Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will kurz deutlich machen, wo ich einen solchen Modellversuch zumindest für überlegenswert halte: Wenn die Fußfessel dazu beiträgt, Haft zu vermeiden, ist der Versuch möglicherweise sinnvoll. Tut sie es nicht, dann soll man es lassen. Darauf kann man sich wohl schnell verständigen.
Es gibt im Grunde vier Teilbereiche, von denen ich glaube, dass sie vom Herrn Minister nicht ausreichend angesprochen worden sind.
Der erste Bereich ist die Außervollzugsetzung von Untersuchungshaftbefehlen. Es war ja auch Teil des hessischen Modellversuchs, dass man sagte: Ja, wir können das verantworten, wenn der Betreffende eben eine solche Fußfessel trägt und wir relativ schnell mitkriegen, ob er sich verflüchtigt oder aber da bleibt, wo er sein soll, und das Verfahren abwartet.
Im zweiten Bereich geht es um „Wackelkandidaten“, wie man justizintern sagt, also um Täter, bei denen die Richter erst einmal schwere Bedenken haben, noch einmal auf Bewährung zu erkennen, und bei denen eine zusätzliche Sicherung erforderlich ist, entweder durch intensive Betreuung durch einen Bewährungshelfer oder vielleicht ergänzt durch eine solche elektronische Sicherung.
Der dritte Bereich betrifft diejenigen, die gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben, also die Bewährungsversager, bzw. diejenigen, die Meldepflichten nicht eingehalten und sich nicht regelmäßig bei ihrem Bewährungshelfer gemeldet haben. Bei diesem Personenkreis müssten wir möglicherweise ein bisschen die Schrauben anziehen, aber nicht gleich zurück ins Gefängnis.
Viertens haben wir - da muss ich Ihnen widersprechen - leider eine erstaunlich große Gruppe von Menschen, die in Niedersachsen aus den verschiedensten Gründen relativ kurze Freiheitsstrafen
verbüßen müssen. Ich meine Ersatzfreiheitsstrafen, aber auch kurze Freiheitsstrafen wegen Cannabis, wegen Schwarzfahrens, wegen illegaler Einreise und anderem mehr, die sich auf drei, vier, fünf oder sechs Monate addieren. Auch hier wäre dieses Instrument möglicherweise ein Ansatz. Falls es zur Haftvermeidung beiträgt, will ich darüber unideologisch diskutieren. Wenn es aber nicht taugt darüber können wir ja in den Ausschussberatungen näher diskutieren -, dann müssen wir wahrscheinlich andere Wege gehen. - Schönen Dank.
Eben diese Ausschussüberweisung bitte ich Sie jetzt zu beschließen. Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein, und mitberaten soll der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“. Wenn Sie so beschließen möchten, bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Vielen Dank.
Tagesordnungspunkt 28: Umsatzsteuerbetrug international noch besser bekämpfen - Vorbild „Schwetzinger Erklärung“ zur deutsch-französischen Amtshilfe auch im deutschniederländischen Verhältnis sinnvoll - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3590
Dieser Antrag soll vereinbarungsgemäß direkt an die Ausschüsse überwiesen werden. Federführend tätig werden soll hier der Ausschuss für Bundesund Europaangelegenheiten. Mitberaten soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Damit haben Sie so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Konkursverschleppung beim niedersächsischen Landeshaushalt - Notgesetz erforderlich - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3591
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern ist während der Aktuellen Stunde einmal mehr die Frage angesprochen worden: Wie ist die Entwicklung angesichts der schrecklichen Finanzsituation? - Ich wäre nicht darauf gekommen, dieses Thema noch einmal anzusprechen. Der Ministerpräsident aber hat meine damalige Tätigkeit zitiert. Herr Möhrmann hat dies auch noch einmal getan. Deshalb müssen Sie jetzt ertragen, wenn ich noch einmal in das eintauche, was war. Nun ist es ja so, dass man Vergangenheitsbewältigung als Vergangenheitsbewältigung betreiben kann, was aber ziemlich langweilig wäre und einem auch nicht viel nützt. Wenn man sich aber die Vergangenheit vor Augen führt, um daraus für die Zukunft zu lernen, kann dies durchaus etwas Vernünftiges sein. Das will ich jetzt gern versuchen.
Es ist richtig: Wir haben Ende der 80er-Jahre versucht, durch Einsparungen wieder Luft für den Haushalt zu gewinnen. Viele, die damals dabei gewesen sind, erinnern sich daran. Heiner Aller war damals als finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion dabei. Ich habe es schon häufig gesagt: Es gab niemanden, der gegen das, was wir versucht haben, mit schlimmerer Polemik vorgegangen ist. Aber nicht nur mit Polemik, die in der Politik durchaus ein probates Mittel sein mag, was ich gar nicht bestreiten will. Ich will auch nicht sagen, dass man dieses Mittel nicht anwenden darf. Er hat aber versucht - das nehme ich ihm auch heute noch ein Stück weit übel -, die Menschen emotional aufzustacheln.
„Hinter den Personaleinsparungen verbergen sich nicht nur die Schicksale derjenigen, die betroffen sind oder nicht eingestellt werden, sondern
auch die Beeinträchtigungen für diejenigen, die durch verminderte Dienstleistungen des Landes und der Kommunen letztlich mittelbar betroffen werden.“
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Dieser Satz passt nun wirklich eklatant gut zu dem, was wir derzeit in Niedersachsen im Bereich der Finanzpolitik erleben. Der passt wirklich gut!
Wir haben - er weiß, worüber ich rede – Veranstaltungen durchgeführt, z. B. beim Landesversorgungsamt, das ja zur Disposition stand, weil die Kriegsjahrgänge nun einmal wegstarben. Er hat die Leute dort aufgestachelt und gesagt: Diese unsozialen CDU-Leute freuen sich darüber, wenn Sie euch etwas antun können. - Dass ihr nicht gespart habt, dass ihr die Sparpolitik von damals nicht fortgesetzt habt, führt aber jetzt dazu, dass ihr noch viel schlimmere, unsozialere Maßnahmen ergreifen müsst.
Meine Damen und Herren, man kann es drehen und wenden, wie man will. Die Zeitungen berichten darüber. Ich muss es nicht zitieren; jeder weiß es. Noch nie in der Geschichte unseres Landes war ein Finanzminister verantwortlich für derart desolate Finanzen, wie dies heute der Fall ist. Noch nie hat ein Finanzminister noch mehr Schulden gemacht als Heiner Aller, der hier sitzt.
Meine Damen und Herren, um es auch Ihnen, Herr Schack, deutlich zu machen, sage ich es jetzt noch einmal einfach. Selbst wenn alle freiwilligen Leistungen des Landes gestrichen würden, stünden wir immer noch vor der Notwendigkeit - so sehr haben Sie nämlich den Haushalt an die Wand gefahren -, viele hunderte Millionen Schulden zu machen. In dieser Feststellung liegt die ganze Tragödie dieses Haushalts. Es nützt Ihnen nämlich nichts, wenn Sie durch Veräußerungen einmalige Einnahmen bewirken. Der Haushalt ist strukturell nicht in Ordnung. Das haben Sie leider nie begriffen.
all das irgendwann einmal begonnen hat. 14 Tage vor der Regierungsübernahme gab Joke Bruns viele kennen ihn - ein Interview und erklärte, dass er in Gerhard Schröders Schattenkabinett als Finanzminister vorgesehen sei. Mit ihm gebe es keine Politik der Verschuldung. Zur Verwirklichung des Zehn-Punkte-Programms sei es auch nicht notwendig, neue Schulden zu machen.
Meine Damen und Herren, dann hat man die Regierung übernommen, hat 1,6 Milliarden DM an Rücklagen verpulvert und trotzdem mehr Schulden gemacht.
- Das ist relativ einfach, meine Damen und Herren. Ich kann es Ihnen zeigen. Das ist nicht eine Frage der Semantik, sondern eine schlichte Feststellung der Tatsache, dass Sie die nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen - um es klar zu sagen - Ihrerseits 1990 und 1991 in Anspruch genommen haben. Das ist nicht zu bestreiten.
Die Dinge gingen aber noch weiter. 1991 schrieben die beiden Staatssekretäre Neuber und Scheibe einen Brief, aus dem ich jetzt zitieren möchte:
„Es läßt sich vielmehr erkennen, daß neue Politik ganz überwiegend additiv zu alten Programmen und Maßnahmen verwirklicht werden soll. Dies widerspricht der ausdrücklichen politischen Ansage der Landesregierung.“
Jetzt kommt der letzte Satz. 1991 bereits haben diese Leute Sie auf die Situation aufmerksam gemacht.
„die Neuverschuldung in der Legislaturperiode auf unter 10 Milliarden zu begrenzen, nicht verwirklichen.“
Nun wird in der Diskussion immer wieder die Frage gestellt: Wie ist die damalige Finanzpolitik eigentlich zu bewerten gewesen? - Bezüglich dieser Frage habe ich mir gedacht, dass ich nicht die
CDU oder irgendeine Presse zitieren sollte, sondern das, was die Sozialdemokraten selbst dazu geschrieben haben. Das ist die Mipla für das Jahr 1991, die ich hier in den Händen halte. Sie wurde unterschrieben von Gerhard Schröder als Ministerpräsident. Ich zitiere aus der Statistik – Kreditfinanzierungsquote - folgenden Satz, lieber Herr Schack:
„Die Grafik zeigt, daß es auch nach dem Förderzinseinbruch 1987 gelungen ist, den kontinuierlichen Abbau des kreditfinanzierten Anteils an den Gesamtausgaben des Landes fortzusetzen.“
Wir haben damals gedacht: Wir müssen einmal versuchen, uns auch abseits all dieser Dinge, die wir kennen, ein objektives Urteil über die tatsächliche Finanzsituation des Landes geben zu lassen. Wir haben das RWI gebeten - größter Anteilseigner ist das Land Nordrhein-Westfalen, parteipolitisch ja hoffentlich noch unverdächtig; „leider“ kann ich aus Sicht der CDU nur sagen -, ein Gutachten zu erstellen. Aus diesem Gutachten aus dem Jahr 1994 möchte ich jetzt einmal zitieren. Dort heißt es: