Wenn Sie so genau wissen, für was diese Abkürzungen stehen, dann bitte ich Sie, zu erläutern, was SPUDOK für die Menschen im Landkreis Lüchow-Dannenberg bedeutet hat und welche Probleme es für die Menschen gegeben hat, die in eine solche Fahndung geraten sind?
Ich möchte es kurz machen, damit Sie es wissen. SPUDOK ist ein Teil der Rasterfahndung, und die Rasterfahndung ist 1982, als die Menschen vor dem Linksradikalismus, den Terroristen und den Autonomen Angst gehabt haben, vom damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes erfunden worden. Dort hat man z. B. gesagt - -
- Lassen Sie mich doch ausreden. Sie wollten doch, dass ich Ihnen das erkläre. Sie müssen zuhören, damit Sie etwas lernen können und damit Sie wissen, dass dies auch im Wendland angewendet wird. Ich merke aber, Sie wollen es gar nicht erklärt haben. Vielleicht versuche ich gleich, es Ihnen beim Kaffee zu erklären.
Frau Stokar von Neuforn, Sie verwechseln das. Herr Sehrt hat das Wort, und nicht Sie. Sie haben Ihre Zeit um mehr als drei Minuten überschritten. Jetzt hat Herr Sehrt das Wort.
Ich wollte es gerade den Damen erklären, aber sie sind ja nicht aufnahmefähig für Dinge, die den Staat betreffen.
- Frau Kollegin Merk, ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Frau Harms fragt mich, was eine SPUDOKDatei ist. Ich will die Frage beantworten, woraufhin sie sagt, dass sie das gar nicht hören möchte. Dann frage ich mich natürlich, ob es Sinn macht, eine Zwischenfrage zuzulassen.
Ich möchte nun fortfahren. 1982, als diese Dateien erstellt wurden, gab es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Anschließend wurde der Frage nachgegangen, ob die SPUDOK-Datei, die in Niedersachsen eingerichtet worden war, insbesondere in Göttingen, rechtlich zulässig ist. Sie wissen genau, Frau Stokar von Neuforn - das ist mehrfach bestätigt worden; Sie haben im Ausschuss zugegeben, dass Sie es wissen -, dass 1983 diese SPUDOK-Datei gelöscht worden ist. Das ist nachweisbar.
sen, als nämlich aus der autonomen Göttinger Szene erklärt worden ist, dass der Anschlag auf das Göttinger Arbeitsamt von ihr verübt worden ist. Dort haben Personen in Lebensgefahr geschwebt, und es ist ein riesiger Sachschaden für den Staat entstanden. Das ist vielleicht für Sie lustig. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde das traurig.
Wenn sich Leute aus der autonomen Szene dazu bekennen und sogar noch den Hinweis geben, dass sie im Jahre 1980 an dem Anschlag auf die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg beteiligt waren, dann ist es die Pflicht und Schuldigkeit der Polizei, entsprechende Dateien aufzustellen, um zu prüfen, wer in der autonomen Szene tätig ist und wer möglicherweise in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit dem Arbeitsamt oder mit der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg gehabt hat. Dafür hat das LKA - das wissen Sie auch - eine Sonderkommission aufgestellt. Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat angeordnet, dass solche Abgleiche erfolgen können. Durch eine richterliche Anordnung ist das erfolgt! Sie wissen genauso gut wie ich, dass das alles rechtlich in Ordnung ist.
Dieses war und ist immer wieder Gegenstand Ihrer Diskussionen. Die Landesregierung hat immer wieder Ihre Großen Anfragen beantwortet, zwar nicht zu Ihrer Zufriedenheit, aber es ist deutlich geworden, dass rechtlich alles zulässig war.
Wir unterstützen das Votum unserer Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, Ihren Antrag für erledigt zu erklären, weil es überhaupt nichts gibt, was Sie dort hineingeheimnissen, sondern der Staat hat hier rechtens gehandelt. Es ist richtig, dass der Staat bei bestimmten Gewaltanwendungen notwendige Abgleiche vornehmen muss. Sie fordern beim Thema Rechtsradikalismus, dass die Polizei entsprechende Abgleiche macht. Das Gleiche muss auch für den Linksradikalismus gelten. Deswegen erklären wir Ihren Antrag für erledigt. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Stokar von Neuforn, ich habe auch demonstriert, und zwar gegen Pläne des heutigen Bundespräsidenten. Der war damals Wissenschaftsminister in
Nordrhein-Westfalen und machte seltsame Prüfungsordnungen. Das waren aber sehr harmlose Demonstrationen.
- Machen Sie das ruhig, Herr Kollege. - Meine Damen und Herren, der Sachverhalt, der zu dem Entschließungsantrag führte, ist mehrfach ausführlich erörtert worden, und zwar von mir bereits in der 31. Plenarsitzung im Juli 1999. Damals wie heute gilt: Die Landesregierung hat die Entstehung einer angeblichen Göttinger Verdächtigtenliste aufgeklärt, und zwar lückenlos. Überprüfungen der Dateien-, Akten- und Videobestände der Staatsschutzdienststellen im Landeskriminalamt und bei der Polizeiinspektion Göttingen haben gezeigt: Die SPUDOK-Datei Nr. 74 ist im Jahre 1983 gelöscht worden. Eine Rekonstruktion der darin enthaltenen Daten war und ist nicht mehr möglich. Auch die angebliche Existenz von Listen in Papierform hat sich als falsch erwiesen. Es sind definitiv keine Listen vorhanden.
„Nach intensiven Erörterungen vor Ort besteht für mich kein Grund, an der Darstellung des Landeskriminalamtes zu zweifeln, nach der es eine solche Liste nicht gegeben hat, und dass ermittelnde Beamte eine solche Liste auch nicht für die Erstellung der 105er-Liste benutzt haben.“
Meine Damen und Herren! Die so genannte 105erListe ist durch kriminalistische Auswertung von Akten, also Ermittlungsakten, Kriminal- und Sachakten, sowie durch kriminalistischkriminologischen Sachverstand manuell erstellt worden. Diese im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft erstellte und vom Bundesgerichtshof bestätigte Liste wurde auf der Grundlage der Beschlüsse des BGH ganz bewusst nur an das Arbeitsamt Göttingen übermittelt, um eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der auf dieser Liste angeführten Personen zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung zählt für mich zu den wichtigsten Entscheidungen des Gerichts. Dem
Schutz personenbezogener Daten vor missbräuchlicher Verwendung wird seitdem zu Recht ein hoher Stellenwert eingeräumt. Gerade deshalb stelle ich ausdrücklich fest, dass die zum Brandanschlag in Göttingen ermittelnden Polizeibeamtinnen und -beamten sehr verantwortungsbewusst und im Sinne des Bundesverfassungsgerichts mit den rechtmäßig erhobenen Daten umgegangen sind. Durch den Verzicht auf melderechtliche Abgleichoder sonstige Überprüfungsverfahren haben sie gerade die Kenntnisnahme anderer Stellen über die Nutzung dieser personenbezogenen Daten in einem Ermittlungsverfahren eingegrenzt. Deshalb hat es auch nicht die Polizei zu verantworten, dass in der hier zum Anlass des Entschließungsantrages genommenen Angelegenheit einzelne personenbezogene Daten in die Öffentlichkeit gelangt und in den Medien noch weiter gestreut worden sind. Dies haben andere zu vertreten.
Die gerade von Ihnen, Frau Stokar, vertretene Auffassung, dass es zu einer Verdächtigtenliste gar nicht erst hätte kommen dürfen, da die Zuspeicherung von Daten Dritter in Kriminal- und Sachakten unzulässig sei bzw. diese einer zeitlich kurz bemessenen Überprüfungs- und Löschungspflicht unterliegen müssten, kann ich nicht teilen. Diese grundsätzliche Frage ist auch heute anlässlich des Entschließungsantrages nicht zu erörtern. Dazu werden wir im Rahmen der Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten ausreichend Gelegenheit haben.
Ich will mich daher hier nur auf einige wenige in diesem Zusammenhang dann aber doch notwendige Anmerkungen beschränken.
Zugespeicherte Daten Dritter in Kriminal- und Sachakten sind nicht individuell recherchierbar. Konkret auf eine Person bezogene Suchanfragen in einem polizeilichen Informationssystem führen folglich zu keinem Ergebnis, es sei denn, es wird über die betreffende Person selbst eine Kriminalakte geführt. Kriminalakten sind jedoch für die Ermittlungsarbeit der Polizei von grundlegender Bedeutung. Sie sollen Hinweise zur Vorbereitung auf die Abwehr künftiger Gefahren, insbesondere für die Verfolgung und Verhütung von Straftaten geben können. Dabei zeigt die Erfahrung, dass gerade im Bereich des Staatsschutzes die Datenaktualität eine untergeordnete Rolle spielt und auch in anderen Deliktsbereichen - ich erinnere nur an den Fall der kleinen Kim Kerkow - das Vorhalten auch von älteren Informationen für eine effektive Strafverfolgung unabdingbar ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht, dass Straftaten nicht aufgeklärt werden können, nur weil Kriminalakten kein umfassendes Bild mehr über die Gesamtpersönlichkeit eines Straftäters, seines Umfeldes und seiner sozialen Kontaktpersonen zeichnen, die natürlich nicht selber als Verdächtige vernommen werden, jedoch im Rahmen ihrer Befragung der Polizei gerade die entscheidenden Hinweise für den zielbringenden Ermittlungsansatz geben können. Wir wollen nicht, dass die Ermittlungsarbeit der Polizei behindert wird, weil Kriminalakten Lücken aufweisen und Zusammenhänge auseinandergerissen und nicht mehr erkennbar sind, nur weil aus der isolierten Betrachtung heraus die Zuspeicherung persönlicher Daten aus Datenschutzgründen als nicht mehr erforderlich angesehen wird.
Meine Damen und Herren, ich bin mir bewusst, dass sich die Polizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung oftmals auf einer Gratwanderung befindet. Aber im Spannungsverhältnis zum Datenschutz gilt es hier abzuwägen zwischen der aus meiner Sicht eher geringen Eingriffstiefe bei der Zuspeicherung von Daten Dritter in Kriminal- und Sachakten und den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Polizei, ihnen Schutz und Sicherheit zu gewähren. Diese Erwartungen wird die niedersächsische Polizei auch in Zukunft erfüllen!
Die polizeiliche Ermittlungsarbeit wird auch weiterhin effektiv und effizient sein und alle rechtmäßig erhobenen Erkenntnisse und Informationen zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nutzen.
Einer Rehabilitierung dieses Personenkreises - Frau Wörmer-Zimmermann hat darauf schon hingewiesen -, also wörtlich einer Wiederherstellung des sozialen Ansehens, der Wiedereinsetzung in frühere Ehrenrechte, bedarf es nicht, setzt sie doch eine entsprechende Beschädigung des Ansehens voraus. Dies ist hier - zumindest durch die Polizei - zweifellos nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, der Innenausschuss hat sich in drei Sitzungen mit dem Entschließungsantrag intensiv befasst und empfohlen, ihn für erledigt zu erklären. Das findet meine volle Unterstützung.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Stokar bis zu zwei Minuten zusätzliche Redezeit. Bitte sehr!
Es hat in der langen Auseinandersetzung im Innenausschuss keine Übereinstimmung zwischen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Innenministerium gegeben. Hier stehen zwei Berichte im Raum. Die Situation - zum einen die Beanstandungen seitens des Datenschutzes und zum anderen die Verteidigung der Praxis der Staatsschutzabteilung durch das Innenministerium - konnte auch in Gesprächen zwischen dem Innenministerium und dem Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht geklärt werden.
Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Straftäter. Die 105 Göttinger Personen haben nie in ihrem Leben eine Straftat begangen. Es gibt keine Ermittlungsverfahren gegen diese Personen. Diese Personen sind „Beiordnungen Dritter“, wie das so schön heißt. Ihre Daten sind in eine Kriminalakte gelangt, weil sie in den 80er-Jahren an einer Demonstration in Göttingen teilgenommen haben. Sie haben dort nichts anderes getan als zu demonstrieren. Über 20 Jahre später werden aus dieser alten Akte, obwohl es keine Datenspeicherung zu diesen Personen gibt, willkürlich Namen herausgeschrieben, und dann steht über dieser Liste „mögliche Tatverdächtige im Zusammenhang mit einem terroristischen Anschlag“.
Dass diese Personen, die nie Straftäter gewesen sind, hierüber empört sind, kann ich nachvollziehen.
Es geht schlicht und ergreifend um die Frage, ob für den Staatsschutz Löschungsvorschriften oder die Niedersächsische Aktenverordnung, die eine dreißigjährige Aufbewahrung vorsieht, wie das Innenministerium sagt, gelten. Der Fall von Kim Kerkow zeigt genau das Gegenteil. In diesem Fall konnte nicht auf Informationen zurückgegriffen werden, weil für Straftäter und auch für Sexual
straftäter in einem Rechtsstaat Löschungsvorschriften gelten. Jedoch für Personen, die politisch aktiv gewesen sind, die aber nie Straftaten begangen haben, gelten offensichtlich keine Löschungsvorschriften.