Protocol of the Session on November 20, 2002

Meine Damen und Herren, in seinen zwei Amtsjahren hat Christian Pfeiffer mehr für den Opferschutz getan als alle politischen Initiativen der CDU-Fraktion in diesem Haus. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn Sie den Justizminister fair behandeln würden, dann würden Sie ihm nicht ausgerechnet die Vorträge vorhalten, die Sie

früher, als er noch nicht Justizminister war, hier beklatscht haben. Das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD - Schünemann [CDU]: Da war er in einer anderen Funktion! Das ist nicht seine Aufga- be!)

- Herr Schünemann, was soll denn dieser Unfug? Natürlich hat der Justizminister auch die Aufgabe, überall im Land dafür zu sorgen, dass die Rechtsordnung dieses Landes, Opferschutz und eine Politik zugunsten der Opfer diskutiert werden.

(Schünemann [CDU]: Er muss doch sein Haus in Ordnung bringen!)

Das ist eine seiner Aufgaben. Ich bin stolz darauf, dass Christian Pfeiffer Mitglied dieses Kabinetts ist.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Amtsantritt von Justizminister Professor Dr. Pfeiffer ist die Errichtung einer Stiftung „Opferhilfe“ zügig umgesetzt worden. Niedersachsen nimmt in Sachen Opferhilfe derzeit bundesweit eine herausragende Position ein und verfügt wie kein anderes Bundesland über ein flächendeckendes Angebot von regionalen Opferhilfebüros, die mit professionellen Helfern besetzt sind. Aus Mitteln der Landesstiftung wird zudem täglich Opfern von Straftaten finanzielle Hilfe und Unterstützung geleistet. Diese Kombination aus regionalen Hilfebüros und Landesstiftung macht die Opferhilfe in Niedersachsen effektiver als in jedem anderen Land in Deutschland.

Nach der Errichtung der Stiftung durch Herrn Pfeiffer im September letzten Jahres sind in einer enormen Kraftanstrengung bis zum August 2002 alle Opferhilfebüros in jedem Landgerichtsbezirk eingerichtet worden. Damit ist das ursprünglich gesetzte Ziel, die Opferhilfebüros im Laufe des Jahres 2002 einzurichten, weit im Voraus erfüllt worden. Aus Mitteln der Stiftung sind bereits 150 000 Euro an über 1 000 Menschen ausgezahlt worden. Meine Damen und Herren, der Justizminister des Landes Niedersachsen redet nicht nur, er handelt, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt auch keinen Grund, Herr Schünemann, dem Land Niedersachsen angebliche Versäumnisse bei der Personalausstattung bei Staatsanwaltschaften oder Gerichten vorzuwerfen. Die Staatsan

waltsdichte in Niedersachsen lag bereits Ende 2000 über dem Bundesdurchschnitt und ist jetzt noch weiter gestiegen. Wir haben im Zuge der Terrorismusbekämpfung im Haushalt 2002 insgesamt 60 neue Stellen geschaffen, darunter 25 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Viele andere Bundesländer konnten ihre Personalverstärkung nicht bzw. nicht in diesem Umfang vornehmen. Die niedersächsischen Staatsanwaltschaften sind Spitze bei der Erledigung ihrer Ermittlungsverfahren im Bundesvergleich. Im Jahre 2000 haben sie ihre Verfahren bundesweit am schnellsten abgeschlossen; 2001 waren sie die Zweitschnellsten in der Republik. Darin war noch nicht die genehmigte Personalaufstockung bei den Staatsanwälten enthalten. Es gibt kein Problem bei der Personalausstattung. Die Richterdichte liegt mit 22 Richterinnen und Richtern pro 100 000 Einwohner zwar knapp unter dem Bundesdurchschnitt von 23. In Niedersachsen wird dies jedoch durch einen deutlich höheren Prozentsatz der in Strafsachen eingesetzten Richterinnen und Richter mehr als ausgeglichen. Im Bundesdurchschnitt beträgt dieser Anteil nur 35 %, in Niedersachsen 38 %. Christian Pfeiffer braucht sich also von der CDU-Fraktion hier im Landtag keinen Vorwurf gefallen zu lassen.

Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, hier jetzt als große Opferschützer aufspielen, dann müssen Sie genau belegen, wo Sie in den vergangenen Jahren etwas für den Opferschutz getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schünemann, ich kenne keinen Änderungsantrag der CDU-Fraktion hier im Landtag zum Doppelhaushalt 2002/2003, mit dem die Forderung nach einer Aufstockung des Personalbestandes in der Justiz über die von uns geschaffenen 60 Stellen hinaus verbunden gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Wahrheit, Herr Schünemann. Sie können ja hier Ihre Anträge vorlegen, falls ich mich irren sollte. Das wird Ihnen aber nicht gelingen.

Die so genannten parlamentarischen Initiativen der CDU-Fraktion sind in Wirklichkeit Anfragen, die nie zu einer konkreten parlamentarischen Initiative geführt haben. Spätestens mit Amtsantritt des Opferschutzministers Pfeiffer hat es die CDU-Fraktion dann ganz aufgegeben, auf Landesebene irgendwelche Versäumnisse im Opferschutz in die Debatte zu bringen.

Die jetzt - nun kommt es, Herr Schünemann - eingebrachte Große Anfrage zur Situation der Justiz in Niedersachsen stellt keine Eigenleistung der Union dar, sondern ist in großen Teilen eine wortwörtliche Übernahme und Abschrift einer Anfrage der schleswig-holsteinischen FDP-Fraktion.

(Lachen und Beifall bei der SPD)

Wir kennen ja die Methode, Herr Schünemann, dass derjenige, der in Zukunft für Datenschutz zuständig sein will, inzwischen Daten von anderen herbeizaubert. Das ist eine interessante Entwicklung, bei der offensichtlich bei den politischen Plagiaten keine Grenzen mehr gesetzt werden.

Die Frage - das ist viel interessanter, meine Damen und Herren - nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wegen übermäßiger Verfahrensdauer stellt die CDU-Fraktion in ihrer Großen Anfrage aber überhaupt nicht mehr.

(Plaue [SPD]: Hört, hört!)

Es hat also bisher für Sie überhaupt keinen Anlass gegeben, an den Aussagen der Landesregierung zu zweifeln. Dafür gibt es auch guten Grund.

(Plaue [SPD]: So ist es!)

Ich will aber nicht verschweigen, dass die CDUFraktion im März dieses Jahres tatsächlich noch so etwas wie einen Antrag zur Stärkung und Verbesserung des Opferschutzes im Strafprozessrecht gestellt hat. Doch wenn man diesen Antrag durchliest, ist man in der Tat ratlos. Eine konkrete Forderung nach einer Betonung des Opferschutzgedankens im Haftrecht findet sich in diesem Antrag jedenfalls nicht. Immerhin erhebt die Union in diesem Antrag die zentrale Forderung, den TäterOpfer-Ausgleich künftig als Opfer-Täter-Ausgleich zu bezeichnen. Da wissen wir, wie ernst Ihre Opferschutzinitiativen gemeint sind!

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Ganz genau!)

Da Sie nicht wissen, was Sie konkret zur Verbesserung des Opferschutzes tun sollen, will ich Ihnen noch einige Hinweise zur Politik der Landesregierung geben. Das geltende Haftrecht der Strafprozessordnung räumt den verfahrenssichernden Haftgründen der Flucht, der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr ein Übergewicht ein. Dem Schutz der Allgemeinheit versucht es durch den Haftgrund der Wiederholungsgefahr Rechnung zu tragen. Dieser jedoch findet keine Anwendung,

wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls wegen Flucht, Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr vorliegen. Ein Opfer schützendes Haftrecht bedarf daher einer Änderung. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr bedeutet Opferschutz; er muss gleichrangig nicht subsidiär zu den das Strafverfahren sichernden Haftgründen der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr angewendet werden. Das Gericht muss nach geltendem Recht einen Haftbefehl besonders begründen. Ich finde, es soll in Zukunft auch begründen, wenn es gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl aufhebt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Das müssen sie doch immer!)

Ich bin sehr für die Unabhängigkeit der Gerichte, aber ich bin auch dafür, dass man zu der Entscheidung verantwortungsbewusst steht und dies der Öffentlichkeit erläutert.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bei einer Haftprüfung nach sechs Monaten soll das Oberlandesgericht den Haftbefehl in Zukunft nur aufheben dürfen, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit zu verantworten ist. Schließlich soll ein Sicherungshaftbefehl, wie ihn die Staatsanwaltschaft beantragt hat, immer dann ergehen können, wenn jemand unter Bewährung steht, einer neuen Tat dringend verdächtig ist und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Verurteilte weitere Gewalttaten begehen wird. Wir müssen fragen, wie wir die Bevölkerung vor Kriminellen und Gewalttätigen besser schützen können.

Meine Damen und Herren, wir werden uns aber - dafür stehe ich gerade - auch damit auseinander setzen, wie wir Justizminister Christian Pfeiffer vor blindwütigen Angriffen der CDU-Fraktion schützen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Wi- derspruch bei der CDU - Lindhorst [CDU]: Aktiver Opferschutz!)

Meine Damen und Herren, ich habe gestern versucht, herauszufinden, ob es irgendwo in Deutschland einen vergleichbaren Fall gegeben hat, in dem eine Opposition einen solchen perfiden Versuch unternommen hat, unter dem Titel „Vermeidbare Mordopfer durch Straftäter - Minister Pfeiffer hält Vorträge“ mit Mord Politik zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben. In keinem der hunderte von Fällen, in denen ein Untersuchungshaftbefehl aufgehoben worden ist, hat es eine derartige Veranstaltung gegeben, wie sie die CDU-Fraktion hier in Niedersachsen vorführt. Ich will Ihnen nur klar machen: Es gibt nirgendwo einen Vorwurf, den man Justizminister Pfeiffer machen könnte. Meine Damen und Herren, wir sollten versuchen, alles dafür zu tun, um unsere Bevölkerung zu beschützen. Aber wir sollten solche Fälle in Ruhe analysieren und auch die wirklichen Gründe dieses Problems klären.

Ich sage Ihnen jetzt einmal, was Ihr Generalsekretär seit Tagen öffentlich zu diesem Thema sagt: Keep it simple and stupid. - Mach' es einfach und dumm.

(McAllister [CDU]: Nein, das habe ich nicht gesagt!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Das mag der Methode Ihres Generalsekretärs besonders entgegenkommen. Dagegen kann ich nichts tun. Aber ich frage mich, ob es angemessen ist, so, nämlich stupid, mit solchen Fällen umzugehen.

(Schünemann [CDU]: Eben nicht!)

- Ich habe sehr genau gelesen, in welcher Tonlage, mit welchem Sprachgebrauch Herr McAllister durch die Lande zieht und über Mitglieder der Regierung redet.

(Schünemann [CDU]: Das ist eines Ministerpräsidenten nicht würdig! Das muss ich einfach mal sagen!)

Das hat mit meinem Verständnis von Umgang untereinander, bei aller Härte in der Sache, nichts zu tun.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Möll- ring [CDU]: Der ist auch noch sensi- bel, der Herr!)

- Nein, nicht sensibel, Herr Möllring. Das muss man sich, wenn man Sie kennt, abgewöhnen. Stupid und simple ist in der Tat die Art und Weise, wie Sie in Niedersachsen Wahlkampf machen wollen. Ich sage Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen. Das machen die Menschen in Niedersachsen nicht mit, und Sie tun der Rechtsordnung in Deutschland keinen Gefallen.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Herr Ministerpräsident hat die mit der Landesregierung vereinbarte Redezeit - bzw. mehr als diese Redezeit - in einem Stück genutzt.