Sie sagen also, die CDU will nicht, dass der Elternwille mit das Schulangebot vor Ort bestimmt. Das finde ich interessant. Sie nehmen nicht nur den Eltern das Recht, sondern auch den Schulträgern, wenn man Ihren Gesetzentwurf, den Sie heute im Plenum einbringen, genau ansieht. Die Auswahl, ob es ein kooperatives und integratives System vor Ort gibt, ist im Schulgesetz der CDU gestrichen.
Nein. - Die Wünsche vieler Eltern nach weiteren Gesamtschulen sind im Schulgesetz der CDU gestrichen. Die Wahlmöglichkeiten von Jugendlichen und Eltern, das Abitur nach 12 oder 13 Jahren zu machen, sind von der CDU gestrichen. Die Fächerwahl im Kurssystem der Oberstufe ist von der CDU gestrichen.
Schlussfolgerung: Die CDU will offensichtlich keine Individualität und auch keine regionale Vielfalt. Für die CDU ist das Chaos. Ein System, das den bildungspolitischen Kompetenzen eines Herrn Busemann angepasst ist, ist ihr Wunsch. Das muss dann natürlich ganz, ganz einfach strukturiert sein. So sieht das Schulgesetz der CDU auch aus:
erst Grundschule, dann Einsortierung in Hauptschule, Realschule, Gymnasium, die ganz Schlechten kommen laut CDU in die Sonderschule - mehr nicht. Das ist Schulpolitik à la CDU.
Ein richtiger Schlag ins Gesicht vieler Eltern ist die CDU-Entscheidung, den Gesamtschulen zwangsweise eine dreijährige Oberstufe vorzuschreiben, während die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums angeblich nur zwei Jahre in der Oberstufe bis zum Abitur brauchen. Ohne irgendeinen Be
weis unterstellen Sie damit den Gesamtschulen, dass sie schlechter sind als das Gymnasium. Damit unterstellen Sie natürlich auch den Schülerinnen und Schülern, die dort zur Schule gehen, dass sie dümmer sind, weil sie drei Jahre bis zum Abitur brauchen.
Den Eltern sagen Sie dann auch noch: „Schaut mal, was ihr da angerichtet habt! Ihr habt eure Kinder auf eine Gesamtschule geschickt. Ihr habt eine schlechtere Schule für euer Kind gewählt.“ Das ist reinste Perfidie. Hier zeigt sich, was die CDU wirklich von Elternentscheidungen hält.
Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist nicht unsere Politik. Hier zeigt sich, welche Ideologien die CDU hier vertritt.
Deswegen, Herr Busemann, werden Sie auch nach der Wahl nur ein bildungspolitischer Oppositionskläffer und niemals Kultusminister von Niedersachsen sein. Ich kann nur sagen: zum Glück für Kinder und Schulen.
Frau Kollegin Seeler, das Wort „Kläffer“ ist kein parlamentarischer Ausdruck. - Frau Kollegin Litfin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünschte mir tatsächlich, dass wir an diesem wichtigen Punkt, wie wir die Landschaft der Schulen für unsere Kinder und Jugendlichen in Niedersachsen gestalten, weniger ideologisch miteinander reden könnten. Ich wünschte mir, dass die CDU tatsächlich wäre, was sie behauptet, nämlich modern. Ich muss aber feststellen, dass die Vorstellungen der CDU zur künftigen Schulstruktur so modern sind wie eine Wohnung, die das Klo auf halber Treppe hat.
Das ist höchst bedauerlich. Eines muss man der CDU zugestehen: Ihr Konzept ist klar und durchschaubar.
Es ist durchschaubar, weil es dazu dienen wird, einzuteilen oder eine Einteilung in Schichten, die schon bestehen, beizubehalten, dafür zu sorgen, dass kein Kind, kein Jugendlicher die Möglichkeit hat, die soziale Schicht seiner Herkunft zu überwinden und aufzusteigen, wie man heute so schön modern sagt.
Unter dem Strich - das ist eine ärgerliche Geschichte - wird die Förderstufe an die weiterführenden Schulen angebunden. Das wird genau die gleichen Auswirkungen haben wie das, was sich die CDU ganz klar und einfach strukturiert vorstellt. Ich kann nicht verstehen, dass es jemanden in der SPD gibt, der daran glaubt, dass in der Förderstufe am Gymnasium massenweise die Arbeiterkinder, die Aussiedlerkinder, die Kinder nicht deutscher Herkunft zu finden sind und dass wir an der Förderstufe der Hauptschule massenweise die Arzt- und Apothekerkinder finden werden. Die Gymnasien werden dafür sorgen, dass sie die Heterogenität ihrer Schülerschaft selbst bestimmen.
Das heißt, die Entscheidung, welchen Schulabschluss Kinder in Niedersachsen machen werden, wird viel früher fallen, nämlich bereits in der Grundschulzeit mit der Entscheidung, an welche der verschiedenen Förderstufen dieses Kind gehen darf. Das ist also anders, als es jetzt mit der Orientierungsstufe der Fall ist.
Die Schulträger - das hat die CDU fein unserem Antrag, den wir später noch beraten werden, entnommen - weigern sich, dieses Konzept umzusetzen. Sie weigern sich mit guten Gründen. Denn dieses Konzept ist viel zu teuer, es ist pädagogisch nicht sinnvoll, und es wird die Kommunen überfordern. Gucken Sie sich einmal die Gemeinde Uetze mit ihren 20 000 Einwohnern und Einwohnerinnen im Landkreis Hannover an. Die hat überlegt: Wie machen wir es hier mit der Förderstufe, wenn wir sie an die weiterführenden Schulen anbinden müssen? - Sie ist zu dem Ergebnis gekom
men: Wir müssen neu bauen. Dieser Neubau wird uns mehr als 6 Millionen Euro kosten. Diese Kommune hat jetzt aber schon 5,8 Millionen Euro Schulden. Das sind die Auswirkungen auf die Kommunen!
Die Stadt Hannover hat gesagt: Wenn wir die Förderstufe an die weiterführenden Schulen anbinden, werden wir für Schulneubauten wahnsinnig viel Geld ausgeben müssen. Also entscheiden wir: Wir binden die Förderstufe an die Grundschulen an; dann müssen wir überhaupt nicht neu bauen.
Es ist pädagogisch sinnvoll, die gemeinsame Schulzeit auf mindestens sechs Jahre auszudehnen, nicht aber, wie es die SPD-Fraktion vorhat, zu verkürzen. Nach unserem Modell, das wir heute Nachmittag noch einmal vorstellen werden, sollen drei bis vier der jetzt bestehenden Grundschulen mit einer Orientierungsstufe - sie kann von mir aus „Förderstufe“ heißen; sie kann von mir aus aber auch „Gabriel-Stufe“ heißen, das ist mir völlig egal, nur, damit der Ministerpräsident das Gefühl hat, dass das irgendwie auf seinem Mist gewachsen ist - einen Schulverbund bilden können. Solch ein Schulverbund hätte den Vorteil, dass wir Fachlehrerinnen und Fachlehrer in ausreichender Anzahl haben und nicht erst zusätzlich einstellen müssen. Er hat den Vorteil, dass keine Kommune neu bauen muss, sondern dass alle vorhandenen Schulgebäude und -räume weiterhin genutzt werden können. Schließlich hat ein Förderverbund den Vorteil, dass für alle Schüler tatsächlich eine sechsjährige gemeinsame fördernde Schulzeit organisiert werden kann.
In diesem Modell können Sie den Rückgang der Zahl der Schüler dafür nutzen, in die ersten sechs Jahre des Schullebens eines Kindes z. B. mehr Förderstunden zu geben, damit die Kinder die Möglichkeit bekommen, ihr Fundament fester zu legen und später besser darauf aufzubauen.
Ich hoffe, dass die Wähler und Wählerinnen in Niedersachsen so klug sein werden, meine Fraktion und damit ein Konzept zu stärken, das tatsächlich zukunftsweisend ist und von dem man behaupten kann, dass versucht wird, Chancengleichheit zu realisieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. September dieses Jahres ist unser Gesetz zur Weiterentwicklung des Schulwesens in Kraft. Es hat das Gegenteil von dem von Ihnen behaupteten Chaos bewirkt, nämlich eine intensive Auseinandersetzung aller Beteiligten mit dem Bildungsangebot vor Ort. Schulentwicklungsplanung steht in vielen Kommunen inzwischen auf der Tagesordnung. Sie wissen auch, dass die Fortschreibung von Schulentwicklungsplänen eine zeitintensive Angelegenheit ist. Deshalb ist es schon eigenartig, diesen Prozess mit dieser Aktuellen Stunde unter der Überschrift „Chaos“ führen zu lassen.
Wissen Sie, was bei Ihnen in der CDU-Fraktion los ist, Herr Busemann? - Sie haben Angst vor der Ermittlung des Elterninteresses vor Ort und vor einem danach gestalteten Bildungsangebot. Davor haben Sie wirklich Angst.
Sie haben Angst vor der Ermittlung des Elternwillens vor Ort, weil Sie dann nämlich Ihre ideologischen Positionen räumen müssen. Das sieht man doch im Landkreis Helmstedt und in vielen anderen Orten, in denen die Eltern befragt werden. Das ist doch ganz deutlich.
Wir betreiben eine intensive Planung. Sie aber verursachen mit Ihrem Gesetzentwurf Chaos. Er wird aber nicht zum Tragen kommen. Schulträger führen intensive Abstimmungsgespräche über die Gestaltung des jeweiligen Bildungsangebotes, Elternbefragungen werden durchgeführt bzw. geplant. Das ist auch gut so.
Zu dem Antrag der Fraktion der Grünen, über den wir heute Nachmittag diskutieren werden, möchte ich jetzt schon anmerken: Es ist spannend, wie Sie sich selbst korrigieren. Sie nähern sich unserem Förderverbund und unserem Verbundgedanken im Schulgesetz langsam an. Wir finden das ganz erfreulich.
Die qualitative Weiterentwicklung unseres Schulwesens vor Ort soll also sorgfältig geplant werden. Meiner Meinung nach ist das eine positive Folge dessen, dass wir auch das DIPF-Gutachten vorgelegt haben und das Bildungsangebot gerade im ländlichen Raum verbessern wollen. Ich habe den Verdacht, Herr Busemann, dass Sie traurig darüber sind, dass Ihre Veranstaltungen, die Sie zum Zweck der Kritik an unserem Gesetz organisiert haben, immer so schlecht besucht waren, während wir großen Zulauf der Eltern haben und auf großes Interesse bei den Eltern stoßen.
(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Ihre Parteifreunde kommen in meine Veranstaltungen! Da müssen noch Stühle hereingeholt werden!)
- Ihre Abgeordneten und Kandidaten kommen inzwischen in unsere Veranstaltungen, um mit den Eltern zu diskutieren. Das ist das Interessante an der Geschichte.
Meine Damen und Herren, dies charakterisiert den gegenwärtigen Zustand wirklich richtig: Intensive Planung statt Chaos hat dieses Gesetz bewirkt. Zwei Jahre hat die CDU-Fraktion gebraucht, um ihre bildungspolitischen Vorstellungen in einen Gesetzentwurf zu gießen. Wir sind froh darüber, dass die Katze jetzt endlich aus dem Sack ist. Das will ich Ihnen auch einmal sagen. Jetzt wissen wir endlich, was Sie in diesem Lande mit Ihrem Gesetzentwurf anrichten würden - ich verwende an dieser Stelle ausdrücklich den Konjunktiv -: Es soll zurück in die 50er-Jahre in das klassische dreigliedrige Schulwesen gehen.
- So strikt, wie Sie jetzt Ihren Gesetzentwurf formuliert haben, war nur der aus dem Jahr 1954, nicht aber der von 1980. Von 1954!