Protocol of the Session on August 28, 2002

(Busemann [CDU]: Sie brauchen nichts zu überstehen! Sie sind bald ohne Regierungsverantwortung!)

Meine Damen und Herren, wenn die Lage wirklich so schwierig ist, wie es die Opposition hier heute sagt,

(Fischer [CDU]: Sie sind doch sonst so solide!)

dabei dann aber völlig vergisst, was sie denn selber in dieser Lage tun würde, will ich noch einmal erinnern: Es gibt die altbekannte Forderung unserer Opposition, die Bezirksregierungen aufzulösen,

(Beifall bei der CDU)

und man meint, mit dieser Auflösung könne man 10 000 - ich betone: 10 000 - Stellen einsparen.

(Fischer [CDU]: Wer sagt das?)

Dazu will ich Folgendes feststellen, Herr Mölling: Erstens. Es gibt im Umfeld der Bezirksregierung nur 4 800 Stellen. Zweitens. Wir haben insgesamt schon 10 000 Stellen in Abgang oder gestrichen gestellt. Und wir haben in dem Bereich, den auch Sie nicht angreifen wollen,

(Zurufe von der CDU)

insgesamt nur noch 30 000 Stellen im Haushalt. Was soll also Ihre Forderung nach einem Abbau von 10 000 Stellen, und wie soll sie umgesetzt werden?

(Zurufe von der CDU)

Sie können das nur lösen, wenn Sie den Gemeinden die Aufgaben übergeben, die heute die Bezirksregierung durchführt. Die Landkreise werden sich dafür bei Ihnen herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Möhrmann, möchten Sie eine Frage des Kollegen Busemann beantworten?

Nein, das möchte ich nicht.

(Busemann [CDU]: Schisser!)

Meine Damen und Herren, Sie können an diesem ersten Beispiel sehen, wie seriös sich unsere Opposition in der Frage der Finanzpolitik bewegt.

Es gibt einen zweiten Punkt. Man fragt sich: Welche Anträge kommen denn eigentlich von der Opposition? In Kenntnis der Finanzlage - wenn sie so schlimm wäre, wie Herr Möllring sie hier beschreibt - dürfte sie eigentlich nur noch Forderungen stellen, irgendetwas zu streichen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie sind für das Ausgeben und wir für die Sparvorschläge!)

Aber was passiert heute Morgen wieder? Es wird angekündigt: Morgen bekommen wir einen Antrag zum Thema „Dreimal 40 %“. Das ist ja interessant.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen einmal die Folgen aufzeigen: Wenn die Staatsquote von heute 48,5 % auf 40 % gesenkt wird, bedeutet das für das Land Niedersachsen insgesamt eine Minderausgabe im staatlichen Bereich von - ich betone - 9 Milliarden Euro. Wer so etwas in die Welt bringt und dann sagt, das bezahlen wir nach dem 22. September, weil wir dann die Wahl gewinnen und die Umstände besser werden, der weiß ganz genau, dass er den Mund sehr voll nimmt. Ihnen wird kein Wähler auf den Leim gehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das würde gleichzeitig bedeuten, dass all die Verkehrsinvestitionen, die wir gemeinsam mit dem Bund anschieben wollen - immerhin ein Volumen von 4 Milliarden Euro -, überhaupt nicht mehr stattfinden können.

Ein weiterer Punkt: Sie reden über eine Schieflage der Steuerreform, weil angeblich Spitzenverdiener davon bevorteilt werden. Der Ministerpräsident hat Ihnen heute Morgen gesagt, wer die Hauptanteile bei der Verschiebung der Steuersenkung trägt.

(Fischer [CDU]: Es geht doch um die Freistellung von Veräußerungsgewin- nen! Das ist doch der Punkt! 23 Milliarden!)

Ich will dazu nur ergänzen, meine Damen und Herren: Wenn man Ihrem Vorschlag folgte, den Spitzensteuersatz auf 40 % zu senken, würde das einer Mindereinnahme von 43 Milliarden Euro entsprechen, zehn Punkte davon bei uns in Niedersachsen. Das bedeutet, dass die Spitzenverdiener daran einen gewaltigen Anteil haben würden.

Wenn Sie der Auffassung sind, die Lage sei wirklich ernst, dann dürfen Sie Ihre haushaltswirksamen Anträge nicht mehr stellen, dann müssen Sie sie zurückstellen. Ich will noch einmal die Zahlen der ersten drei Jahre, von 1998 bis Juni 2001, nennen: 120 haushaltsrelevante Anträge mit Mehrbelastungen und nur vier Anträge, die im Haushalt zu Entlastungen führen würden. Der letzte Haushaltsantrag und die Haushaltsrede von Herrn Wulff würden bedeuten: 4 Milliarden Euro zusätzliche

Belastung. Das ist unglaubwürdig, und man kann Sie an dem Punkt nicht ernst nehmen.

(Zuruf von Möllring [CDU])

Das werden die Wähler am 2. Februar auch nicht tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Kollege Golibrzuch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neun Jahre SPD-Alleinregierung belegen: Der Landeshaushalt ist nicht unkaputtbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie leiden nicht nur unter wegbrechenden Steuereinnahmen, sondern werden jetzt auch eingeholt von den Versäumnissen der Vergangenheit. Sie behaupten, eine Reihe von Investitionsprojekten wie den vorzeitigen Lückenschluss der A 31, den geplanten Tiefwasserhafen und das bereits gebaute Emssperrwerk solide durchfinanziert zu haben. Sie haben sich eine Weltausstellung geleistet und auch den Luxus, einen aussichtslosen Prozess gegen die Brigitta-Erdgas-GmbH bis in die letzte Instanz durchzuklagen. Das sind ländergemachte Probleme, das sind spezifisch niedersächsische Probleme, das sind hausgemachte Probleme dieser Landesregierung.

Sie haben 1998 angekündigt, mehr als 5 500 Stellen im Landesdienst abbauen zu wollen. Wenn man sich den aktuellen Haushaltsplan vor Augen führt, stellt man fest, dass das Gegenteil erreicht worden ist. Natürlich wurden diese Stellen gestrichen - das ist eine Bruttobetrachtung -, aber netto haben Sie heute mehr Stellen im Landeshaushalt als damals, und zwar deshalb, weil Sie die notwendigen Mehrausgaben in der Bildungspolitik nicht durch die erforderlichen Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert haben. Das werfen wir Ihnen vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir sagen, Sie werden von eigenen Versäumnissen eingeholt, ist das ein Blick auf das Innenministerium. Seit zwölf Jahren diskutieren wir in diesem Hause die Versäumnisse bei den polizeilichen Assistenzdiensten. Es ist doch uner

träglich, dass wir jetzt bereits in der dritten Legislaturperiode darüber diskutieren, wie man dort zu Einsparungen kommen kann, und Sie sich einen Gutachter - noch dazu einen Untauglichen - holen, der Ihnen das Altbekannte noch einmal aufschreibt.

Wir lesen im rundblick der letzten Woche, dass die norddeutschen Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt zu einer Kosten sparenden Kooperation in der Logistik und im gemeinsamen Einkauf kommen, übrigens auch bei den Statistischen Landesämtern. Wir lesen dann weiter: Eine Kooperation Niedersachsens mit Hamburg kommt bei den Statistischen Landesämtern gänzlich nicht in Frage, weil diese bereits mit Schleswig-Holstein kooperieren und eine Fusion der Rechenzentren dort vorantreiben. - Ja, was ist denn das für ein Argument? Das heißt doch nur, dass hier im Finanzministerium lange geschlafen worden ist, während die Hütte längst gebrannt hat und andere Bundesländer bereits über solche Kosten sparenden Kooperationen nachgedacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben in dem Bereich jahrelang Schulden angehäuft, noch und noch mehr Schulden. Was wirklich unerträglich ist, haben wir Ihnen beim letzten Mal schon vorgerechnet: Tag für Tag nehmen Sie mit dem verabschiedeten Doppelhaushalt durch verdeckte und offene Kreditaufnahme rund 5 Millionen Euro zusätzliche Schulden auf, und gleichzeitig haben Sie ein zusätzliches Defizit von ebenfalls 5 Millionen Euro täglich zu gewärtigen, und zwar durch die Belastungen im Landeshaushalt als Folge der wegbrechenden Steuereinnahmen. Das heißt, wir haben, jedenfalls unter finanziellen Gesichtspunkten, in Niedersachsen sozusagen täglich Expo, wenn man sich nur diese Bilanz anschaut. Sie haben hier Jahr für Jahr neue Schulden aufgehäuft. Und mich regt wirklich auf, Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich, nachdem man das jahrelang getrieben hat, heute Vormittag hier hinstellen und sagen: Ich bekenne freimütig: Wir haben in der Vergangenheit viel zu viele Schulden aufgenommen, auch in Niedersachsen.

(Schurreit [SPD]: Insbesondere Sie!)

Seit 1994 hat diese SPD-Alleinregierung 40 % aller bis heute aufgelaufenen Landesschulden angehäuft.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Es ist nicht die Politik, es sind auch nicht wir, die diese Schulden angehäuft haben, sondern es ist diese SPD-Alleinregierung, die seit 1994 Schulden in diesem Umfang angehäuft hat. Und wenn Sie sich dann einen Gutachter wie Roland Berger hier ins Haus bestellen - auch so eine Schnapsidee der Staatskanzlei; ich kenne niemanden im Finanzministerium, der dieses Gutachten gewollt hat -, muss man sich einmal anschauen, was diese Gutachter aufschreiben.

(Zurufe von der SPD)

Sie faseln wieder von Public Private Partnership. Etwas völlig Neues! Sie legen ein Gutachten vor, das ungefähr die Qualität des Gutachtens hat, mit dem diese Firma die Wirtschaftlichkeit der Luxushirnklinik INI prognostiziert hat.

(Zuruf von Frau Pothmer [GRÜNE])

Das ist auch dieselbe Firma, die die Prognose gestellt hat für das wunderbare Wirtschaftswachstum, das durch die Weltausstellung Expo ausgelöst werden sollte. Von dieser Firma kenne ich bisher nicht ein Gutachten, das für Niedersachsen Zahlen prognostiziert hätte, die im Nachhinein tatsächlich belastbar gewesen wären.