Protocol of the Session on November 14, 2001

(Zu Protokoll:)

Mit seiner Beschlussempfehlung in der Drucksache 2863 empfiehlt Ihnen der Kultusausschuss mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag unverän

dert anzunehmen. Die Ausschussmitglieder der Fraktion der CDU enthielten sich der Stimme.

Der Antrag der Fraktion der SPD wurde in der 44. Sitzung des Kultusausschusses am 8. Juni 2001 öffentlich erörtert. In der gleichen Sitzung führte der Kultusausschuss seine Beratungen durch.

Ausschussmitglieder der antragstellenden Fraktion erklärten, in der Gesellschaft habe sich ein Wandel vollzogen, der nicht zuletzt auch auf Kinder und Jugendliche negative Auswirkungen habe. Immer mehr Kinder und Jugendliche würden in immer jüngerem Alter zu Zigaretten, Alkohol und anderen Drogen greifen. Ursächlich hierfür sei meist der ständig steigende Leistungsdruck und der damit verbundene Stress in der Schule und am Arbeitsplatz.

Diese Gesamtproblematik sei Gegenstand verschiedener Präventionsprogramme, die zwischenzeitlich entwickelt worden seien. Nach Auffassung der SPD-Fraktion solle geprüft werden, ob diese Programme nicht auch allgemein zugänglich gemacht werden sollten. Ferner solle geprüft werden, ob die Programme zum Bestandteil der Lehrerausund -fortbildung gemacht und auch unmittelbar in die Unterrichtsmethodik umgesetzt werden könnten. Mit potenziellen Trägern solcher Präventionsprogramme solle darüber verhandelt werden, ob und in welchem Umfang im Rahmen von Public Private Partnerships der Einsatz ideell und materiell vor Ort in den Schulen unterstützt werden könne.

Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion entgegneten, ihre Fraktion habe schon am 2. Juli 1997 einen Antrag betreffend Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität in den Landtag eingebracht. Bereits damals habe Einigkeit darüber bestanden, dass oberste Priorität die Verhinderung der Ersttat und der Folgetaten genießen müsse. Der Aspekt einer möglichen Bestrafung von Kindern und Jugendlichen habe demgegenüber in den Hintergrund zu treten. Auch sei seitens der CDU-Fraktion darauf hingewiesen worden, dass es einer Änderung des Schulgesetzes bedürfe, wenn man konsequente Maßnahmen gegen die wachsende Gewalt an niedersächsischen Schulen ergreifen wolle. Grundsätzlich lägen die Auffassungen der CDU-Fraktion und der antragstellenden Fraktion jedoch nicht weit auseinander. Auch die CDUFraktion vertrete den Standpunkt, dass Schule und Jugendarbeit miteinander vernetzt werden müssten.

Das Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte vor, dass es einer Änderung des Schulgesetzes zur offensiven Bekämpfung von Phänomenen wie Jugendkriminalität, Jugendgewalt und Drogenmissbrauch sowie anderer sozialer Fehlentwicklungen nicht bedürfe. Vielmehr müsse mit den Kindern und den Jugendlichen von Anfang an anders gearbeitet werden als bisher. All die beschriebenen Fehlentwicklungen seien in erster Linie auf ein mangelndes Selbstwertgefühl, auf mangelnde Erfolgserlebnisse und auf die mangelnde Bereitschaft der Elternhäuser, eine positive Entwicklung der Kinder und der Jugendlichen zu fördern, zurückzuführen. Die Schulen könnten jedoch auf keinen Fall der Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Fehlentwicklungen sein. Vielmehr könne die Schule allenfalls einen Beitrag dazu leisten, diejenigen Defizite abzumildern, die Kinder und Jugendliche aus anderen Zusammenhängen mitbrächten.

Die mitberatenden Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen, Sozial- und Gesundheitswesen bzw. Umweltfragen schlossen sich der Beschlussempfehlung bei gleichem Abstimmungsverhalten an. Der mitberatende Ausschuss für innere Verwaltung schloss sich der Beschlussempfehlung einstimmig an.

Der Kultusausschuss bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2863 zuzustimmen.

Für die Fraktion der SPD spricht die Kollegin Frau Eckel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Eltern mit ihren Kindern umgehen, gilt einerseits vor allem als Privatsache; andererseits beklagt die Öffentlichkeit Defizite in den familialen Leistungen. Defizite äußern sich bei Kindern und Jugendlichen immer wieder durch Fehlverhalten, das häufig auf Störungen der Persönlichkeitsentwicklung und auf zu wenig Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen beruht. Die Forderung wird immer lauter: Die Institutionen, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind, müssen in die Bresche springen und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten und die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung zu ihrem Anliegen machen.

Neben physiologischen Grundbedürfnissen und dem Bedürfnis nach Sicherheit und Zuneigung haben Kinder auch ein Autonomiebedürfnis, das sich auf Anregung, Umwelterkundung und Selbstverwirklichung bezieht. Kinder brauchen Hilfestellung bei der Verarbeitung vielfältiger und möglicherweise divergierender Umwelterfahrungen außerhalb der Familie. Dieses Autonomiebedürfnis ist der Ansatzpunkt für schulische Erziehung. Pädagogische Konzepte, die Defizite in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen ausgleichen, die stark machen in den zahlreichen Gefährdungssituationen des Alltags, müssen stärker als bisher gefordert und gefördert werden.

Der SPD-Antrag „Förderung von Präventionsmaßnahmen in der Schule“ hat das Ziel, mehr als bisher Kinder und Jugendliche beim Aufbau eines eigenen Selbstkonzeptes, beim Aufbau von Identität, Eigenschaften, Fertigkeiten, Bewertungen und Gefühlen zu unterstützen. In unserem Antrag werden zwei Programme genannt, die uns geeignet erscheinen, die erwähnten Ziele erreichbar zu machen. Das eine Programm ist „Klasse 2000“, das andere „Erwachsen werden“. Beide sind erprobt. Wir möchten, dass die Landesregierung prüft, ob sie in die Lehreraus- und -fortbildung einbezogen werden können.

„Klasse 2000“ ist ein Projekt des Instituts für Präventive Pneumologie in Nürnberg. Unterstützt durch die Lions Clubs Deutschland hat dieses Projekt zur Suchtprävention und Gesundheitsförderung seit 1991 80 000 Kinder der Klassen 1 bis 4 erreicht. Die neuesten Zahlen für Niedersachsen Stand 12. November 2001 – lauten: 678 Klassen nehmen im Schuljahr 2001/2002 an diesem Projekt teil. Die große Zahl zeugt davon, dass Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und auch Eltern positiv auf dieses Programm reagieren. Das besondere Kennzeichen ist eben, dass auch Eltern mit einbezogen werden.

Das zweite im Antrag genannte Projekt firmiert unter dem Titel „Erwachsen werden“. Es ist ein aus den USA übernommenes Programm, das seit 1997 in einer deutschen Fassung und auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten vorliegt. Es fördert soziale und kommunikative Kompetenzen und die Erweiterung der Handlungskompetenz. Lehrerinnen und Lehrern zeigt es, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler beim Erwachsenwerden begleiten können, wie sie ihnen Orientierung geben und als Bezugspersonen und Vorbilder der Jugendlichen Akzeptanz und Gehör finden können.

Beide Programme haben sich so positiv entwickelt, dass die SPD-Fraktion es wünschenswert findet, sie allen Schulen zugänglich zu machen. Wir erhoffen uns die Zustimmung des gesamten Hauses zu diesem Antrag. Für Frau Litfin, die im Moment als Präsidentin fungiert, kann ich schon sagen, dass sie sich meinen Worten anschließt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU spricht die Kollegin Frau Vockert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Eckel, Sie haben schon Recht, wer könnte gegen entsprechende Präventionskonzepte sein, und wer wird sich hier in diesem Hause gegen Präventionskonzepte stellen? Wir unterstützen Projekte wie z. B. „Streitschlichterausbildung“ oder auch das Projekt, das Herr Senff beim vorherigen Tagesordnungspunkt angesprochen hat und das auch jetzt zu diesem Thema passt, nämlich das Präventionsprojekt „Jugend in Niedersachsen für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz.“

Es gibt zahlreiche Projekte, die wir unterstützen. Aber, Frau Eckel, wenn Sie dann meinen, dass Sie mit dem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben und den wir auch im Ausschuss diskutiert haben, Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung der Alltagsprobleme helfen und sind in ihrem Selbstgefühl unterstützen werden, dann vermute ich, dass Sie zu einem anderen Antrag gesprochen haben oder aber gar nicht wissen, was in Ihrem Antrag formuliert ist.

Meine Damen und Herren, wir können diesem Antrag nicht zustimmen. Sie sagen hier nämlich schlicht und ergreifend: Erstens. Wir fordern die Landesregierung auf zu prüfen, ob bestimmte Programme vielleicht umgesetzt werden können. Zweitens. Wir fordern die Landesregierung auf zu prüfen, ob diese Programme irgendwie in die Unterrichtsmethodik eingearbeitet werden können. Drittens. Wir fordern die Landesregierung auf, bitte bitte zu sagen, damit sie mögliche potenzielle Partner findet, die die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stellen sollen, weil die Landesregierung dafür nicht eine müde Mark zur Verfügung stellen will oder stellen kann. Die

CDU-Landtagsfraktion vertritt die Auffassung, dass wir der Sache nicht gerecht werden, wenn wir lediglich Prüfaufträge erteilen, wenn wir lediglich den Auftrag erteilen zu prüfen, zu prüfen und nochmals zu prüfen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind der Auffassung, dass es Entscheidungen bedarf und dass wir alle hier im Hause uns der Funktion bewusst sein müssen, die wir hier ausüben. Wir üben eine Kontrollfunktion aus und wir haben die Funktion, die Landesregierung zum Handeln aufzufordern. Ihr Ansinnen, lediglich zu prüfen, zu prüfen und nochmals zu prüfen, zeigt aber, dass Sie keinen Mut zur Entscheidung haben. Wir sind der Meinung, dass Sie es sich viel zu einfach machen. Wir brauchen keine Prüfaufträge; wir benötigen echte Präventionskonzepte, die wirklich greifen.

Frau Eckel, vom Ansatz her haben Sie natürlich Recht. Vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen wäre es z. B. sehr schön, wenn wir die Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kindergärten tatsächlich so ausbilden würden, wie es den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht; denn in den Kindergärten wird schon die entscheidende Weichenstellung vollzogen, insbesondere wenn es um Prävention geht.

Wir brauchen z. B. Erziehungspersonen. Da Erziehung immer auch Beziehung bedeutet, benötigen wir insbesondere in den Grundschulen auch Beziehungspersonen. Wir brauchen aber keinen ständigen Lehrerwechsel in den Grundschulen, so wie ihn die Landesregierung durch ihre Politik bewirkt, indem sie zu wenig Grundschullehrer zur Verfügung stellt, was zur Folge hat, dass pädagogisch völlig unsinnig gearbeitet wird, weil im Bereich der Lehrkräfte an den Grundschulen keine Kontinuität gegeben ist.

Wir benötigen an den weiterführenden Schulen Sozialarbeiterstellen, um den Schülerinnen und den Schülern in Konfliktsituationen zu helfen. Wir benötigen weiterhin eine Vernetzung zwischen Schule und Jugendhilfe. Auch hier erwarten wir mehr erwarten als das, was zurzeit geschieht. Hierzu haben Sie zwar eine Menge zu Papier gebracht; aber in der täglichen Praxis findet zwischen Schule und Jugendhilfe so gut wie gar nichts statt. Wir müssten hier Präventionskonzepte einfordern, wir müssten die Landesregierung auffordern, tatsäch

lich zu handeln, dürfen uns aber nicht nur darauf beschränken, zu prüfen, zu prüfen und nochmals zu prüfen.

Die Kinder und Jugendlichen in Niedersachsen haben einen Anspruch darauf, von dieser Landesregierung für ihre Alltagsbewältigungsprobleme mehr Hilfen zur Verfügung gestellt zu bekommen als lediglich Prüfaufträge ohne eine müde Mark.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Kollegin Frau Körtner von der CDUFraktion hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

(Frau Körtner [CDU]: Nicht zu die- sem Antrag!)

- Oh, dann habe ich die Zahl falsch gelesen.

Dann liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte Platz und seien Sie aufmerksam für die Abstimmung!

Wenn Sie der Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 2863 zustimmen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung. Das Erste war die Mehrheit. Damit haben Sie den Antrag angenommen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 13: Einzige (abschließende) Beratung: Veräußerung domänenfiskalischer Flächen auf der Luneplate Gemarkung Landswürden, Landkreis Cuxhaven, zu Kompensationszwecken im Zusammenhang mit dem Bau des Containerterminals III (CT III) in Bremerhaven - Antrag der Landesregierung Drs. 14/2809 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 14/2864

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit!

Der Antrag der Landesregierung wurde am 26. Oktober 2001 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Auch sind die Fraktionen im Ältestenrat übereingekommen, zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu reden. - Ich höre keinen Widerspruch. Daher lasse ich gleich abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 2864 und damit dem Antrag der Landesregierung in der Drucksache 2809 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. - Stimmenthaltungen? - Die gibt es auch nicht. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.

Somit kommen wir zum letzten Punkt unserer heutigen Tagesordnung:

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2300 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/2865

Der Antrag der Fraktion der SPD wurde in der 74. Sitzung am 15. März 2001 an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatterin ist die Kollegin Frau Körtner, der ich das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werde ich erst einmal den Bericht zu Protokoll geben und im Anschluss daran für die CDU-Fraktion reden.

(Zu Protokoll:)

Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2865 schlägt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen vor, die „Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten in Niedersachsen“ überschriebene Entschließung in einer geänderten Fassung anzunehmen. Ich kann mich in meiner Be

richterstattung dazu auf nur wenige Anmerkungen beschränken. Denn die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Vertreter aller Fraktionen im federführenden Ausschuss zu Stande gekommen und mit demselben Stimmenverhältnis auch in den mitberatenden Ausschüssen gebilligt worden.

Wie die ausführliche erste Plenarberatung des Antrages in der Sitzung am 15. März 2001 bereits gezeigt hatte, besteht über die Notwendigkeit, Opfern von Straftaten Schutz und Hilfen über das bisherige Maß hinaus angedeihen zu lassen, kaum ein Auffassungsunterschied. Dies hat sich in den Ausschussberatungen bestätigt. Strittig war im federführenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zunächst allein die Frage, ob es wirklich dem Opferschutz diene, wenn der Landtag wie im Antrag vorgesehen - ein besonderes Staatsziel „Opferschutz“ befürworte. Sprecher der CDUFraktion machten in den Ausschussberatungen geltend, unabhängig von der sicherlich noch nicht geglückten Formulierung - schließlich müsse der Landtag nicht etwas „befürworten“, was er mit Zweidrittelmehrheit selbst beschließen könne - sei die u. U. präjudizierende Wirkung einer solchen Staatszielbestimmung problematisch. Denn die Sorge sei nicht unbegründet, dass dies zu Begehrlichkeiten an anderer Stelle führe. Auch dürfe die Ergänzung der Verfassung um ein weiteres Staatsziel nicht lediglich in dessen pressewirksamer Inszenierung bestehen, sondern müsse später auch in der Ausführung gesetzlicher Bestimmungen ihren Niederschlag finden.