagsbeschlüsse sind politische Absichten.

(Lachen bei der CDU)

Die sind so auch in Ordnung, und die werden von uns auch umgesetzt. - Darüber würde ich an Ihrer Stelle nicht lachen. Die Grünen haben nämlich ein ganz besonderes Verhältnis dazu.

(Beifall bei der SPD)

Das Gesetzgebungsverfahren, meine Damen und Herren, ist das andere.

Sie haben eben so einen komischen schwammigen Satz gesagt - lesen Sie ihn sich nachher noch einmal durch -, was nach Ihrer Erinnerung in Ihrem Antrag steht. Ich hätte Ihnen empfohlen, den Antrag, kurz bevor Sie hierhin gegangen sind, noch einmal durchzulesen; ich hätte Ihnen den übrigens auch geliehen. Darin steht:

„Der Landtag begrüßt die von der Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft ergriffenen Initiativen, Studiengebühren bundesweit auszuschließen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solche Initiative hat es nie gegeben, und die gibt es auch nicht.

Da muss man schon ein bisschen genauer hingucken. Wir haben nie gesagt, an keiner Stelle – auch niemand, der sich sonst gegen Studiengebühren

äußert, hat das gesagt -, dass es ein generelles Verbot für Studiengebühren geben kann oder geben muss. Schließlich haben wir schon immer Studiengebühren gehabt, z. B. für Seniorinnen und Senioren oder für Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge. Es ist nie darum gegangen, Studiengebühren an den Hochschulen generell zu verbieten - solch ein Gesetz wäre auch gar nicht denkbar -, sondern es ging immer nur um Folgendes - und das schreiben Sie ja auch in Ihrem zweiten Satz -:

„Auch wenn eine Einigung der KMK in diesem Punkt nicht möglich war, tritt der Landtag weiterhin für die Absicherung eines gebührenfreien Erststudiums ein.“

Ja, Herr Golibrzuch, und nein, Herr Golibrzuch. Ja, weil wir weiterhin dafür eintreten. Aber nein, weil wir es erledigt haben. Genau das haben wir nämlich mit der Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes erreicht: Als zweites Bundesland in Deutschland - nach Baden-Württemberg haben wir ein gebührenfreies Erststudium im Gesetz verankert.

Nun will ich Ihnen einmal sagen, was der Bund als Rahmengesetzgeber dazu tut - wenn ich mich richtig erinnere, Herr Golibrzuch, sitzen die Grünen auf Bundesebene mit in der Regierung -: Frau Bulmahn wird einen neuen Gesetzentwurf auf die Reise bringen. Ein Arbeitsentwurf liegt mir schon vor. In diesem Gesetzentwurf wird eine Sache genau so stehen, wie wir es hier gemacht haben, nämlich dass ein bestimmtes Maß an Inanspruchnahme der Universitäten - nennen wir es einmal „Erststudium“ oder „Grundstudium“ - gebührenfrei ist, aber danach selbstverständlich Gebühren fällig werden. Sonst machte die Verwendung des Wortes „Freiheit“ ja auch keinen Sinn. Ob Sie das nun über Gutscheine oder darüber machen, dass Sie sagen, eine bestimmte Semesteranzahl ist gebührenfrei, ist letztlich egal, es sei denn, man macht Taschenspielertricks. Auf diese Taschenspielertricks will ich im Anschluss noch eingehen.

Dann haben Sie gesagt, Ihnen fehle das Anreizsystem, weil man bei dem Gutscheinsystem das, was man nicht verbraucht habe, für das weitere Studium an den Hochschulen mitnehmen könne. Lieber Herr Golibrzuch, da empfiehlt es sich, nicht nur Ihren eigenen Antrag, sondern auch einmal unseren Gesetzentwurf zu lesen. Auch nach unserem Gesetzentwurf können Sie das Semesterguthaben selbstverständlich mitnehmen, das Sie nicht

verbraucht haben. Sie sollen es sogar. Das ist der Sinn dieses Gesetzentwurfs.

Lassen Sie mich dazu aber noch eine ganz wichtige Bemerkung machen - ich habe das an anderer Stelle hier im Hause schon ausgeführt -: Ich wäre sehr daran interessiert, dass sich die Länder und der Bund auf ein einheitliches Verfahren in den Ländern einigen. Das hätte, das will ich gar nicht abstreiten, für die Studierenden einen hohen Stellenwert. Wenn der Prozess am Ende dazu führen würde, dass nicht unser Modell, sondern ein anderes gewählt würde, würden wir das nicht als Niederlage verstehen, sondern wären wir bereit, unser Modell entsprechend anzupassen.

Aber, Herr Golibrzuch, es gibt noch kein anderes Modell. Es gibt lediglich verbale Äußerungen von Rheinland-Pfalz und von Nordrhein-Westfalen, die dahin gehen, ein Gutscheinmodell gestalten zu wollen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich in einer Arbeitsgruppe sitze, die solche Vorschläge möglicherweise mit erarbeiten würde. Es gibt bis heute noch keinen einzigen schriftlichen Formulierungsvorschlag.

Und eines muss doch auch klar sein: Wenn man ein Gutscheinmodell definiert, wird man am Ende sagen müssen, was passiert, wenn der Gutschein verbraucht ist. Am Ende wird es auch dort Gebühren für diejenigen geben, die keine Gutscheine mehr besitzen, weil sie zu lange studiert haben. Ob man das dann „Bezahlen von Studium nach Ablauf der Gebührenfreiheit“ oder „Langzeitstudiengebühr“ nennt, ist letztlich gleich.

Einen Taschenspielertrick lassen wir allerdings nicht zu, nämlich den der Grünen. Die sagen: Wir wollen auch ein Gutscheinmodell. Das wollen wir so gestalten wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Und wer die Gutscheine aufgebraucht hat und keine mehr hat, der wird zwangsexmatrikuliert. - Ja, meine Damen und Herren, so kann ich natürlich auch die Gebührenfreiheit sichern, wenn ich sage: Liebe Studierende, wenn ihr es in der bestimmten Zeit nicht geschafft hat, dann geht bitte von der Uni; wir schmeißen euch raus, und dann braucht ihr auch keine Gebühren zu zahlen. - Dann können Sie sich natürlich voller Stolz hinstellen und sagen, Sie hätten die reine Lehre aufrechterhalten und seien sauber geblieben. - Für uns allerdings ist das asozial, und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bleibe ich dabei: Unser Modell ist vernünftig. Wir definieren ein Guthaben, das relativ leicht handhabbar ist: Regelstudienzeit plus vier Semester Toleranz. Für Kindererziehungszeiten gibt es praktisch die doppelte Regelstudienzeit als Möglichkeit, und es gibt Zuschläge für Auslandsstudium und für eine Betätigung in den Gremien der Selbstverwaltung der Hochschule. Wenn das nicht ausreichend ist, wenn das nicht ein Angebot des Staates für ein kostenloses Erststudium ist, dann weiß ich es auch nicht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Ernst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Domröse, wenn ich Ihnen so zuhöre, frage ich mich, ob das, was Sie hier betreiben, nicht reine Wortklauberei ist.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wenn das alles so gut und so richtig ist, was Sie vorhin selbst gesagt haben: Mein Gott nochmal, warum haben Sie dann Schwierigkeiten, dem Antrag der Grünen zuzustimmen?

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN - Dr. Domröse [SPD]: Der ist doch erledigt!)

Da gibt es doch überhaupt kein Problem. Das ist nur noch einmal eine Absicherung und weiter nichts. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir uns hier mit Wortklaubereien beschäftigen.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit Blick auf Niedersachsen noch einmal festzustellen, dass hier ein gebührenfreies Erststudium abgesichert ist. Sie wissen - das haben wir schon öfter gesagt -, wir sind der Überzeugung, dass es zur staatlichen Verantwortung für die Zukunftschancen der jungen Generation gehört, ihnen über die schulische Grundbildung hinaus eine weitere Ausbildung - beispielsweise an unseren Hochschulen - kostenfrei zu ermöglichen. Auch wir haben das schon in verschiedenen Anträgen ausgeführt und könnten deshalb jetzt sagen, das ist bereits erledigt. Aber nein, wir betonen das noch

einmal und werden diesen Antrag auch unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in unserem Hochschulreformantrag betont, wir wollen Eigenverantwortung, Leistung, Wettbewerb und Internationalität. In diesem Antrag haben wir deutlich gemacht, Studiengebühren werden nicht erhoben.

In dem Antrag der Grünen geht es eindeutig nur um das Erststudium. Also bitte keine Wortklaubereien!

(Beifall bei der CDU - Frau Pawelski [CDU]: Das will doch der Minister auch!)

Wir erwarten natürlich, dass sich die Studierenden ihrer Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewusst sind. Das Studium ist, wie wir alle wissen, ein kostbares Gut. Daher treten wir auch nachhaltig dafür ein - leider Gottes werden wir insofern oft genug abgeschmettert -, dass die Studienordnungen und die Studiengänge leistungsorientiert zu gestalten sind.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehören verschiedene Maßnahmen, z. B. Zwischenprüfungen oder auch ergänzend Orientierungsprüfungen. Das alles wollten wir auf den Weg bringen.

Wenn sich die Studierenden bewusst sind, welche Verantwortung sie der Allgemeinheit gegenüber haben, dann besteht aus unserer Sicht kein Grund, sie zusätzlich mit Studiengebühren zu belasten.

Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie heute nicht zustimmen, dann muss es doch irgendwo einen Haken geben. Dann machen Sie nämlich die Taschenspielertricks, und wir wissen nicht, wo es langgeht, weil sie es nicht offen und ehrlich sagen. Sie können doch nicht Ihre eigenen Versäumnisse auf die Studierenden abwälzen. Unsere Studierenden hier in Niedersachsen wollen Sicherheit haben.

(Dr. Domröse [SPD]: Das steht doch im Gesetz!)

- Deshalb müssen Sie doch nicht erst lang und breit das Gesetz vorlesen. Wenn die Studierenden morgen in der Zeitung lesen, dass Sie dem Antrag zu

stimmen, haben sie die Sicherheit, dass das Erststudium gebührenfrei ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sie erst das lange Gesetz durchblättern müssen, Herr Dr. Domröse, haben sie die Passagen mit Sicherheit schon verpasst.