Protocol of the Session on May 18, 2001

Deshalb ist in Niedersachsen in den letzten Jahren das Angebot an Ganztagsplätzen ausgeweitet worden. Etwa ein Fünftel der Kindergartenkinder kann schon jetzt ganztags im Kindergarten betreut werden. Die Kommunen bleiben gefordert, auch bei knappen Finanzen dem Bedarf entsprechend das Angebot weiter aufzustocken.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Ich erwarte von den Kommunen, dass sie nicht einfach Kindergartenplätze streichen, wenn es in den kommenden Jahren weniger Drei- bis Sechsjährige gibt, sondern dass in den bestehenden Einrichtungen mehr Ganztagsangebote in der Gruppe geschaffen werden und dass eine zusätzliche Betreuung für die unter Dreijährigen angeboten wird.

Meine Damen und Herren, wir haben auch Bedarf bei der Betreuung von Kleinkindern und bei Nachmittagsangeboten für Schulkinder. Diese werden immer mehr verlangt und auch angeboten. Da sind uns Nachbarländer wie Frankreich und Dänemark gute Vorbilder, die mit ihrer Kinderbetreuung ganz selbstverständlich die Möglichkeit geben, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Aber auch die Betreuung von Kleinstkindern ist in den letzten Jahren in Niedersachsen deutlich ausgeweitet worden. Es gibt zwar keinen nennenswerten Zuwachs bei den Krippenplätzen, aber es gibt einen beachtlichen Zuwachs bei den alters

übergreifenden Gruppen in Kindergärten. Hier werden Zweijährige betreut, die im Laufe des Jahres in den Rechtsanspruch hineinwachsen. Rund 18 000 Plätze für Kleinstkinder gibt es zurzeit im Land.

Schließlich unser Bestseller, die Verlässliche Grundschule. Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Sie ist gut, sie ist unerlässlich, sie wird noch in dieser Legislaturperiode flächendeckend etabliert sein.

(Beifall bei der SPD)

Damit wird Eltern in Niedersachsen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wesentlich erleichtert.

Schulkinder brauchen auch über den üblichen Vormittagsunterricht hinaus Betreuung. In Niedersachsen haben wir die Zahl der Ganztagsangebote in Schulen von 33 auf 130 gesteigert. Da wird in den nächsten Jahren noch mehr zu tun sein, auch im Nachmittagsbetreuungsbereich, denn mindestens die gut 45 000 Kindergartenkinder, die jetzt den ganzen Tag im Kindergarten verbringen, brauchen auch später in der Schule Nachmittagsbetreuung.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Frau Kollegin Jürgens-Pieper hat Ihnen am Mittwoch vorgestellt, wie und mit welchen Mitteln die Landesregierung ein flächendeckendes Netz an Ganztagsangeboten schaffen wird.

Unser Ziel ist es, auf diesem Weg weiterzugehen und immer mehr Bausteine hinzuzufügen, um dem von mir dargestellten notwendigen Ansatz einer ganzheitlichen Familienpolitik gerecht zu werden. Das bedeutet, wir werden nicht nur punktuell mit bestimmten Themen aufschlagen, sondern mit einer ganzen Serie und bei diesem Thema nicht nachlassen.

Meine Damen und Herren, deshalb strebt die Landesregierung noch im Jahre 2001 die Initiierung eines Bündnisses für ein Leben mit Kindern an.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Diese gemeinschaftliche Aktion für ein Leben mit Kindern soll dazu beitragen, dass Familien durch gemeinsames Handeln der Bündnispartner Stärkung und Unterstützung erfahren, dass ein Klima einer gemeinsamen Verantwortung für die Belange von Familien erzeugt wird - man sieht allein an der

heutigen Saalflucht, dass diese gemeinsame Verantwortung noch nicht hinreichend entwickelt ist

(Rolfes [CDU]: Was soll das denn?)

und dass das Markenzeichen „Familienfreundlichkeit“ in Niedersachsen etabliert wird.

Meine Damen und Herren, wer heute ein Kind zur Welt bringt, steht unter erheblich größerem Druck, als das in den früheren Generationen der Fall war. Kinder sind nicht mehr Schicksal, sondern Eltern rechnen sich Erfolge und Misserfolge in der Erziehung in viel höherem Maße zu als in früheren Zeiten. Jeder, der Kinder hat, kennt das Gefühl, versagt zu haben, wenn etwas mit den Kindern nicht gut läuft.

Hier müssen wir auch ansetzen und den Druck herausnehmen. Erziehungsverantwortung darf keine Angst machen und muss von Müttern und Vätern geschultert werden können. Solidarität ist eben nicht nur bei Rente oder Krankheit gefragt, sondern erst recht, wenn es um Familien geht. Wir brauchen Solidarität für unsere Kinder, für unsere Familien und für die Gesellschaft, die weder auf Nachwuchs noch auf qualifizierte Frauen verzichten kann.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb wollen wir ein familienfreundliches Niedersachsen schaffen. Ich danke der SPD-Fraktion für den Antrag und fordere Sie alle auf, sich an diesem Bündnis für Familien zu beteiligen und Mitstreiter zu werden und zu aktivieren.

Meine Damen und Herren, wir werden in den Ausschussberatungen, wie ich merke, lebhafte Möglichkeiten haben, die konkreten Schritte und Ausformungen einer ganzheitlichen und modernen Familienpolitik zu beraten. Deshalb freue ich mich besonders auf Ihre Bereitschaft und, ich hoffe, auch auf die Bereitschaft der CDU, gemeinsam mit der Landesregierung verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Männer und Frauen Familie und Beruf unter einen Hut bekommen und dafür, dass sich Kinder in Niedersachsen wohl fühlen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich dem Kollegen Mühe das Wort gebe, gestatten Sie mir eine Bemerkung. Es gibt Situationen, in denen sich der jeweils amtierende Präsi

dent auch einmal schützend vor das ganze Parlament stellen muss. Eine solche Situation ist gegeben, wenn Sie, Frau Ministerin, im Zusammenhang mit dieser Debatte von „Saalflucht“ sprechen. Ich kann keine Saalflucht erkennen und mache darauf aufmerksam, dass wir seit heute Morgen um 9 Uhr tagen und dass sich auch die Landesregierung gelegentlich an die vereinbarten Redezeiten halten sollte.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine Überschreitung der Redezeit von 7,5 Minuten zu verzeichnen.

Ich sage das sehr ungern, aber ich möchte nicht, dass das Protokoll den Eindruck erweckt, dass der Landtag in dieser wichtigen Frage nicht aufmerksam und auch engagiert dabei ist. Das ist nämlich der Fall, und das gilt für alle Fraktionen.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat der Kollege Mühe das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen meines Kollegen Schumacher und auch die Ausführungen unserer Frau Ministerin um einige Bemerkung ergänzen.

Es gilt heute, ein Phänomen festzustellen, das schon bemerkenswert ist. Da hat eine Partei in Bonn 16 Jahre lang die Gelegenheit, hervorragende Familienpolitik zu organisieren.

(Hoppenbrock [CDU]: Haben wir auch!)

Im September 1998 bekommt sie die Quittung und wird abgewählt. Wie diese Familienpolitik zu bewerten war, sagt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es ist doch ganz einfach: Sie sagen, Sie haben viel getan, wir sagen, Sie haben viel zu wenig getan.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben 16 Jahre lang einen antiquierten Familienbegriff strapaziert, haben in Wahrheit aber nichts oder viel zu wenig getan. Sonst wäre das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht so eindeutig und vielfältig in den neuen Forderungen ausgefallen. Frau Pawelski, Sie müssen sich bescheinigen lassen: Familienpolitik unter Kohl - mangelhaft.

(Beifall bei der SPD)

Dann mussten wir feststellen, meine Damen und Herren: Sobald eine neue Regierung da ist, kommen die Forderungen auf den Tisch.

Ich finde das, was die rot-grüne Regierung in Berlin in den letzten zweieinhalb bis drei Jahren auf den Weg gebracht hat, schon bemerkenswert. Ich mache es am Kindergeld fest. Es ist doch was, wenn eine Familie drei Kindergelderhöhungen

(Frau Pawelski [CDU]: 30 DM!)

in einer Periode miterleben darf und in Zukunft immerhin 960 DM pro Jahr, also 80 DM pro Monat, mehr im Portemonnaie hat als zu Ihrer Zeit. Ich finde, das ist erfolgreiche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Mühe, möchten Sie eine Frage der Frau Kollegin Pothmer beantworten?

Aber gerne.

Herr Kollege Mühe, halten Sie es für einen Ausdruck dieses besonderen Engagements des Bundeskanzlers für Familienpolitik, wenn er das entsprechende Ministerium als „Gedöns“ bezeichnet?

(Beifall bei der CDU)

Mir ist die Bemerkung nicht bekannt. Sollte das so sein, hat er sich vergriffen.

(Frau Pawelski [CDU]: Das ist doch die Bemerkung überhaupt!)

Meine Damen und Herren, ich empfinde es auch nicht als unmoralisch, wenn z. B. eine allein erziehende Mutter, die darauf angewiesen ist, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die nicht zum Arbeitsamt oder zum Sozialamt gehen will, ihr Kind in eine Kindertagesstätte gibt. Dort wird es ordentlich betreut. Sie kann arbeiten gehen und kann am Ende des Jahres 2 000 DM der Betreuungskosten steuerlich absetzen. Was ist daran eigentlich unmoralisch? - Ich finde es unmo