Protocol of the Session on January 23, 2002

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist auch die Ansicht von Stoiber!)

denn die SPD-Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen haben festgestellt, dass es sinnvoll sei, den Gorlebener Salzstock weiter zu erkunden, bis positive oder negative Ergebnisse über die Eignung des Salzstockes als atomares Endlager vorlägen. Diese Aussage stammt zwar von Juli 1999, aber, meine Damen und Herren, das war immerhin noch in dieser Legislaturperiode und macht deutlich, wie lang die Halbwertzeit der Aussagen von SPDBundestagsabgeordneten ist. Man kann sich auf die SPD nicht immer verlassen.

(Zuruf von der CDU: Das ist wahr! – Busemann [CDU]: Aber darauf kann man sich verlassen!)

Das haben Ihnen die Wähler in diesem Bereich bei der Kommunalwahl deutlich gezeigt.

(Inselmann [SPD]: Die Atomlobby kann sich auf Sie verlassen!)

Auch diesem überflüssigen Antrag werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin, ich darf Sie an dieser Stelle noch einmal bitten, bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 3001 über die Nrn. 1 und 2 getrennt abstimmen zu lassen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Der fraktionslose Kollege Schwarzenholz erhält eine Redezeit von bis zu drei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2002 wird in Niedersachsen - wenn die Ankündigungen unseres Landesumweltministers zutreffen - voraussichtlich das Jahr sein, in dem in Deutschland erstmals ein Atommüllendlager genehmigt wird, in dem 95 % des gesamten deutschen Atommülls aufgenommen werden sollen. Dieses Atommüllendlager ist aber so groß geplant, dass innerhalb der im Rahmen des Atommüllkonsens vereinbarten Laufzeiten nur 50 % der Kapazitäten dieses Endlagers ausgeschöpft werden können. Die lokalen Bürgerinitiativen und die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass Niedersachsen - auch auf der Grundlage der Würdigung der entsprechenden EU-Rechtslage - mit diesem Atommüllendlager Schacht Konrad in Salzgitter ein europäisches Endlager bekommen wird, weil keine Bundesregierung auf Dauer ein unwirtschaftliches Endlager wird betreiben wollen. Stattdessen wird man die frei bleibenden 50 % nutzen wollen. Da das Genehmigungsverfahren auf Abfallarten, nicht aber auf die Herkunft der Abfälle abstellt, wird es relativ einfach sein, die Lagerung von EU-Müll dort zuzulassen. Die Spatzen pfeifen es schon vom Dach. Inzwischen wird auch schon unser Landesumweltminister hat dieses Thema bereits in die Debatte eingebracht - über europäische Entsorgungslösungen nachgedacht.

Noch einmal ganz konkret: Niedersachsen als europäisches Atommüllentsorgungsland. Das EUweite Grab für Atommüllabfälle soll in einer der am dichtesten besiedelten Regionen, in einer Industrieregion eingerichtet werden, in direkter Nachbarschaft von Hightech-Betrieben. Dass die Menschen dies für absurd halten, wird sicherlich auch die CDU, die dieses Lager stets befürwortet hat, nachvollziehen können. Es kann nicht angehen, dass ein solches Endlager mit einer Betriebszeit von 40 Jahren an einem Standort eingerichtet werden soll - sogar auf dem Grundstück des Stahlwerkes -, an dem jeder Unfall und jede Freisetzung von Radioaktivität zu einer Gefährdung der in unmittelbarer Nähe befindlichen Industriearbeitsplätze führen wird. Das ist doch absurd. Das aber ist die konsequente Bilanz einer Atompolitik, die Niedersachsen im Prinzip sämtliche Entsorgungslasten aufgebürdet hat.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ohne Ge- genwehr!)

- Ich muss an dieser Stelle Frau Harms ausdrücklich widersprechen. Sie haben vorhin gesagt, das Land sei mit Schacht Konrad geschlagen. Liebe Frau Harms, wir sind von dieser Bundesregierung, von Ihrem Bundesumweltminister mit diesem Schacht Konrad geschlagen worden. Wir haben hier im Landtag mit breiter Mehrheit die Bundesregierung aufgefordert, dass sie ihren Antrag zurückziehen und zumindest ein Moratorium machen möge, so lange dieser Arbeitskreis Endlager arbeitet. Wenn das kein Spielzeugarbeitskreis sein soll, kann man nicht parallel dazu ein Endlager genehmigen, das nach einer entsprechenden Klageauseinandersetzung in Betrieb gehen wird. Sie alle wissen vielleicht, dass für 90 Millionen DM die Einlagerungseinrichtungen bei der DBE in Peine bereits auf dem Hof stehen. Die Einlagerungseinrichtungen stehen dort bereits. Sie sind eingemottet und können in Betrieb gehen. Niedersachsen ist der große Verlierer der Atompolitik dieser Bundesregierung. Dieses Resümee ist für die Bundesregierung beschämend. Die Menschen werden das bei den nächsten Bundestagswahlen entsprechend zu würdigen haben.

(Busemann [CDU]: Herr Inselmann, können Sie das gleich aufklären?)

Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Dehde.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, auf eine oder zwei Anmerkungen von Frau Zachow einzugehen. Sie haben hier gesagt, dass der Arbeitskreis Endlager überhaupt noch nicht so genau wisse, was er tue. Außerdem haben Sie Ihre Vision von der Entwicklung von Atomanlagen in Niedersachsen beschrieben. Auch darauf möchte ich noch mit ein oder zwei Sätzen eingehen.

Meiner Kenntnis nach hat der Arbeitskreis Endlager sein Arbeitsverfahren sehr genau festgelegt. Er arbeitet völlig im Plan. Außerdem hat er einen Ansatz gewählt, den Sie sich meiner Meinung nach einmal etwas genauer ansehen sollten. Sie reduzieren die Standortsuche für ein Endlager ausschließlich auf die Frage geologischer Beurteilungen. Geprüft werden muss nun, ob Gorleben von der geologischen Formation her geeignet ist oder nicht.

(Zuruf von Frau Zachow [CDU])

- Das überlasse ich Ihrer eigenen Beurteilung, Frau Zachow. Ich werde das nicht wiederholen. Sonst laufe ich hier Gefahr, einen Ordnungsruf zu erhalten.

(Zuruf)

- Das will ich nicht machen; nein. - Frau Zachow, der Arbeitskreis Endlager hat eine Formulierung gewählt, die ich für sehr wichtig halte. Nach Auffassung des Arbeitskreises Endlager müssen neben diesen naturwissenschaftlichen Betrachtungen bei der Standortsuche aber auch gesellschaftliche Untersuchungen angestellt werden. Außerdem muss geprüft werden, wie man einen Standort kommunizieren kann und welche Voraussetzungen diesbezüglich erfüllt werden müssen. Ich sage Ihnen: Bei der Benennung von Gorleben ist genau der falsche Ansatz gewählt worden; denn dort sind nur naturwissenschaftliche Aspekte herangezogen worden. Aber genau hier gibt es meiner Meinung nach eine neue Qualität, die zumindest ich für gerechtfertigt halte.

Frau Harms, Ihr Beitrag hat bei mir an verschiedenen Stellen Verwunderung ausgelöst. Erstens sind Ihnen die Zuständigkeiten nach dem Atomrecht sicherlich genau so gut bekannt wie auch mir. Wir beide wissen, dass das Atomrecht in Berlin gemacht wird. Darüber hinaus können wir hier sicherlich politische Aussagen machen. In rechtlicher Hinsicht gibt es aber immer wieder Probleme, wie wir alle wissen. Das ist in vielen Verfahren ellenlang ausgeurteilt worden. Angesichts der zahlreichen Fragen, die Sie formuliert haben, stellt sich für mich nun die Frage: Warum haben Sie eigentlich so wenig Vertrauen zu Herrn Trittin? Warum gehen Sie bitte schön davon aus - wie Sie in Ihrem Beitrag deutlich gemacht haben -, dass jetzt ein Endlager festgeschrieben wird z. B. durch Entscheidungen, die mit der PKA zusammenhängen und von denen wir wissen, dass die hochgradig rechtlicher Natur sind? Eines können wir doch feststellen: Wenn Gorleben als Endlagerstandort festgeschrieben werden würde, dann würde es Herr Trittin machen, dann würde es ein grüner Bundesumweltminister machen. Ich gestehe zu, dass wir in diesem Punkt zu Herrn Trittin ein wenig mehr Vertrauen haben. Das ist überhaupt kein Thema.

Ich persönlich hätte mir durchaus vorstellen können, dass für Lüchow-Dannenberg an der einen oder anderen Stelle mehr erreicht wird. Nichts

destotrotz gibt es Stichworte, die Rot-Grün in Berlin eingearbeitet hat. Wir haben diese Stichworte in unserem Antrag festgelegt: Beendigung der Wiederaufarbeitung, Moratorium, Endlagerkonzeption. - Mit Blick auf diese Stichworte müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass es noch mehr gibt, die in der Debatte über diese gesamte Thematik mitspielen. Das sind die Bundesländer. Das ist die Wirtschaft. Auch das ist keine Frage.

(Frau Zachow [CDU]: Ist das nun festgeschrieben oder nicht? - Frau Harms [GRÜNE]: Bayern agiert!)

- Ja, Bayern agiert. Das ist klar. Wenn Sie, Frau Harms, jetzt Bayern als Beispiel anführen - Stoiber, rechts um und zurück in die 50er-Jahre -,

(Widerspruch bei der CDU)

dann muss ich Ihnen, Frau Harms, sagen: Das wird sicherlich nicht der Weg sein, auf dem wir eine gemeinsame Ebene finden werden.

Im September 2001 ist die Atomgesetznovelle in den Bundestag eingebracht worden. Meiner Kenntnis nach steht die zweite Beratung im Februar dieses Jahres im Bundesrat an. Ich sage Ihnen eines: Endlich ist der Förderzweck aus dem Atomgesetz herausgenommen worden. Wir sprechen über Beendigung und über Ausstieg, nicht aber über den Ausbau der wirtschaftlichen Nutzung der Atomkraft. In diesem Sinne werden wir die Anträge so behandeln, wie es die Ausschüsse empfohlen haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Haus ist wieder außergewöhnlich unruhig. Wenn Sie nicht Sehnsucht nach einer Sitzungsunterbrechung haben, sollten Sie etwas leiser sein. - Der Herr Umweltminister möchte jetzt zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehnsucht ist eine weitestgehend unparlamentarische Kategorie. Ich habe mich auch nicht danach gesehnt, zu diesem Thema schon wieder sprechen zu müssen, denn die meisten Punkte haben bereits einen fürchterlich langen Bart, und da hilft auch die Tatsache nicht weiter, dass Frau Harms den

Versuch unternimmt, sie in ein neues Gewand zu kleiden.

Frau Harms, ich kann nicht nachvollziehen, wie jemand, der einer nationalen Regierungspartei angehört und der guten Grund hat, stolz auf Leistungen des eigenen Parteifreundes in der Atompolitik zu sein, sich hier hinstellt und das in einer Art und Weise klein redet, die sich gewaschen hat. Warum stellen Sie sich nicht hierhin und sagen: Ich finde es Klasse, dass es gelungen ist, nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen den Einstieg in den Ausstieg zu schaffen? - Das ist doch ein toller Erfolg!

(Beifall bei der SPD)

Ihr Minister war daran beteiligt. Respekt, wir tragen das mit.

Warum stellen Sie sich nicht hierhin und sagen: Endlich gelingt es, aus der Wiederaufarbeitung auszusteigen und damit den Kreislauf in die Plutoniumwirtschaft anzuhalten?

(Frau Harms [GRÜNE]: Weil das schwer fällt, solange die Transporte dahin stattfinden, Herr Minister!)

Warum äußern Sie hier nicht Genugtuung darüber, dass es endlich gelungen ist, für Gorleben, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ein Moratorium durchzusetzen?

Das sind doch Pfunde, mit denen man wuchern kann, mit denen man deutlich machen kann: Hier ist durch zähes Arbeiten - zwiespältig im Detail; es ist nicht alles nur begeisternd - eine Menge erreicht worden, das es übrigens zu verteidigen lohnt. Vor dem Hintergrund der Äußerungen von Herrn Stoiber sollten wir uns eher einmal überlegen, wie wir kommunizieren, was es denn hieße, wenn der Atomausstieg rückgängig gemacht würde. - Ich will das nicht, und Sie dürften das doch auch nicht wollen. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, wie Sie hier argumentieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch auf einen zweiten Gesichtspunkt aufmerksam machen. Es geht nicht nur um den Ausstieg, es geht auch um den Einstieg in eine andere Energiestruktur.

(Frau Zachow [CDU]: Aber davon ist in dem Antrag leider nicht die Rede!)

- Aber das gehört in den Zusammenhang. Gerade Niedersachsen kämpft nicht nur um das Thema Ausstieg,

(Frau Harms [GRÜNE]: Niedersach- sen ist doch ein schwarzes Loch bei der Energiewende, außer bei der Windenergie!)

sondern hat auch große Erfolge, beispielsweise bei den regenerativen Energien. Wir haben gerade letzte Woche verkündet, dass wir inzwischen knapp 2 500 MW aus Windkraftanlagen erzeugen. Das sind 10 % der Strommenge, die in Niedersachsen produziert wird. Das ist ein Riesenerfolg, auf den wir stolz sind und den wir uns von Ihnen auch nicht kaputt reden lassen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Erfolge haben übrigens etwas damit zu tun, dass Frau Harms und ich an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen haben. Sonst wäre es doch gar nicht so weit gekommen, das wissen Sie doch auch.

Aber natürlich ist das für das Land nicht alles problemlos, weder was die Aussagen in den Bundeskoalitionsverhandlungen noch was die Details des Atomkonsenses angeht. Denn aufgrund der - wenn man so will - sachfremden Vorleistungen des Landes Niedersachsen haben wir erstens wenig Bündnispartner und stecken wir zweitens in der Gefahr, dass sehr viel an uns hängen bleibt. Wir wenden uns nicht dagegen, im Rahmen der gerechten Lastenverteilung auch Teile der atomaren Endlast zu tragen. Das haben wir beim Thema Rücknahme der Glaskokillen immer deutlich gemacht. Aber es gibt aus Sicht des Landes gute Gründe, sich kritisch zu den Endlagerprojekten zu äußern: erstens weil es fachlich geboten ist und zweitens, weil die alleinige Zuweisung von Entsorgungslasten für Niedersachsen politisch inakzeptabel ist. Das ist doch die Argumentation, die uns hier lange geeint hat. Vor dem Hintergrund kann man natürlich kritisch darüber diskutieren, ob es Spaß macht, Genehmigungsverfahren zum Abschluss bringen zu müssen. Das ist eine politische Debatte.

Aber als der für die Genehmigungsbehörde zuständige Minister sage ich hier auch ganz deutlich: In Niedersachsen wird nach Recht und Gesetz verfahren. Wenn ein Antragsteller Interesse an einem Bescheid hat, wenn Sämtliches abgeprüft ist und wenn Einwände nicht geltend gemacht werden