Laut einem Bericht der Neuen Presse vom 10. November 2002 flogen mitten in der Unterrichtszeit acht Lehrer - davon sieben aus Niedersachsen - für eine Woche in die Türkei, um sich in einem Vier-Sterne-Hotel in Strandnähe über dessen Umweltkonzept zu informieren. Die Reise wurde vom Landesinstitut für Schulentwicklung und Bildung (NLI) in Hildesheim angeboten und ist auch im offiziellen Programm dieses Instituts enthalten, das vom
Kultusministerium nachdrücklich genehmigt worden ist. Jetzt macht das Kultusministerium einen Rückzieher: „Das ist unakzeptabel. (...) Diese Fortbildungsveranstaltung war in keiner Weise genehmigungsfähig“, wird der zuständige Abteilungsleiter in der Neuen Presse vom 11. November zitiert.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung kommentiert wie folgt: „Die Fahrt in die Türkei zeigt, dass man an entscheidender Stelle nichts gelernt hat. (...) Dabei sollte man ruhig einmal grundsätzlich untersuchen, ob das Landesinstitut seinen Aufgaben gewachsen ist. Alles auf andere zu schieben dürfte allerdings nicht gelingen: Liest eigentlich niemand im Kultusministerium die Fortbildungsprogramme?“ (HAZ vom 11.11.2002).
1. Wenn diese angebliche Fortbildungsveranstaltung „in keiner Weise genehmigungsfähig“ war, warum ist sie dann über das niedersächsische Lehrerfortbildungsinstitut angeboten worden und über das offizielle Programm dieser Institution durch das Niedersächsische Kultusministerium auch noch ausdrücklich genehmigt und damit unterstützt worden?
2. Warum beruft sich das Kultusministerium bei seiner nachträglichen Ablehnung lediglich auf formale Gründe der Nichteinhaltung einer Mindestteilnehmerzahl und stellt nicht wie wiederholt angekündigt, aber offensichtlich nicht umgesetzt, sicher, dass Lehrerfortbildungskurse und insbesondere Auslandsreisen während der unterrichtsfreien Zeit stattzufinden haben und in jedem entsprechenden Fall einer Einzelfallprüfung durch das Niedersächsische Kultusministerium unterliegen?
3. Warum schiebt die Niedersächsische Kultusministerin „alles auf andere“ und stellt sich nicht ihrer politischen und dienstlichen Verantwortung; welche Konsequenzen ergeben sich für welche Bediensteten der obersten Landesbehörden damit?
Sie wollen in der Anfrage wissen, warum das Kultusministerium den Fortbildungskurs „Bildung für nachhaltige Entwicklung – Tourismus im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie – Entwicklung eines nachhaltigen Umweltkonzeptes am Beispiel des Iberotels“ in keiner Weise für genehmigungsfähig hält. Sie unterstellen dabei, dass das offizielle Programm ausdrücklich genehmigt und unterstützt wurde. Ich will Ihnen gern darstellen, warum wir diesen Kurs in keiner Weise für genehmigungsfähig halten und der Kurs deshalb nicht hätte stattfinden dürfen.
Sie wissen, dass ich unverzüglich dienstrechtliche Konsequenzen eingeleitet habe, als mir dieser Leh
rerfortbildungskurs bekannt geworden ist. Ich habe Vorermittlungen gegen Mitarbeiter eingeleitet. Insofern kann ich Ihnen gern im Detail zum jetzigen Zeitpunkt Auskunft geben, soweit es diese Vorermittlungen zulassen.
Die Genehmigung zur Durchführung des betreffenden Kurses wurde im Fortbildungsinstitut zum Programmhalbjahr 2002/2 am 19. März 2002 erteilt. Die Gesamtverantwortung für das Programm und dessen Genehmigung liegt seit 1995 beim Direktor des NLI. Die Umsetzung der inhaltlichen, methodischen, organisatorischen und finanziellen Feinplanung (Festlegung der Kursquoten und de- ren Veränderung, Arbeits- und Finanzierungsplan) eines Kurses liegt in der Verantwortung des für das Sachgebiet zuständigen Dezernenten im NLI in Abstimmung mit dem vorbereitenden Kursleiter.
Der Kurs sollte im Rahmen einer Kooperationsabsprache zwischen den Ländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, und Schleswig-Holstein durchgeführt werden. Die Notwendigkeit einer Durchführung des Kurses in der Unterrichtszeit wurde durch den zuständigen Dezernenten mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Ferienzeiten der beteiligten Bundesländer begründet.
Eine inzwischen im Kultusministerium erfolgte Prüfung der Zeiten für die Herbstferien der beteiligten Bundesländer hat ergeben, dass drei Bundesländer gemeinsame Ferienzeiten hatten.
Für die Planung des Kurses wurde als Kursquote 25 als Sollzahl festgelegt. In dieser Quote waren 15 Teilnehmende aus Niedersachsen und 10 aus den anderen Bundesländern enthalten. Daraus ergibt sich, dass der Kurs schon im Planungsstadium in die unterrichtsfreie Zeit (hier: Herbstferien) hätte gelegt werden müssen, da 15 Teilnehmende aus Niedersachsen und weitere mögliche 5 bis 6 Teilnehmende aus Bremen und Hamburg gemeinsame Ferienzeiten hatten.
Die Entscheidung für einen Termin außerhalb der Ferienzeit wurde von dem für den Kurs verantwortlichen Dezernenten auch damit begründet, dass der Reiseveranstalter (TUI) während der Herbstferien in Niedersachen wegen Auslastung kein kostengünstiges Angebot machen konnte.
Fünf Tage nach der Aufnahme des Kurses in die Programmplanungen für 2. Halbjahr (am 22. März 2002) wurde die Teilnehmerzahl für Niedersachsen von 15 auf 5 reduziert. An der Gesamtquote von 25 wurde aber festgehalten, sodass sich die Anzahl der Plätze für die beteiligten Bundesländer auf je 5 ergab. Warum diese Reduktion vorgenommen wurde und wer sie veranlasst hat, wird im Rahmen der dienstrechtlichen Vorermittlungen geprüft.
Als sich abzeichnete, dass aus den beteiligten Bundesländern keine Kursanmeldung und aus Niedersachsen nur vier Anmeldungen vorlagen, ist der zuständige Dezernent von einer Mitarbeiterin im NLI informiert worden. Nach den im NLI festgelegten Regelungen hätte der Kurs sofort abgesagt werden müssen. Warum der Kurs dennoch stattgefunden hat, muss im Zuge der weiteren Ermittlungen geklärt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt steht fest, dass der Leiter des Instituts über die aktuelle Entwicklung der Anmeldezahlen nicht informiert wurde.
Die tatsächliche Teilnehmerzahl betrug vier (drei Lehrkräfte aus berufsbildenden Schulen, eine Lehrkraft aus einer HS/RS mit OS), alle aus Niedersachsen.
Für den Kurs wurden zwei Kursleiter und fünf Referentinnen und Referenten eingesetzt. Die beiden Kursleiter und ein Referent sind niedersächsische Landesbedienstete, eine Referentin ist Bedienstete des Landesinstituts Mecklenburg-Vorpommern (L.I.S.A). Die übrigen drei Referenten sind türkische Staatsbürger (Dozent der Universität Mugla, Türkei, Generaldirektor des Iberotels, Umweltmanager des Hotels).
Auch dieses Missverhältnis von vier Teilnehmern zu zwei Kursleitern und fünf Referenten hätte zu einer rechtzeitigen Absage des Kurses führen müssen. Auch in dieser Frage wird weiter ermittelt.
Die Kurskosten betrugen 4 632 Euro; davon haben sich die vier Teilnehmer sowie die Referentin aus Mecklenburg-Vorpommern mit der Bezahlung der Flugreise (je 353 Euro) an der Finanzierung beteiligt, sodass die Gesamtkosten für das NLI 3 288 Euro (und damit für den Landeshaushalt) betrugen. Für die zwei niedersächsischen Kursleiter und den
niedersächsischen Referenten wurden alle Kosten übernommen, obwohl deren Kosten wegen der vom Land bezahlten Flugreisen deutlich über denen vergleichbarer Veranstaltungen in Niedersachsen liegen. Die Kursleiter bzw. Referenten erhielten eine Entschädigung im Umfang von 100 bis 250 Euro. Die gezahlten Entschädigungen sind mit Blick auf den Umfang ihrer Leistungen inakzeptabel.
Der gesamte Finanzierungsplan hätte vom zuständigen Dezernenten nicht genehmigt werden dürfen. Auch hierin liegen zahlreiche Gründe dafür, den Kurs abzusagen. Im Zuge der dienstlichen Vorermittlungen werden daher auch Regressansprüche geprüft. Wir werden jeden Euro zurückhalten, der zu Unrecht gezahlt worden ist.
Der vorliegende Arbeitsplan stellt eine Mixtur aus Referaten zu unterschiedlichsten Umweltthemen, Informationsveranstaltungen zum türkischen Schulsystem und dem Stand der Umweltbildung an den Schulen, zur Lehrerausbildung in Niedersachsen, Gesprächen mit Vertretern des Hotels, einem Bürgermeister, einem Schulrat und einem Dozenten - mit mehr oder weniger erkennbaren Bezügen zum Thema und zur Zielsetzung des Kurses und der Durchführung touristischer Aktivitäten.
Eine stringente Hinführung auf die Kursziele ist nicht erkennbar. Es entsteht eher der fatale Eindruck, dass das vorrangige Ziel darin bestand, während der Unterrichtszeit einen Kurs in einem Vier-Sterne-Hotel in der Türkei mit einem exklusiven Personenkreis durchzuführen und dafür einen Arbeitsplan vorzulegen, der den Anschein von sinnvoller Fortbildung erweckt.
Die genaue Prüfung des Arbeitsplans hätte ebenfalls zur Absage führen müssen. Es bleibt auch hier im weiteren Verlauf der Ermittlungen zu prüfen, warum der Arbeitsplan unbeanstandet blieb und nicht zum Anlass für die Absage des Kurses genommen wurde.
Nach dem RdErl d. MF v. 4. Februar 1999 (Hin- weise zur Auslandsreisekostenverordnung) gibt es für Fortbildungsveranstaltungen im Ausland einen Zustimmungsvorbehalt durch das Kultusministerium, „wenn das MK mit der Bekanntgabe der Fortbildungsveranstaltung der Teilnahme auch außer
halb der unterrichtsfreien Zeit zugestimmt hat“. Warum diese Fortbildungsreise ins Ausland - während der Unterrichtszeit - dem Kultusministerium nicht zur Genehmigung vorgelegt worden ist, wird im Zuge der weiteren Ermittlungen geklärt.
Nach Bekanntwerden des „Türkeikurses“ sind die Bezirkregierungen und das NLI umgehend auf diese Regelung mit der Bitte um Beachtung hingewiesen worden.
Zu 1: Ein Antrag mit der Bitte um Zustimmung für diesen Kurs, der in der Unterrichtszeit stattfand, an das Kultusministerium erfolgte nicht. Eine Genehmigung durch das Kultusministerium, wie sie in der Frage unterstellt wird, ist nicht eingeholt worden.
Zu 2: Die Unterstellung, es handele sich um eine „nachträgliche Ablehnung“ des Kurses, wird zurückgewiesen. Es geht hier nicht nur um formale Gründe, weshalb der Kurs hätte abgelehnt werden müssen. Es geht hier um das Ansehen von Fortbildungsveranstaltungen und Missbrauch solcher Veranstaltungen.
Zu 3: Ich nehme meine politische und dienstliche Verantwortung wahr und habe deshalb sofort Konsequenzen gezogen. Hier ist gegen eindeutige Verantwortlichkeiten und gegen die Regelungen verstoßen worden. Hier ist meines Erachtens auch unsensibel gehandelt und dadurch dem Ruf der Fortbildung geschadet worden. Ich stelle mich deshalb ausdrücklich vor die Lehrkräfte des Landes, die ihre Fortbildung verantwortungsvoll wahrnehmen und deren Ansehen durch solche Verhaltensweisen mit geschädigt wird.