Protocol of the Session on August 29, 2002

Die anstehende Osterweiterung ist kein Grund für die grundlegende Reform zum jetzigen Zeitpunkt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der WTOVerhandlungen und der Vereinbarungen mit den neuen Mitgliedstaaten müssen rechtzeitig die Grundlagen für eine Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik ab dem Jahre 2007 erarbeitet werden. Eine Verknüpfung der Verhandlungen zur Osterweiterung, wie von der Bundesregierung gewollt, mit der so genannten Agrarreform zum jetzigen Zeitpunkt wird von uns abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Entkopplung der Direktbeihilfen stellt einen Systemwechsel dar. Eine Umsetzung der Vorschläge im laufenden Planungszeitraum der Agenda 2000 ist verfrüht und wird von uns abgelehnt. Der vorliegende Vorschlag der Europäischen Kommission zur Entkopplung der Direktbeihilfen von der Produktion stellt einen diskussionswürdigen Ansatz dar, der jedoch mehr Fragen offen lässt, als dass er Antworten gibt. Die geplante Umstellung auf eine produktionsunabhängige Pauschalzahlung je Betrieb wird zudem nicht konsequent verfolgt, da einzelne produktionsbezogene Beihilfen beibehalten und sogar neue eingeführt werden sollen. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist ebenso zu klären wie die regional gegebenenfalls erheblichen Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Einkommen, auf den Bodenmarkt und auf den Strukturwandel. Deshalb sind die Vorschläge vor einer abschließenden Bewertung eingehend zu prüfen, auch unter Berücksichtigung der für Herbst 2002 angekündigten Konkretisierungsvorschläge der Europäischen Kommission.

Meine und Damen und Herren, der weitere Ausbau der zweiten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik

wird von uns grundsätzlich unterstützt, wie wir bereits im Landtag deutlich gemacht haben. Dabei darf die Planungssicherheit in Bezug auf die Direktzahlungen nicht in Frage gestellt werden. Deshalb dürfen bei Einführung einer obligatorischen Modulation finanzielle Umschichtungen aus der ersten in die zweite Säule nur moderat vorgenommen werden. Die Mittel sollten vorrangig zur Stärkung der betrieblichen Wirtschaftskraft Verwendung finden. Die Modulationsmittel müssen in der jeweiligen Region verbleiben und der Landwirtschaft wieder zur Verfügung gestellt werden. Die vorgesehene Neuverteilung der Modulationsmittel auf der Grundlage so genannter objektiver Kriterien wird nachdrücklich abgelehnt. Die Modulationsmittel müssen für alle Maßnahmen der ländlichen Entwicklung einschließlich der Investitionsförderung eingesetzt werden können. Das Förderspektrum ist um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, der Einkommenswirksamkeit, der Qualitätssicherung, der Tiergesundheit und des Tierschutzes zu ergänzen. Die vorgeschlagene zeitliche Begrenzung und Degressivität entsprechender Fördermaßnahmen wird abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Kommissionsvorschläge zur Änderung der Marktordnungen gehen deutlich über die im Rahmen einer Halbzeitbewertung notwendige Anpassung hinaus.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Die allgemeine Senkung der administrativen Preise und die Abschaffung der Reports bei Getreide führen bei einer teilweisen Kompensation durch Direktzahlungen zu zusätzlichen Einkommensverlusten und können so nicht akzeptiert werden. Die Marktordnungen müssen in ihren Kernelementen erhalten bleiben. Einzelne Änderungen, wie beispielweise bei der Roggenintervention, können nur schrittweise in Verbindung mit einer Stärkung alternativer Verwertungsmöglichkeiten und mit geeigneten Kompensationsmaßnahmen einer Lösung zugeführt werden.

Die spezielle Förderung für den Anbau von Eiweißpflanzen wird begrüßt. Dies sollte jedoch innerhalb der Agrarumweltmaßnahmen durch eine flächenbezogene Eiweißprämie umgesetzt werden. Ein innovativer Ansatz zur Förderung regenerativer Energien sollte alle Möglichkeiten der alternativen Verwendung pflanzlicher Rohstoffe gleichberechtigt berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, der Verbraucherschutz und die Einhaltung von Mindestanforderungen zur guten fachlichen Praxis sind unabhängig von irgendwelchen finanziellen Zuwendungen unabdingbare Voraussetzungen für jede Form der Landbewirtschaftung und Tierhaltung in Europa. Die gute fachliche Praxis ist bereits bisher in verschiedenen Fachgesetzen geregelt. Eine unmittelbare Verknüpfung von Direktbeihilfen mit der guten fachlichen Praxis ist unter der Voraussetzung vertretbar, dass sie auf der Basis EU-einheitlicher Standards einschließlich entsprechender leicht prüfbarer Kontrollkritierien erfolgt. Weitergehende Maßnahmen müssen über spezifische Agrarumweltprogramme abgegolten werden können. Dies gilt auch für die Festlegung einer ökologischen Flächenstilllegung.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Halbzeitbewertung halten wir folgende Regelung für notwendig: Angesichts der Vorschläge zur obligatorischen Modulation ist auf die Einführung des Modulationsgesetzes in Deutschland ab dem Jahre 2003 zu verzichten. Im Rahmen der Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2007 sollte die Verpflichtung zur vollständigen und dauerhaften nationalen Kofinanzierung bei den entkoppelten Direktzahlungen eingeführt werden. Die Vorlage eines Gesamtkonzepts durch die Kommission ist unerlässlich. Es sollte die Weiterentwicklung der Agrarpolitik nach 2006, die Aspekte der WTO-Folgeverhandlungen, die EUErweiterung, die Strukturpolitik sowie übergreifende Fragen der Finanzierung einschließen.

Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Landwirtschaft hängt in entscheidendem Maße davon ab, welche politischen Weichenstellungen in Europa getroffen werden. Daher sollten wir uns die Zeit nehmen, die gegenwärtigen und zukünftigen Vorschläge sachgerecht zu diskutieren. Der vorliegende CDU-Antrag bietet hierzu eine angemessene Grundlage. - Schönen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Der Kollege Stolze hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Halbzeitbewertung durch EU-Agrarkomissar Fischler hat viele politisch Handelnde und offensichtlich auch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, überrascht. Mich nicht! Denn nach der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema konnte Ähnliches erwartet werden.

Wie so häufig bei Ihren Anträgen ist auch dieser populistisch, nichtssagend und auf die Verunsicherung des Berufsstandes der Bauern gezielt. Sie sagen immer wieder: Wir wollen die Osterweiterung. Aber hier machen Sie es wie in allen anderen Bereichen der Politik auch: Zur Umsetzung sagen Sie Ja, Finanzierung Fehlanzeige.

Ich persönlich habe die Osterweiterung im Agrarsektor immer kritisch gesehen, weil mir klar war, dass es keine finanzielle Ausweitung des EUAgrarhaushaltes geben wird. Dies zeichnet sich jetzt auch ab.

(Oestmann [CDU]: Das stimmt nicht!)

Es lag auf der Hand, dass die Finanzierung zulasten der jetzigen Mitgliedsländer gehen musste. Mir wäre es lieber, Herr Oestmann, dem wäre nicht so. Das können Sie mir wirklich glauben. Ich will beileibe den Ländern und besonders unseren Landwirten in Niedersachsen kein Geld nehmen, aber ich stelle mich der politischen Diskussion, der Realität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nationale Einführung der Modulation auf Bundesebene zeigt, dass wir auf dem richtigen Wege sind;

(Zuruf von Oestmann [CDU])

denn bei der nationalen Maßnahme bleiben die Mittel für den Bund bzw. für die Länder erhalten, auch wenn bei den Kofinanzierungen der zweiten Säule 20 % Landesmittel erforderlich sind.

Modulation auf europäischer Ebene sagt zunächst einmal das Gleiche aus. Hier besteht aber ein gewisses Risiko, dass die Gelder nicht wieder in die Länder zurückfließen. Eine freiwillige Modulation auf nationaler Ebene müsste demzufolge auch Ihre uneingeschränkte Zustimmung erhalten.

(Biestmann [CDU]: Ausgesetzt wer- den!)

Sie wollen die Modulationsmittel ausschließlich in die Landwirtschaft zurückführen, wie Sie in Ihrem Antrag angeführt haben.

(Kethorn [CDU]: So ist es!)

Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir in der Landwirtschaft einen jährlichen Strukturwandel von 3 % haben. Würden wir dieses Geld allein in landwirtschaftliche Betriebe zurückführen, wäre dies ein Schlag in das Gesicht derjenigen Landwirte, die heute und morgen ausscheiden müssen; denn sie werden allein gelassen. De facto würden wir so immer weniger Bauern immer mehr staatliche Mittel zur Verfügung stellen.

(Biestmann [CDU]: Vorruhestand - ja oder nein? - Zuruf von Kethorn [CDU])

- Darauf komme ich gleich noch, Herr Kethorn. Bleiben Sie ganz ruhig. - Daher plädiere ich für eine Verwendung der Mittel aus der Modulation analog zu PROLAND, d. h. Stärkung der ländlichen Räume und Unterstützung aller der in ihnen Lebenden, im Besonderen auch eine indirekte Unterstützung derer, die aus der Landwirtschaft gedrängt wurden.

(Coenen [CDU]: Wie wollen Sie die- sen Spagat machen?)

Die aktuelle Situation in vielen Bereichen unseres Landes macht deutlich, dass auch die zweite Säule Unterstützung erfahren muss. Ich meine hiermit nicht den Naturschutz; vielmehr gilt es, die Auffassungen zum Hochwasserschutz sowie zu Feuchtund Überschwemmungsgebieten zu überdenken. Ich bin der Auffassung, dass dies ein wesentlicher Punkt der Reform sein muss.

Meine Damen und Herren, die Entkopplung der Direktzahlungen halte ich für sinnvoll; denn auch wir - diesbezüglich sitzen wir alle in einem Boot fordern den Abbau der Agrarbürokratie.

Die Glaubwürdigkeit der Aussagen der CDUFraktion zu mehr Tier- und Umweltschutz kommt hier erneut auf den Prüfstand. Hier helfen keine Lippenbekenntnisse, sondern hier ist handeln gefragt. Neue Tierschutz- und Agrarumweltmaßnahmen in Verbindung mit Entschädigungen für Einbußen und Kosten durch Verpflichtungen, die über gesetzliche Aufgaben hinausgehen, sind neben der Entkopplung zentrale Punkte. Niedersachsen ist in diesem Bereich bereits vorbildlich, doch sind die

Fischler-Ansätze weitere sinnvolle Vorschläge, die der Umsetzung bedürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch beim Verbraucherschutz ist Niedersachsen vorbildlich - ein Thema Fischlers nicht erst seit der Halbzeitbewertung. Wir haben ein Landesamt für Verbraucherschutz eingerichtet, das die Verbrauchersicherheit in Zukunft enorm verbessern wird. Ich will nicht vermitteln, dass man schon alles im Griff habe, aber es wurde auf Probleme reagiert, die gelöst werden mussten, um die Verbraucher und auch die Landwirte wirksam zu schützen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen verfügt über eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit guten unternehmerischen Fähigkeiten. Jeder dieser Landwirte muss und wird sich diesen Herausforderungen stellen. Jeder Landwirt wird seine Produktionsrichtung angesichts dieser Veränderungen für sich entscheiden. Sicherlich werden viele Landwirte erkennen, dass das Streben nach den höchsten Erträgen und den größten Flächen nicht mehr der einzige Weg sein muss. Sie werden auch erkennen, dass mit einer Produktions- und Wirtschaftsweise, die gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich gewünscht wird, ein höherer Stellenwert der Nahrungsmittel erreicht werden kann.

Gerade aufgrund des finanziellen und gesellschaftlichen Drucks auf die Landwirtschaft wird es in naher Zukunft zu Veränderungen kommen; so viel ist sicher. Die Notwendigkeit einer Reform wird daher von niemandem mehr bestritten, meine Damen und Herren. Vieles haben die Vorschläge von Herrn Fischler offen gelassen. Von daher ist es schwierig, diese zum jetzigen Zeitpunkt abschließend zu würdigen. Allerdings muss das Ziel dieser Vorschläge als richtiger Ansatz für die Unternehmer verstanden werden, sich den Herausforderungen zu stellen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diesen Antrag im Ausschuss vor dem Hintergrund beraten, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir die Landesregierung nicht auffordern sollten, gemeinsam mit dem Landvolkverband eine Basis für 2006 zu schaffen.

(Kethorn [CDU]: Das wäre aber ver- nünftig!)

Vielmehr möchte ich gemeinsam mit den Parlamentariern von der CDU-Fraktion, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, von der SPD-Fraktion und mit der Landesregierung unter Beteiligung des Landvolkes die Umsetzung dieser Vorschläge erarbeiten. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Kollege Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDUFraktion und Bauernverband sind wankelmütige Gesellen, wenn es darum geht, Zuneigung zu verteilen. Das muss jetzt auch Agrarkommissar Fischler erleiden. Als vor drei Jahren über die Agenda 2000 diskutiert wurde, war er angesichts seiner Vorschläge noch der große Buhmann, vor einem Jahr aber bekam er von Ihrer Seite viel Lob, weil er als vermeintlicher EU-Fels in der Brandung seinen Dienst gegen die rot-grüne Agrarwende aus Berlin geleistet hat. Im Moment ist er aber wieder unten durch, weil er mit seinen Ausführungen zur Halbzeitbilanz daran erinnert hat, was 1999, Herr Kollege Biestmann, alles unerledigt geblieben ist.

Wir jedenfalls begrüßen seine Vorschläge; denn sie stellen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik dar. Außerdem - das ist ja nun das, was Sie so besonders ärgert - stärken und bestätigen Sie den Agrarwendekurs der rot-grünen Bundesregierung im nationalen Bereich.

(Biestmann [CDU]: Eine großzügige Auslegung!)

Wir wollen, Herr Biestmann, nicht blockieren, wie Sie es tun - ich glaube, Sie haben in Ihrem Redebeitrag 25-mal die Wendung „wird abgelehnt“ verwendet -, sondern wir wollen diesen Prozess mit gestalten. Lassen Sie mich deshalb kurz auf die drei wichtigsten Reformdiskussionen eingehen.

Der Ersatz der bisherigen produktionsgebundenen Direktzahlungen durch eine betriebsbezogene Einkommenspauschale ermöglicht eine am Markt und nicht eine an einer Prämienoptimierung orientierte Erzeugung. Die vorgesehene Bindung der Zahlungen an die Einhaltung von Verbraucher-, Umweltund Tierschutzstandards sichert die öffentliche

Akzeptanz dieser Grundprämie. Die Menschen unterstützen nämlich die Honorierung der gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft, nicht jedoch die Finanzierung von Überschüssen aus Steuergeldern.

Folgende Eckpunkte sollten aus unserer Sicht allerdings berücksichtigt werden: Eine Berechnung der Grundprämie, die sich ausschließlich an einem zurückliegenden Referenzzeitraum orientiert, wäre nur ein unzureichender Reformschritt, weil sie die bestehenden Ungerechtigkeiten des bisherigen Systems natürlich konservieren und zementieren würde. Grundlage sollten deshalb alle landwirtschaftlichen Flächennutzungen sein, um die bisherigen prämienbedingten Nachteile der Grünlandregionen zu beseitigen.

Aus ökologischen Gründen und auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sollten auch die so genannten unproduktiven Flächen - also Hecken, Gräben und andere Landschaftselemente - eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einbezogen werden. Wir kennen die Schwierigkeiten, die das immer gemacht hat. Durch die Verknüpfung der Zahlungen mit der Einhaltung von Standards des Umwelt- und Tierschutzes sowie der Lebensmittelsicherheit darf kein neuer Verwaltungsaufwand geschaffen werden. Dies kann, wie vorgeschlagen, durch betriebsbezogene Audits erreicht werden, die aus der Förderung der ländlichen Entwicklung entsprechend unterstützt werden sollen. Solche Audits werden im Zuge der verbesserten Qualitätssicherung ohnehin Standard werden. Zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen haben wir jetzt darüber hinaus die Chance, diese Standards EUweit zu harmonisieren.

Die Einführung einer dynamischen Modulation - das ist die zweite Diskussion - ist ein sinnvoller Weg zur Umorientierung der Direktzahlungen. Diese stufenweise Umsetzung in einem absehbaren Zeitraum bietet den Betrieben die Möglichkeit, sich in Ruhe darauf einzustellen. Die Umverteilung der eingesparten Mittel in die Verordnung „Ländliche Räume“ schafft neue Chancen für die Entwicklung strukturschwacher Regionen und die Förderung einer nachhaltigen und verbraucherorientierten Landwirtschaft.