Protocol of the Session on December 12, 2001

Ich sage ausdrücklich - weil Sie es auch betont haben -: Der von der SPD-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf geht in die auch von uns gewollte Richtung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der CDU haben ähnliche Formulierungen auf den Weg gebracht. Der Teufel steckt allerdings wie immer im Detail! Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ausführlich beraten müssen.

Ich möchte fünf Punkte nennen, deren Erfüllung die Voraussetzung dafür ist, dass wir dem Gesetzentwurf zustimmen:

Erstens. Die Einhaltung der Tariftreue muss gewährleistet sein.

Zweitens. Der bisherige 10 %-Erlass muss voll im Gesetzentwurf enthalten sein.

Drittens. In die Regelung müssen auch kommunale Tochtergesellschaften der öffentlichen Hände einbezogen werden. Gerade in diesem Bereich kann von einer Vorbildfunktion häufig keine Rede mehr sein, und zwischen Reden und Handeln liegen oft Welten.

Viertens. Mit dem Gesetz muss eine konsequente und praktikable Kontrolle sichergestellt werden. Sonst bringt das alles überhaupt nichts. - Es gibt ja auch andere gesetzliche Grundlagen, z. B. die VOB. Auch die VOB beinhaltet Dinge, die man anwenden könnte, was man aber auch nicht immer konsequent tut.

Fünftens. Es ist zu begrüßen, dass der ursprünglich von der SPD vorgesehene Schwellenwert von 50 000 Euro auf Druck des Handwerks und der Bauindustrie auf 20 000 Euro gesenkt worden ist. Dies reicht aber nur begrenzt aus, denn gerade kleine und mittlere Unternehmen werden damit bei bestimmten Aufträgen immer noch nicht erfasst. Wir kennen ja die Struktur der Handwerksbetriebe in Niedersachsen, die die Aufträge der kommunalen Ebene bekommen. Ich meine, auch darüber muss man noch einmal nachdenken.

Wenn das Gesetz nicht ein stumpfes Schwert werden soll, bedarf es - ich habe das eben betont einer konsequenten und praktikablen Kontrolle durch den Gesetzgeber. Aber eines ist auch richtig - ich sage das, weil Herr Wolf das im Hinblick auf die jetzige Entscheidungslage in Berlin vorhin so kritisch angeführt hat -: Es muss darauf geachtet werden, dass den kleinen und mittleren Handwerksunternehmen nicht sozusagen neue bürokratische Monster übergestülpt werden. Das kann auch politisch nicht in unserem Sinne sein. Wir sehen auch in anderen Bereichen, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen mit Bürokratie belastet werden. Denen steht das bis hierhin, denn die möchten lieber arbeiten, als sich mit Formularen und Papierkrieg zu beschäftigen.

Deshalb ist die Position, die die Grünen bei diesem Thema derzeit in Berlin einnehmen, mit Sicherheit zu hinterfragen, ob die auf Bundesebene angepeilte Neuregelung hier und da nicht zu viel Bürokratie mit sich bringt. Jedenfalls bitte ich die Landesregierung, abzuklären, inwieweit diese Position der Grünen in Berlin gerechtfertigt ist.

Fakt ist aber auch, dass sich die Landesregierung lange Zeit gegen ein Vergabegesetz gewehrt hat. Das Bündnis für Arbeit hat ein solches Vergabegesetz bereits vor mehr als einem Jahr gefordert; das war ein langer Prozess. Aber die Landesregierung hat auf diese Forderung des Bündnisses für Arbeit nicht reagiert. Sie hat erst reagiert, als Handwerk und Bauwirtschaft wegen der eskalierenden Situation immer größeren Druck ausübten, hier aktiv zu werden. Das Ergebnis ist der vorliegende Gesetzentwurf.

Am liebsten wäre uns natürlich, wenn das Vergabegesetz auf Bundesebene alle die Positionen enthielte, die wir hier in Niedersachsen auf den Weg bringen wollen. Damit ließen sich Unwuchten aufgrund unterschiedlicher Regelungen der einzelnen Länder vermeiden, die im Einzelfall wieder zu Belastungen des Handwerks oder der Unternehmen in Grenznähe führen könnten. Solche Unwuchten wollen wir nicht. Deshalb muss der Gesetzentwurf auf Bundesebene die Einbeziehung des 10 %Erlasses vorsehen, im Hinblick auf den Schwellenwert noch einmal neu überdacht werden und auch ausdrücklich eine bessere Kontrolle bei öffentlicher Auftragsvergabe festschreiben.

Diese Entwicklung hat die niedersächsische Bauwirtschaft allerdings frühzeitig befürchtet. Sie hatte bereits im August/September darum gebeten, dass die Niedersächsische Landesregierung diese Überlegungen auch auf die Ebene des Bundes umsetzt und als Initiative in den Bundesrat einbringt. Aber das hat die Landesregierung so nicht getan.

(Der Redner hustet - Fischer [CDU]: Nimm doch erst einmal einen Schluck Wasser!)

- Ich tue das auch; vielen Dank. - Aber der gute Vorschlag kam wieder aus der CDU-Fraktion. Er hätte auch einmal von der anderen Seite kommen können.

(Fischer [CDU]: Sozialausschüsse!)

Deshalb muss es das Hauptaugenmerk niedersächsischer Politik sein, politisch Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit der Gesetzentwurf die niedersächsischen Interessen vollständig berücksichtigt.

Aber, meine Damen und Herren, was nützt eigentlich ein Gesetz über öffentliche Auftragsvergabe, wenn die öffentlichen Hände kaum noch Aufträge

vergeben? Das ist ja die Situation auch in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein Vergabegesetz allein, wie der Niedersächsische Ministerpräsident behauptet, ist noch kein wirkungsvolles Instrument, um der Krise am Bau nachhaltig Einhalt zu gebieten. Das hat Herr Hagenah vorhin schon gesagt. Ich sehe das genauso. Dies ist nur ein kleiner Mosaikstein, aber nicht der Königsweg. Insofern habe ich nur begrenzt Verständnis dafür, wenn der DGB heute in einer Presseerklärung sagt, es wäre ein unwahrscheinlich großartiges Weihnachtsgeschenk für Unternehmen und Arbeitnehmer in Niedersachsen, wenn das Landesvergabegesetz auf den Weg gebracht werden würde. Dabei dachte ich unwillkürlich an Wilhelm Busch: Auch mit kleinen Sachen kann man Menschen Freude machen. - Ich will das nicht kleinreden, aber man muss die Gesamtsituation am Bau sehen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist zwar wirklich keine Marginalie, aber trotzdem nur ein sehr kleiner Baustein innerhalb des Gesamtproblems, das sich derzeit im Bereich Bau abspielt.

Während sich die Landesregierung auf der einen Seite für ein Vergabegesetz einsetzt, kürzt sie auf der anderen Seite die Investitionen und bringt sie auf den niedrigsten Stand. Das ist schon vorhin im Rahmen der Haushaltsplandebatte diskutiert worden. Im Vergleich zu den Zahlen aus der Geschichte des Landes werden insbesondere die Bauausgaben massiv gekürzt. Weniger Investitionen im Landeshaushalt und weniger Bauausgaben im Landeshaushalt führen im Ergebnis zu immer weniger Aufträgen und damit auch zu einer wegbrechenden Beschäftigung. In diesem Jahr sind bereits 10 000 Arbeitsplätze im Baubereich verloren gegangen.

Ich meine, diese eine Aktivität, was das Landesvergabegesetz angelangt, reicht nicht aus. Persönlich bin ich auch sehr darüber enttäuscht, dass die Überlegung, die die CDU-Fraktion eingebracht hat, z. B. Lohnbestandteile von Baurechnungen bei Renovierungen im Wohnungseigentumsbestand steuerlich absetzbar zu machen, so einfach abgelehnt wird. Das würde doch ein erhebliches Auftragsvolumen freisetzen und Beschäftigung bringen. Ich hoffe, dass diese Überlegung wieder aktiviert werden kann. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass man im neuen Jahr, wenn die Zahl der Arbeitslosen massiv ansteigt, auch auf Bundesebene zu neuen und hoffentlich kreativen Überlegun

gen kommt, um mehr Beschäftigung zu sichern und nicht die Zahlen bei der „Nürnberg AG“ entscheidend zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU)

Die anderen Dinge gehören auch dazu, etwa die Reduzierung der Mehrwertsteuer bei Handwerksund handwerksähnlichen Leistungen. Pilotprojekte sind bei uns nicht auf den Weg gebracht worden. Auch die Verschlechterung der AfA und die entsprechenden Auswirkungen gehören mit zu dem Themenkomplex.

Meine Damen und Herren, wir wollen die niedersächsische Wirtschaft und die Unternehmen nicht schlechtreden; dieser Vorwurf wurde ja vorhin erhoben. Aber ich sage ausdrücklich: Wenn der Präsident der Landeszentralbank gestern in an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Formulierungen gesagt hat, dass sich Niedersachsens Wirtschaft in einer Talfahrt in eine Rezession befinde, dann fordert das Handeln von der Politik in vielen Bereichen. Dabei ist das Landesvergabegesetz nur ein Punkt. Ich hoffe, dass es im Ergebnis auch zum Erfolg führt. Wir als CDU-Fraktion wollen uns an einer konstruktiven Arbeit in den Ausschüssen beteiligen. Wenn wir es mit dem Thema wirklich ernst meinen, sollten wir uns eines nicht leisten, wie es hier und da häufiger in Niedersachsen der Fall ist, nämlich den Luxus der Langsamkeit. Wenn es Sinn macht, dann muss relativ schnell entschieden werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Zu diesem Gesetzentwurf spricht jetzt Frau Ministerin Knorre.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Vorbemerkungen machen, bevor ich zu dem Gesetzentwurf konkret Stellung nehme.

Wir haben in Niedersachsen eine vorbildliche Erlasslage zum Thema Tariftreue. Darum beneiden uns viele andere Länder und Standorte. Die Landesregierung hat hier also ihre Hausaufgaben gemacht. Damit können wir uns wirklich sehen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dinkla, in einem Punkt gebe ich Ihnen völlig Recht. Tariftreue und Vergabegesetz sind kein Allheilmittel zur Lösung der Krise in der Bauwirtschaft. Das war aber wohl auch nicht unser Thema. Ich meine, dass wir auch diese Verbesserungen im Bereich des Vergaberechts auf den Weg bringen sollten. Wir als Landesregierung pflegen aber darüber hinaus den engen Dialog mit den Vertretern der Bauwirtschaft, um zu klären, welche anderen Möglichkeiten noch bestehen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu will ich nur das Stichwort „Bauerfüllungsbürgschaften“ nennen. Dies ist für uns gängige Praxis. Gleichwohl möchte ich das betonen, weil Sie das zu Recht noch einmal angesprochen haben.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Thema Investitionen sagen. Allein im investiven Bereich des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums sehen Sie eine ganz klare Aufwärtsbewegung. Unsere Investitionsquote im Haushalt bewegt sich jetzt bei mehr als 49 %, beträgt also fast die Hälfte aller Ausgaben. Dies lässt sich wohl auch sehen, und damit müssen wir uns nun wirklich nicht verstecken.

(Beifall bei der SPD - Eppers [CDU]: Schönreden macht es nicht besser!)

- Dies können Sie im Haushalt ablesen. Das ist einfach so.

Meine Damen und Herren, nun zu dem Gesetzentwurf. Wir als Landesregierung haben immer deutlich gemacht, dass wir einer bundeseinheitlichen Regelung beim Vergaberecht grundsätzlich den Vorzug geben. Daran hat sich - das sage ich ausdrücklich noch einmal - nichts geändert. Von daher begrüße ich auch, dass das Bundeskabinett heute den Entwurf für ein Bundesvergabegesetz beschlossen hat und er somit in die parlamentarischen Beratungen gehen wird.

Genau wie der Entwurf, den die SPD-Landtagsfraktion für ein Landesvergabegesetz vorgelegt hat, enthält der Entwurf des Bundes Regelungen zur Einhaltung der Tariftreue am Ort der Leistungserbringung, und zwar für öffentliche Aufträge über Baumaßnahmen und im ÖPNV. Es gibt aber auch andere Punkte - darauf wurde schon hingewiesen -, an denen sich der Entwurf der Bundesregierung von den Vorstellungen, die hier im Lande herrschen, unterscheidet. Dazu nenne ich nur zwei, die ich besonders wichtig finde, nämlich das Thema „keine Bindung der Eigengesellschaften“ - im Au

genblick ist dies im Bundesentwurf nicht vorgesehen - und das Thema „keine Kontrolle vor Auftragsvergabe“ - das ist auch nicht vorgesehen. Diese Kontrolle haben wir schon mit unserem so genannten 10 %-Erlass geregelt. Diesen Erlass verbessern wir im Übrigen im Augenblick im Prozess.

Unseren Ansatz, dass auch der Bundesentwurf nicht hinter unseren niedersächsischen Standard zurückfallen darf, werden wir jetzt in die parlamentarischen Beratungen einbringen. Wir wollen klar machen, dass wir in Niedersachsen Vorstellungen entwickelt haben, hinter die wir nicht zurückgehen wollen.

Meine Damen und Herren, somit haben wir in den nächsten Monaten die Option, diese gesetzliche Regelung parallel auf Bundes- und Landesebene auf den Weg zu bringen. Dies ist eine Chance, die wir als Landesregierung nutzen, um eine gesetzliche Regelung zu finden, die den Unternehmen und den Beschäftigten dient sowie insbesondere der Baubranche eine verbesserte Wettbewerbssituation ermöglicht.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Frau Ministerin. - Mir liegen weitere Wortmeldungen nicht vor. Darum schließe ich die Beratung zu dem Gesetzentwurf der SPDFraktion. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt, den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr mit der federführenden Beratung zu beauftragen und die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für innere Verwaltung, für Städtebau und Wohnungswesen sowie für Sozialund Gesundheitswesen mitberaten zu lassen. Über die Empfehlung des Ältestenrates hinaus soll auch der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mitberatend tätig sein. Wenn Sie dem Ihre Zustimmung geben wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen, oder möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Verstärkte Förderung von freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1676 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/2896

Der Antrag in der Drucksache 1676 wurde in der 54. Sitzung am 22. Juni 2000 an den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen zur federführenden Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Darum kommen wir zur Beratung.

Dazu hat sich Frau Kollegin Pothmer gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Pünktlich zum Abschluss des Internationalen Freiwilligen Jahres liegt hier nun nach eineinhalbjähriger Beratung unser Antrag zur Förderung der freiwilligen gesellschaftlichen Arbeit zur abschließenden Beratung vor. Ich meine, dass das, was wir hier heute beschließen, auch ein Maßstab dafür sein sollte und ein Maßstab dafür ist, was die Landesregierung bereit ist, tatsächlich zu tun, um die freiwillige Arbeit in Niedersachsen zu fördern. Die Freiwilligen können an diesem Antrag sehen: Was hat uns dieses Jahr tatsächlich gebracht?

Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern: Wir haben in der Begründung des Antrages darauf hingewiesen, dass bürgerschaftliches Engagement von unten wachsen muss. Aber es muss gleichzeitig von oben ermöglicht und unterstützt werden. Wenn ich mir jetzt die Beschlussempfehlung, die wir heute vorliegen haben, ansehe, dann muss ich leider sagen, dass die Unterstützung von oben relativ mager ausgefallen ist. Ich glaube nicht, dass durch diesen Antrag tatsächlich substanzielle Verbesserungen für die Rahmenbedingungen der freiwilligen Arbeit auf den Weg gebracht werden können und auf den Weg gebracht werden.

Eine ganz wesentliche Forderung ist - die steht nicht nur im Antrag, sondern diese Forderung ist eigentlich in allen Debatten formuliert worden -: Wir brauchen eine Infrastruktur, um das freiwillige Engagement tatsächlich zu ermöglichen. Ich finde es wirklich unangemessen, dass Sie, statt eine solche Infrastruktur zu schaffen und abzusichern, im Jahre 2002 Pilotprojekte umsetzen wollen, mit

denen Sie die Möglichkeiten für ein freiwilliges Engagement erproben wollen. Ich glaube, dass wir nicht an dem Punkt sind, wo wir diese Pilotprojekte brauchen und noch nach Erkenntnissen suchen müssen, sondern in anderen Bundesländern und auch in Niedersachsen liegt eine ganze Reihe von Erkenntnissen vor, die jetzt umgesetzt werden müssen.