Jetzt komme ich zum Verfahren. Wir haben im September einen natürlich klugen Antrag gestellt - wie immer -, auch mit der Erwartung, dass irgendjemand darüber reflektiert und sagt: Wir warten Anhörungen ab, wir nehmen den Rat der Fachleute auf. - Was ist aber wirklich in Berlin passiert? Das In-Kraft-Treten war auf den 1. Januar festgesetzt und ist für den einen Teilbereich mit Ausnahme der Branchentabellen auch umgesetzt worden. Aber auf der anderen Seite hat am 15. Januar in Berlin eine wichtige Anhörung mit
vielen Fachleuten und mit viel Fachkompetenz für diesen Bereich stattgefunden. Ich frage mich aber: Was soll das eigentlich? Das ist eigentlich eine Brüskierung, eine Farce, wenn man im Nachhinein, Mitte Januar, nachdem die Dinge beschlossen und verkündet worden sind, eine Anhörung macht. So ist das wohl auch bei den Fachleuten angekommen. So kann man das aber einfach nicht machen. Das war insofern vom Zeitablauf her eine Fehlentscheidung.
Jetzt komme ich zu den Inhalten. In der Anhörung - um nur einige Beispiele zu nennen - ist von Industrievertretern angeführt worden, welche Auswirkungen die veränderten Abschreibungsbedingungen auf Investitionen haben. Dabei hat der Vertreter der BASF gesagt, dass z. B. eine Investition in der Größenordnung von 165 Millionen DM nun zugunsten Belgiens umgesetzt worden ist. Als Beispiel ist bei der Anhörung auch angeführt worden, dass in Schweden und in den USA erheblich bessere Abschreibungsbedingungen bestehen als bei uns. Ich habe damals bei der Rede im Plenum gesagt: Wir können doch, wenn wir auf der einen Seite immer wieder von Steuerharmonisierung oder von Anpassung an internationale Konkurrenz und Wettbewerb reden, dies auf der anderen Seite nicht völlig außen vor lassen. Dies ist nach wie vor ein entscheidender Fehler!
Jetzt komme ich zu dem Punkt der Begrenzung auf 3,5 Milliarden DM. Das haben wir - das ist richtig - damals, im Oktober, infrage gestellt, und wir waren damit auch gut beraten; denn die spätere Diskussion, die auch in Berlin geführt worden und auch durch die Medien gegangen ist, zeigt das. Ich zitiere jetzt einmal einen Bericht aus der „Welt am Sonntag“ vom 4. Februar: „Führten Eichels Bürokraten den Minister hinters Licht?“ Darin ist im Detail, sogar von der SPD bestätigt, gesagt worden: Wenn das so läuft und umgesetzt wird, wie es beschlossen worden ist, dann sind es nicht 3,5 Milliarden DM, sondern dann wird die Belastung für die Wirtschaft etwa 8,5 Milliarden DM betragen. Wir waren damals also schon richtig aufgestellt, und der Korrekturbedarf war eindeutig. Die jetzige Abwicklung und die immer wiederkehrende Betonung, es dürften nicht mehr als 3,5 Milliarden DM werden, zeigen eigentlich im Klartext, dass unsere Sorge berechtigt war.
Dies war eine überproportionale Belastung für die Wirtschaft, für den Mittelstand, und insofern, meine ich, besteht hier nach wie vor Korrekturbedarf. Es ist ja eine obskure Situation: Mit Wirkung zum 1. Januar 2001 sind die neuen Tabellen in Kraft getreten, und jetzt verkündet man, für den Bereich der Branchentabellen wolle man erst mit Wirkung zum 1. Januar 2002 die letztendlichen Entscheidungen treffen.
In der Anhörung ist noch etwas anderes deutlich geworden, nämlich dass auch der Wechsel bei Abschreibungen hin zu Branchentabellen künftig eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Finanzgerichtsbarkeit und für die Steuerberater werden könnte. Dies kann nicht richtig sein; denn wir müssen wohl vielmehr zu Vereinfachungen kommen und nicht dazu, dass bei allen Steuerprüfungen sozusagen der Clinch zwischen dem Steuerprüfer und dem Steuerzahler vorprogrammiert ist. Das kann nicht unser Wunsch sein. Wir müssen das wesentlich einfacher als bisher gestalten.
Im Antrag der Grünen wird ein Punkt aufgeführt, der da lautet, dass noch in diesem Jahr ein Konzept vorgelegt werden soll, wie durch eine Änderung des Einkommensteuerrechts betriebswirtschaftliche Kriterien bei den Abschreibungsfristen künftig stärker berücksichtigt werden können. Das ist ein wichtiger Punkt, der auch in der Anhörung Mitte Januar deutlich geworden ist. Aber ich sage einmal: Wenn man bis heute noch nicht definiert und präzisiert hat, was „betriebswirtschaftlicher Werteverzehr“ denn ist - so lautet der Begriff nun einmal -, und das irgendwann einmal Grundlage der Bestimmung von Abschreibungsdauern werden soll - § 7 EStG -, dann, das muss ich ehrlich sagen, wäre man doch gut beraten gewesen, dies erst einmal zurückzustellen, in aller Ruhe zu überlegen und dann fachlich fundierte Entscheidungen zu treffen, die auch längerfristig sind. Was hier im Moment gemacht wird, ist eigentlich nur Makulatur oder vorprogrammierter Reparaturbedarf, und das kann nicht in Ordnung sein.
(Beifall bei der CDU - Wegner [SPD]: Besser als jahrzehntelanges Nichts- tun! - Gegenruf von Möllring [CDU]: Die Tabellen kommen doch von Ih- nen!)
Deshalb, meine Damen und Herren, äußere ich auch noch einmal die Bitte, dass das etwas präziser gemacht wird - und ohne die Hektik.
- Ich habe noch Zeit übrig, Herr Kollege Möhrmann. Wenn Sie mich reizen, dann gehe ich noch auf Ihre Bemerkung ein und schöpfe die Zeit voll aus.
Eines sei noch einmal gesagt: Es bleibt mir wirklich völlig unerklärlich, warum man nicht vereinfacht hat. Wir haben bei uns in der Bundesrepublik jetzt wieder Abschreibungstabellen. Wir haben differenzierte Aufstellungen. Von Passbildautomaten bis hin zu Toilettenkabinen und Toilettenwagen regeln wir mit deutscher Perfektion wieder alles. Das, meine Damen und Herren, hätten wir uns eigentlich wirklich ersparen können, und wir hätten nur einmal über den Tellerrand schauen müssen, um zu sehen, wie das in anderen Ländern praktiziert wird. Das hätte die Sache sicherlich erheblich vereinfacht. - Vielen Dank.
(Möllring [CDU]) : Erzählen Sie uns jetzt einmal, wie Sie das mit den 5 Milliarden DM der Wirtschaft erklären wollen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Langsam! - Ich freue mich ja schon, dass zumindest einige Teile Ihres Antrages, Herr Dinkla, revidiert worden sind, dass Sie also heute zumindest sagen, dass die AfA-Tabellen verändert werden mussten oder müssen. Zwischendurch gab es ja auch einmal andere Anträge, in denen es darum ging, alles beim Alten zu belassen.
Aber das, was Sie hier ausgeführt haben, stimmt im Grunde genommen in keiner Art und Weise mit dem vorliegenden Antrag überein, und über den haben wir letztendlich heute zu beraten und zu entscheiden.
Von daher hätten Sie, wenn Sie an bestimmten Punkten festhalten wollten, zumindest - so, wie die Grünen auch - den Antrag verändern müssen, um sich dem aktuellen Sachstand anzupassen.
(Möllring [CDU]: Das ist ja das Schlimme! Die müssen aber wieder geändert werden! - Rolfes [CDU]: Das ist uns aber nun bekannt!)
Der aktuelle Sachstand ist ebenfalls, dass der Antrag der FDP, Abschreibungstabellen nicht zu ändern, am 24. Januar im Finanzausschuss des Bundestages abgelehnt worden ist. Sachstand ist ferner, dass der Bundesrat am 9. März 2001 auch die Gesetzesanträge zur Änderung des § 7 Einkommensteuergesetz der Länder Bayern und Baden-Württemberg abgelehnt und entschieden hat,
Ich habe bereits gesagt, dass Ihr Antrag nicht mehr sehr aktuell ist. Das ist auch an dem Änderungsantrag der Grünen erkennbar.
(Möllring [CDU]: Wer hat den denn verschleppt? Das waren Sie doch! - Rolfes [CDU]: Das ist doch Formal- kram! Wann sagt Frau Stief-Kreihe etwas zur Sache?)
Eines möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, weil das immer gerne zur Seite geschoben wird: Die ganze Geschichte hat eine Entwicklung, und an dieser Entwicklung ist auch die CDU-Fraktion beteiligt gewesen; denn 1998 - ich meine, damals war noch Bundesfinanzminister Waigel am Ruder haben der Bund und die Länder übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass die AfA-Tabellen grundlegend zu überarbeiten seien.
Diese als rechtlich notwendig erachtete Verlängerung der Abschreibungsfristen wurde - auch das in Übereinstimmung - zudem ein fester Bestandteil der Gegenfinanzierung der Steuerentlastung, und zwar in der besagten Höhe von 3,5 Milliarden DM. So waren die Absprachen. Folgerichtig enthielt auch der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Umsetzung einer Steuerreform für Wachstum und Beschäftigung noch vor einem Jahr - am 14. März 2000 – diese Gegenfinanzierung über die Anpassung der AfA-Tabellen in Höhe von 3,5 Milliarden DM.
Die jetzige Bundesregierung hat wiederholt erklärt – ich weiß nicht, was Sie noch alles als Beleg haben wollen -, und dies auch schriftlich, dass dieser Betrag in Höhe von 3,5 Milliarden DM auch nach Überarbeitung der Branchentabellen nicht überschritten wird.
(Möllring [CDU]: Aber die Erklärung der Bundesregierung ist doch kein Beweis! Das ist doch eher das Ge- genteil! – Gegenruf von Wegner [SPD]: Aber besser als das, was Sie vorgelegt haben!)
Meine Damen und Herren, die noch vor einem Jahr von allen als rechtlich notwendig erachtete Überarbeitung der AfA-Tabellen ist dadurch zu einem Politikum geworden, dass die Gegner der Überarbeitung in, wie ich meine, heuchlerischer Art und Weise, ja in fast schon verantwortungsloser Weise Horrorszenarien herbeigeredet haben, die jeder Grundlage entbehren.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Genau so ist es! – Möllring [CDU]: Können Sie das näher be- gründen? Nur ein Beispiel!)
Zwischen dem BMF und den Wirtschaftsverbänden sind im Februar bei den Abstimmungsgesprächen, die sehr wohl stattgefunden haben – man mag sie vielleicht in Teilen als nicht zufrieden stellend bezeichnen, aber das ist immer so; wenn
man sich entgegenkommen muss, ist in der Regel keine Seite zufrieden, sondern man trifft sich irgendwo in der Mitte –, weitgehende Annäherungen bei den Berechnungsmethoden über die finanziellen Auswirkungen der AfA-Tabellen erreicht worden.
Der BDI musste von der – auch von Herrn Dinkla – genannten Phantomzahl Abschied nehmen. Die zunächst berechnete utopische Mehrbelastung in Höhe von mehr als 8 Milliarden DM - Herr Dinkla hat von 8,5 Milliarden DM gesprochen –
Intern hatte man sich sogar schon auf eine Mehrbelastung in Höhe von 2,3 Milliarden DM bis 2,5 Milliarden DM im Entstehungsjahr geeinigt.
Dieses Beispiel zeigt, dass es beim Thema AfATabellen nur vordergründig um eine sachliche Auseinandersetzung ging.
Inzwischen besteht ebenfalls Einigkeit darüber, dass die Branchentabellen in wesentlich geringerem Umfang anpassungsbedürftig sind als die allgemeine Tabelle. Es wird bei den Branchentabellen keinesfalls die gleichen Zuwachsraten geben. Auch hier haben die Vertreter der Wirtschaftsverbände gezielt Verunsicherung geschaffen.