Genau deshalb haben wir als Fraktion der Grünen seit 1998 mit unseren Haushaltsänderungsanträgen regelmäßig geringere Haushaltsvolumina vorgelegt, als sie dann hinterher von Ihnen beschlossen worden sind. Wir haben jedes Mal beantragt, die Neuverschuldung und damit die Einnahmen zu senken. Wir haben im Gegenzug Kürzungen auch auf der Ausgabenseite vorgeschlagen. Sie haben diese Anträge und damit eine echte Haushaltskonsolidierung in Niedersachsen abgelehnt.
Das Ergebnis, Herr Wegner, kann jetzt jeder nachrechnen. In Niedersachsen regierten seit dem Zweiten Weltkrieg 14 Landesregierungen unterschiedlichster Couleur. Aber bis 2003 werden 40 % aller Landesschulden von den SPD-Alleinregierungen seit 1994 angehäuft worden sein. Das ist - bei allem Respekt - eine katastrophale Leistungsbilanz.
Sie als SPD kündigen an, die Nettokreditaufnahme im Jahre 2003 um 50 Millionen Euro senken zu wollen. Zunächst einmal stimmt das ja gar nicht, weil Sie die VW-Aktien beleihen und weil Sie sich auch beim BAföG eines Bankenmodells bedienen. Das ist nichts anderes als eine verdeckte Kreditaufnahme. Vor allem aber sage ich Ihnen, die angekündigte Senkung der Nettokreditaufnahme wäre das erste Versprechen, das nach der Landtagswahl kassiert würde.
Ihre Wirtschaftsministerin hat sich bereits in seltener Offenheit gegen konjunkturbedingte Sparrunden ausgesprochen und hinzugefügt - wörtliches Zitat -: "Das heißt im Klartext natürlich Neuverschuldung." So Frau Knorre Ende Oktober. Sie liegt damit auf der Linie des Weltökonomen Gabriel, die dieser im Sommer vorgegeben hat, für die er ja vom Bundeskanzler rau, aber herzlich zurückgewiesen worden ist.
Wir verzichten in unserem Änderungsantrag auf die von Ihnen geplante vorgezogene Rücklagenentnahme im Jahre 2002. Wir verzichten damit auch auf die alten Kreditermächtigungen. Stattdessen wollen wir unsere Wünsche nach Mehrausgaben durch Kürzungen an anderer Stelle finanzieren, weil wir alles andere mit Blick auf die Schuldenlast des Landes nicht mehr für verantwortbar halten.
(Plaue [SPD]: Jetzt ist der Beifall auf der rechten Seite deutlich geringer: wegen des Straßenbaus!)
- Herr Plaue, Sie kommen ja gleich dran. Dann können Sie uns ja auch in aller Ausführlichkeit erklären, wie das mit der Betriebskrankenkasse für Landesbedienstete funktionieren soll.
Meine Damen und Herren, ungeachtet der dramatischen Finanzlage des Landes hat es die Landesregierung für notwendig erachtet, einen aussichtslosen Prozess um zu viel erhobene Förderabgaben durch alle möglichen Instanzen zu schleppen. Schon 1999 haben wir Sie aufgefordert, das Urteil des OVG Lüneburg im BEB-Streit zu akzeptieren, um dem Land hohe Anwalts- und Gerichtskosten sowie einen durch Zinsen stetig wachsenden Schuldbetrag zu ersparen. Auch haben wir Sie hier im Plenum vor zwei Jahren - im Dezember 1999 darauf hingewiesen, dass alle damals vorliegenden Entwürfe zur Unternehmenssteuerreform einen sinkenden Körperschaftsteuersatz zur Folge haben würden und sich damit das finanzielle Risiko für das Land bei einer Revision deutlich erhöht. Es war damals klar und es war belegbar, dass die BEB im Fall einer Bestätigung ihrer Rechtsauffassung durch das Bundesverwaltungsgericht für den strittigen Betrag mehrere 100 Millionen Mark weniger Steuern wird zahlen müssen als noch 1999 und 2000 und dass dieses Geld in öffentlichen Haushalten fehlen würde.
Die Landesregierung hat all diese Forderungen und Warnungen zurückgewiesen, obwohl schon damals auf der Hand lag, dass man diesen Prozess nicht gewinnen konnte. Herr Aller, Sie haben weiter geklagt in der Hoffnung, das Urteil würde in eine wirtschaftliche Aufschwungphase fallen und damit für Niedersachsen finanziell leichter zu schultern
sein. Herr Aller, Sie haben dem Land Niedersachsen durch dieses Verhalten schweren Schaden zugefügt.
Sie haben immer wieder erklärt und erklären lassen, eine Abwicklung der BEB-Lasten über den Länderfinanzausgleich sei nach dem Kassenprinzip garantiert. Heute wissen wir: Ihre Behauptung ist nicht mehr als eine Meinung. Ihre Länderkollegen sind anderer Auffassung. Die Entscheidung der Finanzministerkonferenz, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzusetzen, zeigt, dass man in dieser Frage um einen Kompromiss ringt.
Jeder Kompromiss in dieser Frage bedeutet allerdings eine Niederlage für Sie, Herr Aller, und eine für das Land untragbare Belastung. Sie wissen das auch. Deshalb haben Sie vorsorglich schon einmal angekündigt, einen möglichen aus dem BEB-Urteil resultierenden Jahresfehlbetrag in 2001 in Raten und über mehrere Haushaltsjahre hinweg abtragen zu wollen. Sie wissen ebenfalls, dass dies weder mit der Landeshaushaltsordnung noch mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz vereinbar ist, und verweisen deshalb darauf, dass eine CDU-geführte Landesregierung in den 70er-Jahren schon einmal eine solche Praxis bemüht hat. Herr Aller, das ist ein denkbar schwaches Argument. Wenn Sie ankündigen, Sie wollten morgen eine Bank überfallen, dann wird das nicht dadurch rechtmäßig, dass es anderen schon einmal gelungen ist.
Der BEB-Prozess ist eine Altlast – insofern hat der Ministerpräsident Recht -, aber Sie haben 1999 die Chance verpasst, diese Altlast zu beseitigen und auf eine Revision zu verzichten.
Schuldbetrag zu 90 % über den Länderfinanzausgleich verrechnen zu lassen, wie es der üblichen Praxis entspricht, und wenn er stattdessen gezwungen wird, mit den anderen Bundesländern einen Kompromiss auszuhandeln, der Niedersachsen deutlich stärker belastet, dann werden wir die Entlassung von Herrn Aller beantragen.
Der Landeshaushalt dokumentiert eine weiter wachsende Verschuldung. Das ist nichts Neues, aber es ist dieses Jahr deutlich schlimmer. Aber eines ist doch neu: Es ist neu, dass sich ein gutes Jahr vor der nächsten Landtagswahl ein bestimmtes Profil dieser Landesregierung herauszubilden beginnt. Betont wird die Eliteförderung in Schulen und Hochschulen, unterlegt mit der provokativen Forderung des Wissenschaftsministers, gute Bildung müsse etwas kosten. Dabei wird übersehen, dass nicht jeder, der es nötig hätte, ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung erhält und dass die gute Bildung alles andere als zugangsoffen sein wird. Auf Ihre Unterstützung zählen können Betreiber privater Luxuskliniken, während die Investitionszuschüsse für öffentliche Krankenhäuser im Land gekürzt werden.
Zweistellige Millionenbeträge fließen an eine Manager-Akademie in Hannover, während die niedersächsischen Fachhochschulen eine gewaltige Überlast bewältigen müssen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln schon seit vielen Jahren nicht mehr auskommen. Gefördert wird der Neubau von Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels, während die ebenfalls investiv veranschlagten Unterbringungszuschüsse für Bewohner von Pflegeheimen gekappt werden.
Ich will Ihnen sagen, was wir von einer solchen Politik halten. Wir halten eine solche Politik nicht nur in der Sache für verfehlt, sondern wir halten sie auch für zutiefst ungerecht und für zutiefst unsozial. Ich weiß, dass viele Mitglieder der SPDFraktion es genauso empfinden.
Die führenden Vertreter der Landesregierung profilieren sich in einer Weise, wie es ihnen der heutige Bundeskanzler vorgemacht hat. Folgerichtig ist das Wirtschaftsressort bei der Kabinettsumbildung mit einer parteilosen Person aus der Wirtschaft besetzt worden. Bei Gerhard Schröder war dies alles neu; bei Sigmar Gabriel wirkt es nachgemacht und abgekupfert. Es ist keine eigene Linie erkennbar, außer dem sichtbaren Ehrgeiz, es seinem Vorgänger gleichzutun und sich in Hannover für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Der Ministerpräsident ist kein Macher, sondern er ist ein Nachmacher. Dazu gehört auch der Versuch, sich auf Bundesebene gegen die eigene Partei zu profilieren, ganz egal, mit welchem Thema. Mal wird die eigene Partei als unmodern und überaltert beschrieben; ein anderes Mal versucht der Ministerpräsident, diesen unsäglichen Herrn Koch aus Hessen bei einer beispiellosen Neidkampagne gegen Sozialhilfeempfänger noch zu übertreffen. Ich habe es als Zumutung empfunden, welches Wettrennen sich CDU und SPD im August bei dieser Kampagne geliefert haben.
Wenn man weiß, dass mehr als 70 % der Betroffenen nicht erwerbsfähig sind, weil sie als Alte, als Kranke, als allein Erziehende oder als Kinder diese Möglichkeit nicht haben, dann verbietet sich eine solche öffentliche Debatte eigentlich von allein. Aber Männer einmal an ihre Unterhaltspflichten zu erinnern, erschien dem Ministerpräsidenten offenbar zu wenig spektakulär.
Meine Damen und Herren von der SPD, durch landespolitische Beschlüsse wird die Chancengleichheit - etwa in der Debatte um Studiengebühren; darüber werden wir morgen diskutieren - von Ihrer Seite immer häufiger infrage gestellt. Schon heute ein Problem ist die Zugangsgerechtigkeit zu Bildungsmöglichkeiten. Der Zugang ist nicht nur vom Elternhaus abhängig, wie durch die PISAStudie dokumentiert wird, sondern auch davon, ob man im ländlichen Raum oder in einem Ballungsraum Niedersachsens lebt. Wenn wir die Bildungsreserven im ländlichen Raum ausschöpfen wollen,
dann darf die Unterrichtsversorgung dort nicht länger deutlich schlechter sein, als sie es in den Ballungszentren Niedersachsens ist.
Nun haben wir das Problem, dass bei einer wachsenden Nachfrage immer weniger Lehrkräfte bereit sind, sich auf frei werdende Stellen im ländlichen Raum zu bewerben. Ich bin deshalb der Überzeugung, dass mehr Studienseminare dorthin verlagert werden müssen, weil die Erfahrung uns zeigt, dass ein Klebeeffekt entsteht, dass also wesentlich mehr Lehramtsanwärter im ländlichen Raum verbleiben, wenn sie während ihrer Ausbildung die Vorzüge dieser Regionen kennengelernt haben.
Wir brauchen mehr gymnasiale Angebote, wohnortnah und auch in der Nähe von Realschulen, um auch dortigen Absolventen eine realistische Chance zu geben, nach der 10. Klasse noch in eine Oberstufe wechseln zu können.
Was wir ausdrücklich nicht brauchen, ist ein Förderkonzept, das lange Fahrtzeiten für die Kinder und bei den Landkreisen steigende Kosten in der Schülerbeförderung und im Schulbau provoziert. Das ist in einem Flächenland wie Niedersachsen das garantiert falsche Konzept.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist, gemessen an den Pro-Kopf-Ausgaben, das ärmste Bundesland in Westdeutschland. Beim Bildungsniveau aber ist dieses Land sogar gesamtdeutsches Schlusslicht. Das Landesamt für Statistik hat errechnet, dass lediglich 12,3 % der Erwerbstätigen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen. Im ländlichen Raum liegt diese Quote zum Teil sogar noch deutlich darunter, nämlich bei bis zu 8 %.
In diesen Zahlen drückt sich aus, dass diese Landesregierung die Fläche in Niedersachsen in den letzten Jahren systematisch vernachlässigt hat. Es ist viel zu spät und vor allem wohl dem nahenden Landtagswahltermin geschuldet, wenn jetzt hektisch versucht wird, diesen Eindruck zu korrigieren.
Es war und es ist falsch, die Fläche in Niedersachsen vor allem durch große Infrastrukturprojekte wie Autobahnen, Sperrwerke oder Tiefwasserhäfen fördern zu wollen. Auch der ländliche Raum
braucht Investitionen in Köpfe und nicht nur in Beton. Auch der ländliche Raum braucht starke Hochschulstandorte mit Ausstrahlungswirkung in das Umland. Deshalb ist es falsch, über ein Stiftungsmodell eine Zweiklassengesellschaft in der niedersächsischen Hochschullandschaft etablieren zu wollen.