Protocol of the Session on June 22, 2000

Die kommunalen Betätigungsfelder reichen von den klassischen Betätigungsbereichen der Daseinsvorsorge über die kommunale Wohnungsvermittlung, die Parkraumbewirtschaftung, die Grünflächen- und Landschaftsgestaltung bis zu den Technologieparks, der Telekommunikation, der Sanitärtechnik, der Gebäudereinigung, den Druckereidiensten, der Gastronomie sowie der Wirtschaftsförderung.

Es ist also zu beobachten bzw. es muss festgestellt werden, dass verschiedene kommunale Unternehmen in mancherlei Bereichen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten immer weiter ausweiten und zunehmend Tätigkeitsfelder besetzen, die bislang der Privatwirtschaft vorbehalten waren. Viele private Unternehmen fühlen sich durch die Konkurrenz staatlicher Wirtschaftsbetriebe überfordert und verunsichert. Angesichts der von den privaten Unternehmen beklagten fehlenden Chancengleichheit droht die Gefahr, dass der Privatwirtschaft in entsprechenden Bereichen die Geschäfts- und Existenzgrundlage entzogen wird.

In einem Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz vom Juni 1999 in Dresden zum Thema „Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen“ wird folgendes ausgeführt:

1. Die Wirtschaftsministerkonferenz erkennt grundsätzlich das Recht der Kommunen an, am allgemeinen Wirtschaftsverkehr im Rahmen der dafür geltenden gesetzlichen Schranken teilzunehmen.

2. Die Wirtschaftsministerkonferenz sieht jedoch mit zunehmender Sorge, dass Kommunen ohne ein rechtfertigendes öffentliches Interesse in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen treten. Hierdurch werden vor allem kleine und mittlere Unternehmen vom Markt verdrängt und Arbeitsplätze gefährdet.

3. Die Wirtschaftsministerkonferenz bittet deshalb den Bund und die Länder, in ihren Ausschüssen „Handwerkswirtschaft“ und „Mittelstand“ einen gemeinsamen Bericht zum Thema „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und deren Auswirkung auf das Handwerk und den Mittelstand“ bis zur Frühjahrskonferenz im Jahr 2000 vorzulegen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wir beurteilt sie das dargestellte Vorgehen mancher Kommunen, und welchen Weg der „wirtschaftlichen Betätigung“ empfiehlt sie den Kommunen, um damit im gesetzlichen Rahmen und ihrer Organisationshoheit Unternehmen betreiben zu können?

2. Was gedenkt sie zu tun, um gegenüber den immer geringer werdenden Einnahmen bei ständig steigenden Kosten der Kommunen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen, der dem Verfassungsziel, „die Kommunen mit hinreichenden Finanzmitteln auszustatten“, entspricht?

3. Welchen Inhalt hat der gemeinsame Bericht der Ausschüsse „Handwerkswirtschaft“ und „Mittelstand“ zum Thema „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und deren Auswirkungen auf das Handwerk und den Mittelstand“, und welche Konsequenzen zieht die Landesregierung daraus?

Durch die auf europäischer Ebene politisch gewollte Liberalisierung des Energiemarktes hat sich der Wettbewerbsdruck auf die kommunalen Versorgungsunternehmen verschärft. Nichtkommunale Energieversorger dringen mit attraktiven Angeboten in den Bereich der rechtlich nicht mehr zulässigen Gebietsmonopole und damit in die traditionellen kommunalen Versorgungsgebiete ein. Die kommunalen Stadtwerke müssen zur Sicherung ihres öffentlichen Versorgungsauftrages und auch im Interesse ihrer sonstigen kommunalwirtschaftlichen Aufgaben, wie z. B. der Abwasser- und Abfallentsorgung, des öffentlichen Personennahverkehrs oder des Bäderwesens, reagieren und nutzen unter diesem Druck alle Möglichkeiten zu Effizienzverbesserungen. Sie bilden Einkaufsverbünde und Anbietergemeinschaften mit innovativen Angebotsstrategien, sie reorganisieren sich nach den neuesten betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen und erzielen daraus Synergieeffekte für ihre Preisgestaltung. Es werden auch in den Bereichen der übrigen Kommunalwirtschaft bestehende und neue Geschäftsfelder abgerundet oder hinzugefügt, allerdings nur im Rahmen der Erledigung kommunaler Angelegenheiten, wenn die Zwecke nicht besser und

wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt werden oder erfüllt werden können.

Dennoch bleiben Einbrüche bei den Erträgen zu befürchten, mit negativen Auswirkungen auf die bisherigen Möglichkeiten, z. B. im Querverbund zu Verlustausgleichen bei anderen kommunalen Aufgaben beitragen zu können. Die Trägerkommunen überlegen daher Verkäufe, verschiedene Formen der Privatisierung und auch unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit mit privaten Dritten.

Ertragsminderungen, die sich bei den Trägerkommunen als Verlustausgleich oder als geringere Gewinnabführungen bemerkbar machen, werden durch die bisherigen Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung, durch Privatisierung oder durch die generell wieder ansteigenden kommunalen Einnahmen schrittweise wettzumachen sein. Für diese Annahme spricht ein Vergleich der Ergebnisse der Vierteljahresstatistik der Kommunalfinanzen 1999 mit denen des Jahres 1998. Er zeigt eine erfreuliche Entwicklung: Während die Ausgaben der laufenden Rechnung 1999 um 0,4 % abnehmen, ist bei den Steuereinnahmen (netto) eine Steigerung von 5,3 % zu verzeichnen. Ein ähnlicher Verlauf hat sich auch im Vergleich der Jahre 1998 mit 1997 ergeben. Die Ausgaben der laufenden Rechnung sind 1998 um 0,6 % gestiegen, die Steuereinnahmen (netto) haben um 5,4 % zugenommen.

In der Anfrage wird demnach die falsche Behauptung aufgestellt, dass die Kommunen sinkende Steuereinnahmen zu verzeichnen hätten. Die Landesregierung teilt folglich nicht die in der Anfrage angedeutete Sorge, die Kommunen könnten wegen ihrer Finanzsituation gezwungen sein, ihre Einnahmen zum Schaden insbesondere von Handwerk und Mittelstand zu erhöhen. Es ist eher zu begrüßen, dass Konsolidierungsmaßnahmen der Kommunen ihre Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung und damit auch zu Auftragsvergaben an die private Wirtschaft erhalten.

Für einen nach der Anfrage vorliegenden Konkurrenzkampf der Kommunen gegen die Privatwirtschaft sind der Landesregierung keine eklatanten Belege aus Niedersachsen bekannt geworden. Allerdings ergibt sich aus der Wahrnehmung verfassungsrechtlich garantierter kommunaler Aufgabenerfüllung in den Formen wirtschaftlicher Betätigung naturgemäß immer ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen kommunalen Unter

nehmen und der privaten Erwerbswirtschaft. Die Konturen dieses Spannungsverhältnisses haben sich notwendigerweise aufgrund der verschärften Wettbewerbssituation - insbesondere aus den Folgen der Veränderungen auf dem Energieversorgungsmarkt - zwar deutlicher herausgehoben, die Grenzlinie zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit der Kommunen und privater Erwerbswirtschaft bildet aber unverändert das begründete öffentliche Interesse, das gesetzliche Voraussetzung jeder kommunalwirtschaftlichen Tätigkeit sein muss, wobei selbstverständlich auch eine gute Partnerschaft mit der mittelständischen Wirtschaft und mit dem Handwerk zu beobachten ist. Es darf auch nicht vernachlässigt werden, dass die kommunale Wirtschaft ein wichtiger Auftraggeber für Handwerk und Mittelstand ist. Nach den sie umgebenden wirtschaftlichen Bedingungen entwickelt sich die kommunalwirtschaftliche Betätigung in Niedersachsen durchaus in von der Rechtsordnung gedeckten Bahnen.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage der Abgeordneten Frau Jahns wie folgt:

Zu 1: Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Die Landesregierung erwartet von den Kommunen, dass sie auf dem von ihnen im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung eingeschlagenen Weg die vom Gemeindewirtschaftsrecht gesetzten Grenzen beachten und dabei die gute Zusammenarbeit mit der mittelständischen Wirtschaft und mit dem Handwerk im Auge behalten.

Zu 2: Die Frage geht von einer nicht korrekten Einschätzung der kommunalen Steuereinnahmen aus. Wie oben ausgeführt, sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren erheblich gestiegen und die Ausgaben der laufenden Rechnung tendenziell gesunken. Folglich stellt sich die Frage nach einem entsprechenden finanziellen Ausgleich so nicht. Im Übrigen stellt die Landesregierung den Kommunen sowohl für die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben als auch für die Erfüllung der übrigen Aufgaben ausreichend Finanzmittel zur Verfügung.

Zu 3: Der vollständige Inhalt des gemeinsamen Berichts der Ausschüsse „Handwerkswirtschaft“ und „Mittelstand“ zum Thema „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und deren Auswirkungen auf das Handwerk und den Mittelstand“ kann hier wegen seines Umfangs nicht wiedergegeben werden. In seinem Kern weist der Bericht

auf die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und auf Existenzgefährdungen für viele kleine und mittlere Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe sowie auch für Angehörige der freien Berufe insbesondere im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich hin, wenn kommunale Unternehmen ihre wirtschaftliche Betätigung über die klassischen Betätigungsbereiche der Daseinsvorsorge hinaus ausgedehnt haben.

An die Innenministerkonferenz richtet sich die Aufforderung der Wirtschaftsministerkonferenz, für den Vorrang privatwirtschaftlicher Tätigkeit auf kommunaler Ebene zu sorgen, das kommunale Wirtschaftsrecht im Rahmen einer effektiven Kommunalaufsicht restriktiv auszulegen und dabei auf Auswirkungen der kommunalwirtschaftlichen Betätigung auf die mittelständische Wirtschaft und das Handwerk zu achten, bzw. an gesetzgeberische Maßnahmen zu denken. Die Kommunen werden in dem Bericht gebeten, echte Privatisierungspotenziale zu realisieren, ihre wirtschaftliche Betätigung auf den unverzichtbaren Kernbereich der von ihnen zu leistenden Daseinsvorsorge zu beschränken; weiterhin werden die Kommunen aufgefordert, Leistungen in der Weise auszuschreiben, dass auch kleine und mittlere Unternehmen bzw. Angehörige der freien Berufe ein Angebot abgeben können.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat diese Vorschläge mitgetragen. Die Innenministerkonferenz hat ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen. Das Niedersächsische Innenministerium verfolgt dabei eine Linie, die in den einleitenden Ausführungen skizziert worden ist.

Anlage 23

Antwort

des Innenministeriums auf die Frage 29 der Abg. Frau Körtner (CDU):

Auswirkungen der „Bundeswehrreform“ auf Niedersachsen - Standortschließungen und Personalabbau

Die so genannte Bundeswehrreform der Bundesregierung, die u. a. zur erheblichen Reduzierung der Anzahl militärischer und ziviler Bundeswehrangehöriger führen wird, bedroht damit auch „die Existenz vieler KasernenStandorte. Von Schließungen oder erheblichem Personal- sowie Kapazitätsabbau wären Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen besonders hart betroffen.... Geschlossen werden sollen vor allem

Standorte mit weniger als 50 Soldaten“ („Nordwest-Zeitung“ vom 19. Mai 2000).

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele und welche Bundeswehrstandorte mit wie vielen zivilen und militärischen Beschäftigten gibt es in Niedersachsen, wie viele und welche sind dabei so genannte Kleinstandorte mit weniger als 50 Soldaten?

2. Welche Standortverlagerungen, Standortreduzierungen und Standortschließungen hat es in Bezug auf welche Truppenteile mit welchen Auswirkungen auf zivile und militärische Beschäftigte seit 1990 in Niedersachsen gegeben unter Einbeziehung der Maßnahmen befreundeter NATO-Partner?

3. Welche Maßnahmen wird die Niedersächsische Landesregierung ergreifen, um angesichts der von der Bundesregierung geplanten Reduzierung der Bundeswehr niedersächsische Standorte und damit auch regionale Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft zu sichern?

In der Kleinen Anfrage zur mündlichen Beantwortung wird zunächst geäußert, dass durch die so genannte Bundeswehrreform der Bundesregierung u. a. auch „die Existenz vieler KasernenStandorte“ bedroht sei. Dieser Befürchtung stehen vielfältige in den Medien verbreitete Äußerungen aus dem Verteidigungsministerium entgegen, wonach es keine Standortschließungen in größerer Zahl geben werde und zunächst lediglich 166 Kleinststandorte mit weniger als 50 Soldaten überprüft werden sollen. Im Grundsatzpapier des Bundesministers der Verteidigung über die „Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf“ wird zu den Standorten ausgeführt, dass die Bundeswehr auch weiterhin in der Fläche präsent sein werde, weil dieses eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Einbindung der Soldaten und ihrer Familien bedeutet und dadurch u. a. auch die Möglichkeit der Nachwuchsgewinnung eine erhebliche Verbesserung erfährt. Es gelte der Grundsatz: „Optimierung geht vor Reduzierung“.

Wir alle sollten deshalb auch für unser Bundesland hoffen, dass diese Zielsetzung am Ende dieses Prozesses Wirklichkeit wird.

Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu 1: Konkrete Zahlen über militärische und zivile Beschäftigte in den einzelnen Standorten in Niedersachsen können nicht angegeben werden, da durch Versetzungen, Einberufungen, Kommandierungen und Einsätzen im Ausland jeder

Standort einer mehr oder weniger starken Fluktuation ausgesetzt ist. Es kann lediglich eine Gesamtübersicht - Stand 23. März 2000 – über die Stationierung der Bundeswehr in Niedersachsen gegeben werden. Sie lautet:

Anzahl der Soldaten in Niedersachsen 54.700

Zivilbedienstete der Bundeswehr in Niedersachsen 23.600

Ausbildungsplätze der Bundeswehr in Niedersachsen 1.300

Von den 68 Standorten in Niedersachsen gibt es 24, die eine Belegungsstärke von unter 50 Soldaten aufweisen.

Zu 2: In Niedersachsen haben seit 1990 drei Phasen einer Truppenreduzierung der Bundeswehr stattgefunden. Die erste Reduzierungsphase erfolgte im Zeitraum von 1990 bis 1994, die zweite Phase wurde aufgrund des "Ressortkonzepts zur Anpassung der Streitkräftestrukturen, der territorialen Wehrverwaltung und Stationierung“ in den Jahren 1995 und 1996 vorgenommen, dieser Maßnahme schloss sich die dritte Phase im Rahmen der Ministerentscheidung vom 21. Mai 1996 über die Depotorganisation der Streitkräfte an.

Für die erste Phase ist folgendes festzustellen:

In Niedersachsen waren vor 1990 aufgrund der besonderen sicherheitspolitischen Lage rd. ein Fünftel aller Bundeswehrstreitkräfte, und zwar 86.679 Soldaten, stationiert. Niedersachsen hatte damit die höchste Stationierungsdichte aller alten Bundesländer. In der ersten Phase wurde die Bundeswehr in Niedersachsen um rd. 30.000 Soldaten reduziert. Besonders betroffen waren damit folgende Standorte:

a) durch Auflösung Brake, Clausthal-Zellerfeld, Göttingen, Hann.Münden, Langenhagen, Northeim, Stade, Wolfenbüttel, Steyerberg,

b) durch erhebliche Reduzierung Braunschweig, Celle und Umgebung, Cuxhaven, Hildesheim, Neustadt a. Rbge.

Zusätzlich erfolgten weitere Reduzierungen in anderen Standorten in Niedersachsen, die letztlich zu der oben genannten Gesamtzahl führten.

Bei den in Niedersachsen stationierten alliierten Streitkräften erfolgte ein Abbau von 33.120 auf rd. 13.900. Zur Zeit sind nur noch britische und

niederländische Streitkräfte in Niedersachsen stationiert. Hervorzuheben ist hierbei der Standort Garlstedt, wo eine US-Brigade mit ca. 4.000 Soldaten der 2. US-Division stationiert war. Diese Brigade wurde nach ihrem Einsatz 1991 im Golf direkt in die USA zurückverlegt. Garlstedt ist heute Standort der Nachschubschule des Heeres.