So hat sich auch das Spektrum der Krankheiten der Kinder und Jugendlichen eindeutig verschoben. Akute Infektionskrankheiten sind in den Hintergrund getreten. Demgegenüber haben Erkrankungen, die vor allem psychosoziale Entwicklungen
Aufgrund dieser Veränderung des Krankheitsspektrums und der medizinisch sowie politisch gewünschten Stärkung der ambulanten Versorgung hat die Auslastung der pädiatrischen Kliniken und Abteilungen deutlich abgenommen. Deshalb kommt es kontinuierlich zu einem Abbau der Betten in den Kinderkliniken und damit zu einem Abbau der Weiterbildungsstellen in der Pädiatrie. Aufgrund der abnehmenden Zahl der Weiterbildungsplätze wird die Zahl der zukünftig ausgebildeten und bereitstehenden Kinderärzte abnehmen. In Niedersachsen gab es 1992 noch 43 pädiatrische Abteilungen in den Kliniken, 1998 waren es nur noch 38. Mittlerweile gibt es nur noch 30 mit Weiterbildungsaufgaben betraute Abteilungen. Das heißt, es gibt eine kontinuierliche Abnahme.
Es ist bedeutsam, dass die Zahl der zukünftig benötigten Kinder- und Jugendärzte nicht in dem Maße sinken wird, wie es die sinkenden Geburtenzahlen implizieren, da die zunehmende Bedeutung der Störungen der psychosozialen Entwicklung im Kinder- und Jugendalter, also durch Schulprobleme und Aufmerksamkeitsstörungen gekennzeichnet, zu einer Zunahme des Bedarfs an Fachärzten, die in diesem Bereich der Kinder- und Jugendmedizin ausgebildet sind, führen wird. Die Probleme der seelischen Gesundheit unser Kinder und Jugendlichen werden eine große Zahl von ausgebildeten Fachärzten notwendig machen, um einen einer hoch entwickelten Industrienation angemessenen Standard der medizinischen Versorgung zu gewährleisten.
Es liegt die Stellungnahme der Niedersächsischen Ärztekammer vor, Herr Schwarz, dass bis zum Jahre 2010 die ambulante Versorgung durch Kinder- und Jugendärzte in Niedersachsen nicht gefährdet sein soll. Selbst wenn die dort dargelegten Zahlen zur Alterspyramide der Kinder- und Jugendärzte und der dort errechnete Zu- und Abgang der Kinder- und Jugendärzte in Niedersachsen zugrunde gelegt werden, müssen die Angaben der Ärztekammer bzw. ihre Hochrechnung zur kinderärztlichen Versorgung in Niedersachsen bis zum Jahre 2010 differenziert betrachtet werden. Für sich allein sind sie irreführend und so auch nicht richtig. Die Zahlen stimmen zwar, aber die Berechnung ist nicht richtig.
Kinder- und Jugendärzten aus. In dieser Berechnung können aber allenfalls die ambulant tätigen Kinderärzte, d. h. die Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich, die möglicherweise mit 68 Jahren in den Ruhestand gehen, veranschlagt werden. Die Kinderärzte aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst, also aus der Klinik, werden ohne Ausnahme mit dem 65. Lebensjahr pensioniert. Auch unter den niedergelassenen Ärzten gibt es einen wachsenden Anteil, der die Möglichkeit des Beginns der Rente durch die Niedersächsische Ärzteversorgung vor dem 68. Lebensjahr nutzt und seine Praxisarbeit einstellt. Man muss bei der Hochrechnung der Ärztekammer zu der Gesamtzahl von 102, die bis 2010 in den Ruhestand gehen, ca. ein Drittel der jetzt 50- bis 60-Jährigen - das sind etwa 50 bis 55 Kinderärzte - addieren. Es ist also von ca. 160 Kinderärzten, die sich aus dem kinder- und jugendärztlichen Versorgungsbereich verabschieden werden, auszugehen. Den ausscheidenden Ärzten werden aber nicht 160 neue Fachärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin gegenüberstehen können, weil die vorgesehenen Reduzierungen in den Kinderkliniken in Niedersachsen in den nächsten fünf bis zehn Jahren von 1 700 Betten auf 1 000 bis 1 200 Betten die kinderärztlichen Ausbildungsplätze um voraussichtlich bis zu einem Drittel vermindern werden.
Es kommt aber noch ein Faktum hinzu: Viele Kinderkliniken haben sich spezialisiert. Ich nenne Mukoviszidosekliniken oder -abteilungen. Das heißt, eine Weiterbildung für den Facharzt für Kinderheilkunde ist in dem Bereich nicht möglich. Dies kommt also noch hinzu. Bis zum Jahr 2010 können wahrscheinlich 30 bis 70 Kinder- und Jugendärzte nicht ersetzt werden. Mittlerweile kommt hinzu - auch das wird bemerkbar-, dass wir uns einem allgemeinen Ärztemangel gegenübersehen. Die Krankenhäuser beklagen sich, dass sie keine Assistenzärzte mehr bekommen. Ich kann das bestätigen. Für meine Praxis - das liegt garantiert nicht an mir persönlich - bekomme ich auch keine Assistenzärztin.
In den Flächenländern, zu denen auch Niedersachsen gehört, wird sich der Mangel an ausgebildeten Kinderärzten vor allem in den ländlichen Regionen bemerkbar machen. Diejenigen Ärzte, die in den nächsten Jahren in den ländlichen Regionen ihre Praxen abgeben werden, werden Schwierigkeiten bekommen, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Die jungen Nachfolger werden zunächst die vermeintlich attraktiven Gebiete in den Städten bevorzugen. Bereits heute haben Kinderärzte in den
ländlichen Regionen in Nordniedersachsen, die Nachfolger suchen, zum Teil Schwierigkeiten, ihre Praxen abzugeben.
Von vielen Beobachtern wird u. a. im Osten Deutschlands aufgrund der schlechten Altersstruktur der Ärzte trotz des drastischen Geburtenrückgangs ein sehr starker Mangel an Ärzten befürchtet, sodass eine Versorgung Niedersachsens durch Fachärzte aus angrenzenden Bundesländern mehr als unwahrscheinlich ist.
In der medizinischen Versorgung der Kinder wird der Prävention sowohl aus medizinischer Sicht als auch aus politischer Sicht ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Effektive Prävention setzt allerdings einen hohen fachärztlichen Standard voraus. Prävention auf hohem fachärztlichen Niveau ist ohne eine ausreichende Zahl von Kinder- und Jugendärzten natürlich nicht möglich.
Das dargelegte Entwicklungsszenario wird mittelfristig, d. h. in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, eintreten. Deshalb stehen heutige hohe Zahlen von Bewerbern auf Praxenlisten z. B. in Hannover oder in Braunschweig nicht im Widerspruch zu der Befürchtung. Da die Facharztausbildung zum Kinder- und Jugendarzt heute in der Regel sieben bis acht Jahre dauert, und zwar nach dem Examen, können gesundheitspolitische Änderungen, die sich auf die ausreichende Weiterbildung der Kinder- und Jugendärzte beziehen, auch erst in einem Zeitintervall von knapp zehn Jahren Wirkung zeigen. Deshalb muss schnellstmöglich die Bedeutung der Weiterbildung zum Kinder- und Jugendarzt in der ambulanten Praxis gestärkt werden. Dies kann einerseits durch entsprechende Änderungen der Weiterbildungsordnung erfolgen. Das ist natürlich die Aufgabe der Kammern und der Gremien. Allerdings werden die Festlegung der gesundheitspolitischen Ziele in diese Richtung und die notwendige Änderung zu unterstützen und zu beschleunigen sein.
Auf der anderen Seite ist eine Stärkung der Weiterbildung außerhalb der Kliniken in den Praxen der niedergelassenen Ärzte nur bei einer entsprechenden finanziellen Ausstattung der Weiterbildungspraxen möglich. Ich weiß sehr gut, Herr Schwarz, dass wir für die Weiterbildung in allen Fachbereichen nicht zuständig sind. Deshalb zielt der Antrag auf die Kliniken, also darauf, dass dort die Abteilungen eben nicht geschlossen werden und dass darauf geachtet werden soll, dass eine ausreichende Zahl von Weiterbildungsstellen vor
gehalten wird. Das, so meine ich, gehört sehr wohl in den Landtag, und das ist auch unsere Aufgabe, da wir nämlich für die Kliniken zuständig sind. Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war äußerst interessant, was Sie vorgetragen haben, Herr Dr. Winn. Aber nun kommen wir einmal zu dem, was Sie beantragt haben. Sie haben beantragt, die Landesregierung aufzufordern, dass das Land einem weiteren Stellenabbau in Bereich der Versorgung mit Kinderärzten entgegenwirkt. Dies ist nicht die Zuständigkeit des Landes, sondern fällt in den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung.
Sie haben weiter beantragt, dass in Kinderkliniken möglichst keine Abteilungen geschlossen werden. Dies ist nicht die Zuständigkeit des Landes, sondern ist zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern im Rahmen der Budgetverhandlungen zu klären.
Sie haben drittens beantragt, ausreichend Weiterbildungsstellen auszuweisen. Dies ist nicht die Zuständigkeit des Landes, sondern die Zuständigkeit der Ärztekammer.
In der Begründung haben Sie festgestellt: In Niedersachsen werden in den kommenden drei Jahren zwischen 150 und 200 Kinderärzte in den Ruhestand gehen und ihre Praxen schließen. Das entspricht etwa einem Drittel der niedergelassenen Kinderärzte. - Dazu schreibt die Ärztekammer Niedersachsen:
„Ihre Sorge, dass in absehbarer Zeit die ausreichende Versorgung mit Kinderärzten in Niedersachsen gefährdet sei, können wir nach den uns vorliegenden Zahlen nicht teilen. Vielmehr schließen wir uns der Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen an, die diese ausführlich dem Ausschuss für Sozialund Gesundheitswesen im Niedersächsischen Landtag in seiner letzten Sitzung vorgetragen hat.
Nach den seitens der Kassenärztlichen Vereinigung in dieser Sitzung bereits vorgetragenen Zahlen scheiden nicht etwa in den nächsten drei Jahren in Niedersachsen 150 - 200 Kinderärzte...“
Diesem zu erwartenden Abgang steht ein Zugang von 170 Kinderärzten gegenüber. Das entspricht auch den Facharztanerkennungen der Ärztekammer Niedersachsen. Das heißt, wir werden nicht weniger, sondern mehr Kinderärzte in den nächsten Jahren haben. Einem Abgang von 102 - ich sage das noch einmal - stehen 170 neue gegenüber. Von Ärztemangel kann angesichts dieser Entwicklung überhaupt keine Rede sein.
Darüber hinaus haben Sie etwas zur Versorgung des ländlichen Bereiches gesagt. Fakt ist: Wir haben gegenwärtig einen Versorgungsgrad von 120,2 % - so die KV. Fakt ist weiter: Wir haben 44 Planbereiche in Niedersachsen, von denen 38 wegen Überversorgung gesperrt und lediglich sechs frei sind. Von Problemen in der ländlichen Versorgung kann insofern auch überhaupt keine Rede sein.
Wir haben es hier mit einem klassischen Bereich dessen zu tun, was wir im Gesundheitswesen zurzeit eigentlich überall feststellen: Es geht darum, Lobbyismus zu machen und vorhandene Pfründe abzusichern. Ich kann nur sehr deutlich davor warnen, dass der Landtag sich in eine Auseinandersetzung hineinziehen lässt, die zwischen Ärzten, zwischen Fachärzten im Speziellen, aber auch zwischen Fachärzten und Hausärzten nach meiner Einschätzung zwischenzeitlich schon sehr interessante Blüten treibt.
Das ist eine Situation, die wir gegenwärtig überall zur Kenntnis nehmen müssen. Deshalb stelle ich noch einmal fest - das habe ich auch bei der Einbringungsrede gesagt -: Der Landtag ist in keinem einzigen Fall zuständig. Er kann in keinem einzigen Fall tätig werden. Das wäre auch Quatsch, weil sich in jedem einzelnen Fall der Sachverhalt anders darstellt, als Sie es eben geschildert haben.
Deshalb sind wir zu dem Ergebnis gekommen, den Antrag hier im Landtag abzulehnen. Wenn das möglich wäre, Herr Präsident, würde ich beantragen, diesen Antrag in die Vollversammlung des Hartmannbundes zu überweisen, damit Herr Dr. Winn dann unter fachlicher Kompetenz mit seinen Kollegen intensiv über die Ausrichtung streiten kann.
Herr Kollege Schwarz, den letzten Wunsch können wir vom Präsidium aus nicht erfüllen. Das deckt unsere Geschäftsordnung nicht ab. Aber Sie können ja selber das Porto dafür übernehmen und das dorthin schicken.
Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 2943. Wer ihr zustimmen und damit den Antrag der CDU-Fraktion ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit.
- Moment! Ich brauche noch Ihre Mitwirkung. So einfach geht das nicht. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir bei dem letzten Tagesordnungspunkt sehr schnell verfahren können, weil es Übereinstimmung gibt.
Tagesordnungspunkt 28: Einzige (abschließende) Beratung: Biologische Bundesanstalt in Braunschweig erhalten - Niedersachsen als Standort für das geplante Bundesamt für Verbraucherschutz fördern - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2665 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drs. 14/2948
Dieser Antrag wurde am 13. September 2001 an den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Herr Kollege Buchheister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2948 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einstimmig, den Entschließungsantrag in der Drucksache 2665 in geänderter Fassung anzunehmen.
Der Antrag wurde am 13. September 2001 im Vorwege direkt zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Mitberatung an den Unterausschuss für gesundheitlichen Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft überwiesen.
Im Rahmen einer Erörterung im federführenden Ausschuss verdeutlichte der Vertreter der CDUFraktion zunächst das wesentliche Ziel des Entschließungsantrages seiner Fraktion. Aufgrund von Bundesinitiativen bezüglich einer Neuorganisation des Verbraucherschutzes in Deutschland befürchte seine Fraktion, dass große Teile der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig (BBA) in das geplante Bundesamt für Verbraucherschutz aufgenommen würden. Damit käme es zu einem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Die Landesregierung werde somit aufgefordert, darauf hinzuwirken, sich zur Sicherung der Arbeitsplätze für den Erhalt der BBA in Braunschweig einzusetzen. Darüber hinaus solle Braunschweig als Standort für das geplante Bundesamt für Verbraucherschutz gefördert werden.
Es zeigte sich in den anschließenden Beratungen im Unterausschuss, dass die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen von Anbeginn an mit den Forderungen des CDU-Antrages übereinstimmten.
Der Vertreter der Landesregierung betonte, dass es ständige Gespräche mit der Bundesregierung für den Erhalt des Standortes Braunschweig gebe. Er betonte, dass diese Entscheidung jedoch in der Organisationshoheit des Bundes liege und die Landesregierung lediglich darauf hinwirken könne, die BBA in der Region Braunschweig zu belassen. In den Gesprächen sei man bereits übereingekommen, dass der Bestand der BBA im Wesentlichen erhalten bleiben sollte. Auch habe es intensive Gespräche über die Schaffung des neuen Bundesamtes für Verbraucherschutz in Braunschweig gegeben. Die Entscheidung über den Standort falle jedoch erst mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Einrichtung des Amtes.
Die Mitglieder des Unterausschusses verständigten sich sodann auf einen von den Fraktionen der SPD und CDU gemeinsam formulierten Änderungsvorschlag, der auch von dem Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitgetragen wurde und im Wesentlichen die Bemühungen der Landesregierung für den Erhalt der BBA berücksichtigt.