Wir sehen es heute mit großer Freude und von ganz positiver Seite, wenn wir uns fragen, was wohl aus Hannover, aus Niedersachsen geworden
wäre, wo wir heute ständen, wenn die 1992 angezettelte, nirgendwo vorgesehene Bürgerbefragung in Hannover nicht ein Ja, sondern ein Nein gebracht hätte. Sie wissen: Der Vorsprung war damals hauchdünn. Es hat sich gelohnt. Denn wenn die EXPO damals abgesagt worden wäre, hätten wir nicht nur große Folgeschäden gehabt, nein, wir hätten Vieles nicht gehabt, auf das wir uns jetzt freuen, über das wir jetzt glücklich sind.
Wir hätten ohne ein solches Ereignis nicht fünf Monate lang weltweite Aufmerksamkeit für unser Land bekommen, kein Kulturprogramm von Weltrang, keinen Themenpark, der auf die Weltfragen des 21. Jahrhunderts einstimmt, keine Arena, kein Design-Center, kein Europahaus,
keine bleibenden Bauten wie den französischen, den englischen, den chinesischen und weitere Pavillons, kein modernisiertes Messegelände, das das größte und leistungsfähigste der gesamten Welt ist,
keine Investitionen in die Herrenhäuser Gärten und in den Zoo, kein Palmenhaus, keinen runderneuerten Hauptbahnhof und keinen neuen ICE-Bahnhof Laatzen. Wir hätten keine neuen Linien der Stadtbahn, der U-Bahn, der S-Bahn bekommen, keine neuen Wagen, keinen Flughafenausbau, keine ausgebaute Pferdeturmkreuzung, keine so zügige und weitgehende Optimierung der Autobahnen in alle Himmelsrichtungen. Wir hätten kein besonderes Wohnungsbauprogramm, keine Sicherung von 60.000 bis 100.000 Arbeitsplätzen in Niedersachsen bekommen, keine schon genannten und von Herrn Plaue eben auch zu Recht mit Beifall versehenen Größenordnungen in den Wertschöpfungseffekten von ca. 15 Milliarden DM, keine Steuermehreinnahmen für Bund, Länder und Kommunen in Höhe von 4 Milliarden DM. Goethes Faust hätte es nicht in der Form gegeben, wie er hier aufgeführt werden wird. - Herr Plaue, ich glaube, jedenfalls für Hannover hätten Sie es nicht vorgeschlagen, wenn es nicht die EXPO gäbe. Wir sehen uns dort sicherlich bei der Aufführung. - Es kämen keine Staatsoberhäupter, keine Künstler von Weltrang, keine internationalen Persönlichkeiten höchster Autorität.
- Das würde es alles nicht geben. Dessen bin ich ziemlich gewiss. Bei grünen Happenings hätte ich das meiste dieser Dinge jedenfalls nicht erwartet. Ob Sie die A 7 und die A 2 überhaupt jemals für mehr als einen Fahrradweg ins Auge gefasst hätten, ist eine Frage, die noch der Beantwortung harrt.
Natürlich ist das eine gewaltige Standortinfrastruktur für unsere Landeshauptstadt, ein enormes Standortmarketing. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass Hannover jetzt das hat, was es sonst vielleicht 2030, 2040 oder 2050 gehabt hätte.
Ich möchte für meine Fraktion an dieser Stelle sagen, dass wir uns ebenfalls freuen, dass neben weltweiten Projekten in der ganzen Welt auch viele Projekte im Lande Niedersachsen stattfinden. Niedersachsen ist ein Land, welches vom Reichtum seiner Regionen, seiner kulturellen Vielfalt, seiner anderen Städte und Oberzentren lebt. Deshalb ist es gut, dass das Land, die gesamte Fläche, alle Regionen zu Hannover gestanden haben und dass nun, wenn die EXPO stattfindet, wieder an andere Landesteile gedacht wird, damit diese auch zu den Rechten kommen, die ihnen zustehen.
In dem Punkt, Herr Plaue, liegen unsere Fraktionen nicht so weit auseinander. Als Sie eben von den „Hannoveranerinnen“ und „Hannoveranern“ gesprochen haben - der „hannoverschen Bevölkerung“ würde ich eher sagen, weil nämlich die andere Formulierung sprachlich eher etwas umstritten ist -, haben nur die Hannoveraner Abgeordneten Beifall geklatscht.
- Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich nenne Ihnen dafür, dass die anderen nicht geklatscht haben, gleich eine Begründung, mit der Sie leben können. Sie haben an dem Punkt zurückhaltender geklatscht, weil sie wissen, dass manch andere Region dieses Landes all die Belastungen liebend gern in Kauf genommen hätte, wenn sie nicht mehr Gleise aus dem Jahr 1927, sondern aus dem Jahr 1999 hätte.
Insofern möchte ich auch dort sagen - die Grünen haben ja noch ein paar Minuten Zeit bis zur Abstimmung -: Es müsste inzwischen eigentlich auch dem letzten Untergangspropheten deutlich geworden sein, welchen Gewinn diese Weltausstellung für das Land und die Region bedeutet, dass sich die EXPO für uns als Sechser im Lotto, als Höchstgewinn beim Spiel 77 und Super 6 zugleich erweist. Darüber sollten wir froh sein und uns freuen. Da sind auch ein bisschen Glück und Zufall mit im Spiel.
Jetzt muss ich natürlich sagen: Der hier vorliegende Antrag der Grünen - dazu wollen wir uns ja auch äußern - ist in einem ganz besonderen Ausmaß peinlich, nicht etwa deshalb, weil die Grünen anderer Meinung sind als SPD und CDU. Das ist ja nun wirklich das Salz in der Suppe, das Gewürz der Demokratie. Wissen Sie, warum Ihr Antrag peinlich ist, Frau Harms? - Er ist deshalb peinlich, weil Sie in Ihrem Änderungsantrag quasi zum Ausdruck bringen, dass Sie all das gut finden, was Ihrem Programm entspricht. Alles andere, was Ihrem Programm nicht entspricht, halten Sie für schlecht. Mit einer solch mangelnden Offenheit, mit einer solchen Enge wird man der Tatsache, dass man die Welt zu Gast haben wird, nicht gerecht.
Zutreffend ist, dass wir hier alle in einem Boot sitzen. Die Welt wird berichten, wie sich die EXPO-Gesellschaft präsentiert, wie sich die EXPO-Macher geben. Die Welt wird aber auch ein Bild davon verbreiten, wie sich diese Stadt, diese Region und dieses Land darstellen. Deshalb muss man - ich blicke jetzt überhaupt nicht zurück, sondern möchte nur noch zwei Punkte ansprechen, die in den nächsten drei Wochen noch ein Thema sein werden - jegliche Mittelmäßigkeit und Kleinkariertheit mit der Öffnung der Weltausstellung endgültig über Bord werfen. Das war ja der eigentliche Kerngedanke. Nicht der Hauptbahnhof, nicht der Flughafen, sondern der eigentliche Kerngedanke war der, dass diese Stadt ein Flair bekommt, eine Internationalität, eine Aufgeschlossenheit, eine Toleranz, in der Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass überhaupt keine Bedeutung mehr haben, weil die Menschen sagen: Wir sind die Nutznießer dieses Zusammenwachsens zu einer
Welt, zu einem Planeten, für den wir uns verantwortlich fühlen. Insofern sind Mittelmäßigkeit und Kleinkariertheit, die diese Botschaften stören können, absolut fehl am Platz.
Ich möchte jetzt mit aller Zurückhaltung und Nachdenklichkeit doch sagen: Wenn sich der Letzte, den wir hier noch nicht überzeugt haben, nämlich der Oberbürgermeister dieser Stadt, tagelang Gedanken darüber macht, ob er das Goldene Buch auch einmal auf das EXPO-Gelände bringen sollte, um Staatsoberhäuptern und Regierungschefs, die hier zu Gast sind, die Gelegenheit zu geben, sich dort in dieses Buch einzutragen, und im Ergebnis quasi sagt, dass derjenige, der sich in das Goldene Buch eintragen will, ins Rathaus kommen sollte, weil man schließlich nicht jedes Goldene Buch auch aufs Klo tragen kann - das ist ein wörtliches Zitat von Herrn Schmalstieg -, dann wird damit deutlich, welche Vorstellung Herr Schmalstieg von der EXPO und vom EXPOGelände haben könnte. Deshalb müssen wir ihm sagen: Lieber Herr Schmalstieg - vielleicht sagen aber auch Sie, Frau Merk, es ihm, da Sie hier eben Zwischenrufe gemacht haben, obwohl die Geschäftsordnung nicht vorsieht, sich hier einzuschalten -, legen Sie das Goldene Buch dort aus, damit sich die Staatsoberhäupter dort eintragen können. Ein bisschen Flexibilität ist erforderlich, wenn man eine Weltausstellung in seinen Mauern beherbergt.
Ich verspreche hier ausdrücklich - das ist ein Versprechen, das mir als Oppositionsführer nicht leicht fällt -, dass wir es in keiner Weise thematisieren bzw. politisch ausschlachten würden, wenn Sie in den nächsten Wochen bezüglich des Verkehrskonzeptes die Größe aufbringen würden, die Punkte, die dort offensichtlich nicht funktionieren werden, noch vor der Eröffnung der Weltausstellung der Wirklichkeit anzupassen.
Es wird nicht gelingen, in der Weltpresse Bilder von leeren Parkplatzflächen zu vermeiden, vor denen Autos stehen, die auf diesen Flächen nicht parken dürfen, weil sie den Parkplatz nicht Tage zuvor gebucht haben. Dieses Bild sollten wir uns als Niedersachsen, als Hannoveraner ersparen, um nicht schon in den nächsten Tagen eine merkwürdige Debatte mit kleinlichen Bedenken, ideologischen Vorgaben und lähmenden Selbsterkenntnis
prozessen zu führen. Ändern Sie den Buchungszwang um in eine Reservierungsmöglichkeit als Angebot. Die Plätze, die frei bleiben, sollten dann denjenigen, die darauf wollen, zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, ein bisschen mehr Flexibilität und Toleranz in solchen Fragen stünden uns besser zu Gesicht als obrigkeitsstaatliches Verhalten und würden uns ein anderes Outfit geben, als dies sonst zu erwarten wäre.
Die Sache ist halt ganz einfach. Wir selbst sind auch ein Stück Exponat, wie wir unsere Verkehrsprobleme lösen.
- Herr Plaue, wenn Sie die Elite unseres Landes darstellen, wäre es ein besonderes Exponatsstück, wenn wir Sie ins Wachsfigurenkabinett stellen würden. Ich glaube, man kann schon sagen, dass auch wir ein Exponat sind. Wir werden beobachtet, wie wir unsere Verkehrsprobleme lösen, wie wir wohnen, wie wir unsere Landschaft gestalten und wie wir über unsere Energieversorgung diskutieren.
Wir haben die enorme Chance, bei dieser Weltausstellung über Probleme der Welt zu diskutieren. Das Recht auf Ernährung, den Ausgleich zwischen Nord und Süd, die Erhaltung der zerbrechlichen Erdatmosphäre, die Bewahrung von Frieden und Durchsetzung von Menschenrechten.
Im Antrag von SPD und CDU heißt es zu Recht, dass wir in Niedersachsen natürlich wie überall über das Internet die Welt ins Wohnzimmer holen können. Es macht aber einen Unterschied aus, ob man sich die Vereinigten Arabischen Emirate, Nepal oder andere Staaten der Welt über das Internet ins Wohnzimmer holt oder ob man mit Menschen dieser Länder, mit Vertretern dieser Nationen ins Gespräch kommt, in die persönliche und menschliche Begegnung. Der Fortschrittsglaube unserer Großväter ist sicherlich tot; es besteht aber kein vernünftiger Grund zu einem Fatalismus, zur Resignation, sondern man kann neue Möglichkeiten entwickeln. Oder wie Hermann Lübbe sagt: Vorn sind noch Auswege offen.
Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung - auch darauf hat Herr Plaue richtigerweise hingewiesen ein offenes, ein aufgeschlossenes, ein gastfreundli
ches, ein fröhliches und wenig zerknirschtes Deutschland zu repräsentieren, ist eine besondere Chance, auf Ideenreichtum hinzuweisen, in friedlicher Zusammenarbeit mit anderen Nationen das Abenteuer Zukunft zu meistern. Wir Deutschen haben in Hannover in wenigen Tagen die Chance, unser Land von Intoleranz fern zu halten und stattdessen für Toleranz, Aufgeschlossenheit und Internationalität zu werben.
Heute schon - darauf ist bereits hingewiesen worden - ist die EXPO ein Riesenerfolg. Hoffentlich kommen die erhofften Besucher. Ich allerdings habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich es für ein zu ehrgeiziges Ziel gehalten habe, mit einer Null abschließen zu wollen - nicht mit dem billigen Satz „Was nichts kostet, ist nichts wert“, aber schon mit dem Ansatz, wenn man so viel auf die Beine stellt, so viel in Bewegung bringt, dann muss man sich das auch etwas kosten lassen.
Ich hoffe, dass wir in dieser sachlichen Atmosphäre des heutigen Tages dann darüber diskutieren werden, wenn diese Situation eintreten könnte, die uns heute nicht beschweren muss. Es sind halt keine Rücklagen oder Vorkehrungen getroffen worden, was andere, die Bürgschaften geben, tun. Jetzt sollten wir dafür werben und alle Menschen dafür erobern, dass sie diese EXPO mindestens einmal, wenn nicht gar mehrfach besuchen, dass sie sehen, welchen Gewinn sie auf dem EXPOGelände für sich selbst, ihre Familie und ihre Umgebung mitnehmen können.
Wir haben politisch die Aufgabe, die langfristigen Dynamisierungseffekte zu nutzen, da das Geheimnis politischen und wirtschaftlichen Erfolges häufig zu 50 % die Psychologie ist. Wir müssen Technikoffenheit, Zukunftsoffenheit, Mut zur Zukunft gestalten und erzeugen und damit den größtmöglichen Erfolg für Niedersachsen und Deutschland ungebremst entstehen lassen.
In diesem Sinne wünsche ich in völliger Übereinstimmung mit Herrn Plaue eine begeisternde, erfolgreiche und nachhaltig Frucht bringende Weltausstellung EXPO 2000, damit das Land langfristig gewinnt für eine wirklich nachhaltige und dauerhafte Entwicklung hin zum Positiven auf Jahrzehnte. Die Weltausstellung - davon sind wir jedenfalls überzeugt - wird die Menschen begeistern. Wir wünschen allen Vergnügen - das ist ja nicht unzulässig -, Freude und Fröhlichkeit beim Erwarten und dann vor allem auch beim Erleben der EXPO 2000 hier bei uns in Hannover.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Vorredner! Ich hatte den Eindruck, dass der Anspruch, der mit diesem gemeinsamen Antrag der großen Fraktionen verbunden wurde, gemeinsam gute Stimmung zu Beginn der EXPO zu machen, von der bisherigen Debatte nicht erfüllt worden ist.
Herr Wulff, gestatten Sie mir diese Anmerkung: Über den Begriff „Kleinkariertheit“ würde ich mich anhand des Plenarprotokolls gern einmal mit Ihnen auseinander setzen.
Meine Damen und Herren, Frau Breuel, auch wir sind sicher, dass die EXPO viele Besucher aus dem In- und Ausland nach Hannover führen wird. Ob Sie es glauben oder nicht: Auch wir Grünen freuen uns auf diese bestimmt - hoffentlich - bunte Schar aus der ganzen Welt. Ich selbst als NichtHannoveranerin, die inzwischen sehr oft in Hannover sein muss