weiß ich wirklich nicht, in welchem Film ich bin. Wenn das so ist, kann ich den Städten, die heute InterRegio-Halte haben, nur dringend empfehlen, eine Petition an Herrn Wernstedt zu richten. Man hat fast das Gefühl, dass die Lüneburger hinsichtlich ihres Haltepunktes alles schon klar gemacht haben und die anderen hinterher in die Röhre gucken. Klar ist doch, dass das Intercitykonzept der Bahn weniger Haltepunkte vorsieht. Sonst bräuchte man doch dieses Spiel nicht zu machen. Das heißt, dass von den InterRegio-Halten, die wir heute haben, einige über die Wupper gehen werden. Die Frage ist natürlich, welche über die Wupper gehen. Das möchte ich, bitte schön, so früh wie möglich wissen. Dafür reicht mir eine so halb gare Bemerkung, wie ich sie heute in der HAZ nachlesen musste, nicht, sondern das will ich konkreter wissen.
Nach wie vor glaube ich, dass es wichtig ist, in dieser Frage die entscheidenden Punkte gemeinsam anzugehen und zu versuchen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Deshalb möchte ich noch einmal kurz das Regionalisierungsgesetz ansprechen. Dort befinden wir uns in der Tat auf einer Linie. Alle 16 Länder sind hier auf einer Linie. Wir haben aber das Problem, dass das Bundesfinanzministerium mauert und dem Land weniger Geld geben will, uns die rechtlich fest verankerte Dynamisierung vorenthalten will und auch nicht mit der Umsetzung des Wibera-Gutachtens zu Potte kommt, obwohl es eine erweiterte Einigung der Länder gab. Diese Regelung steht schon seit Jahren aus. Das kostet das Land Niedersachsen über 100 Millionen im Jahr. Ich möchte gern gemeinsam mit allen Fraktionen hier im Landtag und vor allem mit der SPD-Fraktion Druck in Richtung Bundesfinanzministerium machen, um eine vernünftige Lösung zu bekommen.
Meine Damen und Herren! Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Antrages. Federführend soll sich damit der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr befassen. Die Mitberatung soll im Ausschuss für Haushalt und Finanzen erfolgen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Vertreibung gedenken - Versöhnung erreichen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2936
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 5. August 1950 wurde in Stuttgart die Charta der Deutschen Heimatvertriebenen verabschiedet. In diesem bedeutenden Dokument verzichten die Vertriebenen auf Rache und Vergeltung und verpflichten sich, die Schaffung eines geeinten Europa nach Kräften zu unterstützen, in dem alle Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Dieses eindeutige Bekenntnis zur Überwindung von Krieg und Vergeltung bedeutete nicht, dass die deutschen Vertriebenen leichtfertig auf ihre Heimat verzichtet hätten. Lange galten sie mit ihrer Forderung nach einer Ostpolitik ohne Verzicht auf die Ostgebiete oder - wie die Sudetendeutschen zumindest nach einer Entschädigung für ihr verlorenes Hab und Gut als Störer deutscher Behaglichkeit. Doch das ist schon lange ein falsches Bild. Am Ende des Zweites Weltkrieges gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben, haben die Vertriebenen mehr als 50 Jahre später in ihrer Mehrheit längst den Blick zurück überwunden. Sie haben damit viel für die europäische Völkergemeinschaft getan.
In vielen Gemeinden unseres Landes haben die kontinuierlichen Besuche in den ehemaligen Heimatgebieten inzwischen zu freundschaftlichen Beziehungen zu den Menschen geführt, die in den ehemals deutschen Gebieten wohnen. Oft sind es gerade Vertriebene, die in humanitären Initiativen zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung dort führend sind. Weil sie Versöhnung, nicht aber Vergeltung suchen, sind die Vertriebenen so zu Brückenbauern für die Einheit Europas geworden.
Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, den 5. August zu einem Tag des nationalen Gedenkens an die Vertreibung zu erheben. Gleichzeitig soll nicht nur in jährlichen Gedenkveranstaltungen, sondern auch in der praktischen Politik, insbesondere in den Verhandlungen mit den osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten, dem Gedanken der Versöhnung mit den Vertriebenen größeres Gewicht gegeben werden. Es ist davon auszugehen, dass dies ein starkes Signal für die Bewältigung auch dieses Teils der Vergangenheit wäre.
Keineswegs soll mit einem solchen Signal das Leid übertönt werden, das Deutsche im Zweiten Weltkrieg über alle Völker gebracht haben, auch nicht das Leid, das vor allem die osteuropäischen Völker selber unter dem Joch des Stalinismus zu tragen hatten. Ganz im Gegenteil: Der Antrag der CDUFraktion schließt - wie es in seinem Wortlaut mehr als deutlich wird - alle Völker, Bevölkerungsgruppen und Menschen ein, zu deren Schicksal die Vertreibung aus ihren angestammten Heimatgebieten gehörte und bis auf den heutigen Tag leider gehört. Denken wir an die grauenhaften Bilder, die uns während der Bosnien- und der Kosovokriege in den letzten Jahren erreicht haben, an die Bilder von Geschehnissen, deren entsetzliche Auswirkungen noch auf Generationen von Menschen des Balkans nachwirken werden. Bilder, die gegenwärtig lediglich durch die Not des afghanischen Volkes überschattet werden. Auch dort wieder tausend-, ja, millionenfache Flucht und Vertreibung.
Im 20. Jahrhundert sind zwischen 80 Millionen und 100 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, deportiert oder zwangsweise umgesiedelt worden. Vertreibungen sind bis zum heutigen Tage allgegenwärtig. Das Schicksal der mehr als 15 Millionen vertriebenen Deutschen aus Mittel-, Ost- und Südeuropa ist selbst in Deutschland ein nahezu weißer Fleck im öffentlichen Bewusstsein.
Der Antrag der CDU-Fraktion zielt daher darauf ab, die Niedersächsische Landesregierung aufzufordern, eine Bundesratsinitiative in obigem Sinne einzuleiten. Man mag sich vielleicht fragen, warum es ausgerechnet das Bundesland Niedersachsen sein soll, das diese Initiative für ein nationales Gedenken an die Vertreibung und für die Versöhnung zwischen den osteuropäischen Ländern auf der einen Seite und den Vertriebenen auf der anderen Seite ergreift.
Dafür gibt es sicherlich zahlreiche gute Gründe, doch möchte ich einen hervorheben. Kaum ein zweites Bundesland hat in der Nachkriegszeit mit der Aufnahme von Vertriebenen aus den Ostgebieten eine so beispiellose Integrationsleistung vollbracht wie der Flächenstaat Niedersachsen. Die größte Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen strömte damals in die dünner besiedelten Gebiete des nördlichen Teils des westalliierten Besatzungsgebietes. Obwohl dort schon in den letzten beiden Kriegsjahren hunderttausende aus zerstörten Großstädten aufgenommen worden sind, kam es im Raum Hannover, Braunschweig und Celle sowie zwischen Lüneburg und Stade zur Verdoppelung der Bevölkerungszahl, während in den weniger betroffenen Gebieten der Zuwachs immerhin noch zwischen 40 % und 80 % lag. Die einheimische Bevölkerung vollbrachte nach beileibe nicht geringen Anfangsproblemen der Grundversorgung diese Integrationsleistung. Auch die Vertriebenen integrierten sich in den Dörfern und Städten, wo sie eine neue Heimat fanden mit all ihren Fähigkeiten, Qualifikationen und der Arbeitskraft, die sie - auch dies getreu der Charta - einbrachten. So nahmen sie in unerhört produktivem Maße aktiv am Wiederaufbau des Landes und an der Festigung einer demokratischen und einer auf gerechte Verteilung des neu erarbeiteten Wohlstands hin orientierten Gesellschaft teil. Niedersachsen verdankt diesen Menschen sehr viel.
In der Zeit des kalten Krieges war gewiss nicht mehr zu leisten als eine vorsichtige Annäherung an die osteuropäischen Staaten durch eine Politik der kleinen Schritte. Trotz konsequenter Kritik an den Unrechtsregimen des Ostblocks - vor allem der Sowjetunion - spielten Politiker der CDU, der SPD und der FDP eine maßgebliche Rolle. Die Namen Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Kohl und
Die Sowjetunion besteht nicht mehr. Ihre Folgeländer sind heute unsere Freunde oder auf bestem Wege, dies zu werden. Dieser Prozess ist zu begrüßen, weil er allein den Frieden in Europa langfristig sichert. Jedoch ist der Friede in Europa nicht denkbar ohne die Verarbeitung von Altlasten. Das können nicht nur die Altlasten sein, die aufseiten Deutschlands zu finden sind. Das müssen auch Altlasten sein, die auf der Seite der anderen Länder liegen.
Wir Deutschen sind bei der Verarbeitung einer für uns sehr belastenden Vergangenheit gleichsam in Vorleistung getreten. Das war gut so. Zweifellos war das Maß unserer Verantwortung für diese Erinnerungsarbeit, ohne die ein wirklicher Versöhnungsprozess nicht denkbar ist, ungleich größer als das der Tschechen, der Polen, der Ukrainer, der Belorussen und - jedenfalls was die Mehrheit der Bevölkerung angeht - der Russen. Es ist jetzt jedoch an der Zeit, ein neues Kapitel europäischer Geschichte einzuleiten. Es muss ein Kapitel sein, das sich keiner Wahrheit verschließt.
Seit dem 6. September 2000 gibt es das Zentrum gegen Vertreibung als gemeinnützige Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen. Die Vorsitzenden sind Erika Steinbach - Bundestagsmitglied - und Prof. Dr. Peter Glotz. Das Zentrum hat sich zur Aufgabe gemacht, sowohl die Tragödie der deutschen Heimatvertriebenen als auch die Verurteilung aller Völker aufzuarbeiten. Eine Gemeinschaftsaktion der beiden großen demokratischen Parteien. Es soll uns auch heute möglich sein, den vorliegenden Antrag gemeinsam auf den Weg zu bringen und zu unterstützen. Was über viele Jahre die Akademie in Loccum in mühevoller Kleinarbeit zur Verbesserung des polnisch-deutschen Verhältnisses und zur Klärung der gemeinsamen polnisch-deutschen Geschichte beigetragen hat, müssen wir jetzt im Großen vollziehen. Ebenso wie es ungerecht und unhistorisch gewesen wäre, die durch die nationalsozialistische Diktatur und ihre Kriegsmaschinerie Verfolgten und Ermordeten draußen vor der Tür der Geschichte zu belassen, so wäre es jetzt ungerecht und unhistorisch, das Schicksal der Vertriebenen nicht in unser gemein
Einen Tag des nationalen Gedenkens an die Opfer der Vertreibung, das Wachhalten ihres Schicksals als Mahnung für die kommenden Generationen, Unrecht in Frieden und Freiheit zu überwinden und die Betonung des Versöhnungsgedankens im Dialog mit den EU-Beitrittskandidaten können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten.
Herr Landtagspräsident, meine Damen und Herren, ich bitte Sie ganz herzlich, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt zu recht später Stunde einen, wie ich meine, nicht einfachen Antrag. Das ist sicherlich ein schwieriges Thema. Wir wollen sprechen über Flucht und Vertreibung vor allem während des letzten Krieges und nach dem Krieg. Ich meine, es gibt viele Gründe, sorgfältig zu beraten und auch nachdenklich zu diskutieren; denn auch heute noch sind viele Menschen in unserem Land Flüchtlinge und Vertriebene. Sie leben mit den Erinnerungen an ihre alte Heimat und mit den Erinnerungen an Flucht und Vertreibung. Auch ihre Empfindungen und Gefühle müssen wir beachten und respektieren.
Wir sollten, so meine ich, ein Weiteres bedenken. Gelitten unter der Vertreibung während des Krieges und nach dem Krieg haben die Deutschen, aber auch andere, z. B. Polen, die von den Sowjets aus ihren ehemaligen Ostgebieten nach Westen vertrieben wurden und die zum Teil in Ostpreußen eine neue Heimat gefunden haben.
Meine Damen und Herren, unser Altpräsident Richard von Weizsäcker hielt am 8. Mai 1985 im Bundestag eine große Rede. Für mich persönlich war das die wichtigste politische Rede, die nach 1945 in Deutschland gehalten wurde. Er begann mit der Forderung, der Wahrheit „so gut wir es halt können“ ins Auge zu schauen. Ich meine in leichter Abwandlung einer Überlegung Richard von
Weizsäckers: Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass wir Flucht und Vertreibung der Deutschen vor und nach 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen dürfen.
Meine Damen und Herren, zu dem Antrag der CDU-Fraktion. Sie wünschen einen nationalen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung, Sie möchten jährlich am 5. August in Berlin eine Veranstaltung der Vertriebenen Europas. - Ich möchte daran erinnern, dass wir schon jetzt jedes Jahr an die Vertriebenen, an Vertreibung erinnern. Am Volkstrauertag im November gedenken wir in der Totenehrung unter anderem der Menschen, die weltweit als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Meine Damen und Herren, brauchen wir wirklich diesen besonderen nationalen Gedenktag, wo doch heute auch das Unrecht der Vertreibung der Deutschen nach 1945 nicht verharmlost oder gar verschwiegen wird? Im Gegenteil, es wird offen besprochen; in den Medien wird immer wieder ausführlich über dieses Unrecht berichtet.
Ich meine, da hat sich in den letzten Jahren so viel in guter Weise verändert. Es ist heute anders als vor 40 Jahren. Heute gehen Menschen aus Polen und Deutschland aufeinander zu und sprechen auch über das Unrecht der Vertreibung. Zum Beispiel bei mir zu Hause. Der Landkreis Rotenburg hat nach dem Krieg eine Patenschaft für die Menschen aus dem ostpreußischen Landkreis Angerburg übernommen. Jährlich findet ein Treffen der geflüchteten und vertriebenen Angerburger bei uns statt, jetzt wieder am 2. und 3. März. Damals, in den 50er- und 60er-Jahren, waren das politisch wirklich schwierige, manchmal bittere und umstrittene Veranstaltungen. Heute kommen Polen aus Angerburg zu uns und fahren Rotenburger nach Angerburg. Da gibt es ganz offizielle, aber auch viele, viele private Kontakte.
Wenn das alles so ist - es wird nichts verschwiegen, wir gehen aufeinander zu -, dann frage ich noch einmal: Brauchen wir vor dem Hintergrund jetzt, im Jahr 2002, einen nationalen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung?
Werden da nicht wieder Gräben entstehen, und das in einer Zeit, in der wir gelernt haben, aufeinander zuzugehen, ohne Wahrheiten zu verschweigen? Sollten wir nicht andere Schritte tun, Schritte, die dazu beitragen, das Unrecht der Vertreibung nicht zu vergessen, die den Vertriebenen und ihren Nachkommen auch ein Stück Frieden mit ihrer Vergangenheit geben? Sollten wir nicht eher Wege gehen, die uns z. B. den Polen und Tschechen näher bringen, den Polen und Tschechen, die mit den schmerzlichen Ereignissen der Jahre 1939 bis 1945 leben?
Ich frage mich, ich frage Sie: Ist es nicht besser, immer wieder viele kleine Schritte zu tun, aufeinander zu zu gehen, z. B. wenn der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten im Mai Warschau, Posen und Breslau besucht, z. B. wenn wir Rotenburger eine Städtepartnerschaft mit der polnischen Stadt Tscherbinsk pflegen, dem früheren Rotenburg in Niederschlesien? - Ich meine, darüber sollten wir in aller Ruhe sprechen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, für recht problematisch halten wir den dritten Punkt Ihres Antrags.
Ich will es einmal sehr zugespitzt sagen. Sie fordern dort praktisch, dass wir die polnische Regierung bei den EU-Beitrittsverhandlungen unter Druck setzen: „Wenn ihr in der Vertriebenenfrage nicht die Erklärungen abgebt, die wir erwarten, werden wir euren Beitrittswunsch nicht unterstützen.“
Zugegeben, das ist sehr scharf formuliert. Aber ich meine, es ist so. Wir meinen, man handelt natürlich bei Verhandlungen. Do ut des, geben und nehmen ist ein alter Grundsatz. Aber er gilt nicht bei diesem Problem, meinen wir. Das ist ein schwieriges, ein auch menschlich schwieriges Thema. Hier geht es nicht um die bei solchen Beitrittsverhandlungen üblichen handfesten Fingerhakeleien. Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher, wir sollten das geschehene Unrecht der Vertreibung hier nicht als Hebel ansetzen.