Protocol of the Session on January 22, 2003

Wir haben in der Beschlussempfehlung, die auf einer Anhörung und auf unserem Antrag basiert, die Eckpunkte dargestellt, die wir vom Konvent erfüllt wissen wollen. An diesen Eckpunkten halten wir fest. Wir sollten in diesem Landtag in Zu

kunft nicht mehr den Fehler machen, Europapolitik in ihrer Wichtigkeit und bezüglich ihres Einflusses auf die Landespolitik zu unterschätzen.

Wir diskutieren um 11 Uhr und um 14 Uhr vortrefflich über Schulpolitik, und wir diskutieren über Landwirtschaftspolitik, wohl wissend, dass diese nicht mehr in diesem Hause stattfindet, sondern zumeist in Brüssel vorentschieden ist.

Also bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie in Zukunft in diesem Landtag mitarbeiten wollen: Nehmen Sie sich Zeit für Europa, nehmen Sie Europa wichtig! Geben Sie Europa einen höheren Stellenwert! Es hat es verdient. Sie werden nicht darum herum kommen, die Entscheidungen nachzuvollziehen und mitzuvollziehen. Deshalb noch einmal der eindringliche Appell, Europa in den Mittelpunkt zu stellen. Ich hoffe, dass gerade unsere Beschlussempfehlung mit dazu beiträgt, dass bei den Beratungen im Konvent – wir haben sie von unserer Seite den zuständigen Politikern in Brüssel und Berlin zur Verfügung gestellt – unsere Vorstellungen Eingang finden, wohl wissend, dass wir unsere Vorstellungen nicht in Gänze wiederfinden werden. Als Diskussionsgrundlage sind sie wichtig und wesentlich gewesen. Dafür bedanke ich mich bei allen beteiligten Fraktionen.

(Beifall bei der CDU – Zustimmung von Mientus [SPD])

Jetzt spricht Minister Senff.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entschließung, die nach den Beratungen im Ausschuss gleich im Parlament beschlossen werden wird, nehmen sowohl die Landesregierung als auch ich als Mitglied des Konvents selbstverständlich in Demut entgegen. Wir werden alles tun, damit die Punkte, die gemeinsam erarbeitet und aufgeschrieben wurden, mit der nötigen Kraft und – so es geht – mit dem nötigen Erfolg umgesetzt werden.

Sie wissen, dass das bei mir keine leeren Worte sind, sondern dass das sehr ernst gemeint ist. Diese Forderungen decken sich in allen wesentlichen Punkten mit dem bisherigen Vorgehen der Landesregierung und meinem eigenen Vorgehen im Konvent. Sie decken sich mit unseren Vorstellungen.

Von daher – das zu betonen ist mir wichtig – gibt es eine Übereinstimmung, die uns auch auf anderen Ebenen, außerhalb Niedersachsens, die Kraft gibt, sie durchzusetzen. Weil es diese Übereinstimmung gibt, gehört es sich, so finde ich, sie hier zu erwähnen.

Der Konvent wird Europa ein neues Gesicht geben. Das steht für mich fest. Vielleicht sind die Detailkonturen noch nicht so ganz scharf sichtbar. An einigen Punkten ist das Ergebnis noch offen. Aber dass der Konvent in unsere Arbeit hier im Landtag, in die Arbeit unserer Kommunen und selbstverständlich des Bundes eingreifen wird – im wahrsten Sinne des Wortes -, ist klar.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang etwas anderes. Wichtig ist, dass wir, um in diesem Bild zu bleiben, unser eigenes Gesicht behalten. Das heißt, dass wir unsere eigene Kraft zu Entscheidungen – sprich: unsere eigene Kompetenz – erhalten und dort, wo es geht, stärken.

Ich habe von Gemeinsamkeit gesprochen. Lassen Sie mich dieses Wort aufnehmen, weil mir das in der letzten Sitzung, in der sich der Landtag mit Europapolitik befasst, wichtig ist. Europapolitik im Niedersächsischen Landtag macht nur Sinn, wenn man sie mit der Methode betreibt, in der wir sie in den letzten Jahren betrieben haben: uns hier auseinanderzusetzen, hier Gemeinsamkeiten, Lösungen und Übereinstimmungen zu finden und mit diesen Lösungen und Beschlüssen – was immer es auch ist – die nächsthöheren Ebenen unter Druck zu setzen, damit sie dieser Linie folgen.

Der Niedersächsische Landtag und die Niedersächsische Landesregierung waren bei diesem Vorgehen erfolgreich. Das ist ein Erfolg von uns allen. Ich will ihn nicht der Landesregierung allein ans Revers heften. Ich sage ausdrücklich: Das ist ein gemeinsamer Erfolg; das ist ein Erfolg auch und gerade dieses Landtages.

Unser Erfolg lässt sich nicht nur im Konvent, sondern auch an der Politik hier vor Ort ablesen, die für Europa geworben hat; dadurch, dass wir Europa sichtbarer und durchsichtiger für unsere Unternehmen machten. Ich erinnere an das Beratungsnetzwerk. Ich erinnere daran, dass wir Informationen über Europa – zuletzt über die Erweiterung der Europäischen Union –, so breit es mit unseren Kräften ging, in die niedersächsische Bevölkerung und die Unternehmen gestreut haben. Ich erinnere an die Gemeinsamkeit, trotz knapper Kassen in

Brüssel eine Landesvertretung aufzubauen, sie quasi personell zu verdoppeln, damit wir vor Ort genügend Kraft haben, die Interessen Niedersachsens durchzusetzen. Ich erinnere an die Qualifizierungsoffensive, und ich erinnere daran, dass wir gemeinsam ein Jahr lang die Europaministerkonferenz begleitet haben und dieses Jahr der Europaministerkonferenzen eines der erfolgreichsten war, die wir hatten.

Angesichts dieser vielen Gemeinsamkeiten - Herr Präsident, gestatten Sie mir diese vorletzte Bemerkung - werden Sie leicht verstehen, dass ich wenig Verständnis dafür habe, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, diese erfolgreiche Arbeit und Organisation, falls Sie die Regierung im Lande stellen sollten, verändern wollen, indem Sie die Europapolitik nicht mehr als Querschnittsaufgabe organisieren, obwohl wir uns einig waren, dass das die richtige Organisationsform ist, sondern sie an das Umweltministerium anhängen wollen. Wer immer nach dem 2. Februar in diesem Land regiert, sollte sich die erfolgreiche gemeinsame Arbeit dieses Hauses und der Regierung anschauen. Er sollte sich die erfolgreiche Arbeit der anderen deutschen Länder anschauen, die genau dieselbe Organisationsform wie wir haben, oft von uns abgeguckt. Er sollte sich überlegen, ob das, was er vor der Wahl sagte, denn tatsächlich richtig war, und sich korrigieren.

Abschließend möchte ich mich insbesondere bei denjenigen, die aus der Europapolitik ausscheiden, weil sie erklärt haben, nicht wieder für den Niedersächsischen Landtag zu kandidieren, herzlich bedanken. Ich bedanke mich bei dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Mientus. Ich bedanke mich bei Frau Grundmann. Ich bedanke mich bei Herrn von der Heide und Herrn Nolting. Ich hoffe, wir werden in diesem Ausschuss den nötigen Nachschub bekommen, der mit demselben Eifer und derselben Einstimmung die Arbeit weiter verfolgen wird. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wenzel möchte jetzt reden.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Konvent nimmt Fahrt auf. Eine Entscheidung wird

voraussichtlich noch in diesem Jahr fallen. Der Landtag beschließt heute über seine Forderungen. An vorderster Stelle stehen die Einklagbarkeit der Grundrechte, die Stärkung der demokratischen Legitimation der europäischen Ebene, die Wahrung der Subsidiarität durch Klagerecht für Länder und Kommunen und die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europaparlament. Dies sind nur vier Beispiele.

Mit dem deutsch-französischen Vorschlag bekommt die EU-Verfassung Rückenwind. Vorgeschlagen wird das volle Budgetrecht für das Europaparlament, eine starke Doppelspitze, ein europäischer Außenminister, die gleichberechtigte Mitentscheidung des Europaparlaments in allen Bereichen und ebenfalls die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Parlament.

Die europäische Stimme ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Frieden und Gerechtigkeit sind nur multilateral durchzusetzen. Präventive Angriffe und unilaterale Kriegsdrohungen sind durch nichts legitimiert. Ein einseitig erklärter Krieg zur Durchsetzung einer Pax americana wird zum Rekrutierungsprogramm für Selbstmordattentäter und terroristische Organisationen.

(Plaue [SPD]: Genau!)

Die europäischen Staaten haben in vielen blutigen Kriegen der vergangenen Jahrhunderte eine wichtige Lektion gelernt: Nur Gerechtigkeit schafft Frieden. - Niemand hat das Recht, Kriege zu führen, um den Zugang zu den Rohstoffreserven dieser Welt zu sichern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor einer ganz entscheidenden Weichenstellung. Aber leider ist die Europäische Union noch nicht so handlungsfähig, wie wir uns das wünschen. Umso wichtiger ist die Abstimmung, die Joschka Fischer vornimmt, ist der Schulterschluss in dieser Frage mit Frankreich und auch mit anderen Ländern der EU.

In dieser Situation erwarte ich auch von einer Partei, die sich auf christliche Traditionen beruft, ein klares Wort. Herr Wulff ist bei dieser wichtigen Debatte, Herr Kollege von der Heide, leider nicht anwesend, auch wenn er in der Landespolitik nicht sagt, was er wirklich will.

(Jahn [CDU]: Wir werden ihm sagen, was Sie zu erzählen haben! Wo ist denn Frau Harms?)

Gerade vor dem Hintergrund der engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten muss man deutlich sagen, welche Grenzen Völkerrecht und UN-Menschenrechtskonvention ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Coenen [CDU]: Wo sind die engen Beziehun- gen?)

Dem kann sich auch Herr Wulff als stellvertretender Bundesvorsitzender der größten Oppositionspartei im Bundestag nicht entziehen. Er kann sich der Landespolitik verweigern. In dieser Frage aber kann er sich letztlich nicht verweigern.

(Zuruf von der CDU: Das tut er auch nicht! Was reden Sie denn da für ei- nen Unsinn?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Vorschläge zum Konvent werden die Position der Länder und der Bundesregierung positiv beeinflussen. Sie sind geeignet, das Gewicht Europas in der Welt zu stärken, subsidiäre Elemente auszubauen und die Rechte der Kommunen und Länder zu wahren.

Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich bei den Kollegen der anderen Fraktionen bedanken, die das Zustandekommen dieses Vorschlages ermöglicht haben, der sehr klar und deutlich formuliert ist. Ich meine, wir haben hier einige sehr interessante Vorschläge gemacht, die auch Widerhall in anderen Länderparlamenten finden werden. Ganz besonders danken möchte ich auch der Landtagsverwaltung und Herrn Rasche, der zu dem Beschluss beigetragen hat. Herzlichen Dank! Ich freue mich, dass wir an dieser Stelle zu einem einstimmigen Abstimmungsverhalten kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt kommt der Kollege Mientus, Mister Europa.

(Beifall bei der SPD - Rolfes [CDU]: Udo, so viel Beifall hast du von denen noch nicht bekommen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich dachte schon, Sie hätten geglaubt, ich wäre bereits aus dem Parlament ausgeschieden. Aber ganz so weit ist es noch nicht.

Ich schließe mich der allgemeinen Kritik von Lutz von der Heide an. Ich dachte, der Kollege Lutz Stratmann wäre derjenige, der, falls die CDU wider Erwarten gewinnen sollte, zukünftig das Europaressort mitmachen sollte. Stattdessen ist Dietrich Stratmann hier. Nehmen wir ihn als Ersatz, was die Europapolitik angeht.

(Zuruf von Dr. Stratmann [CDU])

- Ach so, er holt die letzten Stimmen.

Ich meine, wir sollten dieses Thema ohne Wahlkampfgetöse, das uns den ganzen Tag begleitet hat, zu Ende bringen. Dies ist - auch wenn viele nicht diesen Eindruck haben - ein wichtiger Tagesordnungspunkt. Im Laufe der Jahre wird man das auch hier im Niedersächsischen Landtag spüren; denn es geht hier einfach um die Zukunft Europas, darum, wie man späterhin verfasst ist und welche Mitwirkungsrechte man hat.

Es ist vom Pult wiederholt zu hören, welche Einflussmöglichkeiten die Europäische Union bis in das Land und die Kommunen hinein hat. Wenn es darum geht, noch rechtzeitig etwas zu machen, um den Entscheidungsprozess in Brüssel zu beeinflussen, dann ist man entweder sehr spät oder gar nicht dran oder es wird alles sehr kurz gehalten. Ich muss sagen: Wir sind auch heute Abend spät dran, wie immer bei der Europapolitik. Aber es ist noch nicht zu spät; das gilt auch für das gesamte Thema.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich eines erwähnen: Wir haben heute den 40. Jahrestag des Élyséevertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages. Ich meine, bei diesem Tagesordnungspunkt einmal hieran zu denken, steht uns nicht schlecht an.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage des Konventes und der Europapolitik ist mit einer aktiven Friedenspolitik verbunden. Das wird leider allzu oft vergessen. Die Bundesrepublik Deutschland gibt sich erhebliche Mühe, um eine kriegerische Auseinandersetzung im Irak oder in anderen Teilen der Welt zu verhindern.

(Dr. Stratmann [CDU]: Aber das kann man nur gemeinsam, Herr Kollege!)

- Ja, wir haben das in der Europapolitik immer gemeinsam gemacht, Herr Dietrich Stratmann. Wenn das ein aktiver Beitrag zur Friedenspolitik ist, dann sollten wir auch die Europapolitik viel ernster nehmen, als es hier allgemein geschieht.

Der Konvent hat eine wesentliche Aufgabe; meine Vorredner haben das schon gesagt. Der Konvent ist am 28. Februar 2002 ins Lebens gerufen worden und ist aus der Phase des Zuhörens jetzt in die Phase der Erörterung getreten. Der Präsident Giscard d’Estaing hat bereits einige Vorschläge unterbreitet. In diese Phase der Erörterung wollen wir uns mit der Entschließung rechtzeitig einbringen. Die Zeit ist zwar knapp, aber sie reicht noch aus. Deswegen ist es gut, dass der Niedersächsische Landtag hier Position bezieht.

Wir haben, wie gesagt, bereits eine Anhörung durchgeführt. Wir haben uns aber auch an der Anhörung des Landtages von Baden-Württemberg in Stuttgart beteiligt, die sehr große Beachtung gefunden hat und noch eine andere Besetzung hatte als die hiesige Anhörung. Ich bin froh, dass Herr Senff als unser Minister auch Herrn Teufel im Konvent vertritt. Dadurch hatten wir Gelegenheit, im Ausschuss immer zeitnah über den Lauf der Dinge unterrichtet zu sein. Wenn Sie die Protokolle lesen würden, hätten Sie auch die Möglichkeit, Ihr europäisches Wissen zu stärken und auszubauen.