Protocol of the Session on November 15, 2000

Zur Tagesordnung ist Folgendes zu vermelden: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor. Für die Aktuelle Stunde gibt es drei Beratungsgegenstände. Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt; sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt.

Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt werden muss. - Ich stelle fest, dass das Haus mit diesem Verfahren einverstanden ist.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.25 Uhr enden.

Ich möchte Sie noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen: Vom Bund Deutscher Architekten, dem BDA, wurde der zehnte BDA-Preis Niedersachsen 2000 verliehen. Die preisgekrönten architektonischen Arbeiten können in der Portikushalle besichtigt werden, jedenfalls in Abbildungen. Außerdem möchte ich für den morgigen Abend in Erinnerung rufen, dass im Rahmen des Vortragsabends mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Herr Professor Dr. rer. nat. Dr. hc. Gerhard Gottschalk einen Vortrag zu dem Thema „Über den Zauber der Genomentschlüsselung“ halten wird. Ich meine, das ist ein Thema, das auch politisch einige Relevanz besitzt. - Ich empfehle beide Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Finanzminister, Herr Aller, ab 15.30 Uhr sowie von der Fraktion der CDU Frau Jahns für den Vormittag und Herr Meier.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor:

a) Verbraucherschutz und Qualität gehen vor Importstopp für Risiko-Fleisch - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1998 -, b) Niedersachsen setzt sich durch - Zusätzliche Millionen für niedersächsische Verkehrsprojekte - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1999 - und c) Ein links, zwei rechts, drei fallen lassen - Kabinettsumbildung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2002

Es stehen insgesamt 60 Minuten zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Sie kennen die Spielregeln. Das bedeutet, dass jede Fraktion über höchstens 20 Minuten verfügen kann. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, so wie heute, bleibt es jeder Fraktion überlassen zu entscheiden, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag - auch von Mitgliedern der Landesregierung - darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft. Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich eröffne die Beratung zu

a) Verbraucherschutz und Qualität gehen vor - Importstopp für Risiko-Fleisch - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1998

Die Einbringung erfolgt durch den Kollegen Ehlen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast täglich hören wir neue Meldungen über bekannt gewordene Fälle von BSE in Großbritannien und Frankreich. Unsere Verbraucher reagieren mit Angst und Kaufenthaltung, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie nicht auf Umwegen britisches oder französisches Rindfleisch in Deutschland zum Kauf angeboten bekommen. Sie haben Angst, dass sie sich - es ist zwar noch nicht bewiesen, aber sehr wahrscheinlich, dass es davon herrührt - mit der CreutzfeldtJakob-Krankheit, einer Verschwammung des Gehirns, infizieren. Meine Damen und Herren, es ist unerträglich, dass die Bundesregierung hier nicht handelt.

(Beifall bei der CDU)

Es ist unerträglich, dass unsere Landesregierung hier einen Zickzackkurs fährt und nicht klar Stellung bezieht.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie aber auch nicht!)

Der CDU-Regierung auf Bundesebene hat unser Landwirtschaftsminister Funke damals vorgeworfen, dass Minister Borchert und Minister Seehofer nicht klar Front beziehen. Es wurde kritisiert, dass damals angedroht wurde, den Importstopp zu lockern. Letztlich haben aber Borchert und Seehofer diesen gehalten. Was ist nun unter Funke und Frau Ministerin Fischer geschehen? - Sie haben diesen Importstopp fallen lassen und damit eine große Verunsicherung unter den Verbrauchern in Deutschland hervorgerufen.

(Möhrmann [SPD]: Da fragt man sich, warum!)

Meine Damen und Herren, dabei ist Rindfleisch so wichtig und so sicher. Ich meine, es wäre ein großes Vergehen an der Volksgesundheit, wenn wir das Rindfleisch auf diese Weise in Misskredit bringen. Essentielle Aminosäuren, wie Methionin, Zystin und Lysin sowie einige Fette, Ölsäuren und Linosäure sind Sachen, die wir brauchen, um den Stoffwechsel anzuregen und die Abwehrkräfte zu stärken.

(Fasold [SPD]: Schmeckt auch gut!)

- Herr Fasold, Sie haben Recht, es schmeckt außerdem sehr gut.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die EU macht Gesetze, und in Deutschland werden sie umgesetzt. Wir haben die Rindfleischetikettierung in Deutschland eingeführt, und - man höre und staune - in noch drei weiteren EU-Ländern wurde dies eingeführt. Wir haben den Herkunftsnachweis in Deutschland eingeführt, und es gibt ein Zentralregister, das HIT in München. Ich weiß, dass hier der Werdegang eines Tieres klar festzustellen ist. Der Verbraucher kann bis zur Ladentheke nachvollziehen, wo das Tier zu welcher Lebensphase gewesen ist und wie es ernährt wurde.

(Frau Harms [GRÜNE]: Glauben Sie das?)

Meine Damen und Herren, in Frankreich und in Großbritannien wurde in der Vergangenheit Tierkörperbeseitigung unter der Überschrift „Futterproduktion“ durchgeführt. In Deutschland ist die Tierkörperbeseitigung seit vielen Jahren dazu verwandt worden, um Seuchen zu bekämpfen. Das ist der große Unterschied. Wir haben große Sorge, dass England und Frankreich, aber auch beispielsweise Portugal und Spanien große Probleme damit haben, BSE in den Griff zu bekommen. Die Drucksterilisation in Deutschland, um das einmal zu vergleichen, mit 120 Grad Erhitzung und 3 Bar Druck ist der Sterilisation von Operationsbestecken ähnlich. Ich habe diesen Vergleich aufgeführt, um zu zeigen, mit welcher Sorgfalt und Vorsicht in Deutschland in der Tierkörperbeseitigung gearbeitet wird. Dies ist in Europa zum Standard erklärt worden. Einige Länder haben sich nun davon verabschiedet. Sie haben es zum einen nicht geschafft, diese Anlagen zu installieren, und zum anderen haben sie gesagt: Für uns kommt das nicht infrage; der Aufwand ist zu hoch.

Meine Damen und Herren, es kann nicht angehen, dass wir mit diesem Zustand noch länger leben. Ich fordere unseren Landwirtschaftsminister in Niedersachsen auf, dass er sich seinen Kollegen in den Bundesländern Saarland, Bayern, BadenWürttemberg, Hessen und Thüringen anschließt und einen Importstopp für Rindfleisch aus Großbritannien und aus Frankreich verfügt. Es nützt nichts, wenn er wie die Bundesgesundheitsministerin nur darauf hinweist, dass wir hier eine bessere Kennzeichnung vornehmen. Das Vertrauen des Verbrauchers ist uns wichtig. Der Verbraucher braucht Sicherheit, wenn er sich ein Stück Rindfleisch kauft. Ich meine, dass unsere Bauern es

schon schaffen. Sie bringen uns gesundes Rindfleisch auf den Tisch. Ich bin der Meinung, dass uns das in Niedersachsen besonders wertvoll sein sollte. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Es spricht jetzt der Landwirtschaftsminister Bartels.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab eines ganz deutlich herausstellen: Hier handelt es sich um ein außerordentlich kompliziertes Thema. Die Art und Weise, in der in Großbritannien mit dem Thema BSE in der Vergangenheit umgegangen worden ist, ist schlicht und ergreifend ein Skandal. Der hierzu von der Kommission erstellte und inzwischen auch vorgelegte Bericht macht dies noch einmal deutlich. Meine Sorge geht dahin, dass in der Zeit vor dem feed ban - also in den Jahren von 1991 bis 1994 - BSE-infizierte Rinder in den Verkehr gelangt und von hunderttausenden von Menschen gegessen worden sind, sodass deshalb die Gefahr besteht, dass die in der Diskussion stehenden Erkrankungsszenarien dann, wenn der worst case, also der schlimmste Fall, eintritt, wahr werden können. Da gibt es nichts zu beschönigen. Das ist eine ganz schlimme Sache. Das werden diejenigen Leute mit ihrem Gewissen abmachen müssen, die dafür die Verantwortung in der EU und in Großbritannien hatten.

Meine Damen und Herren, die Ursachen für die heutige Diskussion liegen aber in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart. Das wird auch in der Diskussion im Bundesrat jedoch immer wieder verwechselt. Wir sind uns im Ziel einig, um das ganz klar und deutlich zu sagen. Ich stehe nicht in einem Zickzackkurs, sondern in einer geraden Linie dafür, dass dem Verbraucherschutz in Niedersachsen höchste Priorität eingeräumt wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin auch - dies habe ich in der vergangenen Woche und auch schon zuvor immer wieder deutlich gemacht - für ein Importverbot. Wir müssen jetzt allerdings darüber diskutieren, worüber wir denn reden, wenn wir ein Importverbot fordern. Diesbezüglich habe ich manchmal den Eindruck,

dass Sie, Herr Ehlen, in den letzten Wochen gar nicht in Deutschland gewesen sind und die hiesige Presse nicht verfolgt haben. Andernfalls dürften Sie nicht das sagen, was Sie hier gerade ausgeführt haben.

Meine Damen und Herren, Sie fordern eine Wiederaufhebung der Lockerungsentscheidung gegenüber Großbritannien. Was ist geschehen? - Im März 2000 ist zunächst einmal gegen die Stimme Deutschlands in der EU eine Entscheidung getroffen worden. Dann ist aber letztendlich mit der Stimme Deutschlands entschieden worden. Denn wir können uns nicht dagegen wehren, dass britisches Rindfleisch über andere Länder zu uns kommt. Insofern bringt uns ein Importverbot überhaupt keine Sicherheit. Deshalb hat die Gesundheitsministerin gemeinsam mit Kommissar Bryne ausgehandelt, dass das aus Großbritannien abgehende Rindfleisch mit einem XEL-Stempel versehen werden muss. Diese Kennzeichnung muss darüber hinaus über die Verarbeitung in Drittländern und in Mitgliedstaaten der EU bis zur Ladentheke in Deutschland durchgereicht werden. Dies, meine Damen und Herren, hätte Sicherheit gebracht.

Was ist nun aber geschehen? - Die Kommission hat diese Zusage, die wir schriftlich vorliegen hatten, nicht eingehalten. Es gibt nur drei Länder in der Europäischen Union, die dementsprechend gehandelt haben. Die anderen Ländern haben diese Kennzeichnung aber nicht vorgenommen. Dagegen müssen wir uns verwahren. Das ist die Stoßrichtung für unsere Aktivitäten. Wir müssen die Kommission dort packen, wo wir einen Rechtstitel haben und sagen können: Dies habt ihr zugesagt. Dies ist Bestandteil der Lockerungsentscheidung. Bitte, macht dies im Sinne des Verbraucherschutzes. - Nur so, meine Damen und Herren, wird ein Schuh daraus. Nur so bieten wir dem Verbraucher Sicherheit. Das ist Gegenstand meines Antrags in der vergangenen Woche im Bundesrat gewesen. Diese Kennzeichnung, Herr Ehlen, ist eine andere. Sie werfen das immer durcheinander. Das ist wirklich schlimm. Die Rindfleischkennzeichnung nach der EU-Verordnung ist etwas völlig anderes als die für Großbritannien geltende Rindfleischkennzeichnung. Das ist etwas völlig anderes. Sie müssen dies einmal auseinander halten. Wir erwarten von der Kommission entweder ein kurzfristiges Konzept zur Implementierung dieser Kennzeichnungsregelung, oder, meine Damen und Herren, ich werde mich dafür einsetzen, dass gegenüber denjenigen Ländern, die diese Kennzeichnung nicht praktizie

ren, ein Importverbot verhängt wird. Das ist kontrollierbar.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ehlen?

Nein. Ich habe nur fünf Minuten. Vielleicht können wir das später machen. - Das ist kontrollierbar, meine Damen und Herren, weil wir genau wissen, welches Fleisch aus Großbritannien wann abgeht. Wir wissen auch ganz genau, wohin es geht.

Lassen Sie mich in dieser Runde, da dies in Bezug auf Großbritannien jetzt so dramatisiert wird, noch eines abfragen: Was glauben Sie eigentlich, Herr Ehlen, wie viel britisches Rindfleisch seit der Lockerungsentscheidung nach Deutschland gelangt ist?

(Frau Harms [GRÜNE]: Viel!)

- Viel? Meine Damen und Herren, Frau Harms sagt „viel“. Ich möchte Ihnen einmal die Zahl nennen. Deshalb habe ich auch diesen Vorspann gebracht, nicht dass Sie mir gleich sagen, ich würde verharmlosen. Ich möchte Ihnen die Zahl nennen: Ganze 18 kg sind nach Deutschland gelangt, und zwar zu Frau Höhn zur ANUGA nach NordrheinWestfalen. Nicht mehr ist nach Deutschland gekommen. Wir reden über 18 kg. Wir reden, Herr Ehlen, nicht über die hunderte von Tonnen, die in die Niederlande gegangen sind. Wir reden nicht über die Tonnagen, die nach Griechenland oder nach Italien gegangen sind. Da, meine Damen und Herren, liegen die Probleme, weil das unerkannt zu uns ins Land kommen kann. Deshalb bin ich für eine Kennzeichnungspflicht all dieses Fleisches in all diesen Ländern.

(Frau Harms [GRÜNE]: Natürlich ist viel gekommen!)

Ich habe ferner gesagt: Auch Frankreich müssen wir uns genau anschauen. Ich bin mit der Bekämpfung der BSE-Erkrankungen in Frankreich nicht zufrieden. Es gibt viele kritische Punkte, die ich erwähnt habe. Ich habe auch die Bundesgesundheitsministerin aufgefordert, hier einen Bericht vorzulegen. Wir werden darüber am 22. dieses Monats in Berlin miteinander reden und zu entscheiden haben, ob wir ein Importverbot oder ein

Exportverbot aussprechen werden. Das sind konkrete Schritte. Das ist eine gradlinige Politik, die zu mehr Verbraucherschutz führen wird. Was Sie hier aber betreiben, ist wirklich nichts weiter als nur Schaumschlägerei. - Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Brauns.