Protocol of the Session on December 13, 2002

(Plaue [SPD]: Was wollen Sie dazu tun? Sie sagen doch zu allem Nein!)

nämlich dieses erfolgreiche Land Bundesrepublik Deutschland eine erfolgreiche und gute Zukunft hat und nicht vor die Wand gefahren wird. Darum geht es uns. Darum möchten wir mit Ihnen streiten.

Dafür haben wir die besseren Argumente. - Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Bei- fall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt die Kollegin Frau Harms. Ich darf daran erinnern: Es ist jetzt 10.35 Uhr. Sie wissen alle, warum wir die zeitlichen Vereinbarungen so getroffen haben, wie wir sie getroffen haben.

(Plaue [SPD]: Kollege Wulff hat sich nicht daran gehalten! Unglaublich!)

- Herr Wulff hat sich an seine Redezeit gehalten. Es waren genau 45 Minuten. - Frau Harms, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wulff, das Bild mit der Wunderkerze war ja ganz nett gemeint. Aber ich muss Ihnen sagen: Ich glaube, ich kann es als Ihr ökologisches Gewissen auch verantworten, wenn Sie vielleicht mal darüber nachdenken, doch einmal in Ihrem Leben auch einen echten Kracher zu zünden. Mir hat das tatsächlich gefehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Frau Harms, er ist ein Heuler!)

Ich bin in den letzten Tagen oft gefragt worden, was ich mir für das nächste Jahr wünsche. Das wird anderen Kollegen auch so gegangen sein. Es sollte nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben. Mir ist dann gestern Abend klar geworden, was ich mir wünsche: hohe Strafen für falsche historische Vergleiche. Meine Damen und Herren, dem Koch gehört was auf die Mütze, und zwar ganz gehörig;

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

denn ein kalkulierter Regelbruch ausgerechnet von diesem „brutalstmöglichen“ Aufklärer wird auch durch eine geplante und abgewogene Entschuldigung nicht wieder gut gemacht. Sehr geehrter Herr Wulff, was auch immer man Ihnen, Herrn Koch, der CDU insgesamt vorwerfen kann - das halte ich auch nach dieser Rede für richtig -, eine mangeln

de Begabung zur Hysterie kann man Ihnen tatsächlich nicht vorwerfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie versuchen seit der Bundestagswahl mit immer wilderen Angriffen auf die Bundesregierung, den Mittelstand auf die Barrikaden zu jagen. Sie versuchen das Volk aufzuwiegeln, quasi eine Revolution von oben anzuführen. Aber was Sie außer Barrikaden im Bundesrat eigentlich aufbauen wollen, das bleibt bis heute Ihr wohl gehütetes Geheimnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Diskussion um die Vermögensteuer und die Steuerpolitik insgesamt, der Streit um die Umsetzung der Empfehlungen der Hartz-Kommission, das steht heute auf der Tagesordnung. Um mal aus der Politik des kleinen Karos herauszukommen, die Sie hier pflegen, möchte ich diese Diskussion einmal für uns politisch einordnen.

Nachdem sich die westlichen Lebens- und Wirtschaftsformen tatsächlich weltweit mehr und mehr durchsetzen, kehren zu uns in unsere Länder Probleme zurück, die wir bereits überwunden geglaubt haben. Die schwindenden Ressourcen des Staates führen zu Desintegration und Ungleichheit.

Aufgabe von Politik in einer solchen Situation, Herr Wulff, ist es aber nicht - auch nicht zum Wahltermin hin -, Einzelinteressen durchzuboxen. Aufgabe von Politik ist es, das Vertrauen der Bürger in soziale Sicherheit und in Demokratie, Herr Kollege, zu stärken

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

und für eine langfristige Stabilisierung der sozialen Netze zu sorgen. Der viel beschworene Markt, Herr Wulff, wird es allein nicht richten. Die Rolle, die Sie sich in der Diskussion gesucht haben, ist ausgesprochen schlecht. Sie spielen falsch, und Sie spielen verantwortungslos. Sie zeichnen ein Bild der Lage der Bundesrepublik nach der Bundestagswahl, als wäre unser Land dem Untergang geweiht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mich gestern über eine Wortmeldung des Kardinals Meissner gefreut, offensichtlich genau an Ihre Adresse gerichtet. Sie pflegen da ja auch politisch enge Kontakte. Meissner sagt: Das Me

ckern und Miesmachen ist eine besonders unangenehme Form des Atheismus.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Auch rein ökonomisch hätten die Deutschen, verglichen mit 80 % anderer Völker, keinen Grund zum Verzweifeln. - Ich glaube, Sie sollten darüber nachdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sie versuchen, den Menschen den Glauben an die Handlungsfähigkeit gewählter Politiker zu nehmen. Sie schrecken nicht davor zurück, den Menschen den Glauben an ihre Chancen, an die Chancen unseres Landes zu nehmen. Sie versuchen, das Vertrauen der Bürger in Solidarität und in soziale Sicherheit, soziale Marktwirtschaft und Demokratie grundlegend zu erschüttern. Sie tun das, ohne jede Antwort auf die Lösung der aktuellen Probleme zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Es sei denn, Herr Wulff, Sie glaubten tatsächlich an den sich selbst tragenden Aufschwung. Aber zu solcher Tiefstapelei halte selbst ich Sie eigentlich nicht für fähig. Der Beitrag, den die CDU in der Debatte um die Staatsfinanzierung auch in Niedersachsen leistet, ist tatsächlich gleich null. Weder gibt es konkrete Einsparvorschläge noch Vorschläge dafür, wie denn die Einnahmeseite verbessert werden soll. Stattdessen versprechen Sie, immer ganz nah am Volk, tausende von neuen Lehrern, Polizei- und Justizbeamten. Wenn aber eine Debatte darüber entsteht, wie diejenigen, die wirklich über ein größeres Vermögen und ein hohes Einkommen verfügen, solidarisch z. B. an der Finanzierung von Bildung und Kinderbetreuung beteiligt werden sollen, dann stellen Sie sich schützend vor das große Geld, die dicken Autos und die Villen im Tessin.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Wulff, Ihren Ansätzen fehlt tatsächlich die soziale Ausgewogenheit. Ihr Hinweis vorhin, geknüpft an das Zitat von Abraham Lincoln, hier sollten die Reichen vernichtet werden - Herr Wulff, denken Sie darüber einmal nach. Muss ich Sie an Artikel 14 des Grundgesetzes erinnern? - „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll

zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Muss ich Sie an die Grundsätze der katholischen Soziallehre erinnern? - Eigentum zu besitzen, darf kein Selbstzweck sein, gemeinsam sollten Güter für die Hilfe untereinander und für die Besitzlosen eingesetzt werden. - Da kommen doch Sie her und nicht ich!

(Beifall bei den GRÜNEN und der bei SPD)

Ein sehr gutes Beispiel für die negative Wirkung Ihrer Neinsager- und Antihaltung ist Ihr Umgang mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission. Nach Monaten des Hinhaltens, in denen Ihre Partei unsere Vorschläge begrüßt, verworfen, die Urheberschaft beansprucht hat, Hartz verlacht, diskreditiert und blockiert hat, konnten Sie sich nun endlich im Vermittlungsausschuss dazu durchringen, Verhandlungen zu beginnen. Nun erst soll der Kompromiss möglich sein, den wir Ihnen seit langem angeboten haben. Dass Sie als letzte Kapriole nun wiederum behaupten, dass Hartz 1 : 1 CDU sei, ist tatsächlich typisch für die Geisterfahrt der CDU.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Schlimm ist nur, dass durch Ihre Blockade wertvolle Zeit vertan wird, in der Arbeitslosen geholfen werden könnte. Aber Sie, Herr Wulff, sitzen ja warm und trocken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen, dass die Hartz-Vorschläge keine Wunderwaffe gegen Massenarbeitslosigkeit sind, und wir wissen, dass wir noch mehr Bewegung brauchen, um gegen die Erosion der Sozialversicherungssysteme vorzugehen und sie zu reformieren. Aber, Herr Wulff, wir wollen Reform. Wir wollen nicht wie Sie schlicht den Abbau von Arbeitnehmerrechten und Sozialdumping. Ihre Vorschläge heute passen wie die Faust aufs Auge zu Ihrem Wunschpartner FDP. Aber zu diesem Wunschpartner werden Sie nicht kommen. Das werden wir verhindern. Sie werden Niedersachsen nicht regieren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer im Interesse des Landes und seiner Bürger Politik machen will, der muss sich den geradezu korporatistisch vertretenen

Einzelinteressen widersetzen. Er muss Ziele im Sinne des Allgemeinwohls definieren und die Finanzierung dafür klären. Für uns ist ein große Bildungsreform eine der Aufgaben, um die soziale Sicherheit, die soziale Gerechtigkeit in Niedersachsen auf neue Beine zu stellen. In den Schulen das Recht auf gute Bildung für alle Kinder zu verwirklichen, darum wird es uns ganz zentral gehen. Das Geld, das uns für die bessere Schule in Niedersachsen fehlt, werden wir nicht alleine den abhängig Beschäftigten aus den Rippen schneiden. Herr Gabriel, Sie sollten vielleicht schon heute viel mehr auf uns hören. Sowohl hinsichtlich des Inhalts der Bildungsreform als auch hinsichtlich der Finanzierung dieser Reform sind wir Ihnen die berühmte Nasenlänge voraus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir teilen Ihre Auffassung, dass die Vermögenden, die Einnahmen aus ihrem Besitz beziehen, zur Finanzierung des Staates mehr beitragen müssen. Die Zweifel und Fragen zum Instrument Vermögensteuer bedeuten nicht, dass wir meinen, die Wohlhabenden, die immer alle vom sozialen Frieden am Standort profitiert haben, könnten sich aus der Finanzierung zurückziehen.

Meine Damen und Herren, ich kann zum Schluss kommen. Wir haben klar gemacht, dass uns die Forderung „Wenn ihr uns weiter etwas wegnehmt, dann ziehen wir uns vom Standort zurück!“ in der Diskussion nicht weiterhilft. Wenn wir sagen, dass wir von den Wohlhabenden etwas nehmen wollen, dann müssen wir es tatsächlich mit vernünftigen Reformen verbinden. Die Menschen müssen wissen, wozu sie dem Staat ihr Geld geben. Aber ich bin sicher, dass wir auf einem guten Weg sind. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dort anfangen, wo Herr Wulff in seiner Rede das einzige Mal Recht gehabt hat, nämlich bei der Bemerkung, dass wir uns doch einmal diejenigen anschauen sollten, die uns diesen Staat hinterlassen haben, unsere Eltern und Großeltern, die dieses Land aufgebaut haben, die in der Tat unter weit

schwierigeren Bedingungen als wir heute nach 1945 dafür gesorgt haben, dass Stück für Stück wirtschaftlicher Wohlstand, soziale Sicherheit und kulturelle Vielfalt entstanden. Von ihnen können wir wirklich etwas lernen, nämlich von dem Mut, den sie hatten, von ihrem Optimismus und übrigens auch von ihrer Anstrengungsbereitschaft. Da hat Herr Wulff Recht. Aber wir können bei ihnen auch lernen, wie man einen Staat organisiert. Das haben sie besser gemacht als wir heute. Sie wussten, dass man, wenn das Land Aufgaben übernehmen soll, diese auch bezahlen muss.

Einer der Menschen, von denen Herr Wulff gesprochen hat, war Konrad Adenauer, der bei einer der letzten Landtagswahlen auf einem großen Plakat gemeinsam mit ihm zu sehen war. 1948/49 war Konrad Adenauer Präsident des Parlamentarischen Rates. Damals hat dieser ein Grundgesetz verabschiedet, meine Damen und Herren. Herr Wulff, das kann man sich in seiner niedersächsischen Ausgabe hier ausleihen, und man kann einmal hineinschauen. Ich rate, sich in dieser Ausgabe die Seiten 66 und 67 anzusehen. Dann werden Sie, wenn Sie es nicht schon wissen, feststellen, dass Bildung, Schule, Wissenschaftsförderung die zentralen Aufgabenbestände der Länder sind. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben gesagt: Liebe Länder, darum müsst ihr euch kümmern.

(Busemann [CDU]: Das merkt ihr nach zwölf Jahren Regierungsverant- wortung!)