Protocol of the Session on September 17, 2001

- Herr Kollege, im Moment mal etwas piano. - Ich nehme an, dass wir alle uns im Moment darüber einig sind, dass die Ereignisse vom vergangenen Dienstag und die daraus resultierenden möglichen Gegenreaktionen der Weltkonjunktur einen schweren Schaden zufügen können. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, diese Risiken nicht auch noch durch verantwortungsloses Gerede zu vergrößern. Wir sollten positive Signale setzen und nicht noch

einen negativen Trend verstärken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Bei allem, was uns politisch trennt, geht es hierbei doch zunächst einmal um die Interessen unseres Landes.

Kollege Wulff, Sie haben den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven angesprochen - ein Projekt, das jedenfalls in der gegenwärtigen Konstellation bewirkt hat, dass zum ersten Mal die drei norddeutschen Küstenstaaten Hamburg, Niedersachsen und Bremen eine gemeinsame Hafenpolitik entwickeln wollen.

(Zustimmung von Adam [SPD])

Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Wulff, wenn Sie dafür sorgen würden, dass Ihr Kollege Oppositionsführer in Hamburg dieses gemeinsame Projekt nicht ständig durch öffentliche Reden torpedieren würde.

(Beifall bei der SPD - Wulff [Osna- brück] [CDU]: Warum hat denn Hamburg bisher 20 % nicht gezeich- net?)

Ich bin der Meinung, Herr Kollege Wulff, dass wir, wenn wir diese gemeinsamen Interessen des Landes in den Vordergrund rücken, auch an den Stellen, wo wir unterschiedlicher Auffassung sind, deutlich werden sagen können, wie die alternativen Politikentwürfe aussehen.

Meine Damen und Herren, für uns ist der Zeitraum seit dem Regierungswechsel im Jahre 1990 maßgeblich, wenn wir den Erfolg unserer Wirtschaftsund Strukturpolitik belegen wollen. Wir haben unsere Spitzenstellung beim Wirtschaftswachstum, beim Zuwachs der Zahl der Beschäftigten und der Existenzgründungen - ich bin vorhin darauf eingegangen - hier schon oft genug mit Daten und Fakten belegt. Die Bertelsmann-Stiftung, die Sie, Herr Kollege Wulff, vorhin zitiert haben, sieht das auch so. In einem Standortvergleich der Bundesländer mit vielen Faktoren kommt sie zu dem Ergebnis, dass Niedersachsen in den 90er-Jahren deutlich aufgeholt hat. Ich finde, dass auch dies ein Wert ist, den man nach draußen tragen kann.

Herr Kollege Wulff, Sie behaupten nach wie vor, wir würden den ländlichen Raum vernachlässigen, und Sie wollten einen Solidarpakt für den ländlichen Raum erreichen. Ich verweise darauf, dass in

den nächsten Jahren, bis zum Jahre 2003, mehr als 3 Milliarden DM für Investitionsprojekte im ländlichen Raum zur Verfügung stehen.

(Eveslage [CDU]: Sie meinen bis 2006! Sie meinen das europäische Förderprogramm!)

Mit uns wird es eine Ausgrenzung der einen oder anderen Region des Landes Niedersachsen nicht geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Auch Zeichen und Signale der Bundespolitik sollte man, wenn man aus niedersächsischer Sicht kommentiert, nicht leichtfertig und mit einem falschen Zungenschlag in die Debatte hineinbringen. Sie, Herr Kollege Wulff, haben behauptet, dass die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht gesunken ist. Sie haben Herrn Schröder vorgeworfen, es sei ihm nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit zu senken.

(Möllring [CDU]: Da hat er Recht! - Eveslage [CDU]: Was hat er denn ge- sagt? Jetzt zitieren Sie ihn doch end- lich einmal selbst!)

- Herr Kollege Möllring, Fakt ist, dass seit Antritt der rot-grünen Bundesregierung in Berlin rund 500 000 Menschen weniger arbeitslos sind als zu Ihrer Regierungszeit. Ich finde, dass man das einmal deutlich sagen und anerkennen kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wende mich jetzt einem Thema zu, das in den letzten Wochen insbesondere die Opposition umgetrieben hat - deshalb umgetrieben hat, weil Sie in der Frage, was man eigentlich in Reaktion auf die in der Tat schwierige Situation in der Bauwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland tun muss, sehr unterschiedliche Antworten bereitgehalten haben und von einer Position zurückrudern mussten, die Sie hier im Niedersächsischen Landtag sehr massiv vertreten haben. Ich nenne nur das Thema Vergaberecht. Die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen werden sich sicherlich noch daran erinnern, mit welchen Abwehrmaßnahmen Sie reagiert haben, als 1999 von den Bündnisgrünen ein Vergabegesetz gefordert worden ist. Damals ging es bei Ihnen nicht um die Frage, ob man ein Landesvergabegesetz oder ein Bundesgesetz verabschieden sollte. Im März dieses Jahres hat der Baufachmann der CDU-Fraktion, Herr Eppers, mit

großer Vehemenz die Notwendigkeit eines Bundesvergabegesetzes bestritten. Noch im Mai hat im Wirtschaftsausschuss der Kollege Dinkla keinerlei Interesse an einer gesetzlichen Regelung bekundet. In der Sommerpause kam dann aber von Herrn Wulff die offenkundig eingeleitete Wende. Herr Kollege Wulff, ich habe nichts dagegen, dass Sie sich eines Besseren haben belehren lassen. Aber ich halte es für unredlich, in dem Zusammenhang unsere Ankündigung, dass wir dieses Vergabegesetz im November dieses Jahres in den Landtag einbringen wollen, als zu spät zu bezeichnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bereits Anfang dieses Jahres die dramatische Entwicklung in der Bauwirtschaft zum Anlass genommen, schnellstmöglich eine gesetzliche Regelung zu schaffen, um Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder herzustellen. Dabei will ich gar nicht verhehlen, dass für mich eine landesgesetzliche Regelung nicht an allererster Stelle stand. Ich bin auch heute noch der Auffassung, dass sich Niedersachsen mit seinen Verordnungen zur Tariftreue und zur Niedrigstgebotregelung bundesweit vorbildlich aufgestellt hat.

(Zuruf von Möllring [CDU])

Alle Beteiligten, angefangen von der IG BAU über die IG Metall und bis zu den Unternehmerverbänden, haben unsere Regelungen ein Muster für eine vorbildliche Regelung genannt, die auf bundesweiter Ebene beschlossen werden sollte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das macht deutlich, dass Niedersachsen Vorarbeiten geleistet hat.

(Beifall bei der SPD)

Kein Unternehmer und kein Handwerker kann es sich wünschen, dass es in der Bundesrepublik bald 16 verschiedene Vergabegesetze gibt. Deshalb war unser Antrag vorrangig auf die Bundesgesetzgebung ausgerichtet. In der Tat ist - auch auf Bundesebene - Bewegung in die Angelegenheit gekommen.

Dazu beigetragen hat nicht nur unsere Initiative hier im Landtag, sondern auch eine Bundesratsinitiative von Nordhein-Westfalen und Berlin, die Niedersachsen nachdrücklich unterstützt hat. Es liegt jetzt also am Bund, diese Regelung auch in Gesetze zu gießen. Da geht mein Appell sowohl an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen als auch in Ihre Richtung, die kritischen Stimmen, die

dazu aus Ihren Reihen kommen, möglichst zu überzeugen, dass es auf der Bundesebene eine einheitliche Regelung gibt, die sich an niedersächsischen Maßstäben orientiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will die anderen Vorschläge, die Sie, Herr Kollege Wulff, dazu eingebracht haben, wie wir die Bauwirtschaft aus der Krise führen sollten, auch unter dem Aspekt beurteilen, mit welchen Dimensionen diese Vorschläge auf den Landeshaushalt einwirken können. Ich will mir auch die Frage stellen, ob das wirklich die Antworten sind, die man geben muss, um den kleinen und mittleren Unternehmen mit ihren Problemen entsprechend entgegenzukommen.

Sie reden von einem halben Mehrwertsteuersatz, eine Forderung, die sich in der Tat auch in unserem Ganzheitlichen Mittelstandskonzept wiederfindet. Sie reden von Sonderkonditionen bei denjenigen, die ihre Handwerkerrechnung von der Steuer absetzen können. Bei allem, was da zusammenkommen kann, liegt man vielleicht in einer Größenordnung zwischen 8 % und 10 %. Das ist schon ein ordentlicher Beitrag, der sich aber natürlich in den Kassen des Landes negativ bemerkbar machen würde.

Tatsache ist, dass die Unternehmen darüber klagen, dass in den Bieterverfahren die Bieter mit den niedrigsten Angeboten zum Teil zwischen 40 % und 30 % unter den seriös kalkulierenden Unternehmen liegen. Das macht deutlich: Wir brauchen keine Konjunkturprogramme, wir brauchen Recht und Ordnung auf dem Anbietermarkt! Dafür müssen wir die gesetzlichen Regelungen schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um die Frage, ob deutsche Unternehmen, die sich an das Tarifrecht halten und die Steuern und Abgaben zahlen, auch in Zukunft noch eine Chance haben, auf dem deutschen Markt ihre Dienstleistungen anbieten zu können.

Wer glaubt, den Bau von Wohnungen oder ein Wohnungsbauprogramm zur Konjunkturstützung einfordern zu können, der muss sich die Fragen gefallen lassen, wie er es eigentlich platzieren will und ob ein Wohnungsmarkt, der dank der Wohnungspolitik dieser Landesregierung und der letzten Landesregierung zu einem Mietermarkt geworden ist und auf dem es in bestimmten Regionen

bereits zu Leerständen gekommen ist, überhaupt in der Lage ist, Neubauten aufzunehmen. Ich sehe keine Investoren, die dazu bereit sind. Deshalb nutzt es auch nicht, das dauernd zu fordern. Nein, auch die Frage, ob wir durch solche Programme nicht etwa die Überkapazitäten in der Bauwirtschaft der letzten Jahre wieder aufnehmen würden, wird von der beteiligten Wirtschaft sehr kritisch gesehen. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang, mit den entsprechenden Verbandsvertretern zu reden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Investitionsquote ist hier schon einiges gesagt worden. Ich erspare es mir deshalb, das zu wiederholen. Auf einen Punkt möchte ich aber hinweisen. Wer sich die Investitionsquote des Landes mit immerhin 9,6 % anschaut und kritisiert - Minister Aller hat Sie darauf hingewiesen; sie ist besser als die Investitionsquote des reichen Landes Hessen -, der muss auch gleichzeitig sagen, dass die Kreditfinanzierungsquote im Lande Niedersachsen kontinuierlich zurückgeht. Wer also mehr Investitionen will und damit auch sagt, dass er die Kreditfinanzierungsquote anheben will, der muss wissen, dass er damit den Weg in den Schuldenstaat weiter organisiert; und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der Haushaltsplanentwurf, meine Damen und Herren, geht heute in die Beratungen des Haushaltsausschusses und in die der Fachausschüsse. Wir haben hier im Parlament noch ein großes Stück an Arbeit vor uns. Meine Fraktion wird bei weitestgehender Zustimmung zu dem von der Landesregierung vorgelegten Zahlenmaterial in einzelnen Fällen weitere Akzente setzen.

Die Aufstockung der Personalmittel für die Polizei habe ich bereits genannt. Auf die Investitionskostenzuschüsse nach § 10 des Pflegegesetzes bin ich in den letzten Wochen bereits mehrfach eingegangen. Hier werden wir Lösungen finden müssen, und wir werden sie finden, die den Möglichkeiten des Landeshaushaltes entsprechen. Es wird keine einfache Lösung sein. Vielmehr wird auch hier der Grundsatz gelten, dass das Geld dafür im bestehenden Zahlenmaterial zu erwirtschaften ist und dass das deshalb an anderen Stellen auch zu Minderausgaben führen wird. Den Dialog dafür, meine Damen und Herren, haben wir mit den Wohlfahrtsverbänden längst begonnen. Die Verständnisbereitschaft dort ist wesentlich ausgeprägter als

bei meinem Vorredner. Der Hinweis ging also in die eigene Richtung.

Wir werden mit der Verabschiedung des Landeshaushalts unserer Verantwortung gerecht werden. Wir werden auch mit der Diskussion über die Änderungen im Landeshaushalt dieser Verantwortung gerecht werden. Wir werden nicht mehr versprechen, als wir halten können. Wir werden sorgfältig und gewissenhaft mit den Zukunftschancen der nach uns kommenden Generationen umgehen. Ich bin mir sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das honorieren werden. - Danke.

(Starker Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die für morgen vorgesehenen Tagesordnungspunkte 13 und 14 heute noch zu behandeln. Das bedeutet also, dass wir nach Tagesordnungspunkt 10 den Tagesordnungspunkt 13 aufrufen und zum Schluss den Tagesordnungspunkt 14 beraten werden.

Herr Kollege Golibrzuch, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gedanklich weit von einer normalen Haushaltsdebatte entfernt. Ich denke, viele von uns spüren diese ganz merkwürdige Stimmung, eine Stimmung, die noch schwankt zwischen der Bestürzung aufgrund der Ereignisse in der vergangenen Woche und der quälenden Ungewissheit, was sich in den nächsten Tagen ereignen wird. Die Königsdebatte des Parlaments, die Haushaltsdebatte, wird da leicht zu einer Pflichtübung. Deshalb will ich mich auf einige notwendige Anmerkungen zu diesem Haushalt beschränken. Ich wäre froh, wenn wir bei diesem Punkt und auch bei den anderen Tagesordnungspunkten die sonst übliche künstliche Aufgeregtheit einmal beiseite lassen würden.

Meine Damen und Herren, noch zu Beginn des Jahres hatte Finanzminister Aller in einer eigens dafür anberaumten Pressekonferenz angekündigt, in diesem Doppelhaushalt die Nettokreditaufnahme um insgesamt 300 Millionen DM senken zu wollen. Die Rede war von 100 Millionen DM in 2002 und von 200 Millionen DM im Folgejahr.

Geblieben davon ist eine angebliche Verringerung der Neuverschuldung in 2003 um 50 Millionen Euro.

Gleichzeitig bedient man sich der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft, um auf dem Kapitalmarkt 316 Millionen Euro an Krediten aufzunehmen. Sie lassen den Landesanteil an den BAföG-Darlehen von Banken bereitstellen, bezeichnen dies im Haushalt als Zuschüsse Dritter und machen doch nichts anderes als eine zusätzliche Kreditaufnahme.

Zusammen mit den noch nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre aus der so genannten Rücklage nehmen Sie mit diesem Doppelhaushalt einen Betrag von fast 3,7 Milliarden Euro oder umgerechnet von fast 7,2 Milliarden DM neue Schulden auf.

Deshalb, Herr Aller, bin ich nicht Ihrer Auffassung, dass dieser Haushalt einen wesentlichen Beitrag zur Konsolidierung leistet.