Protocol of the Session on September 14, 2000

(Frau Körtner [CDU]: Wie fest ist denn Ihre Überzeugung? - Coenen [CDU]: Beim Frisör! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich bin der festen Überzeugung, Frau Körtner, dass wir diese große bildungspolitische Frage nicht im Dauerstreit lösen werden. Es gibt eine gute Tradition in Niedersachsen, die zeigt, dass man solche Fragen nicht im Streit lösen kann, sondern dass wir uns in der Sache auseinander setzen müssen. Dazu liegt Ihr Vorschlag auf dem Tisch, mit dem ich mich auch gern auseinander setzen möchte.

(Frau Körtner [CDU]: Wie heißt der denn, Frau Ministerin? - Weitere Zu- rufe von der CDU)

Ihre Anträge und Ihre Haushaltsrede, Herr Wulff, weisen allerdings in eine andere Richtung als in die einer sachlichen Auseinandersetzung. Das ist radikale Rhetorik, in der die Rede ist von Schulsterben, von Demontage von Schulformen und bei der Sie uns schulpolitisches Chaos in Verfahrensfragen vorwerfen.

(Zustimmung von Schünemann [CDU] - Zurufe von der CDU)

Dazu will ich Ihnen jetzt mal Folgendes sagen: Wir haben mit allen am Anhörungsverfahren Beteiligten ein klares Verfahren abgesprochen.

(Zurufe von der CDU: Wer denn? Wer ist denn „wir“?)

Aufgrund des Vorschlags, der jetzt vorliegt, habe ich dann gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten noch einmal an die Angehörten geschrieben,

(Klare [CDU]: Wann?)

und zwar Folgendes - das ist übrigens auch etwas, was Sie ständig falsch darstellen -: Die Entscheidungen sollen Ende 2001 auf der Grundlage einer fundierten Untersuchung bei sechs Schulträgern fallen.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben den Zeitplan etwas verkürzt - ursprünglich wollten wir Anfang 2002 entscheiden -, weil wir die Bürgerbeteiligung jetzt parallel zu der Untersuchung durchführen wollen. Wir haben dazu eine Ausschreibung veranlasst, in der fünf Schulstrukturmodelle, über die Sie ja jetzt hier schon die ganze Zeit gestritten haben, enthalten sind, die auf ihre Auswirkungen hin untersucht werden sollen. Also nicht die Orientierungsstufe, sondern die Modelle werden auf ihre Auswirkungen bei dem jeweiligen Schulträger untersucht.

(Zuruf von der CDU: Warum denn? - Gegenruf von der SPD: Zuhören!)

Dabei handelt es sich - ich sage das jetzt noch einmal, weil ich den Eindruck habe, dass Sie das in der letzten Debatte noch nicht verstanden haben zum einen um das Modell der Schaffung einer schulformunabhängigen Orienterierungsstufe oder Förderstufe, und zwar organisatorisch angebunden.

(Coenen [CDU]: Das erklären Sie mal!)

- Das glaube ich, dass ich das erklären muss, weil Sie das nicht verstehen.

(Unruhe bei der CDU - Plaue [SPD]: Aber sie reden darüber!)

Es geht schlichtweg um die Frage, ob wir bei dieser Schulstruktur bleiben. Diese Frage, meine Damen und Herren, ist von der Landesregierung bereits entschieden worden. So, wie die Schulstruktur jetzt ist, wird sie nicht bleiben.

(Unruhe bei der CDU)

Es geht also um Fragen etwa des Angebundenseins.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Das bedeutet, dass eine solche Schule dann keine selbständige Schulleitung mehr haben wird, wenn ich Ihnen das schon erklären muss.

(Unruhe bei der CDU)

Das eine Modell ist also das der schulformunabhängigen Förderstufe oder Orientierungsstufe, angebunden, das zweite Modell ist die schulformabhängige Förderstufe - das Ihr Modell; ich hoffe, Sie erkennen das -, angebunden an die weiterfüh

renden Schulen. In anderen Bundesländern gibt es Mischformen aus diesen beiden Formen schulformunabhängig und schulformabhängig.

Aufgenommen haben wir auch das Modell der Grünen, d. h. wir wollen auch die verlängerte Grundschulzeit, die sechs Jahre Grundschule, untersucht wissen, damit wir uns mit Ihren Argumenten dazu auseinander setzen können. Das wird also auch mit untersucht auf die Auswirkungen bei den Schulträgern.

(Frau Körtner [CDU]: Warum?)

Aufgenommen haben wir des Weiteren den Vorschlag, der schon bei der Kleinen Anfrage vorhin eine Rolle gespielt hat. Dabei geht es um die Frage einer verlängerten Förder- und Orientierungsstufe, wie sie in anderen Ländern gar nicht unüblich ist. Sie haben auch das wieder falsch dargestellt. Zum Beispiel die TIMMS-Studie enthält gerade keine Festlegung auf ein bestimmtes System. Nach dieser wissenschaftlichen Untersuchung gibt es in anderen OECD-Ländern integrierte Systeme, die gut abschneiden, und es gibt gegliederte Systeme, die gut abschneiden. Wir in der Bundesrepublik mit unserem gegliederten System schneiden in dieser Studie nur mittelmäßig ab. So ist das Ergebnis der TIMMS-Studie. Das geben Sie ständig falsch wieder.

Sie sehen also, dass wir Ihr Modell, Herr Busemann, und das Modell der Fraktion der Grünen in die Untersuchungen mit hineinnehmen. Das war auch bewusst so angelegt. Wir wollen uns mit Ihren Modellen auseinander setzen.

(Frau Körtner [CDU]: Sie werden das machen, was der Ministerpräsident gesagt hat!)

Die Landesregierung hat jetzt - auch die Fraktion hat das beraten - einen richtungweisenden Vorschlag auf den Tisch gelegt, damit wir ebenfalls einen Beitrag zu dem Dialog, der jetzt folgt, leisten.

In Ihrer Presseerklärung vom 16. August 2000 - das ist übrigens gegenüber dem Entschließungsantrag spannend; in den letzten Wochen scheint sich da bei Ihnen etwas geändert zu haben - zu Ihrem Strukturvorschlag schreiben Sie, Sie wollen einen ergebnisoffenen Dialog haben. In dem Entschließungsantrag heute lesen wir ja etwas anderes. Danach soll nicht diskutiert werden. Ich zitiere

einmal aus dieser Presseerklärung - wenn ich das darf, Herr Präsident -:

„Die CDU will dieses Konzept in den nächsten Wochen und Monaten mit allen Beteiligten und Interessierten in öffentlichen Veranstaltungen, Fachtagungen und Kongressen landesweit ergebnisoffen diskutieren. Wir freuen uns über alle Anregungen, Anmerkungen und Kritikpunkte, weil sie uns in der von uns gewünschten bildungspolitischen Generaldebatte helfen, den besten Weg für unsere junge Generation hier in Niedersachsen zu finden, machten Busemann und Klare deutlich.“

So steht das hier. Damit sind wir völlig beieinander. Aber warum dann heute dieser Entschließungsantrag, durch den die Diskussion verboten werden soll?

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zuru- fe von der CDU)

Sie fordern uns in dem Entschließungsantrag auf, die zweijährige landesweite Untersuchung und Diskussion zur Orientierungsstufe zu unterlassen.

(Busemann [CDU]: Ja!)

Das müssen Sie erklären; das kann ich leider nicht.

(Zurufe von der CDU)

Ich frage dazu nur: Wer veranstaltet in diesem Verfahren denn das Chaos? - Wir haben ein klares Verfahren, aber Sie haben das untereinander offensichtlich noch nicht koordiniert.

(Unruhe bei der CDU)

Zur Klarstellung noch einmal:

Erstens. Unsere Untersuchung ist nicht landesweit, sondern sie wird sich auf sechs Schulträger beziehen, davon fünf Landkreise und eine kreisfreie Stadt. 18 Schulträger - bei insgesamt 48 Gebietskörperschaften - haben sich darum beworben.

Zweitens. Die Untersuchung ist nicht zweijährig, wie es in dem Antrag heißt, sondern einjährig angelegt. Das Diskursverfahren wird zeitlich parallel durchgeführt.

Drittens. Die Diskussion zur Orientierungsstufe halten wir für wichtig. Das sind wir meines Er

achtens dem Landeselternrat und allen Bürgerinnen und Bürgern auch schuldig. Darüber kann man an dieser Stelle nicht einfach hinweggehen. Was die Orientierungsstufe als Schulform angeht, so geht es doch weitgehend um die Frage der Akzeptanz durch die Eltern. Über deren Köpfe hinweg wollen Sie hier gleich eine Schulgesetznovelle machen. Wir aber sagen Ihnen: Wir machen die Schulgesetznovelle dann, wenn die Entscheidungen, und zwar zügig, gefallen sind.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich unseren Vorschlag jetzt noch einmal im Stück darstellen und dabei auch über den berühmten Tellerrand hinaus schauen, wie Sie, Herr Busemann, das ja angemahnt haben, indem ich auch den Blick in andere Bundesländer werfe.

Erstens. Die Kinder sollen künftig nach Klasse 4 in die weiterführenden Schulen gehen, deren 5. und 6. Klasse jeweils angebunden eine Förderstufe oder Orientierungsstufe darstellt. Über das Zuweisungsverfahren gilt es, so meine ich, zu diskutieren. Wir schlagen vor, ein Gutachten zurate zu ziehen. Ein Elternwahlrecht ist nach Klasse 4 nicht vorgesehen. Insofern ändert sich für die Eltern an dieser Stelle nichts, es sei denn, es besteht eine Schulwahlmöglichkeit für die Eltern, die die Alternative zum gegliederten System wählen, nämlich die Gesamtschule. Das gibt es in Niedersachsen allerdings nicht an allen Stellen. Ansonsten gehen die Kinder nach unserem Vorschlag entweder in die 5. Klasse des Gymnasiums oder der Haupt- und Realschule oder in die Sekundarschule.

Zweitens. Die 5. und 6. Klasse wird nicht mehr als selbständige Schule mit eigener Schulleitung geführt, sondern als eine Schulstufe an einer weiterführenden Schule. Damit entfällt für einen großen Teil der Kinder, nämlich für rund 70 % - gemessen an den jetzigen Übergangsquoten; da kann ich ja nur diejenigen nach § 7 nennen -, der zweimalige Schulwechsel. Auch das ist etwas, was in der Diskussion hier in Niedersachsen ständig eine Rolle spielt.