Protocol of the Session on March 15, 2001

Aber Sie als SPD-Fraktion sind diejenigen, die das Drehbuch schreiben. Sie kennen leider nur eine Story, und die heißt: Wie profilieren wir uns selbst?

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das sagen ausgerechnet Sie?)

Aber das fällt Ihnen hoffentlich bald mal auf die Füße. Ich bin wirklich tief empört darüber, wie Sie mit dieser Problematik umgehen.

Ich will jetzt etwas zu dem Antrag der CDUFraktion sagen, der sich in der Tat sehr viel umfänglicher mit der Problematik auseinander setzt. Darin wird ein bisschen mehr gesagt, als dass Türschlösser ausgewechselt werden müssen oder im Notfall auch Fußfesseln anzulegen sind.

Das Gewaltschutzgesetz, das die rot-grüne Bundesregierung eingebracht hat, schließt eine tiefe Gerechtigkeitslücke, die es in dieser Gesellschaft gegeben hat. Um dieses Gesetz in diesem Lande umsetzen, braucht es aber ein bisschen mehr als das, was Sie bis jetzt vorgelegt haben. Es geht nämlich um einen grundsätzlichen Perspektivwechsel in dieser Frage: Es geht darum, dass die Schläger die Wohnung verlassen und nicht, wie es in der Vergangenheit der Fall war, die Frauen und ihre Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Frau Bockmann [SPD]: Das Gesetz ist auch von Rot verabschiedet worden!)

Die Aus-der-Wohnung-Verweisung richtet sich gegen die Gewalttäter. Endlich wird deren Verhalten sanktioniert und erfährt die gesellschaftliche Ächtung, die es verdient.

Bislang sind die Probleme leider häufig als Familienstreitigkeiten abgetan worden. Die Polizistinnen und Polizisten, die in eine solche Situation kamen, waren häufig sehr frustriert, weil dem Täter, nachdem sie eine sorgfältige Beweisaufnahme gemacht hatten, nichts passiert ist, aber die Situation für die Frauen immer und immer die gleiche blieb.

(Krumfuß [CDU]: Sehr richtig!)

Die Frauen haben deshalb mehrfach darauf verzichtet, überhaupt noch die Polizei zu holen, weil sie hinterher mit dem wütenden Täter allein in ihrer Wohnung waren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich finde es auch interessant, dass es keine verlässlichen Daten über die Anzahl der Delikte in diesem Bereich gibt. Deswegen haben wir in unserem Entschließungsantrag auch gefordert, dass diese spezifische Form der Gewalt endlich in der Polizeistatistik ausgewiesen wird. Wir sind deswegen gezwungen, die Zahl der Fälle, die HAIP für die Region Hannover 1999 festgestellt hat, quasi für Niedersachsen hochzurechnen. Wir kommen dann für Niedersachsen auf eine Zahl von 15 800 Fällen. Diese Anzahl macht wohl den Handlungsdruck, den wir in diesem Feld haben, deutlich.

Ich will noch einmal sagen: Der Handlungsdruck entsteht nicht allein dadurch, dass es jetzt diesen Bundesgesetzentwurf gibt; der Handlungsdruck war eigentlich schon die ganze Zeit über da. Wir haben ja im Dezember vergangenen Jahres einen Entschließungsantrag eingebracht. Frau Schliepack, nichts für ungut, insoweit werte ich Ihren Antrag dann eben als Änderungsantrag dazu. Unser Antrag setzt sich genau mit der Umsetzung dieses Bundesgesetzes auseinander und macht dazu sehr, sehr konkrete Vorschläge.

Wir schlagen vor, regionale Interventionsstrukturen aufzubauen. HAIP hier in Hannover, das ich sehr beeindruckend finde und das, wie ich meine,

wirklich gut funktioniert, sollte vorbildhaft auch für andere Regionen sein.

Wir haben dabei auf Erfahrungen zurückgegriffen, die in Schleswig-Holstein gesammelt worden sind. Schleswig-Holstein, ein Flächenland, etwas kleiner als Niedersachsen, arbeitet nach dem gleichen Prinzip, nämlich nach dem Prinzip, dass beteiligte staatliche und beteiligte nichtstaatliche Organisationen zugunsten der betroffenen Frauen zusammenarbeiten.

(Frau Schliepack [CDU]: Genau so ist es!)

Ich will noch einmal ausdrücklich auf Folgendes hinweisen: Wir gehen überhaupt nicht davon aus, dass jetzt massenhaft neue Organisationen geschaffen werden müssen. Es geht im Grunde darum, vernünftige Netzwerke zu schaffen und Bündelungen vorzunehmen. Es gibt in dem Bereich eigentlich schon viel in Niedersachsen. Gerade auch bei den nichtstaatlichen Organisationen ist in den letzten Jahren eine erhebliche Kompetenz aufgebaut worden.

Also: Wir brauchen dringend, und zwar subito, die Einrichtung dieser Interventionsstellen flächendeckend im Land.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir haben gesagt: Wir fangen einmal mit den vier Regierungsbezirken an. – Ich bin jetzt sehr gespannt darauf, was die Ministerin dazu sagen wird. Ich hoffe, dass wir dann auch endlich in die Ausschussberatung eintreten können. Unser Antrag liegt leider schon drei Monate auf der langen Bank - angesichts des Problems im Grunde irgendwie ein Drama. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin Dr. Trauernicht hat um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Opferschutz bedeutet in vielen Fällen Schutz für Frauen und für Kinder vor Männerge

walt. Meist ist es nicht irgendein fremder Mann, sondern der eigene Partner, der eigene Vater, der Frau und Kinder drangsaliert, bedroht, prügelt und misshandelt. Vor allem dort, wo sich Menschen sicher und geschützt fühlen, nämlich in der Familie, werden sie so Opfer von Drohungen, Misshandlungen und sogar Tötungsversuchen und Tötungen. Etwa jede vierte Frau erfährt in ihrem Leben Gewalt durch einen Lebenspartner, und nicht selten müssen Kinder mit ansehen, wie der Vater die Mutter schlägt, oder sind die Kinder selbst Betroffene. Der Begriff „häusliche Gewalt“, meine Damen und Herren, ist viel zu sanft für die brutale Gewalt, die hier ausgeübt wird.

(Zustimmung von Frau Litfin [GRÜ- NE])

Meine Damen und Herren, Profilierungsdebatten und Tagesordnungsdebatten finde ich bei diesem Thema höchst unerfreulich.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Hat es gar nicht gegeben!)

Dennoch: Ich bin froh darüber, dass in der letzten Zeit der Kampf gegen Männergewalt in der Familie eine neue politische Dynamik bekommen hat. Ein wichtiger Meilenstein in dieser Debatte ist der Entwurf des Gewaltschutzgesetzes der Bundesregierung, der am 8. März, dem Internationalen Frauentag, in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde. Über alle Parteigrenzen hinweg trifft dieser Entwurf auf Zustimmung. Das ist gut so; denn allzu lange ist das Thema „Gewalt gegen Frauen“ ein Thema von Frauenhäusern und Frauenpolitikerinnen gewesen.

(Frau Pawelski [CDU]: Nicht bei uns!)

Durch dieses Gesetz werden auch wieder andere gefordert, nämlich die Justiz und die Polizei, und der Blick richtet sich auch wieder stärker auf die Täter. Das Gewaltschutzgesetz wird es ermöglichen, dass misshandelnde Männer längerfristig der Wohnung verwiesen werden und dass zum Schutz der Frauen Bannmeilen eingerichtet werden. Zivilgerichtliche Schutzanordnungen werden es möglich machen. Wer schlägt, muss gehen – die Umsetzung einer alten Forderung der Frauenbewegung rückt endlich in erreichbare Nähe.

(Zustimmung bei der [SPD] und von Frau Körtner [CDU])

Erfahrungen in anderen Ländern mit ähnlichen zivilrechtlichen Regelungen, beispielsweise in den USA, zeigen, dass es mit diesem neuen Mittel gelingen kann, Frauen wirksam zu schützen. Studien belegen, dass eine Schutzanordnung und die damit verbundene Kontrolle gegenüber den Tätern die Gewalt in der Regel beendet. Ich hoffe deshalb sehr, dass die parlamentarischen Beratungen so zügig abgeschlossen werden können, dass das Gesetz zum 1. Januar 2002 in Kraft treten kann.

(Zustimmung von Frau Schliepack [CDU])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gewaltschutzgesetz braucht begleitende Maßnahmen auf Landesebene. Das ist der Landesregierung längst klar. Deshalb wurde auf Initiative des MFAS letztes Jahr eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe aus Justiz- und Innenbehörden sowie dem Landespräventionsrat gebildet. Die Polizei soll mit Platzverweisen und Ingewahrsamnahmen dafür sorgen, dass prügelnde Männer die Wohnung sofort verlassen müssen, gerade auch vor Erlass einer gerichtlichen Schutzanordnung. Inzwischen ist geklärt – es hat etwas gedauert -, dass es dazu keiner Gesetzesänderung bedarf, weil diese Instrumente bereits im Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz festgeschrieben sind.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Im Zu- sammenhang mit den Chaos-Tagen!)

In Arbeit sind deshalb jetzt Handlungsanweisungen, die die Anwendung polizeilicher Mittel gegen gewalttätige Männer auch sicherstellen; denn hier gibt es noch erheblichen Handlungsbedarf auf der praktischen Ebene. Natürlich findet inzwischen Aus- und Fortbildung bei der Polizei statt und wird – so ist mir versichert worden – ab diesem Jahr noch verstärkt.

Die Justiz muss sich nicht nur mit dem Gesetz vertraut machen, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren, sondern sie muss durch diverse organisatorische und andere Aktivitäten sicherstellen, dass das Gesetz nicht ins Leere läuft, dass die gerichtlichen Beschlüsse so zügig kommen, dass sie den Frauen auch wirklich nützen,

(Frau Schliepack [CDU]: So ist es!)

dass insgesamt eine neue Qualität in den Opferschutz für Frauen kommt und dass das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung und die Reaktion der Justiz im Einklang sind.

Meine Damen und Herren, ich habe großes Zutrauen zu unserem neuen Justizminister. Für ihn ist Opferschutz keine Worthülse, sondern Aufforderung zur Veränderung der Verhältnisse.

(Beifall bei der SPD)

Selbstverständlich wird sich Minister Pfeiffer etwas einfallen lassen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen und täterorientierte Arbeit zu machen. Dazu wird er selbst sprechen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung auf, für eine Vernetzung und Weiterbildung aller mit Gewalt befassten Beratungsstellen sowie der Justiz und Polizei Sorge zu tragen. Das aber ist doch längst angelaufen. In diversen Kommunen gibt es Interventionsprojekte, kriminalpräventive Räte, runde Tische und vieles andere mehr.

(Frau Pawelski [CDU]: Das ist doch etwas anderes! Das ist es doch gar nicht! – Weitere Zurufe)

- Natürlich, da gibt es noch viel zu tun. Deshalb wird mein Haus gemeinsam mit dem Landespräventionsrat im Sommer eine Veranstaltung durchführen, um den Ausbau, den Austausch und die Netzwerkbildung voranzutreiben. Jetzt wäre es sehr hilfreich - das ist wichtig, meine Damen und Herren -, wenn jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete vor Ort dafür Sorge tragen würde, dass es ein Netzwerk zum Kampf gegen Gewalt gibt.

(Beifall bei der SPD – Frau Schlie- pack [CDU]: Bei uns hat die SPD das abgelehnt!)

Als Ergänzung zu dem breiten Beratungs- und Hilfsangebot für Frauen wird auch zukünftig – da teile ich Ihre Einschätzung – manches unverzichtbar sein. So wird es nicht möglich sein, Frauenhäuser abzuschaffen. Frauenhäuser werden auch in Zukunft noch gebraucht werden.

(Frau Schliepack [CDU]: Richtig!)

Das Gleiche gilt für Mädchenschutzhäuser und vieles andere mehr. Es ist gar keine Frage: Diese Infrastruktur wird leider auch weiterhin gebraucht. Aber es sollen in Niedersachsen drei so genannte Interventionsstellen/Interventionsprojekte hinzukommen, die ich fördern werde. Das Innovative daran ist, dass die Beraterinnen aktiv auf die Frauen zugehen. Sie verbinden juristische Beratung über die Wege zu einer Schutzanordnung mit einer