Protocol of the Session on September 14, 2000

Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Mobile Angebote für Multimedia und Internet im ländlichen Raum - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1847

Zur Einbringung hat sich Frau Kollegin Eckel zu Wort gemeldet, und ich erteile ihr hiermit das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lernen, Lehren, Arbeiten und Kommunizieren verändern sich durch die Nutzung und den Nutzen der neuen Medien. Medienkompetenz gewinnt in der sich entwickelnden Informationsgesellschaft zusehends an Bedeutung als berufliche Qualifikation und als Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe.

Wegen der damit verbundenen grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen ist auch ein Landtag in der Pflicht, von Anfang an für gleichberechtigte Partizipation zu sorgen. Anliegen des SPD-Antrags ist es, Maßnahmen von der Landesregierung einzufordern, die Mädchen und Frauen im ländlichen Raum den Zugang zu Multimedia und Internet erleichtern und zum Umgang mit den neuen Medien ermuntern.

Beim Zugang zu Multimedia und Internet gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen sind

im Internet deutlich unterrepräsentiert. Noch immer ist der typische Online-Nutzer jung, gebildet, berufstätig und männlich. Eine Ursache für die schwache Beteiligung von Frauen findet sich darin, dass es nach wie vor ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu den Netzen für Frauen und Männer gibt. Beispielsweise besitzen Frauen deutlich weniger Computer als Männer. Das hat sicherlich damit zu tun, dass sie weniger Erfahrung mit den technischen Strukturen haben, um Computerprogramme entsprechend zu installieren, aber auch damit, dass Frauen häufiger als Männer die Zeit, die nötig ist, um sich surfend im Netz treiben zu lassen, als verschwendete Zeit betrachten.

Der Zugang zum Internet geht oft über den Beruf. Es sind jedoch nicht nur weniger Frauen erwerbstätig als Männer, sondern sie sind vor allem in höheren Positionen unterrepräsentiert, in denen ein Internet-Zugang inzwischen zum Statussymbol geworden ist. Auch bekommen Mädchen seltener als Jungen von ihren Eltern einen Computer geschenkt. Nach wie vor greift die stereotype Gleichsetzung von Technik mit Männlichkeit.

Allein in den letzten drei Jahren sind in der Informationswirtschaft ca. 100.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Schätzungen zufolge können allein im Multimediabereich bis zum Jahr 2002 bis zu 370.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber Frauen haben zurzeit an der Zahl der Auszubildenden in den vier wichtigsten neuen Informationstechnologieberufen einen Anteil von nur gut 13,5 %. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Studienfachwahl. Ich brauche das wohl nicht alles zu erläutern; das ist bekannt.

Durch den geringen Anteil von Frauen an der Entwicklung und Gestaltung technischer Produkte und Dienste orientieren sich Sprache, Produktankündigung und Beschreibung immer aufs Neue an den Technikfreaks und nicht an der Normalverbraucherin. So bleiben Hürden bestehen, anstatt abgebaut zu werden, und der konkrete Nutzen des Internets wird von zu wenigen Frauen erfahren. Für sie ist es daher häufig nicht einsichtig, warum sie zusätzlichen Lernaufwand, Energien und Kosten in die Anschaffung zusätzlicher Geräte, von Hard- und Software stecken sollen.

Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise an Technik und unterschiedlicher Interessen im Einsatz von Technik findet innerhalb der Familien kaum ein Wissenstransfer bei der Nutzung der elektronischen Medien statt. Väter, Ehemänner,

Lebenspartner oder Kinder, die sich selbst das Internet durch learning by doing erschlossen haben, sind in der Regel nicht die geeigneten Vermittler für einen Einstieg von Frauen, Partnerinnen oder Müttern in die elektronischen Netze. Es bedarf also besonderer und nach allen Erfahrungen monoedukativer Angebote für Mädchen und Frauen, um ihnen den selbstbewussten und selbstverständlichen Umgang mit Computertechnik und Internet zu ermöglichen

Die Bundesregierung hat aus diesem Grund gemeinsam mit der Deutschen Telekom, der Bundesanstalt für Arbeit und der Zeitschrift „Brigitte“ die Aktion „Frauen ans Netz“ initiiert, um den Zugang der Frauen zum Internet zu verbessern, sie mit der Nutzung vertraut zu machen und zu qualifizieren. Durch die Aktion soll erreicht werden, dass neben gut ausgebildeten, berufstätigen Frauen insbesondere Frauen mit geringen Zugangsmöglichkeiten zur Computertechnik, Frauen in der Familienphase und Frauen mit derzeit geringen Arbeitsmarktchancen den Nutzen des Mediums Internet erkennen und dies sinnvoll für ihre zukünftige Aus- und Weiterbildung nutzen lernen.

„Frauen ans Netz“ ist seit dem Start im Herbst 1998 ein riesiger Erfolg: 1,6 Millionen Zugriffe auf die Homepage, 235.000 telefonische Anfragen und 2.000 Kurse mit 33.000 Teilnehmerinnen an 101 Standorten. Die Internet-Einstiegskurse von Frauen für Frauen haben einen Internet-Boom bei Frauen ausgelöst. Im letzten Jahr wurde der stärkste Anstieg bei der Internet-Beteiligung von Frauen überhaupt registriert.

Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Zugang zu Multimedia und Internet ist auch räumlich gesehen deren tatsächliche Verfügbarkeit nicht überall gleich. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Stadt-Land-Gefälle besteht. Die Landesregierung fördert bereits einige kleine Frauenprojekte im ländlichen Raum. Das ist ein Anfang, aber nicht genug. In Städten gibt es mittlerweile EDV-Schulungen für Mädchen und Frauen, die beispielsweise von Frauencomputerschulen durchgeführt werden. Auch besteht die Möglichkeit, ein Internet-Café zu besuchen. Im ländlichen Raum fehlen überwiegend solche Einrichtungen, sodass dort Mädchen und Frauen in erreichbarer Nähe kaum öffentliche Zugangsmöglichkeiten zum Internet haben. Wie schwer es ist, im Nachhinein die Folgen von gesellschaftlichen Ungleichheiten zu beseitigen, wissen wir aus vielen Bereichen. Im Bereich Multimedia und Internet kann noch recht

zeitig Chancengleichheit hergestellt werden. Das ist auch Absicht dieses Antrags.

Nach einer am 23. August 2000 von der Initiative „D 21“ vorgestellten Studie „Digitale Spaltung in Deutschland“ droht einem Viertel der deutschen Bevölkerung auf absehbare Zeit ein Ausschluss von der Nutzung des Internets. Von Ausgrenzung betroffen seien vor allem benachteiligte Bevölkerungsgruppen, zu denen die Autoren neben Menschen mit gering qualifizierender Schulbildung auch Arbeitslose, Seniorinnen und Senioren, Frauen sowie die Bewohnerinnen und Bewohner ländlicher Gebiete zählen. Diesen Kreisen drohe im Prozess der digitalen Spaltung die Verliererrolle, da der Fähigkeit zur Nutzung von Computern und Internet im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben wachsende Bedeutung zukommen werde. Nur im Zusammenspiel - so heißt es in dieser Studie weiter - von Bundesregierung, Landesregierung, öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen kann dieser Trend zur digitalen Spaltung gebrochen werden.

Daher fordert die Fraktion der SPD die Landesregierung auf, auf die Vermittlung medialer Kompetenz unter besonderer Berücksichtigung des frauenspezifischen Zugangs zu neuen multimedialen Technologien sowie der dazugehörenden Nutzungsformen zu achten und das Ziel der gleichberechtigten Partizipation von Mädchen und Frauen zu gewährleisten. Ferner fordern wir sie auf, durch mobile Internet-Angebote wie Internet-Bus oder mobiles Internet-Café Mädchen und Frauen im ländlichen Raum den Zugang zu Multimedia und Internet zu erleichtern. Durch mobile Maßnahmen, die im ländlichen Raum speziell für Mädchen und Frauen ein Internet-Angebot unterbreiten, sollen insbesondere Neugierde und Interesse an den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geweckt und Selbstvertrauen im Umgang mit Computern und neuen Medien gestärkt werden. Darüber hinaus wäre ein InternetFührerschein wünschenswert, der die Teilnahme an den Kursen zertifiziert und Grundkenntnisse dokumentiert. So könnten das Berufswahlspektrum und das Berufswahlverhalten von Mädchen erweitert sowie die Zugangschancen von Frauen zu den zukunftsträchtigen multimedialen Bereichen der technischen Berufe verbessert werden.

Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es nicht nur der Bereitstellung von rollenden PCs und InternetAnschlüssen, sondern auch einer pädagogischen Begleitung und Motivation. Mädchen und Frauen

müssen ermuntert werden, mit den neuen Medien umzugehen. Nur wer mit ihnen umgehen kann, kann sie für seine beruflichen und privaten Interessen einsetzen und sich in der Informationsgesellschaft vor Ausgrenzung bewahren.

Ich meine, dass die anderen Fraktionen diesen SPD-Antrag guten Gewissens unterstützen können, und hoffe darauf. Außerdem beantrage ich, dass die Federführung bei diesem Antrag dem Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen übertragen wird und der Ausschuss für Medienfragen als mitberatender Ausschuss benannt wird.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Eckel. - Zu diesem Antrag spricht jetzt Herr Kollege Behr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Eckel, ich habe mich über diesen Antrag etwas gewundert. Ich habe mich gewundert, welch wichtiger und dringender Antrag hier als letzter Antrag ins Plenum gehievt wurde. Es gibt ja einen Hintergrund. Der Hintergrund ist, dass wir letzten Dienstag im Medienausschuss eine Anhörung zu dem SPD-Antrag „Förderung der Internet-Wirtschaft“ hatten. Die Ausschusssitzung hat bis um 13.30 Uhr gedauert. Um 14.00 Uhr war SPD-Fraktionssitzung. Am nächsten Tag mussten dann die Anträge bis zur Sitzung des Ältestenrates eingebracht werden. Das heißt, dieser Antrag musste in dieser kurzen Zeit erstellt, abgestimmt und eingebracht werden. Das Ganze gleicht also einem ziemlichen Parforceritt.

(Frau Leuschner [SPD]: Nein, nein, nein!)

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Antrag überhaupt in der Fraktion beraten wurde. Denn nachdem wir mitbekommen haben, wie das in der SPD mit der Schulpolitik läuft, kann man sich ja fragen, ob dort überhaupt noch etwas abgestimmt wird.

(Beifall bei der CDU)

Auf jeden Fall, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, macht dieser Antrag einen ziemlich schlampigen Eindruck; das will ich auch einmal sagen. Hier passt nämlich nicht viel zu

sammen. Die Überschrift passt noch nicht einmal zu den eigentlichen Forderungen, die in dem Antrag aufgestellt wurden und die Frau Eckel eben noch einmal deutlich gemacht hat. Die Überschrift lautet „Mobile Angebote für Multimedia und Internet im ländlichen Raum“. Sie hätte eigentlich lauten müssen: Frauenförderung in Multimediaund Internet-Anwendungen. - Wir haben das Gefühl, es handelt sich hier um einen Schnellschuss.

Man fragt sich natürlich, warum dieser Antrag jetzt eingebracht worden ist. Die Antwort kann eigentlich nur sein, dass man die Sorge hatte, dass die CDU mit einem eigenen Antrag kommt, und man deshalb schnell das Thema besetzen wollte. Ich kann das ja auch verstehen.

(Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

- Ich komme noch dazu, Frau Harms, warten Sie es ab.

Die CDU hat durch Frau Vockert im Juni-Plenum den Antrag „Multimediawerkstatt für Jugendliche“ eingebracht. Sie hat gefordert, in jedem Regierungsbezirk Modellprojekte zu verwirklichen, gerade auch Modellprojekte für den ländlichen Raum. Die SPD-Kollegen - ich glaube, Herr Viereck hat damals dazu gesprochen - haben die Notwendigkeit dafür auch eingestanden. Allerdings waren sie nicht bereit, entsprechenden Modellprojekte zu unterstützen, sondern haben sich wie auch in dem vorliegenden Antrag auf mobile Angebote zurückgezogen. Sie waren nicht bereit, das entsprechende Geld dafür in die Hand zu nehmen, sondern sie wollten - das hat die Juni-Sitzung ganz deutlich gezeigt - dieses Problem wieder auf die Kommunen abwälzen.

Meine Damen und Herren, was wir hier brauchen, ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, das auch finanziell entsprechend ausgestattet ist.

(Beifall bei der CDU)

Die Anhörung am letzten Dienstag hat gezeigt, dass es bei dem, was die Landesregierung bisher gemacht hat, sehr viel Positives gibt; es ist auch sehr viel Lob ausgesprochen worden.

(Mühe [SPD]: Und wie immer kommt jetzt von euch das jammernde „aber“!)

Aber, meine Damen und Herren, es gibt gleichwohl noch eine Menge, was es noch zu ändern, zu

verbessern und zu ergänzen gilt. Wir haben uns das notiert.

Wir hatten vor - wie das auch üblich ist -, das im Rahmen des SPD-Antrags mit Ihnen zu diskutieren, und ich meine, dieses Thema ist auch zu wichtig, als dass wir es durch einen Schnellschuss unterminieren sollten. Wir werden uns jetzt natürlich auch Gedanken machen, ob wir dazu nicht einen eigenen Antrag einbringen.

(Frau Leuschner [SPD]: Zu spät!)

- Es bleiben noch sehr viele Punkte, die wir beantragen könnten. - Denn Internet und Multimedia sind eines der wichtigsten Felder für die weitere Entwicklung Niedersachsens.

Auch in der Vergangenheit ist es ja die CDU gewesen, die die Landesregierung auf diesem Feld getrieben hat. Ich will an einen Antrag aus dem Jahr 1996 erinnern, eingebracht von dem Kollegen Dinkla, mit dem Titel „Multimediainitiative 2000“. Dieser Antrag hat dazu geführt, dass bei der Landesregierung erhebliche Bewegung eingesetzt hat. Diese Bewegung war gut, und das hat sich am Ende ja auch positiv ausgezahlt.

(Bontjer [SPD]: Einbildung ist auch eine Bildung!)

- Das mag ja sein, Herr Schack.

(Schack [SPD]: Ich habe doch gar nichts gesagt!)

- Ah, es war Herr Bontjer. Entschuldigung! Aber es ist ja die gleiche Gegend.

Wir werden das Gefühl nicht los, dass es bei der SPD eine doch relativ tief sitzende Angst gibt, auf diesem Feld Versäumnisse zu haben. Anders können wir uns diesen hektischen Antrag jedenfalls nicht erklären. Ich will denn auch kurz auf drei Punkte des Antrags eingehen:

Erstens: Ausgleich des Stadt-Land-Gefälles, Förderung des ländlichen Raums. - Da stehen wir voll an Ihrer Seite, überhaupt keine Frage. Aber dazu steht in diesem Antrag leider nicht viel drin.

Zweitens: mobile Angebote. - Von unserer Seite nur eine bedingte Zustimmung, weil wir der Auffassung sind, dass das relativ wenig bringt. Wir würden uns wünschen, dass landesweit Modellwerkstätten eingerichtet werden, weil dort auch eine entsprechende Anleitung und Betreuung der

Jugendlichen erfolgen können. Wir meinen, dass das in sehr enger Absprache mit den Kommunen erfolgen muss, insbesondere auch durch Förderung der Volkshochschulen. Die sind landesweit in der Fläche vertreten, und dort könnten die Modellwerkstätten angesiedelt werden, dort könnten zusätzliche Internet- und Multimedia-Angebote für junge Leute und für Frauen zur Verfügung gestellt werden.

Drittens: Frauen- und Mädchenförderung. - Sehr wichtig. Auch wir unterstützen diese Förderung, gar keine Frage. Aber genauso wichtig ist aus unserer Sicht - das ist in der Anhörung auch sehr deutlich geworden -, das entsprechende Bildungsgefälle auf diesem Gebiet abzubauen. Wir haben ganz klar eine massive Diskrepanz zwischen Abiturienten und Hauptschülern. Wir sind der Meinung, es ist mindestens genauso wichtig, auch dieses Gefälle auszugleichen und zu entsprechenden Angeboten für diejenigen zu kommen, die geringere Bildungsabschlüsse aufweisen.