Protocol of the Session on December 14, 2001

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem vorliegenden Antrag fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat der von Bayern eingebrachten Gesetzesinitiative zur Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zuzustimmen oder aber eine entsprechende Initiative unseres Landes mit gleicher Zielrichtung zu ergreifen.

(Zuruf von der SPD: 33 Millionen!)

Unsere Initiative zielt darauf ab, die von der Bundesregierung im Zuge des Steuersenkungsgesetzes verfügte stufenweise Erhöhung der Gewerbesteuerumlage, die an Bund und Länder geht, rückgängig zu machen und auf das Niveau vor der Steuerreform zu senken.

Mit dem Steuersenkungsgesetz wurde die Gewerbesteuerumlage stufenweise erhöht, um eine angemessene Beteiligung der Gemeinden an der Finanzierung der Nettoentlastungen durch die Unternehmenssteuerreform sicherzustellen. Die Finanzposition der Gemeinden sollte sich dadurch gleichwohl im Vergleich zu Bund und Ländern nicht verschlechtern. Das war die Vereinbarung.

Nachdem die Bundesregierung entgegen früheren Plänen die Abschreibungstabellen für die Unternehmen nicht geändert hatte, was den Kommunen zusätzliche Mittel gebracht hätte, bleiben die Gemeinden nun auf der höheren Gewerbesteuerumlage sitzen. Die Geschäftsgrundlage für die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage ist dadurch entfallen.

Meine Damen und Herren, die aktuelle Entwicklung der Gewerbesteuer zeigt deutschlandweit ein für die Kommunen nachteiliges Bild. Die Kommunen verzeichnen teilweise dramatische Einbrüche bei der Gewerbesteuer. Wir haben hierzu auch in der Begründung unseres Antrags entsprechende Ausführungen gemacht. Ich möchte nur einige Zahlen nennen.

In Einzelfällen sind in den ersten drei Quartalen des Jahres 2001 Rückgänge um 50 % und mehr zu verzeichnen. Nach der Steuerschätzung vom 8. und 9. November dieses Jahres soll die Gewerbesteuer 2001 bundesweit um 9,9 % zurückgehen.

Gleichwohl wird bei der Gewerbesteuerumlage - d. h. Basisumlage ohne erhöhte Umlage - ein Anstieg um 6,2 % in diesem Jahr und um 32,4 % im nächsten Jahr prognostiziert.

Meine Damen und Herren, die finanzielle Situation der Kommunen in unserem Bundesland ist nach wie vor besonders dramatisch. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Landeshaushalts 2002/2003 vom 19. September eindrucksvoll erklärt, dass die Steuereinnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften im ersten Halbjahr 2001 um 8,9 % gesunken sind. Dabei

hatten wir schon im Jahr 2000 geringere Steuereinnahmen als im Vorjahr zu verzeichnen.

Gleichwohl steigen die Ausgaben durch gesetzliche Verpflichtungen. Besondere Sorgen bereitet dabei der exorbitant hohe Stand der Kassenkredite, die am 30. Juni 2001 mit ca. 3,5 Milliarden DM einen neuen traurigen historischen Höchststand erreicht haben. Die außerordentlich dramatische Situation der Kommunen in Niedersachsen zeigt sich daran, dass unser Bundesland 20,7 % der Kassenkredite aller kommunalen Gebietskörperschaften im Bundesgebiet aufweist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einflechten: Es ist schon bezeichnend, dass der zuständige Innenminister es nicht nötig hat, bei diesem Thema im Plenarsaal anwesend zu sein. Auch das spricht dafür, dass der Innenminister offensichtlich - so wie auch gestern bei der Dringlichen Anfrage der Fraktion der Grünen - die Frage der kommunalen Finanzen seinem Finanzminister überlässt.

(Schünemann [CDU]: Das ist alles vorbei!)

Herr Minister Aller, ich erwarte schon jetzt Ihre rhetorisch spannende Antwort auf unser Problem.

Meine Damen und Herren, die Kassenkredite - sowohl was die prozentuale Beteiligung als auch insgesamt den Kassenstand in Höhe von 3,5 Milliarden DM angeht - sind ein deutliches Indiz dafür, dass die Kommunen in den vergangenen elf Jahren von dieser SPD-geführten Landesregierung schwer gebeutelt worden sind.

(Beifall bei der CDU)

Vor dem Hintergrund dieser Zahl wird klar, dass die im ursprünglichen Bundesgesetzgebungsverfahren prognostizierten Mehreinnahmen der Gemeinden offensichtlich nicht eintreten. Außerdem ist mit dem Verzicht auf die Anpassung der Branchenabschreibungstabellen eine der Gegenfinanzierungsmaßnahmen des Steuersenkungsgesetzes aufgegeben worden. Damit ist, wie gesagt, in der Tat die Geschäftsgrundlage für die damalige Vereinbarung zur Erhöhung der Gewerbesteuerumlage entfallen.

Zur Stärkung der finanziellen Lage unserer Gemeinden muss deshalb eine sofortige Rücknahme der mit dem Steuersenkungsgesetz in Kraft getre

tenen Erhöhung der Gewerbesteuerumlage erfolgen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Die Auswirkungen der dramatischen finanziellen Situation der Gemeinden muss ich nicht näher skizzieren. Alle anwesenden Kommunalpolitiker wissen, dass der Rückgang der kommunalen Investitionen um 30 % allein in diesem Jahr dazu führt, dass viele Leistungen unserer Kommunen für die Bürger nicht mehr erbracht werden können und sich der wirtschaftliche Abschwung verstärkt.

Meine Damen und Herren, das besonders Ärgerliche ist, dass in der letzten Woche Niedersachsen im Finanzausschuss des Bundesrates den bayerischen Antrag abgelehnt hat.

(Biallas [CDU]: Was? - Coenen [CDU]: Unglaublich!)

Es ist völlig unverständlich, dass die Bundesregierung Politik gegen die Städte und Gemeinden macht und dabei von Niedersachsen auch noch tatkräftig unterstützt wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich appelliere insbesondere an die zugegebenermaßen seit dem 9. September weniger aktiven Kommunalpolitiker der SPD-Landtagsfraktion in diesem Hause, Herrn Endlein und andere, die zumindest in Sonntagsreden die kommunale Selbstverwaltung hochhalten,

(Beifall bei der CDU)

unsere Initiative zur Stärkung der kommunalen Finanzen ernst zu nehmen, indem sie unseren Antrag im zuständigen Innenausschuss des Landtages und auch in der Plenardebatte unterstützen. Wir haben die kommunalen Spitzenverbände auf unserer Seite. So hat die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Roth, am 25. September erklärt:

„Angesichts der erheblichen Rückgänge bei der Gewerbesteuer ist für die Städte in den alten Ländern besonders dramatisch, dass die beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuerumlage nun ohne sachlichen Grund bis 2019 beibehalten werden soll. Die Städte fordern genau das Gegenteil. Der Anteil von Bund und Ländern an der Gewerbesteuer darf

nicht weiter wachsen, sondern muss sinken.“

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat angekündigt, im Rahmen der neuen Kommission zur Vorbereitung einer Kommunalfinanzreform den Fortbestand der Gewerbesteuerumlage generell prüfen zu lassen.

Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr wird sich die Situation der kommunalen Finanzen weiter verschlechtern. Wegen der Steuerfreistellung von Dividendenzahlungen aus Unternehmensbeteiligungen und von Veräußerungsgewinnen wird ein weiterer Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen erwartet. Das sind alarmierende Warnsignale. Darüber hinaus wird es infolge der Kosten für die UMTS-Lizenzen zu milliardenschweren Steuerausfällen kommen.

Meine Damen und Herren, wenn es den Kommunen schlecht geht, dann geht es ganz Deutschland schlecht.

(Beifall bei der CDU - Biallas [CDU]: Richtig, und da es ganz Deutschland schlecht geht, geht es auch den Kom- munen schlecht!)

Mit Ihrer kommunalfeindlichen Finanzpolitik treffen die Sozialdemokraten in Bundesregierung und Landesregierung viele Städte und Gemeinden in ihrem Lebensnerv. Sie schwächen damit die kommunale Selbstverwaltung als wichtigen Kernbestandteil unseres Staates und unserer demokratischen Kultur.

Meine Damen und Herren, die Städte und Gemeinden sollen das Geld bekommen, das ihnen zusteht.

(Beifall bei der CDU)

Wegen der unverantwortlichen Politik der Bundesund Landesregierung stehen in der Tat viele Gemeinden finanziell mit dem Rücken zur Wand. Ein rasches Handeln ist deshalb notwendig. Ich hoffe, dass die Landtagsmehrheit und insbesondere die Landesregierung in der Lage sind, ihren fehlerhaften Beschluss im Rahmen der Finanzausschusssitzung des Bundesrates noch zu korrigieren. Stimmen Sie unserem Antrag zu. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU - Ehlen [CDU]: Sehr gut!)

Herr Kollege Klein hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir gestern bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage deutlich gemacht haben, sind auch wir der Meinung, dass es gute Gründe gibt, die Erhöhung der Umlage rückgängig zu machen. Insbesondere der vorgesehene Ausgleich durch Veränderung der Branchenabschreibungstabellen ist ausgeblieben, und damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Kürzung nicht gegeben. Auswirkungen der Konjunkturschwäche, höhere Belastungen beim Fonds „Deutsche Einheit“, Belastungen aus dem Solidarpakt-Fortführungsgesetz, die niedersächsischen Haushaltsflops à la BEB und die niedersächsische Zurückhaltung beim KFA verschärfen die Situation zusätzlich. Die minimalen Verbesserungen im Vermittlungsausschuss zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz ändern daran auch nichts Grundsätzliches. Hier standen die steuerlichen Erleichterungen für den einkommensteuerpflichtigen Mittelstand im Mittelpunkt. Das ist zur Verbesserung der Investitionsfähigkeit des Mittelstandes sicherlich richtig und durchaus auch im Interesse der Kommunen. Aber es löst natürlich die drängenden Finanzprobleme der Gemeinden und Kreise ebenso wenig wie die hier geforderte und für eine Teilentlastung sinnvolle Rücknahme der erhöhten Gewerbesteuerumlage.

Wir brauchen eine Kommunalfinanzreform. Denn es gibt nicht nur Probleme mit der Gewerbesteuer. Auch der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer ist deutlich zurückgegangen. Soziale Leistungen sind auf anhaltendem Steigerungskurs. Der Investitionsstau der Kommunen leitet eine gefährliche Abwärtsspirale ein. Es war der Wunsch der Grünen, dass das Thema Kommunalfinanzreform in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen wurde. Eine entsprechende Kommission soll ja im Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen.

Nun wird es sicherlich in dieser Legislaturperiode keinen Durchbruch mehr geben können. Wir erwarten aber und wenden uns in diesem Sinne auch an unsere Bundestagsfraktion, dass die Problematik zügig bearbeitet wird. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft der Gewerbesteuer, für die wir uns eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage wünschen. Das gesamte kommunale Steuersystem gehört auf den Prüfstand. Eine intensive Aufga

benkritik und eine konsequente Umsetzung des Konnexitätsprinzips müssen auf die Tagesordnung.

Vom Ergebnis erwarten wir uns nicht nur strukturelle, sondern auch deutliche quantitative Veränderungen. Am Ende muss ein größerer Finanzspielraum für die Kommunen vorhanden sein, müssen kommunale Investitionen wieder möglich sein. Hier liegen für mich die Grenzen der durchaus segensreichen Steuersenkungspolitik dieser Bundesregierung.

Spätestens hier trennen sich unsere Vorstellungen von den Vorstellungen der CDU. Den Bürgern zu versprechen, dass sie immer weniger Steuern zahlen, aber gleichzeitig immer bessere Leistungen der öffentlichen Hand bekommen, ist eine Rechnung, die auf Dauer nicht aufgeht.

(Wernstedt [SPD]: Nicht nur nicht auf Dauer, sondern das geht überhaupt nicht!)

Die Leistungsfähigen in unserem Land werden ihren Beitrag dazu leisten müssen. Wenn dabei auch noch ökologische Lenkungswirkungen eintreten, dann ist das nur zu begrüßen. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Evers-Meyer.