Protocol of the Session on September 18, 2001

Die Analyse der CDU-Fraktion ist nicht falsch, sie ist in großen Teilen richtig. Wir müssen in diesem Bereich gemeinsam sehr viel mehr unternehmen, als die Landesregierung begonnen hat zu unternehmen. Es hört sich sehr schön an, dass für Internetanschlüsse und PC-Ausstattung aus der Wirtschaft bereits 17 Millionen DM gespendet worden sind und 10 Millionen DM noch hinzukommen sollen. Ich darf Sie aber daran erinnern, meine Damen und Herren, dass 75 Millionen DM hinzukommen sollten. Die Summe, die die Regierung zur Verfügung stellt, sollte noch einmal aus der Wirtschaft eingeworben werden.

(Mühe [SPD]: Verteilt auf mehrere Jahre!)

In diesem Zusammenhang stellt sich doch die Frage, was man unternehmen kann, damit nicht immer

nur die großen Firmen, allen voran VW, spenden. Wie erreicht man es, dass sich auch mittelständische und kleinere Unternehmen an diesem Projekt beteiligen? - Dafür hat die Landesregierung keine tauglichen Maßnahmen ergriffen. An dieser Stelle reicht es nicht aus, einen Verein außerhalb der Hierarchie und des Kultusministeriums zu gründen, der das machen soll, sondern an der Stelle müssen sich die Ministerin und der Ministerpräsident engagieren, um auf diesen Geldbetrag zu kommen, den ich einfach noch nicht sehe.

Es reicht auch nicht aus, den Mathematikunterricht verändern zu wollen - das hat der Kollege Wulf richtig vorgetragen -, indem zwei Gymnasien mit zwei Universitäten zusammenarbeiten, um gemeinsam etwas zu entwickeln. Es dauert doch Jahrzehnte, bis das in unseren Schulen umgesetzt wird. Bis dahin werden wir jedoch bei TIMSS und ähnlichen Studien Schlusslicht bleiben, was die Leistungen unserer Schüler und Schülerinnen angeht.

Es freut mich ja, dass Wolfgang Wulf das Versagen der Landesregierung in den vergangenen Jahren bei der Ausbildung von Lehrkräften, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich, zugegeben hat.

(Frau Leuschner [SPD]: Hat er nicht! - Plaue [SPD]: Das ist pure Spekulati- on, durch nichts belegbar!)

Er hat das ziemlich eindeutig gesagt. Zwar hat er gesagt, dass die anderen Länder genauso mangelhaft ausgebildet hätten wie wir und dass wir das in Zukunft besser machen wollten. Wir werden das aber nicht besser hinbekommen, wenn wir jungen Menschen, die in Niedersachsen studiert haben und eine Examensnote von 2,7 haben, sagen, dass alle Referendarplätze schon belegt seien. Denn diejenigen, die in den Seminaren sind, reichen nicht aus, um die ausscheidenden Lehrkräfte im Mathematikbereich zu ersetzen. Das heißt, wir brauchen auch diejenigen mit der Examensnote 2,7. Diese jungen Menschen - das ist nicht nur einer, sondern das sind mehrere - sind jedoch inzwischen im Vorbereitungsdienst in Hessen. Das bedeutet, unser Nachbarland hat sich mal wieder Kapazitäten gesichert, die wir hätten haben können und die unseren Schulen weiter geholfen hätten. Ein solches Verfahren hat aber auch einen Vorteil: Wenn man keine Lehrkräfte hat, kann man natürlich versprechen, so viele wie möglich einzustellen. Man hat

dann eine gute Ausrede, dass man sie nicht einstellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Frau Ministerin Jürgens-Pieper. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat etwas gedauert, bis wir wieder im üblichen Fahrwasser der bildungspolitischen Diskussionen angekommen sind.

(Beifall bei der SPD)

Das läuft allerdings nach dem Motto, Frau Litfin: Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen, z. B. die Landesregierung.

(Busemann [CDU]: Ist denn sonst noch jemand verdächtigt?)

Anders kann man das nicht bezeichnen. Wenn junge Leute in der ganzen Bundesrepublik nicht mehr Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Technik studieren, dann hat daran natürlich die Niedersächsische Landesregierung Schuld.

(Beifall bei der CDU)

Das müssten Sie mir einmal erklären. Die Niedersächsische Landesregierung kann natürlich junge Leute dazu zwingen, Naturwissenschaften - Physik, Biologie oder Chemie - zu studieren. Auch das müssten Sie mir einmal erklären. Ich verstehe diese Diskussion nicht. Sie beklagen sich ständig, nehmen aber nicht wahr, dass derzeit z. B. Formel-XProjekte in Braunschweig, Hannover und demnächst in Oldenburg laufen, die schon in der zweiten Runde sind. Frau Mundlos kommt aus Braunschweig und weiß ganz genau, dass ein Teil der Schulen ihren Unterricht in dieser Hinsicht umgestellt hat. Ich lade Sie, Frau Mundlos und Frau Litfin, zu der nächsten Prämierung ein, damit Sie das wahrnehmen. Ich habe den Eindruck, Sie nehmen die Realität in den Schulen nicht wahr. Sie beschimpfen unsere Schulen und Lehrkräfte in einer unglaublichen Form.

(Beifall bei der SPD)

Von „grob fahrlässig“ haben sie gesprochen. In Ihrer Rede habe ich dreimal gehört, wir wären grob

fahrlässig. Ich empfinde das als eine Unverschämtheit. Das muss ich an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich auf die drei Gebiete eingehen, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben.

Unter Nr. 1 fordern Sie die Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Frau Litfin sagte: Mehr desgleichen geht nicht. - Doch, Sie haben in dieser Hinsicht offensichtlich keine Ahnung von Naturwissenschaften.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Was? - Weitere Zurufe)

- Ich bedauere das ungeheuerlich. Der Grund dafür, dass junge Leute keine Naturwissenschaften studieren, ist auch, dass sich jeder in dieser Gesellschaft, der keine Ahnung von Mathematik, Physik oder Chemie hat, über Naturwissenschaft lustig macht.

(Zuruf von der CDU)

- Sehen Sie sich doch Frau Litfin an. Ich finde, es hat etwas mit unserer gesellschaftlichen Kultur zu tun, wie wichtig mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung in dieser Gesellschaft genommen wird.

(Zuruf von Frau Litfin [GRÜNE])

Wenn Sie sagen, es sei unwichtig, ob junge Leute durchgehend Chemie- und Physikunterricht erteilt bekommen, wir aber die Anzahl der Unterrichtsstunden in der Stundentafel erhöhen, weil wir genug Geld und Lehrerstunden dafür haben, dann sollten Sie Ihre Meinung einmal nach außen vertreten, Frau Litfin. Aber lustig machen scheint ja eher an der Tagesordnung zu sein.

Ich habe bereits heute Morgen deutlich gemacht, dass wir mit der n-21-Initiative genau das aufgenommen haben, was offensichtlich auch junge Leute seit Jahren wollen. Gestern und heute morgen ist die im Jahre 1999 durchgeführte HISStudie erwähnt worden, bei der festgestellt worden ist, dass sich junge Leute auf die neuen Technolo

gien nicht genügend vorbereitet fühlen. Dieses hat die Landesregierung mit dem Programm n-21 exakt aufgenommen. Ich glaube, das Ergebnis einer solchen Studie würde heute anders aussehen als 1999. Inzwischen sind fast alle Schulen - 3 056 an der Zahl - am Netz.

Ich gehe nun auf die Fragen hinsichtlich der Lehrkräftegewinnung ein. Frau Mundlos, Sie behaupten, wir würden keine Maßnahmen ergreifen. Ich habe sie bereits ergriffen. Sie scheinen es aber nicht wahrzunehmen.

Erstens. Die Zulassung von Hochschulabsolventen ohne Lehramtsstudium in den Vorbereitungsdienst. Die Resonanz ist unerwartet hoch. Auf die 30 ausgewiesenen Stellen gab es 54 Bewerbungen. Diese sind inzwischen angesehen worden. Es waren Diplomchemiker und Diplomphysiker dabei. Eines möchte ich Ihnen allerdings sagen: Im gymnasialen Lehramt haben wir im Augenblick noch keinen Mangel - Sie scheinen das sehr undifferenziert zu diskutieren -, sondern es gibt für diesen Bereich nach wie vor junge Leute, die noch nicht eingestellt worden sind. Deshalb agieren wir sehr differenziert.

(Frau Körtner [CDU]: Davon hat auch niemand geredet!)

Zweitens. Die Einrichtung eines einjährigen postgradualen Intensivstudiengangs - gemeinsam mit meinem Kollegen Oppermann - zum 1. September dieses Jahres in Göttingen in den Mangelfächern an Gymnasien. Die Resonanz ist überwältigend, und zwar bundesweit. Wir haben eine riesige Nachfrage. Wir werden dieses an anderen Universitäten wahrscheinlich ähnlich machen. Es gibt Interesse in Hannover und Osnabrück.

Drittens. Eine Novelle der Verordnung über die Erste Staatsprüfung ist erarbeitet. Sie sieht die Einführung der beruflichen Fachrichtung Angewandte Informatik für das Lehramt an berufsbildenden Schulen vor. Wir werden in dieser Novelle, die jetzt erarbeitet ist, die Vorschriften über die Fächerverbindungen verändern. Wir wollen natürlich auch weiterhin Quereinsteiger für die Bereiche gewinnen, für die es notwendig ist. Hören Sie bitte zu: Bisher gab es nur elf Einstiege. Alle anderen Stellen sind anders besetzt worden.

Viertens. Seit Schuljahresanfang gibt es an den Hauptschulen, Realschulen und Orientierungsstufen das volle Beamtenverhältnis. So merkwürdig es klingt: Für junge Leute ist das volle Beamten

verhältnis nach wie vor ein attraktiver Anziehungspunkt. Auch das Land Schleswig-Holstein musste dies feststellen und ist von Angestelltenstellen wieder abgerückt. Wir haben das bereits eingeleitet. Im nächsten Jahr folgen die Gymnasien, für die noch rund 300 Lehrkräfte für Mathematik, Physik, Chemie auf eine Einstellung warten.

(Möllring [CDU]: Dann stellen Sie sie doch ein!)

Dort, wo auch für volle Beamtenstellen keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber gefunden werden, nämlich an den Realschulen und an den Grund- und Hauptschulen - die haben Sie gar nicht erwähnt -, haben wir Gymnasiallehrkräfte mit diesen Fächern eingestellt. Herr Möllring hat gerade gesagt: „Dann stellen Sie sie doch ein!“ - Ich tue das. Von den jetzt 74 so eingestellten Gymnasiallehrkräften hat fast die Hälfte Mathematik, Physik, Biologie oder Chemie.

Für den Bereich der berufsbildenden Schulen haben wir ein ganzes Kontingent für IT-Fachkräfte freigegeben, weil es für dieses Lehramt ausgebildete Kräfte noch nicht gibt. Hier besteht hohe Attraktivität für Seiteneinsteiger. Wir haben ebenfalls eine hohe Zahl von Bewerbungen an den LOVEIT-Standorten.

Ich habe bereits die Formel-X-Projekte in den Regionen Braunschweig und Hannover erwähnt, die schon in der zweiten Runde laufen. Dort haben sich Schulen in der Oberstufe inhaltlich mit den Universitäten und mit Betrieben zusammen ein naturwissenschaftliches Profil gegeben. Sie unterstützen das fortgesetzt in der Mittelstufe. Das sollten Sie honorieren. Es sollte wahrgenommen werden, auch von Abgeordneten des Landtages, und es sollte nicht so getan werden, als gebe es so etwas in Niedersachsen nicht.

Wir haben ein bundesweit, europaweit interessantes Experimentallabor für Naturwissenschaften in Göttingen. Das ist einmalig. Außer in Jerusalem gibt es das sonst nirgends. Dort sind Lehrkräfte und Fachleute sowie Experten aus der Universität, und sie experimentieren gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern.

In Wolfsburg entsteht ein Sience Center „Phaeno“, das wir ebenfalls für Schülerinnen und Schüler sowie für Klassen nutzen werden. Wir haben in Braunschweig ein Biologielabor. Wir haben das SuperLab in Clausthal-Zellerfeld. Wir haben das Uni-KIK-Programm an der Universität in Hanno

ver. Wir haben - vom BDA bundesweit ausgewählt - Excellenz-Center mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Schulen in Niedersachsen. Es gibt jetzt eine zweite Runde, in der sich Schulen bewerben.

Sie sehen also, wir haben bereits nicht nur umfangreiche Konzepte, sondern wir haben auch Schritte unternommen. Schulen haben sich diesem Thema ganz intensiv gewidmet. Es ist wirklich nicht fair, wenn Sie dies einfach negieren und so tun, als gebe es das, was Schulen schon machen, in Niedersachsen überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD)