Protocol of the Session on September 12, 2000

Die Bürgerinnen und Bürger jedenfalls sehen das so und vertrauen uns deshalb.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf das vor uns liegende Zahlenwerk zurückkommen, weil dieses Zahlenwerk die Grundlage für die Landespolitik bietet, die wir im nächsten Jahr gestalten wollen. Auf Alternativen von Ihnen dazu sind wir schon sehr gespannt.

(Zuruf von der SPD: Die gibt es ja nicht!)

Der Finanzminister hat die Eckdaten seines Haushaltsplanentwurfs deutlich gemacht. Ich will Ihnen deshalb nur ganz kurz die Politik meiner Fraktion beschreiben, die hinter diesem Zahlenwerk steht und für die wir auch stehen.

Da ist unsere Politik für soziale Gerechtigkeit. Wir definieren Sozialpolitik nicht allein als einen eigenständigen isolierten Politikbereich, sondern wir verbinden sozialpolitische Kompetenz und soziale Wärme untrennbar mit allen Bereichen unserer Politik.

(Oestmann [CDU]: Denken Sie ein- mal über das nach, was Sie jetzt sa- gen!)

Keine politische Maßnahme, die wir in den letzten Jahren angepackt haben, ist getroffen worden, ohne die sozialen Wirkungen zu hinterfragen, Herr Kollege Oestmann. Ein treffendes Beispiel dafür ist die Städtebauförderung, die wir sehr konsequent zu einem sozialpolitischen Instrument zurückentwickelt haben. Sie ist es einmal gewesen, unter anderen Landesregierungen aber leider nicht als sozialpolitisches Instrument begriffen worden.

(Zustimmung bei der SPD)

Für unser Programm „Soziale Stadt“ haben wir schon im laufenden Jahr rund 28 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Mit diesem Mittel niedersächsischer Städtebauförderung werden wir in 14 Städten und Gemeinden örtliche Bereiche mit besonderen sozialen Schwierigkeiten fördern. Wir packen damit ein Problem an, das aus einer Konzentration von Belegrechtswohnungen im sozialen Wohnungsbau entstanden ist.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Viele Menschen in diesen Wohngebieten sind lange Zeit arbeitslos, und sie haben resigniert. Hoch verdichtete und zum Teil schlechte Bausubstanz, triste Außen- und Freiflächen, unzureichende Freizeit- und Versorgungsmöglichkeiten treiben die Menschen, die sich das leisten können, aus diesen Wohnungen und beschleunigen den sozialen Abstieg der Quartiere. Ich darf an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen: Auch das ist ein Ergebnis von 16 Jahren Kohl-Politik, nämlich dass es in Niedersachsen, aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland Quartiere gibt, in denen die einzigen Menschen, die morgens die Häuser verlassen, die Kinder sind, die zur Schule gehen, während die Erwachsenen zu Hause bleiben, weil sie arbeitslos geworden sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben die Arbeitslosigkeit nicht bekämpft, sondern die Arbeitslosen! Das ist der Unterschied zwischen uns. Wir wollen die Arbeitslosigkeit bekämpfen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Decker [CDU]: Dass man so was ungestraft erzählen darf! - Unruhe)

Wir wollen mit einer Kombination von Maßnahmen des Städtebaus,

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU])

der Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Jugendpolitik und der Umweltpolitik Abhilfe schaffen - ein Programm, das bislang ohne Beispiel ist, Frau Kollegin.

(Decker [CDU]: Welches?)

Für dieses Programm „Soziale Stadt“ haben sozialdemokratische Landespolitiker über Jahre ge

kämpft. Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir das erreicht haben,

(Decker [CDU]: Ohne Sie hätten wir das Problem gar nicht gehabt! - Gegenruf von Beckmann [SPD]: Das ist ein bisschen platt!)

und darauf, dass die Mittel dafür in Berlin nicht gekürzt worden sind. Wir wollen damit erreichen, dass zuallererst die Menschen, die in diesen Quartieren wohnen, wieder eine Perspektive haben, weil wir auch davon überzeugt sind, dass dies ein realistischer Beitrag ist, um Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema Sozialhilfe ist längst nicht mehr allein ein Problem der Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - auf diese Leistung des Staates angewiesen sind. Spätestens seit sich die Zahl der Arbeitslosen unter der Kohl-Regierung verdoppelt hat, ist es das wohl größte Problem, dem sich die Kommunen und dem sich die Landespolitik nach Kriegsende stellen müssen. Ich meine, dass die Milliarden Steuerausfälle, die wir zu verzeichnen haben, ihre Ursache zum Teil darin haben, dass immer weniger Menschen sozialversicherungspflichtig arbeiten.

(Dinkla [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Auch an dieser Stelle hat die Politik in Berlin, wie ich finde, vernünftig genug reagiert und neue Akzente gesetzt. Aber ich erwarte von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch nicht unbedingt, dass Sie sich mit solchen Themen beschäftigen. Es ist wichtiger, dass Sozialdemokraten das tun; denn eines ist mir völlig klar: Die Menschen vertrauen uns an dieser Stelle nicht ohne Grund. Sie vertrauen uns, weil sie wissen, dass Sozialdemokraten soziale Gerechtigkeit nicht nur als Metapher gebrauchen, sondern soziale Gerechtigkeit auch in ihrer täglichen Politik umsetzen, und darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen helfen wir mit der vor kurzem beschlossenen Lösung eines „Quotalen Systems“ bei der Sozialhilfe den Kommunen in deutlicher Weise - besser, als wir das mit jedem anderen Förderprogramm leisten könnten.

(Zurufe von der CDU)

Mit dem Systemwechsel geben wir den Kommunen Sicherheit und Planbarkeit für ihre jährlichen Ausgaben.

(Rolfes [CDU]: Herr Schwarz, was sagen Sie denn dazu?)

Aber damit nicht genug. Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart, Herr Kollege, die Mittel für den Altenplafond um 52,9 Millionen DM anzuheben. Die kommunalen Spitzenverbände haben daraufhin ihre Bedenken gegen dieses Gesetz zurückgezogen. Das ist eine vernünftige Art, so finde ich, wie Landesebene und kommunale Ebene miteinander arbeiten können. Das wollen wir fortsetzen.

(Beifall bei der SPD - Decker [CDU]: Können wir uns beim FAG auch da- rauf verlassen, dass das so klappt?)

Das Zahlenwerk dieses Haushalts und damit auch unsere Landespolitik werden, wie das schon seit Jahren der Fall ist, mitbestimmt von der Europapolitik, von den Programmen, die in Europa aufgelegt werden. Ich will gar nicht verhehlen, dass es in diesen finanziell schwierigen Zeiten nicht einfach ist, die EU-Programme gegenzufinanzieren. Sie sind aber ein zusätzliches Stück Gestaltungsspielraum für die Menschen in Niedersachsen, und wir wollen diesen Gestaltungsspielraum auch nutzen. Wir werden im Jahr 2001 und in den Folgejahren alle Anstrengungen unternehmen - darauf können Sie sich verlassen -, um so viel Komplementärmittel wie möglich zu erwirtschaften - nötigenfalls -, um diese Programme für Niedersachsen nutzen zu können. Jedenfalls wird das an uns nicht scheitern. Wir werden jeden ECU, der aus Europa kommt, gegenfinanzieren. Das ist eine deutliche Ansage, die in diesem Haushaltsplanentwurf auch zum Ausdruck kommt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang das Förderprogramm „ProLand“ erwähnen. Es stärkt Niedersachsen als das Agrarland Nr. 1 in der Bundesrepublik Deutschland. Zusammen mit anderen EUProgrammen für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum sind bis zum Jahr 2006 mehr als 1 Milliarde DM an EU-Mitteln für Niedersachsen vorgesehen. Mit den Komplementärmitteln des Bundes, des Landes und der anderen öffentlichen Träger ist dadurch ein Investitionsvolumen von mehr als 3 Milliarden DM in Gang gesetzt worden - so viel wie niemals zuvor in Niedersachsen. Meine Damen und Herren, wir wollen - ich sage

das hier ganz deutlich -, dass dieses Geld eingesetzt wird, um den Strukturwandel im ländlichen Bereich in Niedersachsen mitzugestalten und neue, bessere Strukturen entstehen zu lassen. Das ist unser Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Rolfes [CDU]: Was für Neues ist denn in dem Pro- gramm drin?)

Ungeachtet dieser hervorragenden Perspektiven für unsere ländliche Bevölkerung sind die ländlichen Räume Niedersachsens schon heute weitaus attraktiver, als sie es noch vor 1990 waren. Glücklicherweise ist ProLand ein so flexibles, weit greifendes Programm, dass es nicht allein auf die Agrarförderung im engeren Sinne beschränkt bleibt, sondern außerdem Vorhaben und Maßnahmen z. B. des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft mit etwa 130 Millionen DM fördert und natürlich auch weitere Politikbereiche, wie z. B. den für Niedersachsen bedeutenden Bereich des Tourismusses, positiv beeinflussen kann.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Arbeitsschwerpunkt unserer Fraktion wird in den nächsten Jahren die Verkehrspolitik sein. Wir werden darauf achten, dass die Finanzierung dieser Verkehrspolitik solide gestaltet wird.

(Rolfes [CDU]: Dann fährt kein Zug mehr in Niedersachsen!)

Ich sage das, weil wir hier auf einem Programm fußen, sehr geehrter Herr Kollege, das in den vergangenen Jahren sehr oft zu Spatenstichen geführt hat. Ich komme noch darauf zurück. Lassen Sie mich vorab eines sagen: Wir haben in den vergangenen Jahren aufgrund der EXPO im Bereich des Großraums Hannover einen landespolitischen Investitionsschwerpunkt gesehen. Das war eine von einer breiten Mehrheit hier im Hause getragene Vereinbarung. Ich sage ganz eindeutig für die SPD-Fraktion: Wir werden in den nächsten Jahren den Schwerpunkt der Mittel, die aus der Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzgebung kommen, in den ländlichen Raum hineinlegen. Das ist eine Zusage, die wir vor der EXPO gemacht haben und an die wir uns halten werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, auf die Beispiele, die im Augenblick aufgrund der Bundesverkehrspolitik zu Zeiten Kohls gegenfinanziert werden müssen, hat der

Finanzminister schon hingewiesen. Ich erinnere an das Beispiel der A 31. Hier muss das Land, müssen die Gemeinden in Vorleistung treten, um diese seit vielen Jahren - um nicht zu sagen: seit Jahrzehnten - dringend notwendige Verkehrsbaumaßnahme zu einem vernünftigen Zeitpunkt umsetzen zu können. Die erneute Ausputzerrolle, die das Land und die Kommunen übernehmen müssen, ist deshalb entstanden, weil bei der Aufstellung des alten Bundesverkehrswegeplanes die Augen größer waren als der Beutel des Finanzministers. Meine Damen und Herren, Sie haben erste Spatenstiche gemacht, dass die Heide gewackelt hat. Wenn der Wissmann alle ersten Spatenstiche, die er gemacht hat, an ein und derselben Stelle gesetzt hätte, dann wäre ein Loch entstanden, in das Sie das ganze Kabinett Kohl mit samt seinen verkehrspolitischen Wolkenkuckucksheimer hätten hereinsetzen können.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, werfen uns vor, wir hätten nicht genügend Projekte angemeldet. Erstens stimmt das nicht, und zweitens: Selbst wenn noch mehr hätte angemeldet werden können, stellt sich doch die Frage, was das für einen Effekt gehabt hätte vor dem Hintergrund eines mit fast 90 Milliarden DM unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplanes, den Sie zu verantworten haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Rolfes [CDU]: Deshalb habt ihr den noch einmal ge- kürzt!)

Wir machen eine andere Politik, Herr Kollege. Diese Politik kann man auch bewerten. Die kann man bewerten wie Sie oder so, wie das unabhängige Institutionen machen. Finanzminister Aller hat ja bereits darauf hingewiesen, an welcher Stelle sich Niedersachsen beim Länderranking finanzpolitisch positioniert hat. Die unabhängigen Sachverständigen, die uns auf einen guten zweiten Platz gesetzt haben, haben damit eines belegt: Wir haben es besser als andere Bundesländer verstanden, eine erfolgreiche Konsolidierungspolitik zu betreiben. Das zeigt deutlich, dass wir es trotz schwieriger wirtschaftspolitischer Indikationen geschafft haben, unser Land mit einer konsequenten Sparpolitik nicht nach hinten, sondern nach vorne zu bringen.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Das zeigt deutlich, dass wir die zur Verfügung stehenden Mittel auf wichtige Dinge konzentriert, Herr Oestmann, effizient eingesetzt und Prioritäten gesetzt haben. Wir fördern Betriebe, Technologien, industriepolitische Strukturen, Ideen, also alles, was Arbeitsplätze schafft, und der Erfolg gibt uns Recht. Der Erfolg zeigt sich in folgenden Daten: Wir sind an der Spitze der Bundesländer beim Zuwachs der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter, und zwar handelt es sich um einen Zuwachs von mehr als 2 %. In anderen Bundesländern und auf Bundesebene gibt es im Durchschnitt eine Abnahme der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.