Protocol of the Session on May 12, 2000

und dass von der gesetzlich geforderten arbeitsmarktpolitischen Neutralität seit vielen Jahren keine Rede mehr sein kann.

Der Zivildienst ist zum Ausfallbürgen - ich glaube, das kann man so sagen - für erhebliche Teile des Gesundheits- und Pflegebereichs geworden. Das, Herr Kollege Jansen, ist eine Altlast, die uns die alte Bundesregierung überlassen hat und die wir jetzt zu bewältigen haben.

Aber völlig unabhängig davon, wer die Verantwortung trägt, zieht unter den geschilderten Bedingungen, die doch eigentlich niemand ernstlich bestreitet, die Verkürzung des Zivildienstes entsprechende Probleme genau in diesem sozialen Bereich nach sich. Ich bin schon ein bisschen verwundert darüber, dass sowohl die Ministerin gestern als auch Sie, Frau Groneberg, heute dieses Problem vollständig leugnen und überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das ist falsch.

(Frau Groneberg [SPD]: Das stimmt ja nicht!)

- Doch, das haben Sie hier noch einmal ausdrücklich betont.

(Frau Pawelski [CDU]: Ja, es würde keine Probleme geben!)

Das, was der Kollege Jansen hier geschildert hat, ist ein reales Problem, und damit haben wir uns auch auseinander zu setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das sage ich, obgleich ich es für dringend notwendig und für gerecht halte, dass die Zivildienstzeit verkürzt worden ist. Es ist natürlich richtig, dass die alte Bundesregierung das auch immer wieder getan hat, ohne die negativen Folgen, die das für den sozialen Bereich nach sich gezogen hat, in irgendeiner Weise zur Kenntnis zu nehmen. Nur, das tröstet die jetzt Betroffenen natürlich in keiner Weise.

Ich bin deswegen sehr froh, dass die Wohlfahrtsverbände eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe eingerichtet haben. Ich glaube, dass das dringend notwendig war. Eigentlich hätte es sogar das Sozialministerium sein müssen, das diese Arbeitsgruppe einrichtet, das dieses Problem aktiv angeht und das versucht, einen Beitrag zur Lösung zu leisten. - Ich finde, dass das Ministerium bei solchen virulenten Problemen oft zum Jagen getragen werden muss. Das finde ich schade.

Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben, und zwar auch deswegen, weil völlig klar ist, dass mit dieser Verkürzung nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein wird. Es wird einen grundlegenden Wandel im Wehrbereich geben, der natürlich auch Auswirkungen auf den Zivildienstbereich haben wird. Deswegen ist es notwendig, sich auch auf Landesebene mit diesen Veränderungen auseinander zu setzen, sie nicht zu leugnen, sondern sie aktiv aufzugreifen und anzugehen und die Chancen, die in diesem Umbau liegen, zu nutzen.

Das, was wir bisher im Bereich Zivildienst hatten, kann doch auch nicht richtig gewesen sein. Wir sind nicht der Auffassung, dass der Status quo auf immer festgeschrieben werden soll. Wir müssen vielmehr dringend darauf achten, dass das Geld, das derzeit im Bundeshaushalt für den Zivildienst zur Verfügung gestellt wird - 2,5 Milliarden DM -, nicht einfach zur Konsolidierung des Haushalts, sondern für diesen dringend notwendigen Umbau des Sozialsystems genutzt wird.

Wir Grüne haben auf Bundesebene einen, wie ich finde, sehr guten Vorschlag gemacht, wie dieser

Umbau vonstatten gehen soll. Wir wollen auf der einen Seite, dass daraus reguläre Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber auf der anderen Seite ist dieses Geld dringend notwendig, um das freiwillige ökologische und das freiwillige soziale Jahr stärker auszubauen. Ich finde, es ist wirklich ein Skandal, dass junge Leute bei uns an die Tür klopfen und sagen, sie wollen soziale Leistungen erbringen, sie wollen auch für sie ganz wesentliche menschliche Erfahrungen machen, und dass wir diese jungen Leute dann zurückweisen und ihnen einen Korb geben. Das kann angesichts der Tatsache, dass wir einen großen Handlungsbedarf im sozialen Bereich haben, doch nicht richtig sein.

Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn der Vorschlag, den wir gemacht haben, diskutiert wird, meinetwegen auch kritisch. Aber wir werden eine Lösung brauchen. Ich glaube, dass der Vorschlag eine sehr gute Vorlage für die weitere Diskussion ist. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wenn Sie den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen mit der Federführung beauftragen und den Ausschuss für innere Verwaltung mitberaten lassen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie so beschlossen.

Wir haben damit die Tagesordnung komplett abgearbeitet. Der nächste, der 23., Tagungsabschnitt ist für den 20. bis 22. Juni 2000 vorgesehen. Für diesen Tagungsabschnitt gilt, was der Ältestenrat in seiner Sitzung im Februar für alle Plenarsitzungen während der EXPO 2000 beschlossen hat, nämlich dass der Landtag vorrangig am Mittwoch und am Donnerstag sowie bei Bedarf außerdem am Dienstag zusammentreten soll. Der Präsident wird den Landtag einberufen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung der Sitzungen bestimmen.

Ich schließe unsere Sitzung und wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt und ein schönes Wochenende.

Schluss der Sitzung: 11.50 Uhr.

Anlagen zum Stenografischen Bericht

noch:

Tagesordnungspunkt 27:

Mündliche Anfragen - Drs. 14/1585

Anlage 1

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 5 der Abg. Frau Janssen-Kucz (GRÜNE):

Unterstützung selbstorganisierter Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen

Nach § 25 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) sollen Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte, die die Förderung von Kindern selbst organisieren wollen, beraten und unterstützt werden. In Niedersachsen wird diese Aufgabe von der Landesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen LAGE übernommen. Hierfür bekommt die LAGE bislang auch Mittel vom Land (Einzelplan 07, Kapitel 07 74, TGr. 72). Nach meinen Informationen hat das Kultusministerium jedoch beim Finanzministerium nicht beantragt, auch für das Jahr 2001 im Landeshaushalt Mittel für die Förderung der LAGE vorzusehen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Beabsichtigt das Land, die Landesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen auch in den kommenden Jahren finanziell zu unterstützen?

2. Wie soll künftig in Niedersachsen der Auftrag nach § 25 KJHG erfüllt werden, Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte zu beraten und zu unterstützen, die die Förderung von Kindern selbst organisieren wollen?

3. Wie bewertet die Landesregierung das Engagement der LAGE für den Erhalt von Mindest-Qualitätsstandards im niedersächsischen Kita-Gesetz?

Es trifft zu, dass nach § 25 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte, die die Förderung ihrer Kinder selbst organisieren wollen, beraten und unterstützt werden sollen. Inwieweit damit ein Anspruch auf finanzielle Förderung einer bestimmten Organisation verbunden ist, möchte ich an dieser Stelle einmal offen lassen.

Es trifft jedoch ebenso zu - dieser Hinweis fehlt in Ihrer Anfrage -, dass diese Beratung und Unterstützung zu den Aufgaben der örtlich zuständigen

öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe gehören, also der kommunalen Ebene. Es ist keinesfalls eine unabweisbare Aufgabe des Landes, sich finanziell an dieser Unterstützung zu beteiligen.

Es ist allerdings einzuräumen, dass die LAGE, beziehungsweise ihre örtlichen Kontakt- und Beratungsstellen, tatsächlich bis zum Sommer 1997 aus Landesmitteln auch für Tätigkeiten gefördert wurde, die – wie die angesprochenen Aufgaben nach § 25 KJHG - schwerpunktmäßig zum Zuständigkeitsbereich der kommunalen Ebene gehören.

Nach näherer Untersuchung der Aufgaben und Arbeiten der LAGE im Jahre 1997 wurde der von den örtlichen Kontakt- und Beratungsstellen wahrgenommene Tätigkeitsbereich zum 1. August 1997 von der Förderung ausgeschlossen und die Unterstützung der LAGE durch das Land auf eine Förderung der Wahrnehmung übergreifender Aufgaben begrenzt.

Erkenntnisse darüber, dass die kommunale Ebene ihre Aufgabe nach § 25 KJHG seitdem nicht erfüllt, liegen mir nicht vor; schließlich existieren (Stand: 1. Oktober 1998) landesweit etwa 400 entsprechende Gruppen in Trägerschaft von Elterninitiativen, von denen immerhin 131 als kleine Kindertagesstätten betrieben werden.

Die im Einzelplan 07, Kapitel 07 74, TGr. 72 vorgesehenen Mittel des Landes bezogen sich, anders als in der Anfrage dargestellt, auf von der LAGE übernommene überörtliche Aufgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sowie die landesverbandliche Tätigkeit.

Das Land schätzt die Arbeit der Mütter, Väter und anderer Erziehungsberechtigter in Kinderbetreuungseinrichtungen hoch ein. Die von Elterninitiativen getragenen Einrichtungen haben deshalb in Niedersachsen bei entsprechenden Voraussetzungen einen gesetzlich anerkannten eigenständigen Status: den der kleinen Kindertagesstätten, geregelt in § 1 Absatz 2 des KiTaG's.

Diese Einrichtungen dienen zum Beispiel auch der Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz, und diese Regelung findet sich in § 5 Absatz 1 unseres Gesetzes.

Die Voraussetzungen für den Betrieb der kleinen Kindertagesstätten unterscheiden sich von denen für andere Kindertagesstätten und bewirken, dass die selbstorganisierte Förderung von Kindern

durch die Erziehungsberechtigten auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Das haben wir mit den Richtlinien über Mindestanforderungen sichergestellt.

Die selbstorganisierte Förderung von Kindern ist, wie sie daran sehen können, ein für das Land Niedersachsen wichtiges Element der Kinder- und Jugendhilfe. Eine den klassischen Kindertagesstätten – Krippen, Kindergärten, Horten - in freier oder öffentlicher Trägerschaft gleichrangige Anerkennung selbstorganisierter Förderungsangebote durch den Landesgesetzgeber ist nämlich nicht bundesweit üblich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1: Der Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2001 wird derzeit auf der Ebene der Ressorts vorbereitet. Die Landesregierung wird voraussichtlich Ende Mai abschließend über den Haushaltsplanentwurf und die Mipla 2000 bis 2004 beraten und entscheiden.

Zu 2: Der Auftrag nach § 25 KJHG richtet sich nicht an das Land, sondern an die örtlichen Träger. Diese erfüllen ihn gegenüber den Müttern, Vätern und anderen Erziehungsberechtigten durch Beratung und/oder finanzielle Förderung gemäß der gesetzlichen Regelung. Die kommunale Aufgabe der Förderung nach § 25 KJHG ist auf örtlicher Ebene dem eigenen Wirkungskreis zuzurechnen und unterliegt somit nur sehr begrenzt der (kom- munalaufsichtlichen) Kontrolle durch die Landesregierung.

Neben der Förderung durch den örtlichen Träger nimmt das Niedersächsische Landesjugendamt seine Beratungsaufgabe nach § 85 KJHG wahr. Inwieweit darüber hinaus künftig noch eine finanzielle Förderung durch das Land möglich ist, werden die Haushaltsberatungen ergeben.

Zu 3: Bürgerschaftliches Engagement ist grundsätzlich hoch zu bewerten. Die Landesregierung ist allerdings nicht verpflichtet, sich den inhaltlichen Zielen bürgerschaftlichen Engagements in jedem Falle anzuschließen.