Protocol of the Session on January 25, 2001

Gleichwohl wird natürlich ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Ich halte das für legitim, und ich glaube, dass auch ich als Oppositionsabgeordneter im Kieler Landtag eine ganze Reihe von Fragen gehabt hätte. In der Tat ist es nicht üblich, dass ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen Untreue noch vor der Durchsuchung seines Büros den Stand der Ermittlungen aus einem Vermerk erfährt. Ich meine schon, dass man insoweit einige Fragen stellen kann.

Diese Fragen sind im Kieler Landtag am 15. November ausführlich diskutiert worden. Der Ausschuss wurde eingesetzt. Die so genannte Schlüsselfigur, wie sich Herr Wulff ausgedrückt hat, wurde dabei namentlich nicht einmal genannt - übrigens auch nicht von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Kayenburg, der die entsprechende Rede im Plenum gehalten hat. Der hat aber einen Tag vorher, am 14. November, eine Pressemittei

lung herausgegeben, die ich Ihnen gerne vorlesen möchte:

„Martin Kayenburg: Heide Simonis laufen die Leute weg

So kommentiert der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg, den Wechsel des bisherigen stellvertretenden Chefs der Staatskanzlei, Göttrik Wewer, als Staatssekretär nach Niedersachsen. Nach dem Fortgang von fünf Ministern unmittelbar nach der Landtagswahl und dem Wechsel von Staatssekretär Alt zur Bundesanstalt für Arbeit geht nun einer der engsten Mitarbeiter von Frau Simonis selbst, stellte Kayenburg fest. Dies lasse die Feststellung zu, dass es offensichtlich kein Zuckerschlecken sei, im unmittelbaren Umfeld von Frau Simonis zu arbeiten.

Zu seiner Berufung zum Staatssekretär gratuliere die CDU-Fraktion Göttrik Wewer jedenfalls sehr herzlich.“

(Starker Beifall und Lachen bei der SPD)

So weit, meine Damen und Herren, der Kommentar Ihres Kieler Kollegen zum Abgang dieser Schlüsselfigur Wewer von der landespolitischen Bühne in Kiel.

Herr Wulff und Herr Busemann, ich schlage vor, dass wir erst einmal abwarten, was der Untersuchungsausschuss bringt. Wir treffen insoweit kein vorschnelles Urteil. Ich bin sicher, dass ihre Kollegen in Kiel gründlich und tüchtig arbeiten werden. Dann werden wir deren Ergebnis bewerten. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Arbeit dieses Staatssekretärs und dieser Ministerin inhaltlich zu beurteilen und zu bewerten.

Meine Damen und Herren, deswegen habe ich auch erhebliche Probleme mit dem Politikstil, den Herr Wulff und Herr Busemann und die CDU insgesamt in diesen Tagen zelebrieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Angriff auf Personen und der grobe Keil, der hier immer wieder hervorgeholt wird, haben im

Augenblick Hochkonjunktur, und das, Herr Wulff, schadet in der politischen Auseinandersetzung. Sie haben mit Ihrem Kanzlerplakat ein Eigentor geschossen. Sie haben die Gräben der 70er-Jahre wieder aufgerissen, indem Sie die Auseinandersetzung um Joschka Fischer und seine Biografie führen,

(Lachen bei der CDU - Rolfes [CDU]: Ach du lieber Gott!)

Sie haben aus Gründen, die für mich überhaupt nicht nachvollziehbar sind, Herrn Trittin wegen eines Aufrufes, den er nicht verfasst hat und den er sich nicht zueigen macht, als Schande für Deutschland bezeichnet, und Sie führen auch hier einen Stil vor, der zunächst Personen persönlich verletzt und ihnen Dinge unterstellt, die von der Sachlage bisher überhaupt nicht gedeckt sind. Herr Wulff, Sie haben im Fall Trittin auch politischen Schaden angerichtet, denn das, was da an zarten schwarz-grünen Pflanzen keimte, können Sie bei einem solchen Politikstil allemal vergessen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Meinhold [SPD]: Das war klasse!)

Das Wort hat der Kollege Wulff.

(Buß [SPD]: „Entschuldigung“ heißt das!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für uns ist es hoch interessant, mit welchen Möglichkeiten hier versucht wird, vom eigentlichen Sachverhalt abzulenken.

(Lachen bei der SPD - Möhrmann [SPD]: Machen Sie es wenigstens so wie Herr Meyer! - Plaue [SPD]: Stel- len Sie sich nicht vor Plakate! Sie könnten von ihnen erschlagen wer- den!)

Dass sich Ministerinnen zu solch einem Stil herabgelassen und an dem eigentlichen Thema - -

(Zurufe von der SPD)

- Da es zu Ihrem Stil der Personalpolitik passt, kann ich Ihre Aufregung verstehen. Trotzdem werden Sie verstehen, dass wir uns auf die Perso

nen konzentrieren, die hier in unserem Landesdienst entscheidende Verantwortung tragen, die Urkunden für die Ernennung von Schulleitern unterzeichnen, in disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren wichtige Rollen spielen und an anderer Stelle als zweithöchste Person im Kultusministerium unseres Landes große Verantwortung für über eine Million Schülerinnen und Schüler und 60 000 Lehrerinnen und Lehrer tragen.

Fakt ist, dass in Kiel bei einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft ein streng vertraulicher Ermittlungsvermerk im Schreibtisch des Hauptbeschuldigten, des dortigen Staatssekretärs, gefunden wurde, aus dem sich ergab, dass Hausdurchsuchungen geplant seien.

(Möllring [CDU]: Das ist der Skan- dal!)

Der konnte sich auf diese Hausdurchsuchungen vorbereiten. Das dort gefundene Ergebnis der Hausdurchsuchung hat also keinen Wert mehr, und es hilft ihm auch nicht mehr, sich von Schuld freizusprechen, weil nichts gefunden worden sei, denn es konnte ja nichts gefunden werden, weil dieser Vermerk in den Bereich des Beschuldigten gelangt ist.

(Beifall bei der CDU)

Das dortige Wirtschaftsministerium hat versucht, an diese staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse zu gelangen. Das ist dort auf zweierlei Art und Weisen möglich gewesen.

(Beifall bei der CDU – Meinhold [SPD]: Das ist eine Unterstellung! - Gegenruf von Möllring [CDU]: Das ist bewiesen!)

- Das ist inzwischen keine Unterstellung mehr. Das ist eingeräumt.

(Meinhold [SPD]: Sie haben nicht zu- gehört!)

Dieses Ermittlungsergebnis konnte der Wirtschaftsminister bzw. das Wirtschaftsministerium nur an zwei Stellen bekommen: in der Staatskanzlei, bei der Ministerpräsidentin, und bei der Justizministerin. Denn es gibt natürlich eine Geschäftsordnung für Landesregierungen, wonach man als beschuldigter Staatssekretär nicht besser gestellt ist als jeder Otto Normalverbraucher und jeder schlichte Bürger wie wir in diesem unserem Lande.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das steht doch überhaupt nicht infra- ge!)

Die Staatsanwaltschaft hat in solch einem brisanten Fall die Justizministerin und die Ministerpräsidentin zu informieren. Die Justizministerin hat sich geweigert, diese Unterlagen herauszugeben; denn sie hat gesagt: Dann ist die Gefahr groß, dass sie in den Bereich des Staatssekretärs gelangen. - Sie weigerte sich deshalb, diese Unterlagen herauszugeben.

(Möllring [CDU]: So ist es gewesen!)

Herr Schneider, wenn Sie Herrn Wewer als Salzgitteraner nach Niedersachsen holen, dann ist das selbstverständlich Ihre Sache, weil man sich lange kennt. Hier aber geht es um Qualität, Güte und Voraussetzungen für ein öffentliches Amt, sodass es für mich völlig unverständlich ist.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sind Sie nicht mehr aufnahmefähig? Haben Sie nicht gehört, was Ihr Frak- tionskollege gesagt hat?)

Fakt ist auch, dass sich die Justizministerin aus rechtlichen Gründen geweigert hat und Herr Wewer gar nicht abgewartet hat, ob sich auch die Ministerpräsidentin weigern würde. Stattdessen hat er nachts mit einem Schlüssel des Hausmeisters aus einem Schreibtisch einen Vermerk entnommen, kopiert und herausgegeben. Dieser ist dann bei dem Beschuldigten gelandet.

Ich kann nur sagen: Diese Vorgänge sind ein Anfangsverdacht, und nach § 26 der Niedersächsischen Disziplinarordnung erfordert ein Anfangsverdacht bestimmte Maßnahmen wie z. B. die Aufnahme von Vorermittlungen und die Beurlaubung für den Zeitraum, der benötigt wird, um die Vorwürfe auszuräumen. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger geht es uns.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann nur sagen: In einem Rechtsstaat gibt es nichts Schlimmeres, als wenn streng vertrauliche Ermittlungsvermerke der Staatsanwaltschaft an den Beschuldigten gelangen, weil er Staatssekretär ist, weil er Sozialdemokrat ist, weil er ein hohes Amt bekleidet und weil offensichtlich Ämterpatronage und Filz herrschen.

(Beifall bei der CDU)

Diesbezüglich spielen in Schleswig-Holstein nun einmal die Hauptrolle der Beschuldigte, der Staatssekretär, und der Wirtschaftsminister. Das ist klar. Aber liebe Frau Jürgens-Pieper, wenn Sie sagen, dass er in diesen zwei Wochen in Niedersachsen noch keinen Mist gebaut habe und dass Sie an der Zeit zuvor nicht interessiert seien, dann kann ich nur sagen: Uns aber interessiert, was vorher war. Wenn Sie ihn nur deshalb aus Kiel geholt haben, um ihn diesen Vorermittlungen zu entziehen, dann ist das ein Skandal sondergleichen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Plaue.

(Eveslage [CDU]: Wo ist eigentlich der Regierungschef in dieser Debat- te?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wulff, was Sie hier eben geboten haben, war ein peinliches Stück Verleumdung. Ich weise dies mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der SPD)

Es macht klar und deutlich, wie Ihre Methode funktioniert. Sie haben sachlich-fachlich nichts auf der Pfanne und können die Menschen nur noch persönlich angreifen.

(Beifall bei der SPD)