Protocol of the Session on June 20, 2000

den Kultusausschuss zur Beratung und Berichterstattung überwiesen worden. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich erteile das Wort zunächst der Frau Kollegin Körtner, die sich zu beiden Tagesordnungspunkten gemeldet hat. Bitte schön, Frau Körtner!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil die Kollegin Brigitte Litfin heute einen sehr wichtigen Termin beim Arzt wahrzunehmen hat, haben sich die Redner der beiden anderen Fraktionen darauf verständigt, keine längeren grundsätzlichen Ausführungen mehr zu den beiden zu behandelnden Tagesordnungspunkten zu machen. Nach einer gemeinsamen Beschlussfassung im Kultusausschuss haben wir Ihnen heute aber noch einen Änderungsantrag vorgelegt, den wir aus gegebenem Anlass stellen mussten und auf den ich jetzt kurz eingehen werde. Insbesondere drei Punkte haben bei uns zu unserem Änderungsantrag geführt. Zu mehr als drei Punkten könnte ich heute auch rein stimmlich nicht sprechen.

Erstens. Ministerpräsident Gabriel hatte auf die Empfehlungen des Landeselternrates und den Antrag der CDU-Fraktion reagiert und eine landesweite ergebnisoffene Dialogphase angekündigt. Er hatte am 30. März hier im Plenum auf den Kollegen Busemann reagiert und Gemeinsamkeit sowie Ergebnisoffenheit angekündigt. Er hat daraufhin gesagt, dass die Schullaufbahnempfehlung nach Klasse 4 Grundschule nicht seiner persönlichen Auffassung entspreche. Aber auch diese Debatte würde gemeinsam und ergebnisoffen weitergeführt. Er hatte aber schon zwei Tage zuvor, also am 28. März, gemeinsam mit der Frau Kultusministerin in einer Presseerklärung, die uns während der Plenarsitzung am 30. März allerdings noch nicht vorlag, für die Landesregierung nach draußen hin wörtlich verlautbaren lassen:

„Ein Zurück in die 50er-Jahre mit einer Schullaufbahnempfehlung nach Klasse 4 Grundschule wird es nicht geben.“

Meine Damen und Herren, es kann doch nicht wahr sein, dass nun mit der Ergebnisoffenheit geworben wird, gleichzeitig aber von dem Herrn Ministerpräsidenten Denkverbote ausgegeben werden und damit Entscheidungsabläufe noch vor

der landesweiten ergebnisoffenen Dialogphase in eine ganz bestimmte Richtung gebracht werden.

Es kann genauso wenig sein, dass es Gabriel‘sche Versionen und Interpretationen gibt, die besagen, was ergebnisoffen ist und was nicht. Sicherlich hat jeder von uns eine bestimmte Vorstellung von der Orientierungsstufe. Auch wir haben uns zurückgenommen. Aus unserer Sicht gibt es systemimmanente Probleme, die nicht mehr auszubügeln sind. Aber wir haben uns zurückgenommen. Wir alle sind nicht nach allen Seiten offen. Denn wer nach allen Seiten offen ist, ist auch häufig nicht ganz dicht. Deswegen hat jeder eine bestimmte Vorstellung. Aber es kann wirklich nicht sein, dass wir so hinter die Fichte geführt werden und dass unser Vertrauen in dieser Form missbraucht wird.

Der Ministerpräsident spielt eindeutig auf Zeit. Der Kollege Klare hat das im Kultusausschuss auch eindeutig gesagt. Erst im Frühjahr 2002 sollen die Schlussfolgerungen aus der Dialogphase gezogen werden, sodass erst nach der Landtagswahl 2003 politische Beschlüsse umgesetzt werden. Das heißt de facto, dass Entscheidungen in die nächste Legislaturperiode gedrückt werden, was den stillen Charme hat, dass der Ministerpräsident nicht mehr vor der Landtagswahl entscheiden muss. Wenn ihm nämlich die Schlussfolgerungen nicht so gut ins politische Konzept passen, taucht er eben einfach weg.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht sei- ne Art!)

So geht es nicht, meine Damen und Herren. Wir wollen keinen Schulkampf. Das haben wir gemeinsam erklärt. Aber wir wollen auch keinen Schulkrampf. Dies wird aber langsam ein Schulkrampf, meine Damen und Herren.

(Frau Seeler [SPD]: Warum haben Sie eigentlich im Ausschuss zugestimmt?)

- Meine liebe Frau Seeler, ich habe es Ihnen eben erklärt. Es gibt doch nichts Urdemokratischeres, als im Plenum einen Änderungsantrag zu stellen, wenn man festgestellt hat, dass bestimmte Dinge noch nachgereicht werden müssen. Wenn Sie das kritisieren, muss ich Ihnen sagen: Fangen Sie einmal selbstkritisch bei sich selbst an.

(Beckmann [SPD]: Wir fragen doch nur! Wir haben nur höflich gefragt!)

Meine Damen und Herren, wenn man dann noch zur Kenntnis nehmen muss, dass in den Begutachtungsreigen für die Orientierungsstufe die Institute aufgenommen worden sind, die die hartnäckigsten Verfechter integrierter Schulsysteme sind, und wenn die Ansicht vertreten wird, dass die Orientierungsstufe letztlich eine auf zwei Jahre beschränkte Gesamtschule ist – das hat der Ministerpräsident in der Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes selbst übermittelt und unterschrieben –,

(Möhrmann [SPD]: Die Grundschule ist übrigens auch eine Gesamtschule, Frau Körtner!)

muss man schon misstrauisch werden und sich fragen, ob jetzt schon die Richtung festgelegt und klargemacht werden soll, wohin der Zug letztendlich fährt. Wir werden diesen Krampf jedenfalls nicht mitmachen.

Zum Antrag der Fraktion der Grünen zur Einbeziehung der sechsjährigen Grundschule in die Strukturuntersuchung erklären wir, dass wir selbstverständlich nicht für diese sechsjährige Grundschule sein können. Sie wird sich auch aus niedersächsischen Besonderheiten und finanziellen Gründen heraus erledigen. Sie kann von uns inhaltlich und pädagogisch auch nicht unterstützt werden. Aber weil wir ergebnisoffen sind, haben wir nichts dagegen, dass sie in diese Strukturuntersuchung einbezogen wird, und werden daher dem Antrag der Fraktion der Grünen zustimmen.

Wir missbilligen auf das Schärfste – das wollten wir mit unserem Änderungsantrag zum Ausdruck bringen -, dass der Ministerpräsident gegen seine eigene Verlautbarung zur Ergebnisoffenheit landesweiter Dialogphasen verstoßen hat. Wir bitten Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Meinhold, Sie haben sich auch zu beiden Tagesordnungspunkten gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der vergangenen Landtagssitzung eine sehr lebhafte und intensive Debatte über den Beschluss des Landeselternrates geführt, die

mit entsprechenden Schlagzeilen verbunden war. Dann wurde der Antrag, wie es üblich ist, in den Kultusausschuss überwiesen. Dort wurde eine sehr sachliche und ruhige Debatte geführt. Diese Debatte war von einer Überlegung geprägt: Gibt es eine Möglichkeit, dass die drei Fraktionen in diesem Hause das Verfahren gemeinsam mittragen?

(Frau Körtner [CDU]: Eben! Das wollten wir ja!)

Im Kultusausschuss endete die Beratung mit der vorliegenden Beschlussempfehlung - und zwar einstimmig. Wir haben im Kultusausschuss beschlossen: „Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung entsprechend...“ usw.; es ist Ihnen bekannt. Am Ende lautet der Beschluss: „Dem Landtag ist darüber regelmäßig Bericht zu erstatten.“

Gestern – einen Monat nach der Beschlussfassung – hat die CDU-Fraktion einen Antrag vorgelegt, in dem statt der Begrüßung, die wir gemeinsam beschlossen haben, eine Missbilligung der Landesregierung formuliert wird. Deshalb ist die Begründung überhaupt nicht stichhaltig, liebe Frau Kollegin Körtner.

(Möllring [CDU]: Wer dem Atom- konsens zustimmt, muss sich hierüber auch nicht aufregen!)

Denn wenn das, was Sie uns eben erläutert haben, stimmen sollte, dann hätte es mindestens kurze Zeit nach der Beschlussfassung im Kultusausschuss eine solche Korrektur geben müssen. Sie ist aber nicht gekommen. Deshalb habe ich darauf geachtet, wer unterschrieben hat, liebe Frau Kollegin Körtner. Es ist die Methode Busemann. Dieser Herr, der hier mit salbungsvollen Worten auftritt und erzählt, wie er sich um das Wohl der Kinder kümmert, konnte nicht mit diesem einstimmigen Beschluss leben, in dem die Fraktionen der CDU, der SPD und der Grünen sagen: Wir begrüßen etwas, was die Landesregierung macht. - Das kann doch nicht wahr sein, hat sich der Kollege Busemann gedacht, und hat daraufhin gesagt: Das muss neu geschrieben werden. Das hat er gestern gemacht, und heute ist es uns auf den Tisch gelegt worden. Der Kollege Busemann ist so solidarisch und kollegial, dass er die Kollegin Körtner nach vorne gehen lässt, statt selbst nach vorne zu treten und es zu erklären.

(Beifall bei der SPD – Möhrmann [SPD]: Pfui!)

Deshalb hat die Kollegin Körtner meinen vollen Respekt. Ich weiß, wie schwer es ihr gefallen ist.

(Zurufe von der CDU)

Hier musste für jemanden gesprochen werden, der wieder einmal jemanden vorgeschoben hat.

(Möllring [CDU]: Jetzt muss Gabriel wieder ran! – Gegenruf von Minister- präsident Gabriel [SPD]: Ich bin we- nigstens da!)

Herr Busemann, lassen Sie mich eines sagen: Wir brauchen in der Debatte über die Schule im Landtag prinzipiell Übereinstimmung. An dieser Stelle ist es uns gelungen. Diesen Frieden, der für eine so gravierende, tief greifende Untersuchung nötig ist, modeln Sie allerdings um, weil Sie sich mehr davon versprechen, über dem Stichwort „Schulunfrieden“ Ihr Süppchen kochen zu können und damit Stimmen zu fangen. Das ist Ihre Methode, die Sie schon mehrfach praktiziert haben.

Aber Sie haben bei Ihrem Änderungsantrag etwas übersehen, Herr Busemann. Das irritiert mich besonders. Sie haben in Ihrem Ursprungsantrag geschrieben: „Dem Landtag ist darüber umgehend Bericht zu erstatten.“ Wir haben in unserer Beschlussempfehlung im Kultusausschuss wortwörtlich geschrieben: „Dem Landtag ist darüber regelmäßig Bericht zu erstatten.“ In Ihrem Änderungsantrag fehlt diese Formulierung, Herr Busemann. Sie legen überhaupt keinen Wert auf die Berichterstattung, weil es Ihnen nämlich nicht um eine ergebnisoffene Diskussion geht. Sie wollen die Ergebnisse, die sich im Rahmen der Untersuchung ergeben, gar nicht hören. Für Sie ist die Sache klar.

Lassen Sie es mich klar sagen: Die Methode, der Landesregierung schon im Vorfeld zu unterstellen, sie wolle nicht ergebnisoffen herangehen, heißt eindeutig - -

(Zuruf von der CDU)

Das, was Sie der Landesregierung unterstellen, ist das, was Sie selbst machen wollen. Sie haben nur eine Sache im Sinn, Herr Busemann. Sie wollen die Ori abschaffen. Deshalb ist Ihnen die Zeit zu lang. Deshalb wollen Sie die Untersuchungsergebnisse nicht abwarten, weil dabei etwas herauskommen könnte, was Ihnen nicht gefällt.

Deshalb sage ich an dieser Stelle mit aller Klarheit:

Erstens. Wir weisen Ihren Antrag entschieden zurück.

Zweitens. Wir bedauern, dass Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Kultusausschuss dazu gezwungen haben, von dem einstimmigen Beschluss abzuweichen und heute nicht entsprechend abzustimmen. Wenn das nicht der Fall ist, Herr Busemann, gehe ich davon aus, dass die Empfehlung des Kultusausschusses heute vom gesamten Parlament angenommen wird. Ich bin darauf gespannt, wie die Abstimmung ausgehen wird.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schröder, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir ist von meiner Kollegin Frau Litfin gesagt worden, dass sich die Bildungspolitiker aller drei Fraktionen einig gewesen seien, nicht inhaltlich über den Punkt zu reden, sondern dass allenfalls die Kollegin von der CDU-Fraktion noch einmal Gelegenheit erhält, kurz zu begründen, warum sich die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungsantrag von der einstimmig gefassten Beschlussempfehlung des Kultusausschusses entfernt hat.

Daran gemessen waren das zwei ausgeprägt leidenschaftliche und umfangreiche Beiträge zur Debatte. Ich kann Sie aber beruhigen: Ich will das nicht fortsetzen. Ich werde mich nicht zur Orientierungsstufe äußern. Das würde auch nicht gut ausgehen,

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU])

sondern ich werde nur den Antrag stellen, Tagesordnungspunkt 12 mit unserem Antrag „Erfahrungen mit der 6-jährigen Grundschule in die Strukturuntersuchung zur Zukunft der Orientierungsstufe einbeziehen“ in die Diskussion mit einzubeziehen, und beantrage für meine Fraktion sofortige Abstimmung. Es war auch so abgesprochen. Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 11 befindet sich in der zweiten Beratung; der Antrag unter Tagesordnungspunkt 12 befindet sich in der ersten Beratung, aber natürlich macht es Sinn, die Erfahrungen mit der sechsjährigen Grundschule einzubeziehen, wenn das Thema heute abschließend beraten wird. – Schönen Dank.

Frau Kollegin Körtner, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte noch eine Minute Redezeit. Ich kann das nicht so auf dem Kollegen Busemann sitzen lassen. Der ist, lieber Herr Kollege Meinhold, in diesem Falle völlig unschuldig. Sie müssen einmal davon ausgehen, dass ich mich nicht so einfach von irgendjemandem zu irgendetwas zwingen lasse, was ich nicht möchte.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Der Kollege Busemann ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender, zuständig für den Bereich Bildung. Wie es zu diesem Änderungsantrag gekommen ist, habe ich Ihnen bedauerlicherweise ein wenig länger als vorgesehen umfassend erklärt, Herr Kollege Meinhold. Deshalb bitte ich um Unterstützung für den Änderungsantrag.