Protocol of the Session on May 10, 2000

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Lestin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Keine neuen Erkenntnisse“, das ist das Fazit aus den Beratungen über den Antrag der Grünen, eine Enquete-Kommission „Staatsmodernisierung im Parlament“ einzusetzen, keine neuen Erkenntnisse, die uns von der Notwendigkeit einer solchen Institution überzeugt hätten. Es wird deshalb niemanden überraschen, wenn ich feststelle: Die SPDFraktion lehnt die Einsetzung einer EnqueteKommission ab.

Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass wir selbst 1997/98 der Meinung waren, eine solche Institution könnte uns bei der Bewältigung der Aufgaben der Staatsmodernisierung helfen, dass wir diesen Gedanken aber schon damals schnell wieder verworfen haben, und zwar mit der gleichen Begründung wie heute. Dabei hätte man damals in manchen Punkten vielleicht noch offene Türen eingerannt, während Sie mit Ihrem Antrag jetzt ein bisschen spät dran sind; denn inzwischen sind wir zwei Jahre weiter.

Den ganzen Sachverhalt habe ich bereits bei der ersten Beratung ausführlich dargelegt. Auch die Gründe dafür, dass wir die Notwendigkeit einer Enquete-Kommission jetzt nicht mehr sehen, habe ich bei der Einbringung dargelegt, werde aber im Einzelnen darauf noch eingehen.

Im Übrigen gibt es offenbar eine Kette von Forderungen nach Enquete-Kommissionen: CDU 1994, SPD mit der Idee 1997/98, Grüne 1999.

(Hagenah (GRÜNE): SPD 2000!)

- Nein, 2000 eben nicht! - Bevor der vorliegende Antrag auf den Tisch kam, gab es also schon zwei Versuche, die beide nicht zum Ziel geführt haben und das zu Zeitpunkten, zu denen in Zielrichtung und Verfahren manches noch unklar war. Es haben aber die Gesichtspunkte überwogen, die dafür sprachen, nicht Kommissionen einzusetzen, sondern mit der Arbeit zu beginnen.

Jetzt, im Jahre 2000, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir auf dem Weg weit vorangeschritten sind, grundlegende Bestimmungen längst getroffen sind und erste Erfolge sichtbar werden, sollen wir nun den Fortgang stoppen und ein Beratungsgremium

bilden, das, besetzt mit sechs Parlamentariern und fünf externen Mitgliedern, neben den zuständigen Ausschüssen des Parlaments arbeiten soll.

(Zurufe von der SPD)

- Eben. Nichts anderes als ein Stoppen würde dies bedeuten.

(Althusmann [CDU]: Das könnte pa- rallel laufen!)

- Ich komme darauf, Herr Althusmann.

(Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin)

In dem Antrag heißt es: „Die Sachverständigen werden im Einvernehmen der Fraktionen benannt.“ Die meisten von Ihnen sind erfahrene Parlamentarier, die sehr viel mehr Erfahrung haben als ich. Sie werden eine Vermutung darüber haben, wie lange so etwas dauern wird. Das wäre ein Gremium, das sich dann erst konstituieren, Ziele und Methoden der Arbeit beraten und beschließen müsste, um dann nach langer Arbeit zu Ergebnissen zu kommen, die selbstverständlich nicht sofort umgesetzt werden könnten; denn die Frage ist doch: Wer hat denn zu entscheiden? Doch nicht die Kommission; denn das wäre gerade die Entmachtung des Parlaments, die einige offenbar so fürchten.

Nach der Vorlage des Kommissionsberichts würde die parlamentarische Behandlung beginnen. Das wäre dann die Phase, in der wir uns bereits seit Jahren befinden. Auch das zeigt, wie unzeitgemäß dieser Antrag ist.

Aber noch eine Frage: Wann würde die EnqueteKommission wohl die sachliche Arbeit aufnehmen können? - Ich sage das alles ohne Häme, aber die Erfahrung zeigt ganz einfach, dass so etwas furchtbar lange dauert. Dabei ist auch kein böser Wille unterstellt, sondern es sind einfach die Reibungsverluste, die dabei auftreten.

(Althusmann [CDU]: Dann wird das mit der Parlamentsreform auch so lange dauern!)

In dem Antrag heißt es weiter: „Die EnqueteKommission legt bis zum 31. März 2002 ihren Abschlussbericht vor.“ Die Fragen sind: Was soll in den zwei Jahren bis dahin im Sinne von Staatsmodernisierung passieren? Was passiert bis dahin mit der Landeshaushaltsordnung? Stillstand? - Das

können wir uns nicht leisten, und das wollen wir uns auch nicht zumuten, nachdem wir auf unserem Wege so weit fortgeschritten sind. Die Staatsmodernisierung in Niedersachsen ist kräftig vorangeschritten, und mit den Ergebnissen können wir uns im Ländervergleich sehen lassen.

Nun werden Sie vielleicht sagen - Herr Althusmann hat es schon eingeworfen -, die Arbeit der Kommission solle selbstverständlich prozessbegleitend erfolgen. Aber sagen Sie bitte: Wann würde diese Prozessbegleitung beginnen können?

(Althusmann [CDU]: Morgen!)

Vor dem 31. März 2002?

(Althusmann [CDU]: Morgen!)

Sicherlich nicht.

Was bisher in Sachen Verwaltungsreform und Staatsmodernisierung gelaufen ist, hat Herr Althusmann als planloses, konzeptionsloses und orientierungsloses - loser geht es nicht - Drauflosreformieren, als politischen Aktionismus bezeichnet.

(Althusmann [CDU]: Das habe ich gar nicht gesagt!)

Für mich zeugt eher dieser Antrag von politischem Aktionismus.

(Althusmann [CDU]: Sie zitieren aus dem Ausschuss!)

- Eben nicht, Herr Althusmann. Das war nicht aus dem Ausschuss, sondern das war aus Ihrer öffentlichen Rede im Januar vor dem Landtag.

(Althusmann [CDU]: Ach so! Jetzt habe ich es verstanden!)

Die zitierte Aussage widerspricht außerdem eindeutig dem, was ich als Mitglied im Ausschuss für Verwaltungsreform erlebe. Dort gibt es selbstverständlich Kontroversen, aber überwiegend konstruktive Arbeit mit gemeinsam erarbeiteten Grundsatzpapieren. Eine solch vernichtende Kritik, wie oben zitiert, habe ich dort im Ausschuss in dieser Form noch nicht gehört,

(Althusmann [CDU]: Oh doch!)

jedenfalls nicht, bevor der Antrag, der ja nicht von Ihnen stammt, eingebracht wurde. Erst danach

konnten wir so etwas hören, was ich hier aber nicht erwähnen darf, wie Sie richtig sagten.

Solche Erkenntnisse werden offenbar nur dem Plenum offenbart, wie im Januar 2000.

(Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht!)

Die Frage ist: Sind wir ohne Enquete-Kommission ratlos? – Nein. Die Zuständigkeit für die Vorbereitung und Durchführung liegt bei der Landesregierung. Dort sitzen die Fachleute mit Erfahrung. Diese Fachleute sind auch in der Lage, sich externen Rat einzuholen, wenn es denn nötig ist, und dass sich solche Notwendigkeit immer wieder ergibt, dürfte wohl selbstverständlich sein. Zuständig für die notwendigen Beratungen und Vorbereitungen sind die beiden zuständigen Ausschüsse für Verwaltungsreform sowie für Haushalt und Finanzen, und eingebunden in die Entscheidungsprozesse sind Landesrechnungshof und GBD. Wir hatten da schon spannende Diskussionen.

Eine sachgerechte Unterstützung unserer Arbeit seitens der Administration haben wir zu erwarten und müssen wir nicht erst einfordern. Sie ist uns ausdrücklich zugesagt, zuletzt wieder im Januar 2000 vom Finanzminister.

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich muss mir die weiteren Bemerkungen zur Sache sparen.

(Althusmann [CDU]: Wirklich scha- de!)

- Es tut mir auch ganz furchtbar Leid.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir wollen keine Zeitverzögerung, sondern am Begonnenen weiterarbeiten, Einsparpotentiale so schnell wie möglich nutzen, unseren Bürgern eine dienstleistungsorientierte Verwaltung bieten, Vorreiter bleiben auf dem Wege zur Verwaltungsreform und Staatsmodernisierung und wollen darum keine Verzögerung im Prozess.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung spricht der Minister Aller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, dass wir bei der ersten Bera

tung den sehr engen Zusammenhang zwischen diesem Antrag und dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Landeshaushaltsordnung gehabt haben. Das ist bei den beiden Oppositionsrednern eben etwas untergegangen.

Ich will wiederholen, dass seinerzeit sehr klar erkennbar war, dass es hierbei um etwas ganz anderes ging als schwerpunktmäßig das Thema Enquete-Kommission. Offensichtlich hat die Oppositionsfraktionen überrascht, dass seit über zwei Jahren die Landesverwaltung und der Landtag mit seinen Ausschüssen - insbesondere bei den Haushaltsberatungen - mit wichtigen Instrumenten arbeiten, in den Ausschüssen diskutiert wird und letztendlich auch auf der Basis dieser Ergebnisse die Haushaltsberatungen durchgeführt wurden. Ich erinnere nur daran, dass wir die Frage von Zielvereinbarungen seit Jahren nicht nur diskutieren, sondern das in der Endphase auch zu Ergebnissen geführt hat, dass wir die Kosten- und Leistungsrechnungen in Teilen der Landesverwaltung nicht nur diskutiert, sondern durch die Vorarbeiten praktisch umgesetzt haben, dass wir die Budgetierung in vielen Bereichen der Landesverwaltung - insbesondere im Hochschulbereich - eingeführt haben und im Begriff sind, alle Hochschulen in Niedersachsen zu budgetieren.

Was hier mit der Enquete-Kommission durch die Hintertür wieder eingeführt werden soll, ist nichts anderes als eine Verschleppungsstrategie - so muss ich das werten - nach dem Motto: Die Verwaltungsreform in Niedersachsen darf nicht gelingen, weil sie ein Zentralprojekt dieser Landesregierung ist. - Das ist die Botschaft, die ich da heraushöre.