Protocol of the Session on May 17, 2001

Denn wir wissen natürlich, dass die Realschule die erfolgreichste Schulform Deutschlands ist, weil sie nämlich Absolventen hervorbringt, die nicht

scheitern, in der die Abbrecherquoten am niedrigsten sind und die Leute gerade auch im Berufsleben ihren Mann oder ihre Frau stehen. Sie aber machen eine solche Schulform kaputt, weil Sie alle unsere Warnungen in den Wind geschlagen haben.

1995 – vor sechs Jahren – haben wir einen Antrag zur Bekämpfung des zu erwartenden Lehrermangels eingebracht. Sie haben ihn so brüsk und arrogant wie eben die Ministerin zu einem anderen Thema einfach abgewiesen. Die Abweisung unserer Vorschläge für mehr Werbung für den Lehrerberuf ist verantwortlich dafür, dass es heute zu wenig Nachwuchs gibt. Ihre Politik ist vergleichbar mit der gigantischen Fehleinschätzung, den damaligen Informatik-Studiengang in Hildesheim zu schließen nach dem Motto „Wir haben zu viele Informatiker und brauchen keine mehr“.

(Beifall bei der CDU)

Wer Lehrer als „faule Säcke“ bezeichnet, wer bei steigenden Schülerzahlen Lehrerstellen streicht, wer unattraktive Dreiviertelstellen einrichtet und wer einen Numerus clausus für Lehramtsstudiengänge einführt, wer eine solche Vielzahl von Fehlentscheidungen trifft, der muss sich nicht wundern, dass er nun mit dem Nachwuchs für den Lehrerberuf in Niedersachsen ein Fiasko erlebt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Jürgens-Pieper, Sie haben eben gesagt: „Wir sprechen mit den Menschen“, und dann haben Sie arrogant gesagt: „andere nicht“. Ihre Schulaufsichtsbeamten in Niedersachsen haben jüngst erklärt, dass Sie für diese Probleme verantwortlich sind, und sie haben Ihnen Täuschung vorgeworfen.

Der Vorstand der Schulaufsichtsbeamten hat Wert auf die Feststellung gelegt, dass die jetzigen Probleme beim Lehrernachwuchs vorhersehbar waren.

Die heute von führenden Schulpolitikern in Niedersachsen geäußerte Überraschung über Nachwuchssorgen an unseren Schulen wird als semantische Vernebelung schon längst bekannter Missstände gewertet.

Die Leute, mit denen Sie in Niedersachsen Schulpolitik machen wollen, werfen Ihnen Täuschung und semantische Vernebelung vor. Man kann es nicht anders bezeichnen, als dass über Jahre fal

sche Entscheidungen getroffen und Warnungen in den Wind geschlagen werden.

Sie haben in Zeiten steigender Schülerzahlen von 1995 bis 1997 2 300 Lehrervollzeitstellen gestrichen. Diese gigantische Fehleinschätzung holt sie jetzt ein.

(Beifall bei der CDU)

Man kann in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Ihre Politik überhaupt nur mit dem Satz zusammenfassen: Keine neuen Lehrer, so lange die vorhandenen nicht verbraucht sind. - Das war Gegenstand Ihrer Politik in Niedersachsen im Bereich der Einstellungen.

Wir haben – weil wir uns darüber Gedanken machen, wie wir es erreichen können, dass die Zukunft Niedersachsens im Land bleibt und sich für das Land engagiert – zwei Dinge festgestellt: In der Bevölkerungsstatistik des vergangenen Jahres hat kein deutsches Bundesland mehr Bevölkerung verloren als Niedersachsen. Das heißt, wir diskutieren über Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin – die haben aber allesamt im vergangenen Jahr weniger Bevölkerung verloren als Niedersachsen, und wir brauchen Signale, dass sich die Zukunft in Niedersachsen abspielt und dass wir um Zukunftspotentiale in Niedersachsen kämpfen.

Dann stoße ich auf eine Zeitung der Bundesanstalt für Arbeit, das „abi Berufswahl-Magazin“, das an alle Abiturienten in Niedersachsen verteilt wird und an dem sich alle Abiturienten in Niedersachsen hinsichtlich der Frage orientieren, was sie machen wollen, was sie studieren und wo sie hingehen wollen. Darin ist eine Umfrage bei den Einstellungsbehörden zu den aktuellen und zukünftigen Chancen für Berufsschullehrer veröffentlicht. - Zum Berufsschullehrerbereich haben Sie nichts vorzuzeigen. - Darin beantworten alle Kultusministerien in Deutschland bis auf Niedersachsen die Frage nach den aktuellen Einstellungschancen mit sehr gut. Die Einstellungschancen in der Marktentwicklung werden von allen Bundesländern bis auf Niedersachsen als sehr gut bezeichnet. Bei der Prognose sehen alle verbesserte Chancen, gleich bleibende Chancen oder Chancen. Nur bei Niedersachsen steht: aktueller Arbeitsmarkt - weniger gut; Einstellungschancen in der Marktentwicklung - noch nicht abzusehen. Bei der Frage nach der Prognose steht: keine Angaben. - Das ist ein Offenbarungseid für die Schulpolitik

eines Bundeslandes, wenn es als einziges Land aus dem Rahmen fällt.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Wulff, der letzte Teil war ein Offenbarungseid dessen, dass Sie offensichtlich nicht mitbekommen haben, dass wir beim letzten Mal eine identische Diskussion über das geführt haben, was Sie zitiert haben.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Aber die Antworten sind von Ihnen gegeben worden!)

Die Antwort ist falsch – das habe ich auch gesagt – und tut mir Leid. Eine Mitarbeiterin hat dort falsch reagiert. Das habe ich letztes Mal alles dargestellt.

(Oh! bei der CDU – Plaue [SPD]: Nehmen Sie das doch mal zur Kennt- nis!)

Das nehmen Sie nicht zur Kenntnis; es ist ja auch ganz schön, dass man das zitieren kann. – Das ist ein Fehler in der Einschätzung mit der Redakteurin gewesen. Ich habe das letztes Mal in aller Klarheit gesagt. Aber bitte.

(Zuruf von Plaue [SPD])

Herr Wulff, ich möchte aus einer dpa-Meldung zitieren, damit Sie einmal sehen, dass man auch über den niedersächsischen Tellerrand hinweg blicken muss, wenn man die Fragen, die Sie eben angesprochen haben, diskutiert. Darin steht: Die Kultusminister – ich gehe davon aus, die Ministerin auch – auf der Suche nach fehlenden Studenten. – Ein Satz lautet:

Von 82 % seit 1990 sank die Studienbereitschaft auf 68 % 1999.

Wissen Sie, wer dafür verantwortlich zeichnet? Das ist Ihre BAföG-Politik auf Bundesebene gewesen!

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU – Wulff (Osnabrück) [CDU]: Da hat sich doch gar nichts geändert! Sie haben doch die BAföG-Erhöhung abgelehnt! Warum haben Sie denn die BAföG-Erhöhung abgelehnt?)

Das ist auch zum Teil ein Arbeitsmarktproblem gewesen, und das hat mit Niedersachsen eine Menge zu tun, aber nicht allein mit Niedersachsen, sondern diese Entwicklung gilt für ganz Deutschland. Das ist allerdings schlimm.

Wir haben auf Bundesebene gerade erst wieder etwas getan, damit diesem Akademikermangel nachgegangen wird. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD – Wulff (Osna- brück) [CDU]: Sie haben die Akademiker doch aus dem Land getrieben mit Ihren Dreiviertelstellen!)

Rot-Grün hat auf Bundesebene wieder Geld in die Bildung gesteckt.

Ich will Ihnen deutlich sagen: Meine bayerische Kollegin schließt mit Österreich Abkommen, um genug Lehrer zu gewinnen. Meine badenwürttembergische Kollegin, Frau Dr. Schavan, die Sie aus dem Bundesvorstand gut kennen, hat die gleichen Landtagsdebatten zu bestreiten, weil ihr genauso die Fachlehrer fehlen wie mir.

(Zuruf von Frau Körtner [CDU])

Dafür können Sie nicht die einzelnen Minister verantwortlich machen, sondern das ist eine Folge des Gesamtsystems. Das hat natürlich auch etwas mit dem Geburtenknick zu tun, aber auch damit, dass es jahrelang hieß: Wir brauchen nicht so viele Akademiker; wir befürchten eine Akademikerschwemme. Sie haben dazu ja auch beigetragen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

- Aber sicher haben Sie dazu beigetragen. Deshalb haben wir es jetzt so schwer, umzusteuern.

Ich will Ihnen deutlich sagen - -

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

- Nein, das ist keine Posse, das ist bluternst, weil uns sonst in fünf Jahren die Lehrer fehlen. Das ist sehr ernst.

(Beifall bei der SPD – Klare [CDU]: Sie haben das vor einem Jahr gesagt!)

- Vor zwei Jahren. Sie können meine Presseerklärung nachlesen. Als ich angefangen habe, habe ich deutlich gesagt: Was Herr Klemm in einer GEWStudie veröffentlicht hat, ist absolut falsch. In ein paar Jahren fehlen uns die Lehrer.

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

Ich mache Vorsorgepolitik für die nächsten Jahre, genauso, wie es sein muss, wenn man für ein Land verantwortlich ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Sie haben die Stellen mit Fachlehrermangel in Lüneburg zitiert, wo wir wirklich ein Problem haben, Herr Wulff. Natürlich stimmt das, was Sie gesagt haben, nämlich dass die Stellen nicht besetzt worden sind, nicht. Wir haben nicht mehr die richtigen Fachlehrer. Natürlich besetzen die Schulen die Stellen. Es wäre schließlich schlimm, wenn sie offen blieben. Aber es fehlen uns in der Tat Physiker und Chemiker. Deshalb habe ich – ich dachte, darin seien wir uns einig – als Zwischenmaßnahme den Quereinstieg ermöglicht, damit eine Schule, die diesen Mangel wirklich beseitigen will, auch einen Diplom-Physiker oder DiplomChemiker einstellen kann. Das ist übrigens nichts Neues - das ist völlig richtig -, sondern das musste leider auch schon früher sein.

Wir müssen wieder mehr junge Leute in den Schulen und in den Universitäten dafür gewinnen, Naturwissenschaften zu studieren. Das ist ein allgemeines Problem in der Bundesrepublik, kein niedersächsisches.

Sie haben auch Recht, was den Generationswechsel angeht. Wir haben in dieser Legislaturperiode versprochen, 15 000 Leute einzustellen, und wir werden das auch halten.

(Zuruf von Frau Körtner [CDU] – Möllring [CDU]: Sie haben doch noch nie ein Versprechen gehalten!)

Wir werden das vor allem auch mit den Dreiviertelstellen und den vollen Stellen so weitermachen, weil wir - wie Sie genau wissen - mit der Einstellungsteilzeit auch zusätzliche Arbeitsplätze ermöglicht haben. Sie wissen das sicherlich auch,