Protocol of the Session on October 24, 2001

(Rolfes [CDU]: Die passen nirgends hin!)

Trotzdem sind jetzt Anschläge in einer Dimension denkbar, die wir sonst nur in James-Bond-Filmen gesehen haben.

Die Bundesregierung hat alle notwendigen und möglichen Schritte unternommen, um die Bundesrepublik und ihre Bewohner zu schützen. Wir haben heute Morgen diskutiert, was die Landesregierung ihrerseits tun kann, um Terroranschlägen oder deren Folgen vorzubeugen. Ich will das nicht wiederholen.

Die SPD-Fraktion hat für den Haushalt eine Schlussfolgerung daraus gezogen. Die im Haushaltsplan 2003 ursprünglich vorgesehene Kürzung der Zuschüsse für Hilfsorganisationen um 250 000 Euro - was auch nicht aus Jux und Tollerei passiert ist, sondern um den Brandschutz im Wesertunnel zu optimieren - wird nicht stattfinden. Es wird jetzt eine andere Gegenfinanzierung für den Wesertunnel erarbeitet.

Der Ministerpräsident hat heute Morgen hier gesagt, dass im Innenministerium zurzeit folgende Maßnahmen auf Notwendigkeit der Verwirklichung geprüft werden: Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes, Stärkung der ersten Hilfe, Einrichtung eines Kompetenzzentrums Katastrophenschutz im Innenministerium, Erweiterung der Notfallkapazitäten in Krankenhäusern, möglicher Ausbau der Feuerwehrschulen Celle und Loy und Einrichtung eines hochqualifizierten Labors zum Test auf Milzbranderreger. Er hat betont, es geht zunächst einmal um die Überprüfung, danach erst um die mögliche Notwendigkeit, sich auf neue Gefahrenlagen einzustellen.

Sorgfalt geht in diesem Fall vor Geschwindigkeit. Auch bisher ist Niedersachsen schon mit 146 000 Feuerwehrleuten, 39 000 Helfern und 6 500 Mitarbeitern des THW, mit den Kräften der Polizei und des Bundesgrenzschutzes sowie der Bundeswehr

hervorragend für die Bekämpfung von Katastrophenlagen ausgestattet.

Eine absolute Sicherheit vor Katastrophen gibt es nicht; dann wären es nämlich keine Katastrophen. Es gibt nur eine bestmögliche Vorbereitung auf Katastrophenlagen. Dafür ist Niedersachsen bisher schon gesetzlich, aber auch materiell hervorragend gerüstet - und zwar übrigens nicht erst seit dem 11. September 2001. Alle Niedersächsischen Landtage und Landesregierungen haben daran gearbeitet, mit Ernst und mit Erfolg. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer kleiner Schritt auf diesem Weg. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank. - Herr Kollege Coenen, Sie sind der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes stimmt die CDU-Fraktion zu. Ich möchte aber folgende Anmerkungen dazu machen.

Nach unseren wiederholten Hinweisen auf das Kompetenzgerangel im Katastrophenfall darüber, wer die Führungsaufgaben übernimmt, ist dies nunmehr so geregelt, wie wir es uns vorstellen - meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen -, nämlich dass - entgegen dem Gesetzentwurf - der Hauptverwaltungsbeamte zuständig bleibt.

Die Kommunen werden durch dieses Gesetz in Höhe von 1,1 Millionen DM belastet. Meine Fraktion wird das bei den anstehenden Haushaltsberatungen noch einmal deutlich zur Sprache bringen.

Bei der ersten Beratung des Katastrophenschutzgesetzes hier im Landtag am 21. Februar 2001 habe ich für meine Fraktion ganz deutlich darauf hingewiesen, dass es nicht bei einigen marginalen Anpassungen des Gesetzestextes bleiben kann, sondern dass wir beim Katastrophenschutz erheblichen Handlungsbedarf für die Zukunft sehen, insbesondere auch durch den flächendeckenden Abzug der Bundeswehr in Niedersachsen. Wohl gemerkt: Das habe ich am 21. Februar dieses Jahres gesagt. Katastrophenschutz ist Ländersache.

Katastrophenschutz ist aber auch Katastrophenvorsorge und Katastrophenvorbeugung. Wir werden die erneute Novellierung dieses Gesetzes auf die parlamentarische Tagesordnung bringen. Wir wollen, dass das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz auf Mängel überprüft wird. Ich möchte auf einige eingehen.

Wir brauchen Strukturen im Katastrophenschutzgesetz, die Vergleichbarkeit und Abstimmungen gewährleisten. Gerade in schwierigen Situationen brauchen wir besonnenes und kluges Handeln. Koordinierung verhindert ereignisorientierten Aktionismus. Wir halten es für richtig, wenn die Landesregierung die Mittel für den Katastrophenschutz auf Druck der CDU weiter von 700 000 DM auf 1,2 Millionen DM erhöht. Wir brauchen eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Hilfswerken.

Ich möchte an dieser Stelle allen im Katastrophenschutz Tätigen, die unter den bisher schwierigen Umständen ihre Arbeit hervorragend getan haben, herzlichen Dank sagen.

Wir müssen den Abbau des Zivilschutzes rückgängig machen. Wir brauchen ein Wiederaufbauprogramm für den deutschen Zivil- und Katastrophenschutz. Aus diesem Grunde fordere ich auch die Wiedereinführung des Bundesamtes für Zivilschutz.

Problematisch wirkt sich die Verkleinerung der Bundeswehr von 370 000 auf 255 000 Angehörige aus. Die Streitkräfte sind nur noch auf einem Drittel des deutschen Territoriums präsent. Die Bundeswehr ist vielfach in der Fläche Niedersachsens nicht mehr vorhanden. Ich möchte dazu ein Beispiel aus Niedersachsen nennen: Am Standort Dörverden waren bis zu 2 500 Pioniere stationiert. Bei Überschwemmungen und anderen Katastrophen standen sie dem Land Niedersachsen zur Verfügung. Nach den Scharping-Plänen wird in Dörverden kein einziger Soldat mehr vorhanden sein. Das ist ein untragbarer Verlust auch für den Katastrophenschutz hier in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte auch die Stellungnahme des DRK nicht unerwähnt lassen. Das DRK stellt fest: Bis vor wenigen Jahren konnte man im Katastrophenfall intern auf Verbände der Streitkräfte zurückgreifen. Diese stehen nunmehr aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht mehr zur Verfügung. Hinzu kommt die Auflösung des Verteidigungskreis

kommandos als Ansprechpartner im Katastrophenfall. Ich halte das für untragbar. Wir müssen hier neue Wege beschreiten.

Mangelhaft ist auch die Arzneimittelbevorratung. Die so genannten Schnelleinsatztruppen für den Massenanfall von Verletzten, die Komponente des Sanitätsdienstes, haben keine Betäubungsmittel in ihren Ausstattungen. Darüber hinaus ist die Bevorratung von Medikamenten und Medizinprodukten, wie Impfstoffen, nur als mangelhaft zu bezeichnen.

Beim Notarzteinsatz sind Ländergrenzen bisweilen lebensgefährlich. Denn in der Notfallversorgung enden Kompetenzen noch immer an den Ländergrenzen. Mitunter wird das näher liegende Einsatzfahrzeug nicht angefordert, weil es nicht zuständig ist. Auch diese Situation muss dringend überprüft und eventuell geändert werden.

Wo ist eigentlich die deutsche Gründlichkeit bei der Katastrophen- und Notfallvorsorge geblieben? - Die Bundesrepublik Deutschland hat sich 1999 maßgeblich bei den Vereinten Nationen für die Verabschiedung der Resolution „Interne Strategien für Katastrophenvorsorge“ eingesetzt. Aber wo sind solche nationalen Strategien? Fachleute sprechen schon von der Notwendigkeit einer Entwicklungshilfe an uns selbst.

Wir brauchen ein Umdenken. Wir können es uns nicht länger leisten, unsere Sicherheitsorgane zu vernachlässigen oder sogar zu verunglimpfen, wie es viele in diesem Lande über Jahre hinweg getan haben.

Wir wollen den Anspruch der Menschen auf Schutz mit allem Nachdruck einfordern. Deshalb muss das Katastrophenschutzgesetz in Niedersachsen aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden. Wir bringen es wieder auf die Tagesordnung.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Coenen. - Jetzt hat Frau Stokar von Neuforn das Wort.

(Plaue [SPD]: Sind Sie eigentlich Mitglied der freiwilligen Feuerwehr?)

Der DLRG, Herr Kollege.

(Plaue [SPD]: Sie können doch gar nicht schwimmen!)

- Aber ja! Ich könnte Sie sogar retten. Aber das mache ich nicht.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Morgen eine Debatte über die Sicherheit geführt. Ich muss sagen, insbesondere die Beiträge der Landesregierung haben mich nicht überzeugt und haben mein Sicherheitsgefühl nicht steigern können. Wir können es uns hier in Niedersachsen nach dem 11. September nicht leisten, nicht neu über den Katastrophenschutz zu diskutieren. Alle anderen Bundesländer machen dies auch vorbildlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang Baden-Württemberg nennen.

Ich verstehe auch den Redebeitrag der CDUFraktion nicht, meine Damen und Herren. Sie hätten mich ja im Innenausschuss unterstützen können. Sie haben diesem Katastrophenschutzgesetz zugestimmt. Ich habe verlangt, dass wir erst einmal den 11. September bewerten und überlegen müssen, welche Korrekturen an diesem Gesetz notwendig sind. Sie lassen das aber ins Plenum gehen und kündigen jetzt an, dass Sie dieses Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt novellieren wollen.

(Coenen [CDU]: Das wollen wir auch!)

Das hätte nicht so laufen müssen.

(Coenen [CDU]: Wir wollen nichts aufhalten!)

Meine Damen und Herren, ich habe hier auch vorher schon meine Kritik geäußert. Die Landesregierung - das ist meine strukturelle Kritik an diesem Katastrophenschutzgesetz - hat schon vor dem 11. September die europaweit bindende Seveso-IIRichtlinie nur auf der Ebene umgesetzt, auf der sie unabdingbar umgesetzt werden muss. Deswegen auch mein Hinweis: Ersparen Sie sich diese Form der Arbeit, und schauen Sie einmal in das Land Schleswig-Holstein, das schon vor dem 11. September ein vorbildliches Katastrophenschutzgesetz vorgelegt hat.

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Ihre Devise war: Bloß nicht der Wirtschaft weh tun! - Ich sage Ihnen aber, meine Damen und Herren: Nach dem 11. September ist eine Sicherheitspolitik light in allen Bereichen nicht mehr eine wirtschaftsfreundliche Politik. Ich meine, wir brauchen nicht nur das Bündnis mit den einzelnen Verbänden im Bereich des Katastrophenschutzes, sondern wir brauchen auch intensive Gespräche mit der Wirtschaft in Niedersachsen; denn es geht um die Kombination. Ihr alter Ansatz ist nicht modern. Ich will nicht zu den WINTEX-Übungen des Kalten Krieges zurück.

Ich will auch nicht, dass irgendwelche Bunker wieder geöffnet werden. Vielmehr will ich eine Antwort haben, die eine moderne, effiziente und finanzierbare Entwicklung aufzeigt. Das bedeutet, dass die internen und externen Notfallpläne - dafür brauchen wir die Kooperation mit den Anlagenbetreibern - vernetzt werden.

In der vergangenen Woche gab es in der Fernsehsendung „Fakt“ einen sehr spannenden Bericht, in dem gezeigt worden ist, wie es aufgrund eines mangelhaft ausgerüsteten Wachdienstes ohne Weiteres möglich war, als Privatperson in hoch gefährliche Chemieanlagen hineinzukommen. Die Journalisten haben an Ventilen herumgedreht, und niemand hat es gemerkt.

Wir wollen eine Offenlegung der externen und internen Notfallpläne. Wir wollen auch keine Sicherheitspolitik mit Placebos. Was nützt denn ein satellitengestütztes Frühwarnsystem, das groß über die Medien verkauft wird und über das gesagt wird, dass alle nach 20 Sekunden gewarnt werden, wenn aber weder die Bevölkerung noch die Betriebe im Lande wissen, was sie nach der Warnung eigentlich machen sollen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das nenne ich Sicherheits-Placebo-Politik. Eine solche Politik machen wir nicht mit. Ich erwarte von der SPD-Fraktion, dass sie unsere Forderung nach einer Fachanhörung nicht mit ihrer Mehrheit ablehnt - das darf sie auch nicht tun, wenn sie in dieser Debatte überhaupt noch ernst genommen werden will -, weil sie der Auffassung ist, dass alles das, was sie macht, schon seine Richtigkeit hat.

Ich möchte noch einige Worte zur Finanzierung sagen. Auch diesbezüglich nimmt die SPDFraktion eine großartige Haltung ein. Sie sagt zwar, dass die Haushaltskürzung zurückgenommen

wird, verschweigt aber, dass die Kommunen mit Kosten belastet werden, ohne dass hierfür ein Ausgleich geschaffen wird, und dass in einer solchen Situation hier in Niedersachsen noch nicht einmal überlegt wird, den Landesanteil an der Feuerwehrsteuer vielleicht der Feuerwehr zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre ABCAusrüstung vervollständigen kann. Ich meine, zumindest eine solche Geste sollten Sie an dieser Stelle zeigen. Das würde etwas bringen. Es wäre dann nicht so, dass nur so getan würde, als wäre alles sicher, und wenn man dann fragt, stellt man fest, dass überhaupt nichts sicher ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.