Ferner ist bei der Bewertung der Leserbriefe von Herrn Rost Folgendes zu berücksichtigen: Herr Rost hat sowohl in seiner schriftlichen Antwort an das Justizministerium als auch vor allem in dem Gespräch mit mir Einsicht gezeigt. Insbesondere hat er Formulierungen, die den Eindruck entstehen ließen, der Richter könne sein Amt in der politischen Auseinandersetzung dafür einsetzen, um seiner persönlichen politischen Auffassung mehr Nachdruck zu verleihen und sie wirksamer durchzusetzen, mündlich und schriftlich relativiert. Er hat darüber hinaus erkennen lassen, dass er sich seiner Rechtsstellung als Richter und der damit verbundenen Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigung bewusst ist.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände ist es meines Erachtens nicht angezeigt, das Verhalten des Richters als Dienstvergehen zu bewerten. Ich habe es in diesem Grenzfall für besser gehalten, Herrn Rost meine kritische Bewertung seiner beiden Leserbriefe in einem persönlichen Gespräch zu verdeutlichen und kein förmliches Disziplinarverfahren durchzuführen. Daher bleibt es bei der Einstellungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Celle.
Erstens. Ein Amtsrichter kann sich, soweit kein unmittelbarer Bezug zu konkreten, von ihm zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten besteht, kritisch, allerdings mit der gebotenen Sachlichkeit und Distanz, in einem Leserbrief zu jedem Thema, auch zu rechtspolitischen Frage äußern, solange das öffentliche Vertrauen in seine richterliche Unabhängigkeit dadurch nicht gefährdet wird. Ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten liegt darin nicht.
Drittens. Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Schröder vom 21. November 2000 konnte bislang nicht beantwortet werden, weil es sich seinerzeit um ein laufendes Disziplinarverfahren handelte und eine rechtliche Stellungnahme in der Öffentlichkeit während eines laufenden Verfahrens auch aus Fürsorgegesichtspunkten gegenüber dem Betroffenen nicht angebracht war. Hierüber ist der Präsident des Niedersächsischen Landtages mit Schreiben vom 10. April 2001 unterrichtet worden. Gleichzeitig ist um Fristverlängerung für die Beantwortung der Kleinen Anfrage gebeten worden.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass ich gegenüber der Bückeburger Landes-Zeitung am 18. April 2001 klargemacht habe, dass ich zum damaligen Zeitpunkt die Leserbriefe von Herrn Rost noch nicht kannte und deswegen zu dem konkreten Verfahren oder zur Person des Amtsrichters Rost keine Stellungnahme abgeben konnte. Unser Gespräch bezog sich lediglich allgemein auf das richterliche Mäßigungsgebot und die Probleme, es im Wege von Disziplinarverfahren durchzusetzen. Der am 20. April in der Lokalpresse erschienene
Ich gehe davon aus, dass sich die Beantwortung der Kleinen Anfrage durch meine heutigen Ausführungen erübrigt hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, kennen Sie die bundesweit groß publizierten Äußerungen des Hamburger Richters Schill, und können Sie nachvollziehen, dass bei mir ob der ja nun wirklich recht harmlosen Äußerungen des hier disziplinierten Richters der Eindruck entsteht,
dass mit einer kritischen Justiz nach wie vor - mich erinnert das ein bisschen an die Anfänge der 70er-Jahre – disziplinierender umgegangen wird, als wenn sich jemand aus dem Richterbereich rechtspopulistisch äußert?
Frau Abgeordnete, ich habe nicht den Eindruck, dass unterschiedlich verfahren wird je nachdem, von welcher politischen Seite Richter sich in den politischen Meinungskampf begeben.
Herr Minister, halten Sie es nicht für bedenklich, wenn ein so langjähriger Richter wie Herr Rost offensichtlich die Anwendung des § 153 a nicht kennt und sie falsch bewertet?
Herr Abgeordneter, bei meinem Gespräch mit Herrn Rost hatte ich den Eindruck, dass ihm sehr wohl die Vorschrift gut bekannt ist und dass er meinen Argumenten, wie sie in diesem konkreten Fall anzuwenden waren, sehr aufgeschlossen gegenüberstand.
Herr Minister, halten Sie es in Ihrer Funktion als Justizminister dieses Landes für rechtspolitisch unbedenklich und aus rechtstaatlichen Überlegungen für unschädlich, wenn ein Richter dieses Landes – in diesem Fall Amtsrichter Rost aus Rinteln – als Privatmann, aber vor dem Hintergrund des § 39 des Richtergesetzes, in diesem zitierten Leserbrief der Frankfurter Rundschau vom 22. Februar dieses Jahres verallgemeinernd über den Rechtsstaat Deutschland wörtlich erklärt: „Die Klasse der Reichen und Mächtigen kann sich gemäß § 153 a der Strafprozessordnung von der Verurteilung freikaufen, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht nur mitspielen.“?
(Buß [SPD]: Stimmt ja auch! – Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Darf man nicht mehr die Wahrheit sagen?)
„Solange es hier keinen Aufstand des Gewissens gibt, werden die Reichen und Mächtigen weiterhin eine Vorzugsbehandlung vor Gericht durchsetzen können.“
Herr Abgeordneter, in dem Gespräch mit dem Richter Rost habe ich ihm gesagt: Stellen Sie sich vor, ich würde diesen Fall - sind Ihre Äußerungen disziplinarisch zu ahnden oder nicht, sind Sie zu weit gegangen oder nicht? - meinen Studenten, die ich früher gehabt habe, vorlegen. Dann würde ich in die Lösungsskizze hineinschreiben: Beide Antworten sind vertretbar, also das zu kritisieren und zu sagen, das ist ein disziplinarrechtlich relevanter Vorfall, oder die andere Position.
Ich habe ihm gegenüber ergänzt: In dubio pro libertate - ich entscheide mich im Zweifel für die Meinungsfreiheit.
Aber ich habe Verständnis dafür, dass Sie Kritik an diesen Äußerungen vorbringen. Ich selbst habe sie in meiner persönlichen Stellungnahme ihm gegenüber ebenfalls vorgetragen und hatte den Eindruck, dass er sehr wohl zugehört hat und dass er nachvollziehen konnte, aus welchen Gründen ich meine Position deutlich gegen sein Verhalten gesetzt habe.
Herr Minister Pfeiffer, ich frage Sie, ob Sie meine Ansicht teilen, dass es erste Bürgerpflicht sein muss, sich gegen den Eindruck, dass der Rechtsstaat mit unterschiedlichem Maß messen könnte,
zur Wehr zu setzen, und dass dies natürlich vor allen Dingen für hervorgehobene Repräsentanten dieses Staates gilt, seien sie nun Abgeordnete, Minister oder auch Richter.
Herr Abgeordneter, ich teile im Prinzip Ihre Auffassung und habe deshalb in meinem Gespräch mit Herrn Rost und auch heute deutlich gemacht: Ich hätte es persönlich besser gefunden, wenn die Entscheidung, „Herr Kohl verdient es, dafür 300 000 DM zu zahlen, dass er sich so verhalten hat, wie er es getan hat“, in einer öffentlichen Verhandlung nachvollziehbar begründet worden wäre und nicht in Form eines Einstellungsbescheides nach § 153 a StPO ergangen wäre. Dadurch wäre die Öffentlichkeit anders beteiligt und besser darüber informiert gewesen, welche Abwägungsprozesse es hier gegeben hat. Von daher hätte ich - in diesem Punkt habe ich meine persönliche Position vertreten - Transparenz und nicht das Entscheiden hinter verschlossenen Türen als angemessener empfunden. Aber trotzdem empfand ich persönlich das Ganze durchaus nicht als Bankrott des Rechtsstaates und habe deshalb auch Anlass gesehen, dieses Gespräch zu führen.
Herr Minister, haben Sie denn die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bonn eingesehen, um hier urteilen zu können, dass es richtiger gewesen wäre, von der Anwendung des § 153 a StPO abzusehen?
(Plaue [SPD]: Das ist schon bemer- kenswert, wie Sie sich mit den Folgen und nicht mit dem Verursacher aus- einander setzen! Sie sollten sich ein- mal in Ihrer Partei damit auseinander setzen!)
Herr Abgeordneter, ich habe es nicht für nötig erachtet, mich in dieser Richtung zu informieren, weil in der Öffentlichkeit und in den Fachzeitschriften alles Relevante über das Verfahren bekannt geworden ist.
(Möllring [CDU]: Das reicht Ihnen, um ein Urteil über Ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen abzugeben? Das ist ja eine Berichtssache! Das hat ja nicht ein Assessor entschieden!)