Protocol of the Session on December 12, 2002

- Damit ist die Sache erledigt.

Wir kommen dann zur Ausschussüberweisung. Zur federführenden Beratung soll der Antrag an den

Kultusausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Jugend und Sport, den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur sowie den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. Die Gegenprobe! - Keiner. Damit ist das so beschlossen worden.

Entsprechend einer Vereinbarung der Fraktionen kommen wir nun zu

Tagesordnungspunkt 49: Erste Beratung: Fahrpreissteigerungen beim zum InterCity umgepinselten InterRegio: Landesregierung muss handeln!- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3974

Einbringen wird den Antrag Herr Kollege Wenzel. - Wollen Sie ihn einbringen oder nicht?

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich gestern Abend nach Hause gefahren war und dort noch Radio hörte, kam eine Nachricht, die besagte, dass die Bahn in den nächsten Tagen wegen der Umstellung auf das neue Preissystem die Berichterstattung auf den Bahnhöfen untersagt habe. Neben dem neuen Preissystem wird am nächsten Wochenende in Niedersachsen auch der InterRegio umgestellt bzw. ersetzt durch einen Zug, der sich dann „InterCity“ nennt. Er wurde im Wesentlichen aber nur umgepinselt. Er ist nicht mehr blau/weiß, sondern rot/weiß. Das Umpinseln des InterRegio führt gleichzeitig aber zu einem deutlich höheren Grundpreis auf kurzen Strecken. Das Umpinseln des InterRegio schließt Einzelkartennutzer in Verkehrsverbünden künftig von der Nutzung aus. Beispielhaft erwähnen möchte ich die Strecken zwischen Oldenburg und Bremen oder zwischen Northeim, Kreiensen und Göttingen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Wenzel, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, es ist zu laut. Wenn Sie unbedingt Gespräche führen müssen, dann gehen Sie bitte aus dem Raum.

(Rolfes [CDU]: Ja, finde ich auch!)

Bitte!

Außerdem wird die kostenlose Nutzung durch Schwerbehinderte nach dem Schwerbehindertengesetz in den neuen InterCitys künftig nicht mehr möglich sein. Die Zeitkartenbenutzer müssen Aufschläge von 10 Euro pro Monat zahlen. Insgesamt kommt es auch zu einem schlechteren Angebot; denn dort, wo es heute zum Teil einen Stundentakt gibt, wird beispielsweise für Einzelkartenbenutzer nur noch ein Zweistundentakt übrig bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die großen Fraktionen in diesem Hause haben vor wenigen Monaten anlässlich einer Diskussion über den InterRegio erklärt, dass das alles im Wesentlichen seine Richtigkeit habe und dass man es nicht mehr ändern könne. Das ist aber mitnichten so, zumal das Land nach der Bahnreform für den Schienenpersonennahverkehr zuständig ist. Wir müssen hier eine massive Verschlechterung im Verkehr zwischen den Mittelzentren feststellen. Ursache dafür ist zum einen die Aufgabe von Haltepunkten wie Bad Bevensen und Peine, die in weiten Teilen nicht mehr bedient werden. Aber auch Bünde und Bad Oeynhausen spielen dabei eine Rolle, weil es die Fahrgäste in der Regel nicht interessiert, ob sie die Landesgrenzen kreuzen. Auch diese Haltepunkte werden in der Regel aufgegeben.

Der InterRegio war noch 1995 das Arbeitspferd der Deutschen Bahn AG schlechthin. Allein 62 Millionen Reisende haben pro Jahr den InterRegio genutzt, nur 23 Millionen den ICE und 49 Millionen den InterCity. Jetzt ist versucht worden, das Ganze innerhalb von sieben Jahren umzukrempeln. Ich habe aber große Zweifel, dass das bei den Fahrgästen auf große Zustimmung stößt. Ich befürchte vielmehr, dass es hier zu massiven Protesten und auch zu einer massiven Verschlechterung im Land kommt. Das können wir nicht akzeptieren, auch wenn es heute sehr spät ist. Wir haben immer wieder darüber diskutiert. Mir ist schon klar, dass man das bis Sonntag nicht mehr wird umkrempeln können. Wir wissen aber auch: Der Verkehrsvertrag, den das Land mit der DB AG abschließt und der ein Volumen von mehr als 1 Milliarde Euro umfasst, ist noch nicht unterschrieben worden. Er wird eine Laufzeit von vielen Jahren haben. Im Rahmen dieses Vertrages, im Rahmen der Beratungen, der Beschlussfassung und

der Vertragsabschließung mit dem größten Kunden, den die Bahn in Niedersachsen hat, wäre einiges möglich, wenn man es denn wollte.

Wir haben bereits in der Diskussion über das neue Tarifsystem deutlich gemacht, dass wir ein Tarifkapitel brauchen und dass man den gesamten Bereich Tarif und Marketing nicht aus der Bahn herausnehmen kann. Auch VW käme nicht auf die Idee, Autos zu bauen, in Wolfsburg hinter dem Werk abzustellen und dann keine Preispolitik, keine Finanzierungspolitik und kein Marketing zu betreiben und zu sagen: Wir warten einmal ab, ob jemand vorbeikommt, der unser Auto haben will. Also: VW macht das anders. VW betreibt offensiv Marketing. Dazu gehört auch der Bereich Tarife. Genauso muss auch das Land in seiner ureigenen Zuständigkeit für den Schienenpersonennahverkehr vorgehen.

Die Bahn stellt zum 15. Dezember dieses Jahres ihr Tarifsystem um. Ich wünsche der Bahn Erfolg im Fernverkehr. Ich glaube, dass es beim Fernverkehr tatsächlich einige grundlegende Verbesserungen geben wird. Die Bahn spricht selbst davon - das ist meines Erachtens auch glaubwürdig -, dass es im Fernverkehr über alle Preise hinweg insgesamt zu einer Preissenkung um 10 % bis 15 % kommen wird. Das ist tatsächlich eine Verbesserung. Ich hoffe, dass in der Folge die Nachfrage im Fernverkehr zunehmen wird und dass das Konzept aufgeht.

Beim Nahverkehr und beim InterCity bzw. beim umgepinselten InterRegio erleben wir aber etwas anderes. Darüber werden wir in den nächsten Wochen eine sehr kontroverse Debatte führen. Ich befürchte, dass das Fernverkehrskonzept der Bahn dadurch zum Teil verhagelt wird. Dafür trägt die Landesregierung ein gerüttet Maß an Mitverantwortung.

(Biel [SPD]: Das ist falsch! Absolut falsch!)

Frau Knorre, ich habe immer den Eindruck, dass Sie den ganzen Bereich der Bahnpolitik des Landes mehr als Pflichtaufgabe betreiben. Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie mit Herzblut an diese Aufgabe herangehen.

(Bontjer [SPD]: Was?)

- Das ist mein Eindruck. Ich könnte hier anhand einiger Beispiele belegen, dass hier nicht mit dem notwendigen Engagement vorgegangen wird. Die

Bahn ist meines Erachtens das Verkehrssystem der Zukunft. Sie hat noch eine große Zukunft vor sich, wenn man sie angemessen behandelt, wenn man sie angemessen fördert und sowohl vonseiten des Landes als auch vonseiten des Bundes angemessen unterstützt.

(Biel [SPD]: Auch das ist falsch!)

Schade ist, dass die Spitze des Hauses eigentlich keine Visionen für die neue Bahn hat. Das hat beispielsweise die letzte Anfrage zur Finanzierung des ÖPNV noch einmal eindeutig belegt. Wenn ich sehe, dass 30 Millionen Euro aus der Kasse des öffentlichen Personennahverkehrs herausgenommen werden, um damit weitere Straßen zu finanzieren, dann ist genau das ein Beleg dafür, dass die Spitze des Hauses diese Aufgabe nicht mit Herzblut wahrnimmt, sondern immer nach Möglichkeiten sucht, die Bahn und den öffentlichen Personennahverkehr auszutrocknen. Dort, wo es rechtlich gerade noch möglich ist oder als möglich erscheint, versucht man, Geld herauszuquetschen, um es in den Straßenbau hineinzuschieben.

(Biel [SPD]: Auch das ist falsch!)

Nein, Frau Knorre, so handelt man nicht, wenn man mit Herzblut und Visionen bei der Sache ist. So handelt man, wenn man diese Aufgabe eher als lästige Pflicht begreift.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Knorre, ich frage mich auch, wie es kommt, dass in Goslar mit Bahngeldern das Parkleitsystem finanziert wird. „Parkleitsystem“ haben Sie in Ihrer Antwort auf die Anfrage geschrieben. Das wundert mich sehr. Diese Mittel sind laut Gesetz insbesondere für den Schienenpersonennahverkehr vorgesehen. Das „insbesondere“ drückt aus, dass man sich durchaus auch für den Busverkehr engagieren kann. Was das Ganze aber mit dem Parkleitsystem zu tun hat, will mir wirklich nicht in den Kopf. Das hat mit dem Sinn und dem Finanzierungsziel des Regionalisierungsgesetzes überhaupt nichts mehr zu tun. Hier wird offensichtlich Missbrauch betrieben.

Trotzdem erzählen Sie uns hier, dass man leider nicht mehr machen kann und dass Sie leider finanziell an den Grenzen sind. Das nehme ich Ihnen vor diesem Hintergrund nicht ab, Frau Knorre. Von daher möchte ich Sie ganz herzlich bitten: Legen Sie uns den Verkehrsvertrag im Ausschuss vor. Legen Sie den Fraktionen den Verkehrsvertrag

im Wortlaut vor. Dieser Vertrag kann kein Geheimvertrag sein, sondern dieser Vertrag umfasst ein Volumen von vielen, vielen Euros, die das Land in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich ausgeben wird. Von daher halte ich es für angemessen, dass darüber im Ausschuss diskutiert wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Hoppenbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag gibt im Großen und Ganzen die Situation des Bahnverkehrs in Niedersachsen recht gut wieder. Meiner Meinung nach ist nur die Überschrift etwas zu verniedlichend. Sie wird dem Ernst des Themas kaum gerecht.

Herr Wenzel, ich meine, die Probleme liegen etwas tiefer. Das Staatsunternehmen Bahn AG soll für den Wettbewerb fit gemacht werden. Herr Mehdorn schaut sich natürlich die verschiedenen Unternehmensteile seines Unternehmens an. Er hat festgestellt: Der Fernverkehr fährt guten Gewinn ein, während der Nahverkehr eventuell Verluste einbringt oder gerade kostendeckend fährt.

Sie haben gesagt, es gibt eine Aufgabenverteilung zwischen der Bahn AG und den Ländern. Die Länder bestellen über die Nahverkehrsgesellschaft Verkehre bei der Bahn oder bei privaten Anbietern. Erst durch die Zuschüsse des Landes wird der Nahverkehr kostendeckend oder wird dabei sogar Gewinn gemacht.

Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Probleme der Bahn bestanden zum Teil in den InterRegios. Die waren in den Augen der Bahn Zwitter zwischen Nah- und Fernverkehr. Sie firmierten aber als Fernverkehrszüge. Allerdings waren die InterRegios aufgrund der kundenfreundlichen Preise und der zahlreichen Zwischenstopps nicht so profitabel wie die Fernzüge, die InterCitys. Deshalb kam man auf die Idee, die InterRegios künftig als Fernverkehrszüge in InterCitys umzufirmieren. Sie sollen nach dem Fahrplanwechsel am kommenden Sonntag als InterCitys auf die Strecke gehen. Die umfirmierten InterCitys haben aber nicht den Komfort der richtigen Fernverkehrszüge. Zusätzlich wurde die Taktfrequenz ausgedünnt. Auf manchen Strecken gibt es außer

dem Preiserhöhungen von nahezu 100 %. Viele Ermäßigungsangebote gelten für diese „InterCitys“ dann plötzlich nicht mehr. Pendler und Gelegenheitsfahrer sind besonders betroffen, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne BahnCard fahren. Bisher konnten die Regionalzüge und die InterRegios zum gleichen Fahrpreis genutzt werden.

Der Aufschrei bei den Bahnkunden ist groß. Inzwischen gibt es Unterschriftensammlungen gegen diese Art und Weise des Umgangs der Bahn mit ihren Kunden. Ich muss Ihnen auch sagen: In den Augen vieler Bürger passt diese Gebührenerhöhungspolitik allerdings nahtlos in das rot-grüne Bundeskonzept von Steuer- und Abgabenerhöhungen,

(Zuruf: Quatsch! Die Bahn ist ein Pri- vatunternehmen! - Dr. Domröse [SPD]: Für die Fahrpreise ist auch der Bundeskanzler zuständig!)

für mehr Staat und weniger Privatinitiative, Herr Dr. Domröse. Die Bahn versucht, private Mitbewerber zu verhindern. Wenn die Bahn erst einmal ein Privatunternehmen ist, dann versuchen Sie einmal, ihr Vermögen festzustellen. Dann haben die Aktionäre wenigstens einen richtigen Wert. Insofern hätte die Vermögensteuer dann doch noch einen Wert für die Aktionäre, die ihr Geld demnächst bei der Bahn anlegen würden.

(Zuruf von der SPD: Soll man das jetzt verstehen?)

Meine Damen und Herren, hier sind nicht nur das Bundesverkehrsministerium und das Eisenbahnbundesamt gefordert, sondern für diese Abzocke - so kann man es nennen - ist auch Ihre Verbraucherministerin zuständig, Herr Wenzel. Denn dort steigen Verbraucher ein und werden abgezockt. Außerdem ist es eine Sache der Landesregierung; denn überall im Leben gilt: Wer zahlt, kann mitgestalten und hat auch Wünsche frei.

(Zuruf von der SPD: Glauben Sie das auch?)

- Natürlich. Wenn ich etwas bezahle, dann kann ich auch mitbestimmen, wie es gemacht wird.

Deshalb fordern auch wir die Niedersächsische Landesregierung in der Person der Verkehrsministerin auf, endlich über die Landesnahverkehrsgesellschaft Einfluss zu nehmen und den lange

versprochenen öffentlichen Personennahverkehr für die niedersächsischen Kunden bereitzustellen.

Die Bürger sind aber auch empört, weil ihnen in der Vergangenheit immer wieder suggeriert wurde, man werde die Bahn durch enorme Zuschüsse sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich fit machen. Die Versprechungen haben sich als nicht haltbar erwiesen. Der Umgang der Bahn AG mit ihren Kunden ist ein typisches Beispiel dafür, wohin es führt, wenn dem Staat wirtschaftliche Aufgaben überlassen werden. Die private NordWestBahn dagegen hat längst bewiesen, wie mit weniger Staat, mit nachvollziehbaren Tarifen, mit freundlichem Personal und verständlichen und kundenfreundlichen Fahrplänen Gewinne eingefahren werden können.

Der Staatsbetrieb Bahn AG fürchtet die Privaten wie der Teufel das Weihwasser. Das hat Anfang der Woche noch die Zuweisung der Strecke Osnabrück – Hannover an die NordWestBahn gezeigt. Die Bahn AG kann als letztes Mittel nur noch juristische Mittel einlegen.

Meine Damen und Herren, wenn wir tatsächlich etwas für die Bahnkunden tun wollen und alle gemeinsam kundenfreundliche und attraktive Zugverbindungen wollen, die von den Bürgern auch angenommen werden, dann benötigen wir hier nicht mehr Planwirtschaft, sondern mehr Möglichkeiten für die Privaten. Meiner Meinung nach ist der mangelnde Wettbewerb unser Kernproblem. Für einen leichteren Schienenzugang durch Private sollten wir uns gemeinsam einsetzen. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Staat. Wenn wir uns in diesem Punkt einigen können, lohnt es sich auch, darüber gemeinsam im Ausschuss zu streiten.

(Beifall bei der CDU)