Protocol of the Session on May 16, 2001

Es ist sicherlich richtig, dass es nicht einfach ist, im europäischen Wettbewerb und bei den Verzerrungen, die es dabei mangels Hafenkooperationen

gibt, deutlich umzusteuern. Aber diesen Versuch hat die Landesregierung auch gar nicht erst gemacht. Sie begnügte sich damit, eine kleine, Wählerstimmen schonende Lösung zu suchen, mit der die Vorgabe des Beauftragten für Staatsmodernisierung, 30 von rund 800 Stellen einzusparen, knapp erfüllt wird. Entsprechend konstruiert muten dann natürlich auch die inhaltlichen Grundlagen an, die die Landesregierung zur Begründung ihres Reförmchens an den Haaren herbeizieht. Die Standortbezogenheit der bisherigen Hafenverwaltung soll durch eine Revierbezogenheit ersetzt werden

(Haase [SPD]: Macht ja auch Sinn in Niedersachsen!)

und damit formal aus fünf Hafenämtern drei werden.

Zwar mögen die vorgeschlagenen Gebietskulissen naturräumlich noch als Einheit nachvollziehbar sein, aber was hat das bitte schön mit Hafenwirtschaft zu tun? - Hafenregionen definieren sich über die Landkarte der Wirtschaftsbeziehungen und der Verkehrsrelationen im Hinterland. Vor diesem Hintergrund sind die vorgenommenen Zuordnungen doch sehr willkürlich und wohl eher der Planstellenarithmetik geschuldet als Vorstellungen einer schlagkräftigen Neustrukturierung. Wie so die kraftvolle, hafenübergreifende Steuerung der Landesinteressen erfolgen soll, ist mir verborgen geblieben.

Langfristiges Ziel muss, das sagen wir, der privatrechtliche Betrieb der niedersächsischen Häfen sein. Ansatzpunkte ergeben sich dort, wo heute Kostendeckung zu erreichen ist, wie etwa beim Hafen Stade-Bützfleth oder dem neuen Projekt des Tiefwasserhafens, für den wir eine volle private Finanzierung fordern.

Ein guter Zwischenschritt für die Hafenämter hätte der diskutierte einheitliche Landesbetrieb für alle Häfen sein können.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe benennt die überzeugenden Vorteile: eine sehr flexible Organisation, eine erhebliche Wirtschaftskraft durch Zusammenfassung der Ressourcen, die Vermeidung einer Instanz durch unmittelbare Anbindung an das Ministerium und die Entschärfung der Standortproblematik WilhelmshavenBrake. Als Nachteil wird der Verlust von Politik

einfluss beklagt. Aber ich frage Sie: Seit wann ist das für wirtschaftliche Entscheidungen ein Nachteil?

Auch der Verlust der Bündelungs- und Koordinierungsfunktion der Bezirksregierung wird als Nachteil genannt. Aber was eben noch ein Vorteil war, kann doch nicht gleichzeitig ein Nachteil sein. Die Begründung, man könne die Mittelinstanz nicht streichen, weil das Kabinett gerade deren Stärkung beschlossen hat, ist in der Tat wenig überzeugend.

Auch die anderen genannten Nachteile haben wenig Substanz. Emotionale Vorbehalte der Belegschaft werden jede Organisationsveränderung begleiten, und die Sorge des Hauptpersonalrats, man könne dann über den Hauptsitz eines solchen Landesbetriebs in Streit geraten, als Nachteil aufzuführen, hat schon satirische Qualität.

Deshalb gibt es von uns ein Nein zum Jubeländerungsantrag der SPD-Fraktion, wie wir uns auch vorher gegen den Ursprungsantrag der CDUFraktion ausgesprochen haben, der alles beim Alten lassen wollte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung zu diesem Antrag.

Wir kommen zur Abstimmung. – Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. – Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Häfen und Schifffahrt in der Drucksache 2341 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Ausschussempfehlung gefolgt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: EU-Vertrag - Öffentliche Daseinsvorsorge absichern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1483 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 14/2483 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten - Drs. 14/2366

(Fasold [SPD] spricht mit Mitgliedern der Fraktion der Grünen)

Herr Kollege Fasold, wenn Sie einverstanden sind, würde ich gern Tagesordnungspunkt 14 aufrufen.

Berichterstatter ist Herr Kollege von der Heide. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich trage zunächst die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten vor. Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2366 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, den "EU-Vertrag - öffentliche Daseinsvorsorge absichern" überschriebenen Antrag der SPD-Fraktion in einer geänderten Fassung anzunehmen. Diese Beschlussempfehlung - das möchte ich vorwegnehmen - ist von den SPD- und den CDUAusschussmitgliedern weitgehend gemeinsam erarbeitet worden. Lediglich der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich in der Schlussabstimmung im Ausschuss der Stimme enthalten.

Nachdem der Ursprungsantrag bereits vor mehr als einem Jahr in erster Beratung im Plenum behandelt worden ist, möchte ich zu Beginn meiner Berichterstattung wenigstens kurz darauf hinweisen, worum es in der Sache eigentlich geht. Denn in der nach wie vor anhaltenden öffentlichen Diskussion verkürzt sich das Thema viel zu häufig auf den Bereich der Banken und öffentlichen Sparkassen; oft umschrieben mit den Stichworten "Gewährträgerhaftung" und "Anstaltslast". Tatsächlich geht die Bedeutung jedoch weit darüber hinaus.

Anlass für diesen Tagesordnungspunkt sind die auf Artikel 16 des EG-Vertrages beruhenden Bestrebungen der EU-Kommission, die Bedeutung gemeinwohlorientierter Leistungen stärker unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu betrachten. Die schließlich mit Datum vom 20. September 2000

dazu veröffentlichte jüngste Mitteilung der EUKommission hat insbesondere in Deutschland zu erheblichen Verunsicherungen geführt. Befürchtet wird, es könnten die hier besonders ausgeprägten und bewährten Strukturen und Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge, d. h. das öffentliche Bankenwesen, aber auch die öffentliche Ver- und Entsorgungswirtschaft, der öffentliche Personennahverkehr und die Wohlfahrtspflege beeinträchtigt werden.

Deshalb hat der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten bereits im November letzten Jahres in einer öffentlichen Anhörung Vertreter aller betroffenen Kreise um eine Stellungnahme dazu gebeten. Das Ergebnis dieser Anhörung findet sich in der Ihnen nun zur Annahme empfohlenen Entschließung wieder. So unterstützt der Niedersächsische Landtag die Landesregierung nicht nur dabei, an den bisherigen Subsidiaritätsregelungen und Erklärungen des geltenden Gemeinschaftsvertrages festzuhalten, ebenso verlangt er ausdrücklich die Respektierung und Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung im Gemeinschaftsrecht.

Der Landtag fordert nicht nur den Fortbestand der dreisäuligen Struktur aus privaten Geschäftsbanken, Kreditgenossenschaften und öffentlichrechtlichen Kreditinstituten für den Erhalt eines leistungsfähigen Finanzplatzes in Deutschland. Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Konzentration im privaten Bankenbereich ist er vielmehr der Überzeugung, dass nur durch Erhaltung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute - als des Verbundes von Sparkassen und Landesbanken - eine effiziente und flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger sowie der kleinen und mittleren Unternehmen mit Finanzdienstleistungen für die Zukunft gesichert werden kann.

Darüber hinaus soll dezidiert zum Ausdruck kommen, dass staatliche Garantien, die im direkten Zusammenhang mit der öffentlichen Daseinsvorsorge stehen, eben nicht einer nur an den Prinzipien des freien Marktes orientierten EUWettbewerbspolitik untergeordnet werden dürfen.

Schließlich hält es der Ausschuss für Bundes und Europaangelegenheiten als ein weiteres Ergebnis seiner Anhörung auch für geboten, die besondere Bedeutung der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der ihrerseits erbrachten vielfältigen sozialen Dienste im Rahmen der Daseinsvorsorge

hervorzuheben und auf deren Fortbestand zu drängen.

Indes ist damit die Diskussion zu diesem Thema keineswegs beendet. Ihnen allen wird geläufig sein, dass die inzwischen vielen Verhandlungsrunden auf EU-Ebene in den zentralen Fragen – dazu gehört ganz gewiss die nach dem Fortbestand unseres Systems der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute - noch keine abschließende Klärung gebracht haben. So ist die nun zur Annahme empfohlene Entschließung ein weiterer und hoffentlich erfolgreicher Appell, unser nicht nur überkommenes, sondern zumindest in seiner überwiegenden Ausprägung auch erhaltenswertes System der öffentlichen Daseinsvorsorge zu sichern und nicht allein Wettbewerbsgesichtspunkten unterzuordnen.

Herr Kollege von der Heide, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mientus?

Ich weiß nicht, ob ich als Berichterstatter für Zwischenfragen zuständig bin, aber bitte, Herr Kollege!

Wenn schon, dann erteile ich die Genehmigung.

Ich habe mich deshalb zu einer Zwischenfrage gemeldet, weil ich den Eindruck habe, dass Sie mit dem europapolitischen Thema das Plenum stören. Ich hätte gern die Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob sie das anhören wollen oder nicht, nicht dass Sie sich Mühe geben und niemand hört zu.

(Beifall bei der SPD)

Mein lieber Kollege Mientus, Sie laufen bei mir offene Türen ein. Sie wissen, dass der Zeitpunkt, zu dem wir üblicherweise sprechen, zwischen 18 und 19 Uhr liegt und dass wir froh wären, wenn wenigstens zwischen 18 und 19 Uhr die Anwesenden uns Gehör schenkten. Vielen Dank für den Einwand, Herr Kollege.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wo ist der Ministerpräsident?)

Ich komme zum Abschluss meines Berichts und werde anschließend auch die Einschätzung der CDU-Landtagsfraktion damit verbinden.

Als Berichterstatter habe ich dies so vortragen können, weil sich die beiden großen Fraktionen das haben die Ausschussberatungen gezeigt weitestgehend einig sind und auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen weder im federführenden Ausschuss noch in den Mitberatungen eine grundlegend andere Auffassung dazu vorgetragen hat.

Namens des Ausschusses für Bundes und Europaangelegenheiten bitte ich Sie daher, der Entschließung in der Drucksache 2366 zuzustimmen.

Das war Ihr Bericht, Herr Kollege von der Heide. Ich bedanke mich für den Bericht, und jetzt erteile ich Ihnen das Wort zu dem Antrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie der Arbeitskreis meiner Fraktion haben sich in den letzten Monaten verstärkt mit dem Thema Daseinsvorsorge beschäftigt. Dabei ist uns bewusst geworden, dass eine unterschiedliche Problematik auch eine unterschiedliche Bewertung zur Folge haben muss.

Gemeinsam stellen wir aber fest, dass grundsätzlich allein die Mitgliedstaaten, Regionen oder Kommunen dafür zuständig sind, die Aufgaben und Leistungen der Daseinsvorsorge und insbesondere die dabei zu gewährleistenden Gemeinwohlbelange zu definieren sowie die Art und Weise ihrer Erfüllung zu bestimmen.

Sofern und soweit die jeweils definierten Gemeinwohlbelange dies zulassen, ist es allerdings geboten, die Leistungserbringung dem Wettbewerb zu öffnen. Die EU hat bei der Prüfung, ob die in den Mitgliedstaaten zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Mittel mit dem EG-Binnenmarkt und den Wettbewerbsregeln vereinbar sind, die getroffenen Wertentscheidungen grundsätzlich zu respektieren und sich insoweit auf eine Missbrauchskontrolle zu beschränken.

Die EU soll die Entscheidung über die gemeinschaftsweite Liberalisierung derartiger Leistungen nur in solchen Sektoren treffen, die aufgrund ihrer

Größenordnung oder strukturellen Vernetzung eine europäische Dimension aufweisen. Dabei notwendige EU-Vorgaben an die Leistungserbringung müssen möglichst allgemein gehalten sein und die Ausformung im Einzelnen den Mitgliedstaaten überlassen.

(Rabe [SPD]: Da sind wir uns einig!)

- Das ist nett, Herr Kollege Rabe.

Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich die Liberalisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge im Bereich der Telekommunikation, Energieversorgung, Post und Verkehr im Allgemeinen positiv auf die Verfügbarkeit, die Qualität und die Preise dieser Leistungen ausgewirkt. Die innovationsfördernde Kraft des Wettbewerbs hat den technischen Fortschritt sogar beschleunigt. Allerdings stößt die auf europäischer Ebene verfolgte Marktöffnungspolitik bei gemeinwohlorientierten Diensten auch auf Bedenken. Befürchtet werden u. a. eine Beherrschung liberalisierter Märkte durch private Oligopole, das Erkaufen sinkende Preise mit schlechter Qualität, weniger Rücksichtnahme auf die Umwelt und der Verlust von Arbeitsplätzen, ein Verlust demokratischer Mitspracherechte der Bürger hinsichtlich der Ausgestaltung der Grundversorgung, die langfristige Aushöhlung mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten, in Deutschland insbesondere der kommunalen Selbstverwaltung. Diesen Nachteilen stehen nach Auffassung der CDU-Landtagsfraktion Vorteile gegenüber, da der Wettbewerb im Regelfall aufgrund seiner Anreiz- und Sanktionsmechanismen unter Effizienzgesichtspunkten zu einem volkswirtschaftlich optimalen Güter- und Dienstleistungsangebot zu niedrigstmöglichen Preisen führt und der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft dient.

Die bisher geöffneten Teilmärkte wie Telekommunikation oder Strom zeigen, dass durch den Wettbewerb wirtschaftliche Vorteile wie Effizienzsteigerung, Kosten- und Preisreduzierung erzielt werden können, ohne dass es zu Nachteilen hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Qualität der Leistungen kommen muss. Deshalb ist eine Wettbewerbsöffnung auch bei Leistungen der Daseinsvorsorge grundsätzlich zu befürworten.