Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drucksache 2140 zustimmen möchte, so wie es der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen in der Drucksache 2232 empfiehlt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.
Damit ist die Tagesordnung für heute Vormittag erledigt. Wir sehen uns um 14.30 Uhr wieder. Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause.
Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung Drs. 14/2205
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es mir zustünde, würde ich natürlich sagen: Dass bei einem so wichtigen Thema kaum jemand anwesend ist, ist fast schon eine Katastrophe.
Meine Damen und Herren, mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf soll im Wesentlichen die Richtlinie des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, die so genannte Seveso-IIRichtlinie, bezogen auf die Erstellung der externen Notfallpläne im Katastrophenschutzrecht des Landes umgesetzt werden.
Diese Richtlinie verpflichtet die Betreiber von Betrieben mit besonderem Gefahrenpotential und die zuständigen Katastrophenschutzbehörden, also die Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Städte Cuxhaven und Hildesheim, Notfallpläne zu erstellen. Ferner ist beabsichtigt, im Hinblick auf den im Jahre 1994 in die Niedersächsische Verfassung übernommenen Staatsgrundsatz des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen sowie auf die eindeutig umweltbezogene Vorgabe der Seveso-IIRichtlinie die Umwelt als Schutzgut des Katastrophenschutzes in das Gesetz aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz etwas zu den Schwerpunkten der vorgesehenen Änderungen sagen:
Grundlage der Seveso-II-Richtlinie ist eine Analyse der in der Union gemeldeten schweren Unfälle, wonach in den meisten Fällen Managementfehler und organisatorische Mängel die Ursache waren. Folglich geht es um die Verbesserung der Auswahl, Schulung und Überwachung von Mitarbeitern, der Bedienungssicherheit von Anlagen und der Arbeitsabläufe im Produktionsprozess, die aller Erfahrung nach regelmäßig größeren Sicherheitsgewinn bringen als zusätzliche technische Maßnahmen.
Die Umsetzung der Richtlinie erforderte zunächst insbesondere eine Neuausrichtung des deutschen Störfallrechts. Diese Neuausrichtung findet sich im Wesentlichen in der seit dem 20. April 2000 novellierten Störfallverordnung des Bundes. Strukturelle Unterschiede zwischen der alten Störfallverordnung von 1991 und der Seveso-II-Richtlinie hatten dazu geführt, dass die Richtlinie auf Bundesebene erst mit erheblicher Verspätung in deutsches Recht umgesetzt werden konnte. Durch eine gewisse Abhängigkeit von der tatsächlichen Umsetzung im Störfallrecht des Bundes, nämlich der Bestimmung der betroffenen Betriebe, konnte auch die landesrechtliche Regelung zur Erstellung externer Notfallpläne nur verspätet erfolgen.
Neben der erforderlichen Aufstellung eines Katastrophenschutzplanes sieht das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz auch bisher schon die Erstellung von Sonderplänen für besondere Gefahrenlagen vor. Es gibt bisher allerdings keine gesetzlichen Vorgaben dafür, in welchen Fällen separate Pläne notwendig sind. In der Vergangenheit haben die Landkreise und kreisfreien Städte selbst entschieden, für welche Betriebe eine spezielle Planung durchgeführt wird. Insgesamt bestehen danach in Niedersachsen derzeit 29 Sonderpläne. Mit der Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie werden erstmals die Betriebe konkret bestimmt, für die eine Planung nach einem besonderen Verfahren erforderlich ist. Damit soll im Bereich der Sonderplanung ein einheitlicher Standard erreicht werden, der bisher nach nationalem Recht nicht vorgesehen war.
Meine Damen und Herren, in Niedersachsen bestehen derzeit 94 Betriebe, die den Katastrophenschutzbehörden die für die Erstellung der externen Notfallpläne erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen müssen. Hierbei handelt es sich um Betriebe, die aufgrund der Art oder des Umfangs der in der Seveso-II-Richtlinie genannten gefährlichen Stoffe einen Sicherheitsbericht und einen
internen Notfallplan vorlegen müssen. Besonders häufig werden in den so genannten Störfallbetrieben in Niedersachsen Pflanzenschutzmittel und Flüssiggas verarbeitet oder gelagert. Darüber hinaus existieren Betriebe, die z. B. bestimmte Mengen von Chlor, Arsen oder Uran verwenden. Aber auch Erdgasspeicher sind dem Kreis dieser Betriebe zuzurechnen.
Bei den externen Notfallplänen, die künftig von den Katastrophenschutzbehörden zu erarbeiten sind, geht es vor allem darum, den Einsatz externer Rettungskräfte auf die spezifischen Gefahrensituationen des Betriebsbereichs abzustellen. Damit wird sichergestellt, dass die Zahl und die Qualifikation der Einsatzkräfte sowie der Umfang und die Art der Einsatzmittel auf die besonderen Anforderungen des Gefahrenpotentials zugeschnitten werden können.
Meine Damen und Herren, als wesentliche Beispiele für die Änderungen aufgrund der Seveso-IIRichtlinie möchte ich nennen: erstens die Erstellung externer Notfallpläne durch die Katastrophenschutzbehörden aufgrund von bestimmten Unterlagen der so genannten Störfallbetriebe, bei denen gefährliche Stoffe bestimmter Arten oder Mengen vorhanden sind, zweitens die Festlegung der Inhalte der externen Notfallpläne, drittens die Regelungen zur Anhörung der Öffentlichkeit, viertens die Überprüfung, Erprobung und Überarbeitung der externen Notfallpläne in angemessenen Abständen, spätestens nach drei Jahren, und die Weitergabe von Informationen an Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Falle von grenzüberschreitenden Wirkungen der Betriebe. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass sich der Sicherheitsstandard in Betrieben mit gefährlichen Anlagen, wie sie in der EG-Richtlinie aufgeführt sind, erheblich erhöhen wird.
Gleichzeitig sind die Katastrophenschutzbehörden und die übrigen Behörden der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr durch die Sonderpläne in der Lage, einen Schadensfall gezielter zu bekämpfen, um Personen-, Umwelt- und Sachschäden zu verhindern oder zu begrenzen. Ich darf als Beispiel an einen schweren Unfall erinnern, der an der holländischen Grenze stattfand, bei dem bereits eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit durchgeführt wurde.
Meine Damen und Herren, ich erhoffe mir eine zügige Beratung des Gesetzentwurfs, da die Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie, also die Erstel
lung der externen Notfallpläne durch die Katastrophenschutzbehörden aufgrund der Vorgaben der Europäischen Union, umgehend erfolgen soll. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf – er soll die so genannte Seveso-IIRichtlinie in deutsches Recht umsetzen – um eine staubtrockene Angelegenheit, aber eben nur auf den ersten Blick. Nach Einstieg in die Regelungen besteht für meine Fraktion Beratungs- und Klärungsbedarf in folgenden Punkten:
Die neuen Aufgaben, die auf die Katastrophenschutzbehörden übertragen werden sollen, sind mit dem vorhandenen Personal in den Katastrophenschutzbehörden auf Kreisebene nicht zu leisten. Die Führungsstrukturen im Katastrophenfall sind nicht genau geregelt. Ebenfalls fehlt eine verbindliche Festlegung zur Aufbau- und Ablauforganisation im Katastrophenfall. Gerade im Katastrophenschutzbereich ist eine landesweit einheitlich festgeschriebene Regelung wichtig. Deshalb hat meine Fraktion Bedenken gegen die Ersetzung der Aufgabenzuweisung an den Hauptverwaltungsbeamten durch allgemeine Zuständigkeitsregelungen. In der Vergangenheit hat sich die Aufgabenzuweisung voll bewährt; sie ist beizubehalten.
Bei den Bezirksregierungen und staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern liegen bereits die entsprechenden Sicherheitsanalysen der einzelnen Betriebe vor. Eine zusätzliche Hinterlegung bei weiteren Behörden bringt den Betrieben nur zusätzliche Kosten. Zu hinterfragen ist auch, ob die anfallenden Kosten für die einzelnen Betriebe nicht durch bessere Abstimmung zwischen den Behörden und Optimierung der Abläufe erheblich gesenkt werden könnten. Kritisch anzumerken bei diesem Gesetzentwurf ist die Tatsache, dass bei der Kostenabschätzung die Kommunen im Lande wieder die Leidtragenden sind. In der Begründung des Gesetzentwurf heißt es lapidar:
Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen, z. B. der Niedersächsische Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund, sehen dies aber ganz anders. In einer Stellungnahme des Niedersächsischen Landkreistages heißt es:
„Gegen die Umsetzung der Seveso-IIRichtlinie haben wir keine Bedenken. Wir müssen jedoch darauf aufmerksam machen, dass die neue Aufgabe mit dem vorhandenen Personal bei den Katastrophenschutzbehörden nicht zu leisten ist. Insoweit ist die entgegengesetzte Aussage in der Finanzfolgenabschätzung unzutreffend. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung, eine zusätzliche Bereitstellung von Zuweisungen für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises sei nicht erforderlich, ist daher nicht haltbar. Bei den in Rede stehenden Kosten handelt es sich auch um eine durchaus relevante Größenordnung. Denn die ermittelten Kosten von 1,1 Millionen DM machen rund 13 % der in dem endgültigen Schlussbericht zur Ermittlung der Kosten und Einnahmen der Kommunen für die Wahrnehmung des übertragenen Wirkungskreises und die Bemessung der Zuweisung ab 1999 ermittelten Kosten aus. Im Übrigen haben wir erhebliche Zweifel, ob die Finanzfolgenabschätzung im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung den Kriterien genügt, die der Staatsgerichtshof in seinen Entscheidungen zur Eindämmung der Kosten für die Erledigung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises aufgestellt hat. Sie hält die Aufgabenwahrnehmung mit dem vorhandenen Personal im Hinblick auf die seit Jahren zurückgehenden Aufgaben im Zivilschutz und die mögliche Verlagerung von Schwerpunkten im Bereich der sonstigen Aufgaben des Katastrophenschutzes für denkbar. Diese Aussagen sind weder belegt noch qualifiziert. Zudem ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Finanzfolgenabschätzung auf den vorläufigen und nicht auf den endgül
Ich meine, dass sind klare Kernaussagen. Um es volkstümlicher auszudrücken: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. - Aber davon ist die Landesregierung bei diesem Gesetzentwurf noch weit entfernt. Sie verfährt nach wie vor nach dem Motto: Wir machen Gesetze und entlasten uns auf Kosten der Kommunen. - Deshalb unsere eindeutige Botschaft: Wenn es dazu kommt, dass dieses Gesetz in Niedersachsen in Kraft tritt, dann müssen die Kommunen finanziell durch das Land entlastet werden.
Gestatten Sie mir noch eine allgemeine Anmerkung. Wir werden uns in diesem Hause noch sehr ernsthaft über den Katastrophenschutz im Lande Niedersachsen, abgesehen von diesem Gesetzentwurf, unterhalten müssen. Denn aufgrund des Abzugs der Bundeswehr aus ganzen Landstrichen in Niedersachsen - ich denke an Gerätedepots, Panzerbataillone, Fernmeldewesen, Logistikstäbe, Transportbataillone, Pionierkompanien - sieht meine Fraktion erheblichen Klärungs- und Handlungsbedarf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde es mir hier auch gerne so einfach machen wie mein Kollege Coenen von der CDU und einfach die Stellungnahme der Umweltverbände zu diesem Gesetzentwurf verlesen. Ich musste aber leider feststellen, dass die Umweltverbände gar nicht angehört worden sind, sodass ich auf dieses Mittel nicht zurückgreifen kann.
Meine Damen und Herren, ich finde, das Verfahren in Niedersachsen ist ein Negativbeispiel dafür, wie wir mit der Parlamentsreform umgehen sollten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Land Schleswig-Holstein verweisen, das das Katastrophenschutzgesetz bereits verabschiedet hat, und zwar einstimmig und ohne Aussprache im Plenum.
Ich meine, Katastrophenschutz ist eine politische Selbstverständlichkeit, die, wenn sie im Vorfeld richtig organisiert würde, ohne große politische Auseinandersetzung über die Bühne gehen könnte. Ich verstehe nicht, warum sich das Innenministerium diese ungeheure Arbeit gemacht hat. Ein Blick ins Internet hätte eigentlich ausgereicht. Ich habe mir das Katastrophenschutzgesetz aus SchleswigHolstein ausdrucken lassen, das nicht nur eine hervorragende Umsetzung der Seveso-IIRichtlinie, sondern auch ein Stück Modernität beinhaltet. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, warum das Innenministerium nicht einfach dieses Gesetz übernehmen und lediglich SchleswigHolstein durch Niedersachsen ersetzen sollte. Da dieses im Vorfeld zwischen der chemischen Industrie, den kommunalen Spitzenverbänden, den Umweltverbänden und den politischen Parteien übereinstimmend geregelt worden ist, was eine vernünftige Vorgehensweise ist, gab es diese Auseinandersetzung, die wir jetzt quälend in Niedersachsen mit Änderungsanträgen haben werden, dort nicht.
Ich möchte Ihnen nun die Punkte nennen, die wir in dieses Verfahren inhaltlich einbringen werden. Meine Damen und Herren von der SPD, elektronische Demokratie ist nicht etwas, was man sich auf Messen ansieht und dann, nachdem ein Bild in den Medien gezeigt wurde, wieder nach Hause geht. Elektronische Demokratie ist etwas, was man in der realen Politik umsetzt. Unsere Forderung ist, dass die Katastrophenschutzpläne, und zwar auch die externen Notfallpläne, ins Internet gestellt werden, dass es hier ein transparentes Verfahren gibt, dass die Geheimhaltung aufgegeben wird, dass die Bürgerinnen und Bürger erstens informiert werden, wo Seveso-II-Betriebe in ihrer Umgebung sind, und zweitens Anregungen geben können, wie mit dem Thema Katastrophenschutz umgegangen werden sollte.
Ich bedauere es auch, dass die Landesregierung nicht die Gelegenheit genutzt hat - SchleswigHolstein hat dies gemacht -, auch die öffentlichen Pläne mit in dieses Katastrophenschutzgesetz hineinzunehmen. Wir alle wissen, dass es auch im öffentlichen Bereich, z. B. auf dem Gebiet der Forschung, der Biotechnik und der Atomtechnik, so etwas wie Seveso-II-Betriebe gibt.
Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass wenigstens der Ausschuss für Umweltfragen mitberatend beteiligt wird. Ich hoffe, in diesem Ausschuss wird die Anhörung der Umweltverbände nachgeholt.
Wir werden im Ausschuss für innere Verwaltung drei Punke in das Gesetzgebungsverfahren einbringen: Erstens. Wir wollen Transparenz. Zweitens. Wir wollen gerade für diesen Bereich die Nutzung des Internets. Drittens. Wir werden den Gesetzentwurf aus Schleswig-Holstein übernehmen, der dort einstimmig verabschiedet worden ist, und ihn als Gegenentwurf einbringen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Coenen hat in seinem Eingangsstatement gesagt, dass er sich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes sehr intensiv durchgelesen habe und der Meinung sei, dass es auf den ersten Blick eine knochentrockene Sache sei. Das kann ich nur bestätigen. Ich habe mir das intensiv zu Gemüte geführt, habe aufmerksam den Ausführungen des Herrn Ministers gelauscht und festgestellt, dass ich dem vonseiten der SPD-Fraktion nur wenig hinzuzufügen habe. Ich kann das Gesagte nur nachdrücklich unterstreichen.
Ich hätte mir natürlich auch, wenn ich in der Opposition wäre, Herr Coenen, die Stellungnahme des Landkreistages zu eigen machen und sie hier vortragen können. Das hätte dann so ausgesehen, als wenn ich substantiell etwas dazu sagen könnte. Das wollte ich aber nicht. Wir werden dem Gesetzentwurf im Wesentlichen zustimmen. Frau Stokar von Neuforn hat hier einige interessante Anregungen gegeben. Wir werden sicherlich die beiden Gesetzentwürfe miteinander vergleichen können.