Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nahtlos an den Appell, den wir von Herrn Koch gehört haben, anschließen. Ich möchte auch noch ein bisschen in die Geschichte zurückgehen, auch im Sinne meines Amtsvorgängers Rolf Wernstedt.
Wenn hier gesagt wird, die Orientierungsstufe sei eine reine SPD-Angelegenheit, dann muss man auch sehen, aus welchen Gründen sie gemeinsam von SPD und CDU eingeführt worden ist. Das habe ich Ihnen schon einmal dargelegt.
Wir müssen gar keine Geschichtsklitterung betreiben; wir können dann ja sagen: Sie haben sich davon verabschiedet, und wir diskutieren jetzt mit den Menschen, wie wir es machen wollen. Ob es eine Förderstufe wird und wie sie aussehen soll, werden wir dann am Ende der Dialogphase ent
Das Angebot, das der Kollege Koch hier gemacht hat, nehme ich allerdings sehr gerne an – nämlich gemeinsam den Versuch zu unternehmen, wie auch bei der Orientierungsstufe, auszuloten, wo wir in der Schulstruktur Gemeinsamkeiten finden können, um dann auch einen großen Konsens herstellen zu können. Ich versuche das, genau wie Sie auch, auch mit dem Handwerk, dem Landeselternrat, auch mit der Fraktion der Grünen, die sich netterweise bereit erklärt hat, ihre Vorstellungen in einem Kleingespräch – ohne dass wir das öffentlich machen – darzulegen. Ich würde auch von Ihnen gerne einmal hören,
- Das Angebot kenne ich schon: einmal mit der Presse vor der Fraktion, einmal ohne die Presse vor der Gesamtfraktion – so kann man keine Auslotungsgespräche führen. Das wissen Sie auch ganz genau. Das ist Show, aber kein Auslotungsgespräch.
Aber ich will Ihnen auch gleich sagen – weil Sie mich vorhin so schön zitiert haben, Frau Vockert: Wir sind uns in der Beschreibung auch weiterhin einig. Niedersachsen ist im Augenblick ein Realschulland. Ich sage ausdrücklich: im Augenblick.
Das war vor 20 Jahren anders. Es ist ein Realschulland, weil 40 % aller Jugendlichen einen Realschulbildungsgang wählen.
denen Haupt- und Realschule oder in einem Realschulzweig der Kooperativen Gesamtschule. Das sind die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen man - auch an der Hauptschule - einen Realschulabschluss erwerben kann. Es gibt in Niedersachsen die Tradition, dass man dies an jeder Schulform kann.
Niedersachsen ist auch deshalb ein Realschulland, weil 46 % der Schülerinnen und Schüler 1999 einen Realschulabschluss erworben haben, und zwar in allen Bildungsgängen, die ich eben genannt habe, plus der Berufsbildenden Schulen. Darin bin ich auch völlig d‘ accord in der Beschreibung.
(Frau Körtner [CDU]: Wann haben Sie sich vehement gegen die Ver- schmelzung ausgesprochen? Im letz- ten Oktober!)
Aber in den Schlussfolgerungen sind wir uns überhaupt nicht einig, Frau Körtner. Sie schließen daraus, die derzeitige Situation sei ein erhaltenswerter statischer Zustand. Ich sage Ihnen: Diese Situation zeigt seit 20, 30 Jahren deutlich den Trend zur Höherqualifikation.
(Frau Vockert [CDU]: Sie haben un- seren Antrag nicht gelesen! – Ontijd [CDU]: Den wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen!)
- Den nehmen Sie nicht zur Kenntnis. – Derzeit befindet sich ohne Frage die Mehrzahl eines Schülerjahrgangs in Realschulbildungsgängen - vor 20 Jahren war die Mehrzahl in der Hauptschule. Es gibt jetzt einen Trend zur Höherqualifizierung. Um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden, benötigen wir allerdings 40 % Abiturabschlüsse. – Dabei stimme ich mit Ihnen überhaupt nicht mehr überein, Herr Koch. Dieser Trend zur Höherqualifizierung sagt deutlich: 40 % Abiturabschlüsse. Das heißt, das gymnasiale Angebot – darin hat Frau Litfin völlig Recht – muss in Niedersachsen noch erheblich verstärkt werden.
Andere Länder sind uns in dieser Zielsetzung weit voraus. Sie unterstellen, 40 % aller Jugendlichen in einem Realschulbildungsgang seien Verdienst der eigenständigen Realschulen. Das ist aber falsch.
Sie rechnen einfach einen Teil der Bildungsgänge weg. Denn wenn Sie das wegrechnen würden, dann wäre Niedersachsen allerdings kein Realschulland, wenn man nur die eigenständige Realschule ins Blickfeld nimmt, sondern gerade die Verbundsysteme Haupt- und Realschule konnten Niedersachsen zum Realschulland machen.
Noch zugespitzter ausgedrückt: Nur durch die Verbundsysteme sind genügend Realschulbildungsangebote in die Fläche gekommen. Das haben Ihre Bildungspolitiker vor 1990 übrigens genauso gesehen. Herr Klare macht das schon etwas länger; er müsste das bestätigen können. Denn von den 168 organisatorisch verbundenen Haupt- und Realschulen waren vor 1990 immerhin schon 129 vorhanden. Die haben Sie auch eingerichtet und auch forciert.
Für die nächsten beiden Jahrzehnte stehen wir also vor der Aufgabe, genau dieses Stadt-LandBildungsgefälle weiter durch Realschul-, Gymnasial- und Gesamtschulangebote zu verbessern und gleichzeitig bei massiv zurückgehenden Schülerzahlen Standorte zu sichern. Davor scheinen Sie die Augen zu verschließen.
In den nächsten zehn Jahren wird es einen 25prozentigen Rückgang der Schülerzahlen an vielen Standorten geben. Deshalb werden nur noch kooperierende Systeme möglich sein. Das werden Sie in der Fläche erleben, gerade auch Sie, Herr Busemann, mit Ihrem Landkreis.
Als Zwischenbilanz unserer Dialogphase will ich deutlich sagen: Es stellt sich bei vielen Gesprächen heraus, dass die Menschen in der Tat Probleme mit dem integrierenden Bildungsgang Probleme haben, dass wir aber – übrigens auch bei den Handwerkern – viel Zustimmung für eine kooperierende Haupt- und Realschule finden, so wie Frau Eckel sie auch beschrieben hat. Sie werden das im Mittelstandskonzept sehen. Das ist genau das, was der Ministerpräsident gesagt hat. Er will das auch in
Übereinstimmung und nicht gegen die Wirtschaft machen. Wir werden im Mittelstandskonzept dazu Verabredungen treffen. Das werden Sie dann auch präsentiert bekommen. Wir werden das auch deshalb in Niedersachsen erreichen, weil die Schulstruktur wegen der zwei Faktoren - dem Schülerrückgang bei gleichzeitiger Höherqualifizierung zukunftsfähig werden muss.
Herr Koch, Sie haben die Schlagzeile über Hattorf so nett hochgehalten. Ich habe auf Wunsch des Landkreises und des Kreistags vor zwei Tagen den vorzeitigen Ausstieg aus dem Sekundarschulversuch entschieden, weil die Akzeptanz für diese integrierende Form nicht vorhanden war, aber offensichtlich der Wunsch besteht, einen Realschulbildungsgang an dem Hauptschulstandort mit OS in diesem Fall zu bekommen. Das ist ein System, das offensichtlich hoch akzeptiert ist.
Wir werden sehen, wie das geht. Ich unterstütze den Landkreis ausdrücklich dabei, das auch so einzurichten.
Das Ganze müssen wir an den folgenden drei Veränderungen orientieren. Das Institut für Arbeitsmarktforschung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit prognostiziert einen Qualifizierungsbedarf bis 2010. Dadurch verändert sich der Arbeitsmarkt massiv.
Bei den höherqualifizierten Tätigkeiten wird sich durch einen Anstieg von derzeit 28 % auf 40 % eine Veränderung ergeben.
Die mittelqualifizierten Tätigkeiten sind etwa gleich bleibend bei 43 % bis 45 %. Das entspricht also dem Realschulbildungsgang, das andere war der gymnasiale Bildungsgang.
Bei einfachen Tätigkeiten – das muss uns als Bildungspolitiker umtreiben – wird es einen Rückgang von derzeit 27 % auf lediglich 15 % geben.
Sie aber wollen die Hauptschulen stärken – bei rückgehenden Schülerzahlen und einem solchen Trend und einer solchen Prognose? Halten Sie das wirklich für zukunftsfähig? Das kann doch nicht zusammen gehen, so wie Sie das konzipieren.
Schulsysteme finden. Unsere derzeitige Schulstruktur ist offensichtlich nicht genügend in der Lage, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Mit 28 % Studienanfängern pro Jahrgang liegt Deutschland im internationalen Durchschnitt schlecht. In den USA nehmen 44 % aller Jugendlichen am Studium teil, in Israel 49 % und in Finnland sogar 58 %.
- Ja, wir reden über die Realschule und darüber, dass es eben kein statischer Zustand ist, was wir gegenwärtig haben.