Protocol of the Session on June 13, 2001

Wir brauchen klare Strukturen, in denen Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse getrennt werden. Im neuen NHG wird deshalb nicht mehr der Senat, sondern das Präsidium die wichtigsten Führungsentscheidungen treffen. Das Präsidium ist für alle Fragen zuständig, die im Gesetz nicht einem anderen Organ zugewiesen sind. Die wesentlichen Aufgaben sind der Abschluss von Zielvereinbarungen auf der Grundlage der Hochschulentwicklungspla

nung, die Aufstellung des Wirtschaftsplanes und die Budgetierung der einzelnen Hochschuleinrichtungen, die Entscheidung über den Vorschlag der Hochschule für die Besetzung von Professuren sowie die Einrichtung und Auflösung von Fachbereichen und Studiengängen.

Der Senat wird im neuen NHG aber nicht entmachtet, sondern er bekommt neue Funktionen als Kontrollgremium mit umfassenden Informationsrechten gegenüber der Hochschulleitung. Der Senat wählt zusammen mit dem neu eingerichteten Hochschulrat das Präsidium, das erstmals mit einer Dreiviertelmehrheit auch abgewählt werden kann. Der Senat übernimmt außerdem die Funktion des aufgelösten Konzils. Er beschließt die Grundordnung und entscheidet im Einvernehmen mit der Hochschulleitung über die Grundlage der Hochschulentwicklungsplanung.

Ein Schwachpunkt im deutschen Hochschulsystem ist neben der Schwerfälligkeit die mangelnde gesellschaftliche Verankerung. Deshalb sieht das neue NHG einen siebenköpfigen Hochschulrat vor, in dem Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft externe Kompetenzen und Kontakte einbringen.

Am konsequentesten wird das Leitbild der Entstaatlichung bei den Stiftungshochschulen umgesetzt. Wir eröffnen mit dem neuen NHG den besten Hochschulen des Landes die Option, in die Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung überzugehen. Mit diesem Konzept verfolgt die Landesregierung fünf Ziele.

Erstens. Die Überführung in die Trägerschaft einer Stiftung bedeutet eine juristische Verselbstständigung der Hochschule gegenüber dem Staat und damit mehr eigenverantwortliche Gestaltungsmöglichkeiten.

Zweitens. Die Stiftungshochschulen können die Vorteile des neuen Stiftungssteuerrechts nutzen und langfristig ein Stiftungsvermögen aufbauen. Die Erträge sollen staatliche Mittel nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wir brauchen in Deutschland mehr privates Kapital für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Drittens. Der Stiftung wird die Dienstherreneigenschaft für alle Beschäftigten übertragen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten eines vorausschauenden Personalmanagements. Die für den Betrieb der Hochschule benötigten Liegenschaften - aber auch nicht mehr - gehen in das Eigentum der Stiftung

über und können so ohne bürokratische Fesseln effizienter bewirtschaftet werden.

Viertens. Im Gegensatz zur Anstalt des öffentlichen Rechts, also im Gegensatz zum Staatsbetrieb, gilt die Stiftung als Institution der Bürgergesellschaft. Damit besteht die Chance, dass sich Studierende, Beschäftigte und Absolventen stärker mit ihrer Hochschule identifizieren als bisher.

Fünftens. Im Stiftungsrat werden sieben - davon fünf externe - Persönlichkeiten für eine enge Verzahnung zwischen Hochschule und Gesellschaft sorgen. Sie werden - in diesem Punkt sind wir den Anregungen der Hochschulen gefolgt - im Einvernehmen mit dem Senat vom Ministerium bestellt und übernehmen bislang staatliche Kontrollbefugnisse.

Das alles mag für deutsche Verhältnisse sehr neu klingen, aber die Entwicklungen im Ausland - nicht nur in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich, sondern beispielsweise auch in Skandinavien - zeigen, dass Stiftungen zu einer dauerhaften Erfolgsgeschichte werden können. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass die Stiftungsidee parteiübergreifend auf Interesse stößt. So hat die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag vor kurzem einen Antrag unter der Überschrift „Hochschulen in NRW auf das 21. Jahrhundert vorbereiten - Zukunftsmodell Stiftungshochschule jetzt prüfen und einleiten“ eingebracht. Matthias Berninger, der wohl klügste und innovativste Hochschulpolitiker der Grünen, hält Stiftungshochschulen für wegweisend.

(Zuruf von den GRÜNEN: Na!)

- Entschuldigen Sie, Herr Golibrzuch, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Jetzt habe ich Sie aufgeweckt.

(Heiterkeit - Zuruf von den GRÜ- NEN: Wir haben schon aufgepasst! Keine Bange!)

Meine Damen und Herren, wir wollen im Übrigen keiner Hochschule die Stiftung aufzwingen. Sie kommt nur, wenn der Senat das beantragt. Die Stiftung ist kein Massenangebot. Sie ist ein Angebot an die Besten und Fittesten.

Wissenschaft wird von Menschen gemacht. Die besten Strukturen nützen wenig, wenn man nicht die besten Köpfe gewinnen kann. Niedersachsen ist deshalb das erste Bundesland, das die Junior

professur einführt. Da es eine bundesgesetzliche Vorgabe noch nicht gibt, nenne ich das vorauseilenden Reformeifer. Wir unterstützen die Reform auf Bundesebene mit Nachdruck und ermöglichen es dem wissenschaftlichen Nachwuchs, im Durchschnitt zehn Jahre früher als bislang selbstständig zu forschen und zu lehren.

In der öffentlichen Diskussion wird gelegentlich suggeriert, das christliche Abendland müsse untergehen, wenn die Habilitation an Bedeutung verliere. Ich sage dazu: Wer glaubt, dass 40-jährige Wissenschaftler, die sich in Forschung und Lehre international bewährt haben, noch ein Fakultätszeugnis bräuchten, missachtet den wissenschaftlichen Nachwuchs und hat den Blick für die Realität verloren. Bei allem Respekt vor unterschiedlichen Fachkulturen - es kann nicht angehen, dass man in der Wirtschaft bereits mit Mitte 40 zum alten Eisen gehört oder beginnt, dazu zu gehören, in der Wissenschaft aber noch wie ein Lehrling der Anleitung eines Professors bedarf. Im Übrigen haben alle Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt, dass der Initiationsritus der Habilitation ein entscheidender Grund dafür ist, dass der Anteil von mit Frauen besetzten Professuren in Deutschland so beschämend gering ist. Ich freue mich zwar, wenn in drei aufeinander folgenden Jahren in Deutschland ausgebildete und in den USA arbeitende Wissenschaftlicher einen Nobelpreis erhalten haben - darunter übrigens einer aus Niedersachsen -, aber ich verstehe das auch als Alarmsignal.

Wenn wir aber dem wissenschaftlichen Nachwuchs - er ist es, der in Zukunft für die Innovationen sorgt - auch hierzulande exzellente Arbeitsbedingungen bieten, können wir Anschluss an das internationale Spitzenfeld halten. Die Gelegenheit dafür ist so günstig wie lange nicht mehr. Mit der Juniorprofessur und mit einem Juniorstartprogramm werden wir in Niedersachsen den anstehenden Generationswechsel nutzen, um nicht nur gut zu bleiben, sondern auch da, wo es nötig ist, exzellent zu werden.

Ich habe hier nur in Kürze die wichtigsten Punkte des Gesetzentwurfes erläutern können. Auf zahlreichen Veranstaltungen und im Internet habe ich mit vielen Betroffenen diskutiert. Nicht alle haben mir in allem zugestimmt. Aber in einem Punkt herrscht breiter Konsens: Die Hochschulen brauchen mehr Freiheit vom Staat. - Lassen Sie uns deshalb gemeinsam den Hochschulen die Freiheit geben, die sie brauchen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei den Hochschulen bedanken, die im Anhörungsverfahren eine ungeheuer große Diskussionsbereitschaft gezeigt und viele Anregungen gegeben haben. Darüber hinaus möchte ich mich bei den Mitgliedern der SPD-Fraktion bedanken, die ebenfalls sehr viel Diskussionsbereitschaft gezeigt und mit vielen Anregungen diesen Gesetzentwurf verbessert haben. Ich freue mich auf zügige und interessante Beratungen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Mundlos, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entgegen dem von Minister Oppermann verursachten öffentlichen Wirbel ist die vorliegende Hochschulgesetznovelle keinesfalls spektakulär. Sie fasst in weiten Teilen lediglich die aktuelle hochschulpolitische Diskussion zusammen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die CDU-Landtagsfraktion bereits 1997 einen Hochschulgesetzentwurf eingebracht hat, der notwendige Weichenstellungen aufzeigte. Diese haben wir in unserem Entschließungsantrag vom Dezember 1999 optimiert und aktualisiert. Dabei haben wir uns insbesondere von folgenden Zielsetzungen leiten lassen: Die Hochschulen werden vom starren Gängelband staatlicher Vorgaben gelöst. Die Finanzierung der Hochschulen erfolgt leistungsabhängig. Die Hochschulen erhalten flexible Handlungsmöglichkeiten für die Personalauswahl. Sie verstehen sich als Dienstleistungszentren für Studierende.

Herr Minister Oppermann, wenn Sie wirklich zum Maßstab machen, dass nicht die Langsamen das Tempo bestimmen sollen, dann hätten Sie eigentlich schon vor Jahr und Tag auf diese von breitem Konsens getragenen Leitziele reagieren können und müssen und diese entsprechend umsetzen sollen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auf den vorliegenden Gesetzentwurf mit einigen wesentlichen Kritikpunkten eingehen.

Die Stiftungshülle ist nicht zukunftsweisend. Es handelt sich nicht um eine Stiftungshochschule. Wir müssen feststellen, dass lediglich ein Begriff in die Debatte geworfen wurde, der nicht das bein

haltet, was vielleicht auf den ersten Blick damit verbunden werden könnte. Eine echte Stiftungshochschule würde sich aus eigenen Kapitalerträgen finanzieren können und nicht dauerhaft am Finanztropf des Staates hängen.

(Dr. Domröse [SPD]: Wollen Sie das?)

Beispielsweise würde die Technische Universität Braunschweig einen Grundstock von 6 Milliarden DM benötigen, um den Finanzbedarf zu decken. Das ist der eineinhalbfache Wert aller Hochschulliegenschaften des Landes und das Doppelte des bisherigen jährlichen Landeszuschusses an die Hochschulen. Was hier präsentiert wird, ist und bleibt eine Mogelpackung.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Die vorgeschlagenen Stiftungshochschulen sind lediglich Stiftungshüllen, die dauerhaft am Finanztropf des Staates hängen werden, weil sie über kein wesentliches Eigenkapital verfügen. - Du brauchst nicht rot zu werden, Eckhard Fasold. Das ist leider so. Bei diesem Konzept müsste eigentlich der Minister rot werden. Schon jetzt ist es nämlich insbesondere vor dem Hintergrund des novellierten Stiftungsrechts möglich, dass Hochschulen Stiftungszuwendungen steuerlich günstig erhalten können. Darüber hinaus kann heute jeder stiften, der stiften will. Aber wo sind diejenigen, die Geld geben wollen? Es ist also nicht festzustellen, dass bereits einiges fließt. Herr Oppermann, was die Hoffnung auf Geld anbelangt, erinnern Sie an einen Möchtegernjagdhund ohne Spur.

Der renommierte Osnabrücker Verfassungsrechtler Professor Dr. Ipsen hat es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Oktober 2000 auf den Punkt gebracht: Sofern sich private Geldgeber für das Gemeinwohl engagieren wollen, steht ihnen die Stiftung des privaten Rechts zur Verfügung. Die tägliche Erfahrung, dass es sehr schwierig ist, nennenswerte Mittel von Unternehmen und Privatpersonen für die Fördergesellschaften der Universitäten - selbstverständlich steuerbegünstigt - einzuwerben, vermag ebenfalls nicht die Prognose zu stützen, über das Stiftungsmodell würden der Wissenschaft neue Finanzströme zufließen. - Wenn man sich einmal anschaut, wie die Hochschulen in Deutschland finanziert werden, dann stellt man fest, dass 89 % von den Ländern, 9 % vom Bund und lediglich 2 % aus der Wirtschaft kommen, und

zwar über Stiftungen und Mäzene. Bei einer Aufsplittung wird deutlich, dass 200 Millionen DM über Stiftungen in die Hochschulen fließen. Das ist also eine recht magere Ausbeute, die nicht hoffen lässt, dass es von heute auf morgen zu anderen Auswirkungen in diesem Bereich kommt.

Im Übrigen möchten wir angesichts der Struktur unserer niedersächsischen Hochschulen nicht, dass einige, weil sie über gewisse Liegenschaften verfügen, privilegiert sind und andere, z. B. die Hochschule im Nordwesten Niedersachsens, durch Einrichtungen von Stiftungshochschulen weiter ins Abseits geraten. Ein solches Ungleichgewicht wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU - Dr. Domröse [SPD]: Wer will das denn?)

Darüber hinaus halten wir es für eine Fehlentscheidung - wir werden sehen, ob Sie, Herr Dr. Domröse, zu Veränderungen bereit sind -, dass der Senat der betroffenen Hochschule mit einfacher Mehrheit die Umwandlung in eine Stiftung beantragen kann. Unserer Auffassung nach sollte hierfür eine breite qualifizierte Mehrheit innerhalb der Hochschule nötig sein.

(Zuruf von der SPD: Die bekommen Sie!)

Ich möchte nun etwas zum Thema Hochschulstiftungsräte sagen. Sie wissen, dass es hierzu viele Ausführungen gibt, eine z. B. vom ehemaligen Abteilungsleiter im Landesrechnungshof, Herr Fittschen, der gesagt hat: Wenn sich der Staat aus dieser Verantwortung zurücknimmt, indem er Externen mehr Einfluss gibt, dann stellt sich damit das Parlament selbst in Frage. Das ist ein Weg in Richtung Selbstentmachtung und Selbstentmündigung der Volksvertretung. - Ich kann Ihnen nur sagen: Wir teilen diese Auffassung und wollen das nicht.

Wenn wir uns Hochschulräte ansehen - in Niedersachsen haben wir ja ein abschreckendes Beispiel vor Augen -, dann müssen wir feststellen, dass ein Hochschulrat nicht, wie Sie es ausgeführt haben, weniger Bürokratie bedeutet, sondern mehr. Es handelt sich um ein weiteres Gremium, ein Laienund Freizeitgremium, das neben seiner hauptberuflichen Aufgabe tätig wird und mangels professioneller Unterstützung am kurzen Band entweder der Hochschule oder des Wissenschaftsministeriums geführt wird.

(Beifall bei der CDU)

Die vorliegende Novelle bewirkt eine Abschaffung des Konzils, eine Schwächung des Senats und eine massive Stärkung des Präsidiums und damit verbunden der Hochschul- bzw. Stiftungsräte. Soweit es das Konzil betrifft, haben Sie damit zwar eine langjährige Forderung unsererseits aufgegriffen, aber in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Präsidium und Senat besteht aus unserer Sicht noch Handlungsbedarf. Dazu werden wir mit Sicherheit konkrete Vorschläge machen.

Im Übrigen ist es zwar sicherlich so, dass die Hochschulen der Zukunft auch wirtschaftlicher geführt werden müssen, als dies bisher der Fall ist. Aber wir müssen doch bedenken, dass Hochschulen in erster Linie Bildungseinrichtungen sind, deren Arbeitsschwerpunkte Forschung und Lehre sind,

(Beifall bei der CDU)

die junge Menschen qualifizieren müssen und sollen und die deshalb nicht wie ein Unternehmen zentralistisch und hierarchisch organisiert und geführt werden können und sollen.

Mehr Autonomie - ein Stichwort, das heute schon mehrfach genannt worden ist - ist durchaus etwas, was wir so teilen. Man muss aber auch zusehen, dass dann, wenn das Etikett „Mehr Autonomie“ draufklebt, auch wirklich mehr Autonomie drin ist. Deshalb bedauere ich, dass Sie nichts zum Auswahlrecht der Hochschulen bei Studierenden sagen. Da wird nichts verankert; da bleibt alles so, wie es ist. Selbst die positiven Beispiele aus Bayern und Baden-Württemberg haben nicht dazu beitragen können, dass Sie hier kreativer ans Werk gegangen sind.

Zu den Juniorprofessuren: Das halten wir in der Tat nicht für der Weisheit letzten Schluss. Hier wird viel geredet von „Freiheit geben“, aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. Wenn man den Hochschulen wirklich mehr Eigenverantwortung geben will, wenn man das ernst nimmt, dann muss man es ihnen auch künftig gleichberechtigt ermöglichen, die Habilitation als Qualifizierungsvoraussetzung beizubehalten, statt stur auf das Instrument der Juniorprofessur zu setzen. Im Übrigen schaffen Sie mit diesem Konstrukt de facto die außerplanmäßige Habilitation für Externe ab - eine weitere Einschränkung und ein weiterer Qualitätsverlust. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den großen Bereich der Universitätsmedi

zin, wo das Modell der Juniorprofessur nicht durchführbar ist. Der Kollege Dr. Winn ist sicherlich gern bereit, Ihnen das näher zu erklären.

Dieses Gesetz wird nichts dazu beitragen, dass der finanzielle Kahlschlag an unseren Hochschulen beendet wird. Von 1995 bis heute sind dort mehr als 500 Millionen DM an Landesmitteln einschließlich der ersatzlosen Wegnahme von 1 100 Personalstellen gestrichen worden. Wenn wir uns anschauen, was die Zukunft bringen wird, dann müssen wir davon ausgehen, dass es mit Sicherheit nicht besser werden wird.