Die Gefahr, dass Debatten zeitlich völlig ausufern könnten, hat die Enquete-Kommission überhaupt nicht gesehen. Ich meine, alle, die vielleicht jetzt innerlich bedenklich den Kopf wiegen und sich fragen, ob das mit der Aufhebung der Redezeiten geht, darf ich darauf hinweisen, dass es vor 1982 in diesem Haus diese Art der Begrenzung nicht gegeben hat.
Das Parlament hat damals gut damit gelebt. Ich meine, wir sollten den Mut haben, dort wieder anzuknüpfen und dies zu tun.
Zur weiteren Belebung unserer Arbeit schlägt Ihnen die Kommission auch vor, das Instrument der Kurzintervention insbesondere bei Dringlichen Anfragen und Kleinen mündlich zu beantwortenden Anfragen einzuführen.
Eine wesentliche Veränderung unserer Arbeit wird sicherlich auch die empfohlene Reduzierung der Zahl der Ausschüsse bringen. Sie soll der Zahl der Ministerien angepasst werden.
Wie vorhin schon erwähnt wurde, hat die EnqueteKommission mit Mehrheit, aber nicht einstimmig empfohlen, einen eigenständigen Petitionsausschuss einzurichten. Wir haben dazu eine Anhörung durchgeführt. Ich verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass sich die SPD-Fraktion insgesamt für diesen Vorschlag nicht sonderlich erwärmen kann. Wichtig ist für uns nicht die Adresse, an die die Bürger ihre Petition schicken, wichtig ist die gute fachliche Beratung der Petitionen, und die ist in unseren Fachausschüssen gewährleistet.
Man kann - das empfiehlt sich - Veränderungen beispielsweise auch in der Außendarstellung der Petitionsarbeit vornehmen, mit einem jährlichen Petitionsbericht, mit einer besseren Aufbereitung der Erfolgsstatistik und Ähnlichem.
Wenn wir uns allerdings an Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen orientieren wollten, die in der Anhörung auch vorgetragen haben, dann müssten wir mit nicht unerheblichen Kosten für das Land einen eigenen Verwaltungsapparat für einen Petitionsausschuss aufbauen.
Ich will des Weiteren kurz darauf hinweisen, dass es von den Oppositionsfraktionen eine Reihe von Vorschlägen für zusätzliche Minderheitenrechte gegeben hat. Wir haben all diese Vorschläge diskutiert, und sie wurden alle mit Mehrheit von der Kommission abgelehnt. Die Enquete-Kommission hat noch einmal deutlich gemacht: Demokratie beruht auf dem Mehrheitsprinzip. Das darf man nicht über eine Geschäftsordnung aushebeln. Die Verantwortlichkeiten müssen klar und eindeutig bleiben.
Sehr ausführlich hat sich die Enquete-Kommission mit den Fragen Budgetierung des Landeshaushaltes, neue Steuerungsmodelle und Kontrollmöglichkeiten des Parlaments beschäftigt. Auch dazu haben wir Anhörungen durchgeführt. Sie können das alles sehr ausführlich in unserem Bericht nachlesen. Wenn ich ein kurzes Fazit daraus ziehen darf, dann sieht das so aus: Auf allen politischen Ebenen, in den verschiedensten Bundesländern gibt es Bestrebungen, über Budgetierung und neue Steuerungsmodelle die Haushaltsführung zu verändern, sie wirtschaftlicher und flexibler zu gestalten. Wir haben auch festgestellt: Es gibt keinen Königsweg, sondern viele verschiedene Varianten. Alle, die wir
Die niedersächsische Enquete-Kommission betrachtet diesen Weg grundsätzlich als positiv. Wir sind der Überzeugung, dass es ein fortlaufender Prozess ist, der noch lange nicht am Ende ist, den das Parlament mit Aufmerksamkeit begleiten muss, wobei es beim Fortschreiten von Veränderungen gemeinsam darauf zu achten hat, dass unsere Rechte als Parlament in diesem Bereich nicht geschmälert werden.
Im vierten Teil unseres Auftrages, liebe Kolleginnen und Kollegen, ging es auch um verfassungsrechtliche Grenzen bei der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen. Ich will hier noch einmal das Thema Stiftungen aufgreifen. Es ist richtig, wie mein Kollege Althusmann gesagt hat, dass wir dazu den Landesrechnungshof gehört haben und dass die Enquete-Kommission empfiehlt, die Einrichtung von Stiftungen auf Einzelfälle zu beschränken. Wir haben in der Enquete-Kommission nicht über das neue Hochschulgesetz diskutiert. Das war nicht unsere Aufgabe.
Die Einrichtung von Stiftungen durch das Land hat zur Folge - das ist sicherlich unbestreitbar -, dass Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten sowie Kontrollmöglichkeiten des Parlaments auch in finanzieller Hinsicht beschnitten werden. Wie schon ganz deutlich wurde, haben besonders die Kollegen auf der rechten Seite des Hauses große Bedenken geäußert. Festzuhalten ist aber: Das Land hat seit 1961 acht Stiftungen privaten Rechts eingerichtet, bei denen das Land der alleinige Stifter ist. Sieben dieser acht Stiftungen - ich wiederhole: sieben dieser acht Stiftungen - wurden in der Regierungszeit Albrecht eingerichtet. Zu der Zeit hatte offensichtlich die Opposition nicht die Bedenken, die sie heute deutlich zu machen versucht.
Zum letzten Teil unseres Auftrages kann ich mich kurz fassen. Es ging um weitere Kontrollfunktionen bei Staatsverträgen, Verwaltungsabkommen
und Ähnlichem. Da hat die Enquete-Kommission sehr deutlich auf unsere Niedersächsische Verfassung hingewiesen, die uns einerseits in Artikel 24 deutlich macht, dass wir jedes Fragerecht haben und dass die Landesregierung selbstverständlich die Fragen zu beantworten hat. Artikel 25 umfasst eine so genannte Bringeschuld der Landesregierung, von sich aus dem Parlament Informationen zu geben. Für weitere Unterrichtungspflichten über diese beiden Artikel hinaus sah die Kommission keinerlei Raum.
Ich habe am Anfang darauf hingewiesen, dass Existenz und Fortbestand des Landtages - man kann auch sagen: der Landtage schlechthin - im ersten Teil unseres Berichtes das gewichtigste Thema waren. Manche sehen bei den unbestreitbaren Kompetenzverlusten der Landesparlamente den Föderalismus in der Krise. So weit will ich nicht gehen. Ich sehe aber durchaus eine Erosion von Rechten und Veränderungen, die nicht alle positiv sind. Es liegt an uns, den Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages - lassen Sie mich das noch einmal ganz deutlich sagen -, diesen Prozess zu stoppen und umzukehren. Der Konvent der Landtagsabgeordneten muss der erste Schritt dazu sein.
Mein letzter Satz: Die Enquete-Kommission hat trotz unterschiedlicher Positionen und Auffassungen zu Detailpunkten diesen Bericht einstimmig verabschiedet. Das macht deutlich, dass wir auch gemeinsam Veränderungen wollen. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, bevor Kollege Schröder beginnt, darf ich noch darauf hinweisen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen in den Zimmern, die das jetzt hören, bitte in den Plenarsaal bewegen mögen, damit ich die Beschlussfähigkeit feststellen kann. Deshalb klingeln wir auch.
(Minister Senff betritt den Plenarsaal - Plaue [SPD]: Jetzt sind wir beschluss- fähig! Wenn Europa da ist, sind wir beschlussfähig!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten uns mit unserem Einsetzungsbeschluss ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm vorgenommen. Es reicht vom Verfahren im Ausschuss bis hin zur Kompetenzordnung auf der Ebene der Europäischen Union. Der seinerzeit vorgesehene Zeitplan, um dies alles abzuarbeiten, kann im Nachhinein eigentlich nur als aberwitzig bezeichnet werden. Dennoch ist das Ergebnis sehr vorzeigbar, auch wenn wir nicht alle Themen mit der gleichen Tiefe bearbeiten konnten. Dies verdanken wir in besonderer Weise den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, denen auch ich an dieser Stelle ausdrücklich danken will.
Das Arbeitsklima in der Kommission empfand ich als angenehm. Angenehm war insbesondere, dass die Diskussionen weniger von den Fraktionen vorgeprägt waren, als wir es sonst aus den Ausschüssen kennen. Dazu haben ganz wesentlich die Sachverständigen beigetragen. Die sind zwar von den Fraktionen benannt worden, haben sich aber sehr schnell von ihnen emanzipiert. Diese Sachverständigen waren in mehreren Situationen der eigentliche Motor für weitergehende Reformdiskussionen, wenn wir Abgeordneten vielleicht doch zu stark von unserer eigenen Binnensicht gefangen waren. Auch dafür will ich ausdrücklich allen externen Mitgliedern der Enquete-Kommission danken.
Ich komme nun zu den Ergebnissen der Arbeit. Nur kurz will ich auf die Stellung der Landesparlamente im Bundesstaat und im Verhältnis zur Europäischen Union eingehen. Wir haben als Kommission der Versuchung widerstanden, die hundertste Wiederaufführung der Föderalismusdebatte zu inszenieren. Diese Debatte wird seit Jahren geführt, viele Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch, nur, politische Durchsetzungskraft hatten sie bisher alle nicht. Die Niedersachsen gelten ja als eher bodenständig und pragmatisch, und deswegen haben wir uns auf die praktische Seite dieses Problems konzentriert. Im nächsten Frühjahr wird der erste Konvent der deutschen Landesparlamente zusammentreten. Auch das ist ein erster Erfolg unserer Arbeit. Aber bei der Verabschiedung einer gemeinsamen Resolution - ähnliche gab es bereits von der Konferenz der Landtagspräsidenten - darf es diesmal nicht bleiben.
Meine Damen und Herren, die Gesetze kommen aus Brüssel und Berlin, den Rest macht der Ministerpräsident, das Kommissionswesen blüht, das
Parlament verkümmert. Wir haben uns deshalb gefragt, wie dem Bedeutungsverlust des Parlaments durch Staatsverträge, durch die Verlagerung von politischen Entscheidungsprozessen in Kommissionen, an Runde Tische, in Ministerkonferenzen sowie durch neue Modelle der Haushaltsplanung und –bewirtschaftung - Budgetierung, Globalhaushalte und Stiftungsmodelle - begegnet werden kann. Die Antwort war insgesamt ernüchternd: Es liegt hauptsächlich an uns selbst, ob wir uns nachsagen lassen müssen, im Wesentlichen nur mit dem Schutz von Kormoranen und der Gestaltung von parlamentarischen Abenden befasst zu sein, ob wir uns als Entschließungs- und Anfrageparlament verstehen und ansonsten die Musik eben nicht beim Parlament, sondern bei der Exekutive spielt.
In der Verfassungswirklichkeit geht es eben nicht um das Verhältnis zwischen Parlament und Exekutive, sondern um das Wechselspiel zwischen Regierung und der sie tragenden - manchmal auch ertragenden - Landtagsmehrheit einerseits und der Opposition andererseits. Sehr konkret geht es deshalb um die Frage, wie wir künftig im Plenum und in den Ausschüssen arbeiten wollen, wie wir Minderheitenrechte ausgestalten, wie wir die Arbeit des Landtages aktueller, lebendiger, aber auch für die Öffentlichkeit interessanter und transparenter machen. Deutlich wird dies vielleicht am Vergleich unseres jetzigen Plenums mit den Vorstellungen für eine Neugestaltung des Plenums.
Statt wie jetzt an drei Tagen mit über 50 Tagesordnungspunkten wollen wir kürzer und öfter tagen, alle drei Wochen zwei Tage. Die Tagesordnung für den heutigen Vormittag sah ursprünglich vor: Wattenmeer, Verbraucherschutz, Kabelnetze, Forderungen von Polizeidirektoren aus jedem Dorf ein Hund -, und diese bizarre Mischung geht am Nachmittag so weiter. Wir wollen eine stärkere thematische Strukturierung der Tagesordnung. Es sollen inhaltlich zusammenhängende Punkte zusammenhängend beraten werden, unabhängig davon, ob sie in erster oder zweiter Beratung verhandelt werden.
Sie haben vorhin wieder einmal das Spiel der Dringlichen Anfrage erlebt. Sie kennen diese Fragen, die eingeleitet werden mit „vor dem Hintergrund“,
nur eine Frage zugelassen ist. Dies soll durch die Bemerkung oder Kurzintervention ersetzt werden, sodass man wahlweise eine kurze, knappe Frage stellt oder aber seinen Meinungsbeitrag leistet. Damit wären derartige sprachliche Verrenkungen, wie wir sie immer wieder erleben, nicht mehr notwendig.
Morgen in der Fragestunde werden drei bis fünf, und zwar die ältesten, Fragen behandelt. Die Kommission schlägt Ihnen ein Modell vor, in dem sich die Fraktionen darauf verständigen, welche Frage so interessant ist, dass sie mündlich, durch Nachfragen vertieft, behandelt wird. Trotzdem soll das Fragerecht der einzelnen Abgeordneten nicht zu kurz kommen. Es gibt immer wieder Beschwerden darüber, dass die Landesregierung ihr unangenehme Fragen unerträglich verschleppt und verzögert. Wir schlagen ein Modell vor, das eine 14-tägige Beantwortungsfrist vorsieht. Oft ist es besser, schnell eine Antwort zu haben, als eine wissenschaftliche Expertise ein halbes Jahr später.
Die bisherige Tagesordnung sieht vor, dass die wichtigen und die vielleicht auch weniger wichtigen Themen über den gleichen zeitlichen Leisten geschlagen werden und dass wir hier im 35-Minuten-Rhythmus einen Schichtwechsel der Fachabgeordneten haben. Wenn beispielsweise das Thema Innenpolitik durch ist, gehen die betreffenden Abgeordneten hinaus, und dann kommen die nächsten, um ein sozialpolitisches Thema zu verhandeln. Wir schlagen einstimmig vor, auf Redezeitregulierungen zu verzichten. Das ermöglicht es auch, zu einem Thema mehrere Redner zu Wort kommen zu lassen, damit auch verschiedene Sichtweisen in den Fraktionen deutlich zu machen und verschiedene Aspekte ein und desselben Themas anzusprechen.
Das soll kein Freibrief für Dauerredner sein. Leider können wir keine Regelungen für die Landesregierung treffen. Sie alle kennen dieses Phänomen, dass eine Kleine Anfrage zu einer 20-minütigen Regierungserklärung umgestaltet wird und es dann heißt: Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen mit Ja, Nein, Entfällt. Leider lässt sich das nicht ganz ausschließen. Dennoch erhoffen wir uns mit diesen Vorschlägen eine Wiederbelebung unserer Debattenkultur. Der erwünschte Nebeneffekt ist, dass vielleicht häufiger deutlich wird, dass dem
Wir wollen gemeinsam eine Reduzierung der Ausschüsse, im Wesentlichen zugeschnitten auf die Ministerien der Landesregierung, wobei klar sein muss, dass es für Sonderthemen Ad-hocAusschüsse geben muss oder dass wir auch die Möglichkeit behalten müssen, für Querschnittsfragen einen Ausschuss einzurichten. Die Ausschusssitzungen sollen im Normalfall öffentlich stattfinden. Wir wollen außerdem ein Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse, also die Möglichkeit, dass sich die Ausschüsse auch selbst ein Thema setzen können, ohne dass es ein überwiesener Beratungsgegenstand ist.
Die gestrige Sonderunterrichtung des Rechtsausschusses war eigentlich schon an der Grenze dessen, was die Geschäftsordnung zulässt. Wir wollen, dass die Ausschüsse selbstverständlich in der Lage sind, sich ihre Themen selbst vorzugeben.
Die Grenzen der Gemeinsamkeiten wurden sehr schnell deutlich, als es um die Minderheitenrechte ging. Hier geht es ja gar nicht um die Weitergeltung des Mehrheitsprinzips - natürlich müssen alle Entscheidungen durch eine Mehrheit legitimiert sein -, sondern es geht um Gestaltungs- und Initiativrechte der Landtagsminderheit, beispielsweise das Zitierrecht in den Ausschüssen, die Möglichkeit, eine Ausschusssitzung einzuberufen, oder auch darum, gegen den Willen der Mehrheit eine Anhörung zu einem Thema durchzusetzen. Das wollte die SPD-Fraktion leider nicht mitmachen.
Besonders umstritten war die Einrichtung eines Petitionsausschusses. Ich weiß, die Meinungen gehen quer durch die Fraktionen, und es gibt auch für unser bisheriges Verfahren nachvollziehbare Argumente. Aber ausschlaggebend war für mich, dass wir nicht die besseren Ministerialbeamten sind, die rein sachorientiert im jeweiligen Fachausschuss eine Petition behandeln. Unsere Stärke liegt in der Vermittlung zwischen Bürgerinnen und Bürgern einerseits und der Verwaltung andererseits. Das machen wir ohnehin ständig, auch jenseits einer eigentlichen Eingabe. Uns steht es gut an, genau diese Kompetenz stärker zu betonen und stärker herausstellen. Das gelingt mit einem Petitionsausschuss. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns. Seit Jahren erreichen uns Briefe, die an den nicht existenten Ausschuss gerichtet
sind. Die Wahrnehmung dieses Grundrechtes auf Petition ist eben die deutsche Realität. Ein Petitionsausschuss erleichtert es uns auch, diese Arbeit nach außen deutlicher zu machen, beispielsweise in Form eines jährlichen Petitionsberichtes, in dem wir zeigen können, wo es uns als Parlament gelungen ist, zwischen den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und dem, was der Staat leisten kann oder leisten muss, zu vermitteln.